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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Wärmetod

Physik-Dystopie

Basiswissen


Der Wärmetod[8], seltener auch Kältetod[9] oder Big Freeze[15], ist ein hypothetischer aber denkbarer Endzustand des Universums: die Materie siecht in einer leblosen, breiigen Eintönigkeit gleichtemperierter Ereignislosigkeit daher. Die Grundidee ist, dass ohne Temperaturunterschied keine mechanische Arbeit mehr möglich ist, und damit auch kein sinnvolles Leben mehr. Dazu stehen hier historische Zitate.


Dieses Bild ist für das Verständnis des Textes nicht wichtig. Das Bild wird im Text nicht erwähnt.
Im Zustand überall gleicher Temperatur findet im Universum kein sinnvolles Leben mehr statt. Was noch lebt, befindet sich in einem siechen Zustand fortschreitender Degeneration. Diese Dystopie war Ende des 19ten Jahrhunderts populär.

Gedankengang hin zum Wärmetod


Bei jeder Energieumwandlung entsteht etwas mehr Wärmeenergie im Kosmos. Durch diesen Umstand gleichen sich Temperaturunterschiede im Kosmos immer mehr aus. Am Ende ist die Temperatur überall im Kosmos dieselbe. Diesen Zustand nennt man thermisches Gleichgewicht. Aus einem thermischen Gleichgewicht kann aber keine mechanische Arbeit mehr gewonnen werden. Für Leben in uns bekannter Form ist aber Arbeit im physikalischen Sinne unbedingt notwendig. Fazit: der Kosmos strebt einem unausweichlichen Zustand kompromissloser Lebensfeindlichkeit zu, dem Wärmetod.

Wärmetod in einem einem abgeschlossenen System


In einem abgeschlossenen System kann die Entropie gleich bleiben oder Zunehmen, aber nie abnehmen. Durch ständige makroskopische Prozesse nimmt die Entropie zu, wodurch sich das System dem thermischen Gleichgewicht annähert. Das thermische Gleichgewicht entspricht dem Wärmetod. Siehe auch thermisches Gleichgewicht ↗

Der Wärmetod in der Geschichte


Nachdem der thermodynamische Tod des Universums einmal als unausweichlicher Endzustand ins Leben gerufen war, wirkte die Idee über Jahrzehnte unter Naturwissenschaftlern, Literaturen und Philosophen. Bemerkenswert ist, dass aber schon der biblische Glaube an eine Apokalypse und das Jüngste Gericht von einer endlichen Welt ausgegangen waren, ohne dass die Endlichkeit unseres Irdischen Treibens dabei Unruhe erzeugt hätte.[14] Doch anders als in der biblischen Heilsverheißung, war der thermodynamische Tod eine hoffnungsloser Endzustand ohne Paradies dahinter.

William Thomson (1857)


Der englische Physiker William Thomson, der spätere Lord Kelvin, schrieb über den Prozess des sich ständig fortsetzenden Ausgleiches von Temperatur:

ZITAT:

"The result would inevitably be a state of universal rest and death, if the universe were finite and left to obey existing laws. But it is impossible to conceive a limit to the extent of matter in the universe; and therefore science points rather to an endless progress, through an endless space, of action involving the transformation of potential energy into palpable motion and hence into heat, than to a single finite mechanism, running down like a clock, and stopping for ever."[1]

Spätestens damit war der Wärmetod als Gedankenmöglichkeit in die Welt gesetzt. Die Idee eines für immer nutzlosen Universums erregte großen Unmut und Widerstand.

Rudolf Clausius (1864)


ZITAT:

"Man hört häufig sagen, in der Welt sei Alles Kreislauf. Während an Einem Orte und zu Einer Zeit Veränderungen in Einem Sinne stattfinden, gehen an anderen Orten und zu anderen Zeiten auch Veränderungen im entgegengesetzten Sinne vor sich, so daß dieselben Zustände immer wiederkehren, und im Grossen und Ganzen der Zustand der Welt unverändert bleibe. Die Welt könne daher ewig in gleicher Weise fortbestehen ... Der zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie widerspricht dieser Ansicht auf das Bestimmteste ... Man muß also schliessen, dass bei allen Naturerscheinungen der Gesammtwerth der Entropie immer nur zunehmen und nie abnehmen kann ... Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu. Je mehr die Welt sich diesem Grenzzustande, wo die Entropie ein Maximum ist, nähert, desto mehr nehmen die Veranlassungen zu weiteren Veränderungen ab, und wenn dieser Zustand endlich ganz erreicht wäre, so würden auch keine weiteren Veränderungen mehr vorkommen, und die Welt würde sich zu einem todten Beharrungszustande befinden."[2]

