Big History
Stichworte
Basiswissen
Vom Urknall
Schon früh versuchten Wissenschaftler, das Wissen ihrer Zeit in ein Gesamtschau des Kosmos zu bringen[1]. Unter dem Stichwort Big History werden (vor allem in den USA) seit den frühen 2000er Jahren unter anderem Hochschul-Vorlesungen angeboten und Publikationen herausgegeben[6], die diesen Anspruch heute fortsetzen wollen: Urknall, Evolution, lebende Sterne und die Entstehung globaler Überwesen sind beispielhafte Themen. Das ist hier kurz vorgestellt.
Typische Aspekte und Fragen der Big History
Big History an Hochschulen soll vor allem Fachgrenzen überwinden und die Geschichte des Kosmos aus möglichst vielen Blickwinkeln her beleuchten. Hier stehen einige Teilgebiete von Wissenschaft, die im Sinne einer Big History zusammen gedacht werden können:
- Die Welt der Menschen in einem großen Sinngefüge Mythos ↗
- Die Welt als religiös und logisch greifbar Ganzes Scholastik ↗
- Der physikalische Kosmos vom Anfang bis zum Ende Kosmologie ↗
- Die Geschichte der Erde, geologisch und biologisch Erdgeschichte ↗
- Naturwissenschaft, der Mensch, Sinn und Religion natürliche Religion ↗
- Die nächsten Jahrzehnte der Menschheit (sozial) Zukunftsforschung ↗
- Die nächsten Jahrhunderte oder Jahrtausende der Menschen Futurologie ↗
- Die Jahrmillionen und Jahrmilliarden Zukunft spekulative Evolution ↗
Big History im Verhältnis zu Forschungsrichtungen
Kosmologie, Erd- und Naturgeschichte, Geschichte oder Naturphilosophie: im deutschen Sprachraum gibt es eine Reihe von Worten, die einzelne Aspekte einer Big History bezeichnen. Dabei erhebt keine der so betrachteten Disziplinen den Anspruch, eine Gesamtschau herzustellen, in der die Rolle des Menschen innerhalb des Kosmos untersucht wird. Genau diesen Anspruch will aber Big History mit beinhalten.
Einige Naturphilosophen im Sinne von Big History
- Die Evolution hin zur Vergeistigung Jan Christian Smuts[2] ↗
- Die letzten und die ersten Menschen William Olaf Stapledon[3] ↗
- Naturphilosophisch, hohes Niveau Carl Friedrich von Weizsäcker[4] ↗
- Von der Vergangenheit in die Zukunft Howard Bloom[8] ↗
- Siehe auch unsere Liste von Naturphilosophen ↗
Sinn als blinder Fleck von Big History?
Betrachtet man sich verschiedene Seiten im Internet zum Thema Big History ähneln die Übersichten meist einer rein additiven Nebeneinanderstellung verschiedenster Themen zur Kosmologie, Evolution und Geschichte. Dabei werden Querbezüge un durchgängige Motive angedeutet: Prinzipien der chemischen oder biologischen Evolution oder verschiedene kosmologische Trends. Dabei stellt oft das Gefühl ein, Teil einer großen Geschichte zu sein, nicht aber das Gefühl einer sinnhaften Bestimmung. Die Frage nach dem Wozu bleibt meist unberührt. Wozu sind die Naturgesetze genau so, wie sie sind? Wie kann ein endliches Universmus Sinn bieten? Was überhaupt ist Sinn? Kann es eine Realität im Widerspruch zu (naturwissenschaftlicher) Rationalität geben? Verfügen die Religionen über ernstzunehmende Wissensquellen? Ist Bewusstsein eine notwendige Voraussetzung für Sinnhaftigkeit? Wenn solche Fragen nicht mitgedacht werden, droht das Projekt der Big History im Stadium eines Panoptikums von spannenden aber letzendlich doch bruchstückhaften Kuriositäten stecken zu bleiben. Hier folgen einige Aspekte, die von Big History mitgedacht werden sollten, um letztendlich als Ansatz hin zu einer sinnstiftenden Weltanschauung gelangen zu können, in denen die Naturwissenschaften eine vielleicht notwendige aber möglicherweise nicht hinreichende Rolle spielen.
