Philosophie der Physik
Themen
Grundidee
Die Physik als Naturwissenschaft versucht die Welt so zu beschreiben, wie man sie als Beobachter wahrnehmen kann. In der Philosophie sind auch Fragen nach Sinn, der Erkennbarkeit von Wahrheit und der Stellung des Menschen in der Welt aufgehoben. Aus diesen zwei Polen ergeben sich viele philosophische Aspekte der Physik. Einige davon sind hier beispielhaft genannt.
Ist die Welt vielleicht nur ein Traum?
Schon seit der frühen griechischen Antike ist die wundernde Frage überliefert, wie man sich denn sicher sein könnte, dass nicht die ganze Welt bloß ein Traum ist. Die kurze Antwort ist: man kann sich dessen nicht sicher. Das kommt zum Ausdruck in Worten wie Simulations- oder Außenwelthypothese und in Descartes knapper Formel „Ich denke als bin ich“. Mehr zur Idee, dass die physikalische Realität vielleicht nur ein Strom von Sinnesereignissen ist steht im Artikel zur Berkeley-Frage ↗
Wie sicher kann überhaupt unser Wissen sein?
Muss die Logik als Denknotwendigkeit auch auf die Welt der Dinge passen? Muss die Physik „logisch“ sein? Welche Anforderungen darf man an eine Definition oder an einen Beweis stellen? Wie entscheidet man in der Physik zwischen zwei miteinander wettstreitenden Theorien? Und warum ist eine physikalische Theorie erst dann wirklich ernstzunehmen, wenn man sie zumindest theoretisch auch widerlegen könnte? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Erkenntnistheorie ↗
Ist alles vorherbestimmt?
Vor allem im 18ten und 19ten Jahrhundert waren Sichten der Physik verbreitet, denen zufolge der gesamte Weltablauf ausschließlich und eindeutig durch physikalische Gesezte bestimmt war. Damit geriet die Physik in einen unauflösbaren Widerspruch zu jeder Idee eines frei entstandenen oder auch überhaupt handlungsfähigen Willens. Entsprechende Weltbilder fasst man heute zusammen unter dem Stichwort Determinismus ↗
Nicht wie sondern was: die Ontologie
Was ist Materie? Materie, etwa in Kilogramm gemessen, kann physikalisch darüber definiert werden, dass sie sich einer Bewegungsänderung mit einer Trägheitskraft widersetzt. Newton drückte das sinngemäß mit der Formel m=F/a aus: die Masse ist das Verhältnis der Kraft, die man für eine bestimmte Beschleunigung aufwenden muss. Für rein rechnerische Fragestellungen ist diese Definition ausreichend. Sie gibt eine Antwort auf die Frage, wie sich Masse bemerkbar macht oder wie man mit ihr rechnen kann. Eine reine Formel aber gibt keine Antwort auf die Frage, was Materie ist, was ist Wesen, ihre Kerneigenschaften, ihre Bedeutung in Verbindung mit anderen Konzepten ist. Die Frage nach dem eigentlichen Sein ist der Gegenstand der Ontologie (Philosophie) ↗
Aus dem Ist wird ein Soll: ein klassischer Trugschluss
Die Evolution mit ihrem Fressen-und-Gefressen-Werden scheint ein universales Gesetz zu sein. Also muss man sich anpassen und dabei mitmachen: hier wird aus einem (vermeintlichen) Ist-Zustand auf einen zu akzeptierenden Soll-Zustand geschlossen, ein klassischer naturalistischer Fehlschluss ↗
Ist die Physik frei von Sünde?
Als Albert Einstein und Madame Curie Anfang des 19ten Jahrhunderts gedanklich und experimentell in die Welt der Atome eindrangen entstand in kurzer Zeit auch die Idee zur Atombombe. Keine 40 Jahre nach den ersten Anfängen fielen zwei solche Bomben auf Japan. Die Idee, dass Wissenschaft ganz neutral, wertfrei und damit auch ohne Sünde oder moralische Wertung sein kann ist weit verbreitet. Lies mehr dazu unter Moral und Wissenschaft ↗
Fußnoten
- [1] Josef Honerkamp: Die Vorsokratiker und die moderne Physik. Vom Wesen und Werden einer strengen Wissenschaft
- [2] Aristoteles, Physik. Vorlesung über die Natur. Griechisch-deutsch, herausgegeben von Hans Günter Zekl. Band 1: Buch I–IV. Meiner-Verlag, Hamburg 1986, ISBN 978-3-7873-0649-7. Band II: Buch V–VIII. Meiner-Verlag, Hamburg 1988, ISBN 978-3-7873-0712-8
- [3] Aristoteles: Über den Himmel: 12/III, kommentiert von Alberto Jori, Akademie Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3050043036.
- [4] Aristoteles: Über Werden und Vergehen. De Gruyter Akademie Forschung. Erste Ausgabe, 6. Oktober 2010. 627 Seiten. ISBN: 978-3050046211.
- [5] Johannes M. M. H. Thijssen (Nimwegen): Die Stellung der scholastischen Naturphilosophie in der Geschichte der Physik: Herbst des Mittelalters oder Frühling der Neuzeit? In: Miscellanea Mediaevalia. Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln. Herausgegeben von Jan A. Aertsen und Martin Pickavé. Band 31. „Herbst des Mittelalters“? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts. Verlag Walter de Gruyter. 2004. Seite 512 bis 529. ISBN 3-11-018261-0.
- [6] Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden, München 1928.
- [7] Elżbieta Jung (Lodz): Why was Medieval Mechanics Doomed? The Failure to Substitute Mathematical Physics for Aristotelianism. In: Miscellanea Mediaevalia. Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln. Herausgegeben von Jan A. Aertsen und Martin Pickavé. Band 31. „Herbst des Mittelalters“? Fragen zur Bewertung des 14. und 15. Jahrhunderts. Verlag Walter de Gruyter. 2004. Seite 495 bis 511. ISBN 3-11-018261-0.
- [8] E. Grant, The Foundations of Modern Science in the Middle Ages: Their Religious, Institutional, and Intellectual Contexts, New York 1996.
- [9] C. F. von Weizsäcker: Die Geschichte der Natur. Zwölf Vorlesungen (gehalten in Göttingen 1946), Hirzel, Leipzig/Stuttgart/Zürich 1948; Neuauflage Hirzel, Stuttgart 2006, ISBN 3-7776-1398-3.
- [10] C. F. von Weizsäcker: Die Tragweite der Wissenschaft. S. Hirzel Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. 6. Auflage. 1990. ISBN: 3-7776-0468-2.
- [11] C. F. von Weizsäcker: Ein Blick auf Platon. Ideenlehre, Logik und Physik. Reclam Universal-Bibliothek. 1981. ISBN: 3-15-007731-1
- [12] Werner Heisenberg: Quantentheorie und Philosophie. Reclam Universal-Bibliothek. 1983. ISBN:3-15.009948-X