Emil du Bois-Reymond (1872)


Das folgende Zitat beschreibt den hypothetischen Laplaceschen Dämons, der die Zeit t in seiner Weltformel mit dem Wert unendlich einsetzen könnte: "Liesse er t im positiven Sinn unbegrenzt wachsen, so erführe er, ob Carnot's Satz erst nach unendlicher oder schon nach endlicher Zeit das Weltall mit eisigem Stillstande bedroht. Solchem Geiste wären die Haare auf unserem Haupte gezählt, und ohne sein Wissen fiele kein Sperling zur Erde. Ein vor- und rückwärts gewandter Prophet, wäre ihm, wie schon d'Alembert in der Einleitung zur Encyklopaedie, Laplace's Gedanken im Keime hegend, es ausdrückte, „das Weltganze nur „eine einzige Thatsache und Eine grosse Wahrheit.“[5]

Emil du Prels ewiger Kreislauf als Ausweg (1874)


Der bayrische Philosoph und Schriftsteller Carl Freiherr du Prel (1839 bis 1899) sah in einer Art kosmischen Recyclings die Möglichkeit, dem letztendlichen Siechtum des Universums zu entgehen. Seiner Hoffnung baute er aber weniger auf physikalische Argumente als vielmehr auf die Beimischung mythologischer Ideen:

ZITAT:

"Die Ansicht, daß die Entwicklung der Sternenwelt dahin ihren Abschluß finden werde, daß die todten Massen der Sonnen in gespensterhaftem Laufe durch das Weltall ziehen werden, um schließlich, vom Widerstande des Aethers besiegt, in Bewegungslosigkeit überzugehen oder mit einem stillstehenden Centralsysteme sich zu vereinigen, entspricht nicht mehr der heutigen Wissenschaft. Wenn wir vielmehr in unseren Rückschlüssen auf die Vergangenheit des Kosmos selbst bei jenen Urnebeln nicht stehen bleiben können, aus welchen sich die Sternhaufen bilden, wenn wir diese Nebel selbst nur wiederum auffassen können als das Produkt einer Vereinigung von Weltkörpern, deren Bewegung, in Licht und Wärme umgesetzt, eine Temperatur erzeugte, bei der die gesammte Materie in nebelige Zustände verflüchtigt wurde, aus welchen erst durch Verdichtung die Gasform und endlich die Ballung zu geschiedenen Sternen resultirte, so werden wir dahin geführt, eine ferne Zukunft anzunehmen, in der die Vereinigung erstarrter Firsterne wiederum jene kosmischen Nebel erzeugen wird, von welchen wir ausgegangen sind."[7]

Mit diesem Zitat sind wir bei einem ewigen Kreislauf der Welten. Du Prel glaubte, der Wärmetod sei überkommene Wissenschaft und er kenne den Ausweg. Interessanterweise wird 53 Jahre später, im Jahr 1927, ein Engländer wiederum du Prels Ansichten als überkommene Wissenschaft charakterisieren.[12] Solche über Jahrzehnte und durch Jahrhunderte gehende Gedankenstränge mahnen uns stets, die Sichten unserers eigenen Jahrhunderts stets als nur vorübergehend zu handeln.

Balfour und Tate (1875)


ZITAT:

“The tendency of heat is towards equalisation; heat is par excellence the communist of our universe, and it will no doubt ultimately bring the system to an end.”[6]

Der Wärmetod als Ende des Lebens (1875


Zwei schottische Autoren, Balfour und Tate, versuchten in einem 1875 herausgegebenen Buch die physikalischen Erkenntnisse ihrer Zeit mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Zu der Zeit wurden die zwei Glaubenssysteme als zunehmend unvereinbar wahrgenommen. Balfour und Tate gingen ausführlich auf die Thermodynamik ein. Sie verbanden die Idee des thermodynamischen Wärmetods direkt mit den Lebensvorgängen:

ZITAT:

"… it is obvious that all the physical changes which take place, including those which are inseparably associated with the thoughts as well as the actions of living beings, are merely transformations of energy."[6, Seite]

Der Zeitpfeil als tiefere Ursache


Ein einfaches Experiment an einem Billardtisch kann anschaulich verdeutlichen, was die Kernaussage des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik ist. Wenn man zwei Holzkugeln aufeinander stoßen lässt, so kann ein Film davon vorwärts wie rückwärts gezeigt gleich realistisch erscheinen:



Der Stoß zweier Kugeln sieht vorwärts wie rückwärts gezeigt gleich realistisch aus.