- Ganz allgemein das gefühlte Bedürfnis nach einem Sinn des Lebens ↗
- Warum ist die Welt so wie sie ist und nicht anders Kontingenz ↗
- Das Ganze und jeder Teil ist wichtig Whiteheadsche Kohärenz ↗
- Haben wir Einfluss auf den Ablauf der Welt? Freier Wille ↗
- Ist die Welt für Menschen geschaffen? Anthropismus ↗
- Ist der Weltablauf vorgezeichnet? Weltprozess ↗
Fußnoten
- [1] Christiaan Huygens: Cosmotheoros. Deutsch: Weltbeschauer, oder vernünftige Muthmaßungen, daß die Planeten nicht weniger geschmükt und bewohnet seyn, als unsere Erde. Zürich, 1767; eine weitere deutsche Übersetzung von v. Wurzelbau erschien 1703 sowie 1743 in Leipzig. Siehe auch Kosmotheoros [Buch] ↗
- [2] Jan Christian Smuts: Holism and Evolution. The Macmillan Company. New York. 1926. Siehe auch Holismus und Evolution [Buch] ↗
- [3] Last and First Men (1930). Deutsch: Die letzten und die ersten Menschen. Heyne (Bibliothek der Science Fiction Literatur), 1983, ISBN 3-453-30960-X. Siehe auch Olaf Stapledon ↗
- [4] Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur: Zwölf Vorlesungen. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag. 1958.
- [5] Hartmut Bastian: Und dann kam der Mensch - Die Vorgeschichte der Erde. Ullstein Verlag. 1959.
- [6] David Christian: Big History. Die Geschichte der Welt - Vom Urknall bis zur Zukunft der Menschheit. Piper Verlag. 2020. ISBN: 978-3492242553.
- [7] Hoimar von Ditfurth: Im Anfang war der Wasserstoff. dtv Verlag. 1994. ISBN: 978-3423330152.
- [8] Howard Bloom: The Lucifer Principle: A Scientific Expedition into the Forces of History. Atlantic Monthly Press, 1995, ISBN 978-0-87113-532-2. Siehe auch Howard Bloom ↗
- [9] J. D. Bernal: The World, the Flesh & the Devil. An Enquiry into the Future of the Three Enemies of the Rational Soul. Foyle Publishing. 1929. Siehe auch John Desmond Bernal ↗
- [10] Big History und die Evolution der Menschheit: "Many major transitions are currently underway in demography, energy use, environment, economic convergence, and global interdependence. With so much rapid change, often timescales for decisions are limited to about five years in the future. It is somewhat paradoxical then that this current rapid change is guiding us to look at very long time-scales." Und: "To place the accelerating trend of complexity in the context of Big History, we need to distinguish the two forms (arms) of megaevolution so far in the Universe. The first arm of megaevolution is the decelerating development of physical matter and energy into galaxies, stars, and planets from the initial Big Bang. The second arm of megaevolution is the accelerating rate of complexity evolution in the form of life, humans, and civilizations." In: Alexander Panov, Alexander, David LePoire, Andrey Korotayev, Leonid Grinin. Evolution and Singularity. In: Social Studies. Abgerufen am 29. Februar 2024. Eurasian Center for Big History & System Forecasting. Russian Academy of Sciences. Online: https://www.sociostudies.org/almanac/articles/introduction-_evolution_and_singularity/
- [11] Der Systemtheoretiker Valentin Turchin (1931 bis 2010) sah in der Geschichte und der Evolution die Möglichkeit für eine "kreative Unsterblichkeit": "I will call creative immortality the idea, in one form or another, that a mortal human being contributes something to the ongoing universal and eternal process, which can be called Evolution, or History, both with capital letters. I call it Evolution, because contemporary science tells us that human history is but a small part of the universal cosmic process." In: Valentin Turchin: A Dialogue on Metasystem Transition. The City College of New York. July 12, 1999. Dort im Kapitel "The Future of the World" auf Seite 58. Turchin nennt sein Überwesen Superbeing ↗