Erweiterter Phänotyp
Evolutionsbiologie
Basiswissen
Der erweiterte Phänotyp ist ein evolutionsbiologisches Konzept des englischen Biologen Richard Dawkins. Dawkins schlug damit vor, dass zum Phänotyp auch Strukturen außerhalb des organischen Körpers gezählt werden. So kann ein Termitenbau als Erweiterung des Phänotypen von Termiten betrachtet werden. Das ist hier kurz vorgestellt.
Der Bäumchenröhrenwurm als Beispiel
An der deutschen Nordseeküste findet man im Spülsaum am Strand oft die leeren Wohnröhren des Bäumchenröhrenwurmes. Diese Röhrchen bestehen meist aus verklebten Sandkörnern. Auf Sand- und Wattflächen kann man den Wurm bei Ebbe gut auch lebend beobachten: senkrecht aus dem Boden ragen die Röhren heraus. Am oberen Ende streckt der Wurm dann seine Fangarme ins Wasser um dort nach Beute zu fischen. Die Wohnröhre funktioniert dabei wie der Teil des Körpers. Siehe auch Bäumchenröhrenwurm ↗
Termiten als Beispiel
Termiten sind Insekten, die vor allem auf der Südhalbkugel der Erde vorkommen. Ausführlich beschrieben sind sie etwa für das Land Südafrika[3] aber auch Australien. Termiten errichten mehrere Meter große Bauten die weit in den Untergrund reichen und auch oft weit in die Höhe. Die Gesamtheit aller Tiere einschließlich ihres Baues bezeichnen manche Autoren als einen Superorganismus. Der Bau selbst ist dabei ein erweiterter Phänotyp, ein Teil des Körpers des Wesens. Siehe dazu auch Termiten ↗
Der Schuster als Beispiel
Ein Schuster in seiner Werkstatt: umgeben von Lederstücken, Scheren, Schleifgeräten, Nadeln, Nägeln, Hämmern, Zangen, eine Kasse, Lampen, Tischen, Stühlen, Schreibpapier und vielem mehr kann man sich seinen Laden als Erweiterung seines ursprünglichen Körpers vorstellen. Fraglich ist, inwiefern die Gene des Schusters, also sein biologisches Erbmaterial, die Ausgestaltung seiner Umgebung als Werkstatt mitprägen. Im Sinne einer streng gedachte Evolutionsbiologie darf man die Werkstatt nur dann als Phänotyp bezeichnen, wenn ihre Erschaffung aus einem Wechselspiel des Genotyps mit der Umwelt hervorgeht. Der Biologie Hans Hass betrachtete die Werkstatt eines Menschen neutraler gesprochen als einen Berufskörper ↗
Transhumanismus: der erweiterte Phänotyp wird zum erweiterten Geist
Kognitive Prozesse sind nicht (alle) im Kopf[5]: so kann man das Denkbild des erweiterten: erledigt ein erweiterter Phänotyp Aufgaben, die normalerweise im Gehirn als Denken oder kognitive Prozesse ablaufen, dann ist ein solcher erweiterter Phänotyp zumindest vom praktischen Endeffekt her auch auch erweiterter Geist. Eine interessante Frage ist dann, ob dieser erweiterte Geist auch mit bewussten psychischen Prozessen einhergeht oder bloß „Rechenmechanik“ bleibt. Siehe mehr dazu im Artikel erweiterter Geist ↗
Fußnoten
- [1] Richard Dawkins: 1982: Der erweiterte Phänotyp: Der lange Arm der Gene. Spektrum, Akademischer Verlag. Heidelberg 2010. ISBN 978-3-8274-2706-9. Englischer Originaltitel: The Extended Phenotype: The Gene as the Unit of Selection. Übersetzt von Wolfgang Mayer).
- [2] Richard Dawkins: Das egoistische Gen. Spektrum Verlag der Wissenschaft. 1994. ISBN: 3-499-19609-3. Hier vor allem das Kapitel 13: Die große Reichweite des Gens, Seite 371 ff. Siehe auch Das egoistische Gen ↗
- [3] Eugène N. Marais: The Soul of the White Ant. Zuerst verfasst auf Afrikaans unter dem Titel: Die Siel van die Mier. Im Jahr 1937 ins Englische übersetzt von Winifred de Kok. Londoner Ausgabe von 1971 vom Verlag Jonathan Cape and Anthony Blond. ISBN: 0 224 61871 7. Siehe auch The Soul of the White Ant ↗
- [4] Hans Hass: Energon. Das verborgene Gemeinsame. Fritz Molden (Verlag). 1970. Siehe auch Berufskörper ↗
- [5] Andy Clark, David Chalmers: The extended mind. In: Analysis 58(1). 1998. Siehe auch erweiterter Geist ↗