Die Einschätzung ändert sich aber dramatisch, wenn man ein Spiel mit mehreren Kugeln betrachtet. Beim Poolbillard stößt man am Anfang des Spiels mit einer weißen Kugel 15 andere bunte Kugeln an, die zuvor zu einem Dreieck zusammengelegt wurden. Nach dem Stoß stieben diese 15 bunten Kugeln in alle möglichen Richtungen davon. Rückwärts gezeigt wirkt ein Film von diesem Vorgang aber durch und durch unrealistisch: niemals würden 16 Kugeln aus scheinbar zufälliger Richtung aufeinander zu laufen, sich zu einem dann stilliegenden Dreieck zusammenfügen, von dessen Spitze eine einzelne weißt Kugel mit hoher Geschwindigkeit weggeschossen wird.

ZITAT:

"die newtonsche Physik (primary physcis) kennt keinen Zeitpfeil [...] sie verläuft vorwärts betrachtet gleich wie rückwärts."[13]

Eddington nutzten nicht das Beispiel des Billardspiels, das tat später ein ander Naturwissenschaftler. Was Eddington aber 1927 unterschrich, war die seltsame Tatsache, dass eine große Anzahl von Objekten weg von Ordnung und hin zu Unordnung (randomness). Eddington führte diesen Gedanken aus rund um seine Überlegungen zum Zeitpfeil ↗

Der zweite Haupsatz muss umgestoßen werden (1927)


Im Jahr beschäftigte sich der englische Astrophysiker Arthur Eddington in seiner berühmten Gifford Lecture ausführlich mit der Idee eines siechen Endzustand, eines Ausleierns des Universums. Nur wenn man den zweiten Hauptsatz bezwingen könnte, ließe sich dieser trübliche Endzustand des Universmus vermeiden:

ZITAT:

"Wer sich ein Universum wünscht, das auf ewig aktiv sein kann, muss einen Kreuzzeug gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik anführen."[12]

Eddington wies ausdrüchklich jene Ideen zurück, die einen irgendwie gearteten Kreislauf, ein Recyling der Materie hin zu weniger Entropie annahmen. Einen genau solchen Gedanken fanden wir ja im Jahr 1874 bei Carl Freiherr du Prel.[7] Eddington zufolge kommt man nicht am zweiten Hauptsatz vorbei.

Der Wärmetod als Teil der klassischen Physik


Als klassisch bezeichnet man die Physik wie sich bis etwa zur Jahrhundertwende um 1900 herausgebildet hatte. Man nahm an, dass alle Abläufe in der Welt letztendlich durch exakte mathematische Gesetze beschrieben werden können (Laplacescher Dämon). Die außerordentlich erfolgreichen Konzepte der Physik wurden dabei oft auf den gesamten Kosmos und alle Zeiten hin extrapoliert. So wurde aus einer erfoglreichen Methodik letztendlich ein Weltbild. Was im 18ten Jahrhundert noch ein ketzerisches Programm war, schien um 1900 dann ein unumstößlicher Rahmen kosmischen Geschehens zu sein: am Ende wird der Kosmos im Wärmetod enden. Tatsächlich zweifelt man heute aber die Unumstößlichkeit des Wärmetods als kosmisches Endschicksal wieder an.[9] Siehe dazu den Artikel Klassische Physik ↗

Einwände gegen den Wärmetod



Eschatologien als kosmische kosmische Sinnfrage


Aussagen über den Endzustand des Lebens oder des Universums verbunden mit der Sinnfrage nennt man in der christlichen Theologie eine Eschatologie. Stellt man sich die Frage nach dem Sinn eines endlichen oder unendlichen Universmus, könnte man also in Anlehnung an die Theologie auch von kosmischen Eschatologien sprechen. Siehe dazu Eschatologien ↗

Fußnoten