Ernst Häckel
Naturphilosoph
Basiswissen
Ernst Häckel (1834 bis 1919) war ein einflussreicher deutscher Biologe und Naturphilosoph. Sein Interesse galt vor allem einfachen Seetieren[3]. Seit den 1860er Jahren vertrat er offensiv den Darwinismus in Deutschland[4] und griff scharf die Weltsichten der Kirchen an. Häckel hielt alle Materie für grundsätzlich beseelt[5]. Er forderte eine streng naturwissenschaftliche Herangehensweise an die großen Themen des Seins und lehnte zum Beispiel die Theologie ab[7]. Seine philosophischen Sichten[2] fasste er zusammen in seinem Werk Die Welträtsel ↗
Alles Leben ist beseelt
Ein Zitat aus dem Jahr 1878: „Die wundervollste aller Naturerscheinungen, die wir herkömmlich mit dem einen Worte 'Geist' oder 'Seele' bezeichnen, ist eine ganz allgemeine Eigenschaft des Lebendigen. In aller lebendigen Materie, in allem Protoplasma müssen wir die ersten Elemente des Seelenlebens annehmen, die einfache Empfindungsform der Lust und Unlust, die einfache Bewegungsform der Anziehung und Abstoßung – Nur sind die Stufen der Ausbildung und Zusammensetzung dieser 'Seele' in den verschiedenen lebendigen Geschöpfen verschieden; sie führen uns von der stillen Zellseele durch eine lange Reihe aufsteigender Zwischenstufen allmählich bis zur bewußten und vernünftigen Menschenseele hinauf.“[1] Siehe auch Bewusstsein ↗
Fußnoten
- [1] Ernst Häckel: Zellseelen und Seelenzellen (1878).
- [2] Ernst Häckel: Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studien über Monistische Philosophie. Neu bearbeitete Taschenausgabe. Leipzig. Alfred Kröner Verlag. 1909 (Erstausgabe 1899). Siehe auch Die Welträtsel ↗
- [3] 1901: "Haeckel, Ernst Heinrich, 16. Februar 1834 zu Potsdam geb., studierte in Würzburg und Berlin, namentlich unter Joh. Müller, Virchow und Kölliker Medizin und Naturwissenschaften. Nachdem er in Berlin auf Grund der Diss.: »De telis quibusdam Astaci fluviatilis« (1847) promoviert hatte, liess er sich dort als prakt. Arzt nieder, widmete sich jedoch bald ganz den Naturwissenschaften. Er ging nach Italien, um dort während der Jahre 1859 und 60, namentlich in Neapel und Messina; zoologische Studien zu machen, als deren Resultat: »Die Radiolarien« (Berlin 1862) erschienen. Inzwischen hatte er sich 1861 in Jena für vergleichende Anatomie habilitiert; 1862 wurde er ausserord., 1865 ord. Prof. der Zoologie an derselben Universität. H.'s Untersuchungen beziehen sich meist auf Gattungen niederer Seetiere, welche er auf verschiedenen Reisen beobachtete. So sammelte er das Material zu den »Beiträgen zur Naturgeschichte der Hydromedusen« (Leipzig 1865) an der Nordsee und am Mittelmeer, zu der »Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren« (Utrecht 1869) und zu den: »Studien über die Moneren« (Bd. I der »Biolog. Studien«, Leipzig 1870) auf einer grossen Reise 1866 nach England, Lissabon, Madeira, den Kanarischen Inseln, Marokko, Spanien und Frankreich, zu den »Arabischen Korallen« (Berlin 1876), auf einer Reise nach Ägypten[673] und dem roten Meere 1873, und einer Reise nach Indien, vorzugsweise Ceylon, beschrieben in den »Indischen Reisebriefen« (Berlin 1883). In London lernte er 1866 Darwin kennen, dessen überzeugtester und eifrigster Anhänger in Deutschland H. wurde. Als Hauptwerk auf dem Gebiete des Darwinismus und der Entwicklungstheorie erschien von H. 1866: »Generelle Morphologie der Organismen« (Berlin), welchem auf demselben Gebiete: »Natürliche Schöpfungsgeschichte« (Berlin 1868; 8. Aufl. 1889) – »Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen« (Leipzig 1874; 4. Aufl. 1891) und: »Die Kalkschwämme« (Berlin 1872) folgten. H.'s Lehre der Deszendenz-Theorie beruht auf dem Satze, »dass sich die durch Anpassung erworbenen Veränderungen vererben« und dass infolge dieser Eigenschaft die Entwicklungsgeschichte des einzelnen Embryos in abgekürzter Weise eine Entwicklungsgeschichte der Arten gäbe, und seine Schrift über die Kalkschwämme soll die »analytische Lösung des Problems von der Entstehung der Arten« liefern. Auf Grund dieser Anschauung hat H. Stammbäume der Tiere u. Pflanzen entworfen und sie bis zu den einfachsten und unvollkommensten Organismen zurückgeführt, welche er unter dem Namen »Protisten« oder »Zellinge« in einem besonderen neutralen organischen Naturreich vereinigt. Diese einheitliche Zusammenfassung der gesamten lebenden Welt hat, neben zahlreicher Zustimmung, auch zahlreiche Entgegnungen hervorgerufen, z. B. von His, Goette, Michelis, Virchow, Semper, mit sich H. zum Teil durch die Streitschriften: »Ziele und Wege der heutigen Entwicklungsgeschichte« (Jena 1875) und »Freie Wissenschaft und freie Lehre gegen Virchow« (Stuttgart 1878) auseinander zu setzen suchte. Wegen der übrigen, noch sehr zahlreichen litter. Veröffentlichungen H.'s verweisen wir auf das ältere Biogr. Lexikon. In allerjüngster Zeit trat er noch mit einer Schrift: »Die Welträthsel. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie« (Bonn 1899) hervor, in der die ebenso reichen wie fruchtbaren Ergebnisse einer langen Lebensarbeit und der Inhalt seiner Weltanschauung in klarer und fesselnder Form niedergelegt sind." In: Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 673-675. Online: http://www.zeno.org/nid/20008018553
- [4] 1907, Darwinist: "Haeckel, Ernst, Naturforscher, geb. 16. Febr. 1834 in Potsdam, studierte seit 1852 Medizin und Naturwissenschaften in Würzburg, Berlin und Wien […] Größere wissenschaftliche Reisen unternahm er nach Lissabon, Madeira, Teneriffa, Gibraltar, nach Norwegen, Syrien und Ägypten, nach Korsika, Sardinien, Ceylon, Algerien, Rußland, Java, Sumatra. H. schloß sich bereits 1863 als einer der ersten Fachgelehrten Deutschlands rückhaltlos der Darwinschen Lehre an und gab ihr schon 1866 in seiner »Generellen Morphologie« jenen konsequenten Aus- und Durchbau, der sie erst zu einem wissenschaftlichen System erhob. In der Würdigung sowohl der untersten Stufen des Lebens (Moneren) als in der Einbeziehung des Menschen und in der innern Durcharbeitung des Beweismaterials wirkte er bahnbrechend. Zu diesen Zwecken hat H. eine große Anzahl systematischer Bearbeitungen einzelner Tierklassen, wie der Moneren, Radiolarien, Kalkschwämme, gewisser Korallengruppen, der Medusen und Röhrenquallen durchgeführt; seine große Bedeutung liegt aber nicht sowohl in seiner glücklichen Beobachtungsgabe als in dem Vorwiegen eines spekulativen Zuges, der ihn vor unbewiesenen Schlüssen nicht zurückschrecken ließ, falls sie ihm nur logisch erschienen. Haeckels wichtigste Lehre ist die von der durchgreifenden Bedeutung der Entwickelungsgeschichte des Einzelwesens für die Aufhellung seiner Stammesgeschichte, indem er erstere als eine abgekürzte Wiederholung der letztern betrachtet. Es ist dies das von ihm formulierte biogenetische Grundgesetz, aus dem er die vielfach mißverstandene Störungsgeschichte (Cenogenesis) und die vielumstrittene Gasträa-Theorie […] ableitete. Er hat Stammbäume der einzelnen Tier- und Pflanzenabteilungen bis in ihre Familien hinein ausgeführt, die als Forschungsprogramme […]" In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 592-593. Online: http://www.zeno.org/nid/20006728677
- [5] 1907, Empfindsamkeit als Grundzug der Materie: "Vom neuern Materialismus unterscheidet sich Haeckels Lehre durch ihre Betonung der Empfindung als einer ursprünglichen Grundeigenschaft der Materie." Es folgt in dem Artikel noch eine lange Liste von Werken Haeckels. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 592-593. Siehe auch Panpsychismus ↗
- [6] 1911: "Haeckel, Ernst, Zoolog und Philosoph, geb. 16. Febr. 1834 in Potsdam, seit 1862 Prof. der Zoologie in Jena, bes. um die Entwicklungsgeschichte, die Naturgeschichte der niedern Seetiere und den Ausbau der Darwinschen Theorie verdient, stellte das biogenetische Grundgesetz auf; schrieb: »Generelle Morphologie der Organismen« (2 Bde., 1866), »Systematische Phylogenie« (3 Bde., 1894-95), »Kunstformen in der Natur« (1899 fg.), »Die Welträtsel« (8. Aufl. 1902), »Natürliche Schöpfungsgeschichte« (10. Aufl., 2 Tle., 1902), »Anthropogenie« (5. Aufl., 2 Tle., 1903), »Ind. Reisebriefe« (4. Aufl. 1903), »Der Monismus« (12. Aufl. 1905), »Die Lebenswunder« (4. Aufl. 1905) u.a. – Vgl. Keller und Lang (1904), Bölsche (2. Aufl. 1905), Neumann (1905)." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 743. Online: http://www.zeno.org/nid/20001167057
- [7] 1912, als Monist: "H. ist der Hauptvertreter des naturalistisch-evolutionistischen Monismus in Deutschland. Er ist ein scharfer Gegner aller transzendenten Spekulation, alles Theismus, Dualismus, Spiritualismus, aller Teleologie. Gegenüber Dubois-Reymond hält er alle »Welträtsel« für lösbar. Alle unsere Begriffe stammen aus der Erfahrung. Ein »Ding an sich« gibt es nicht; dann aber heißt es wieder, wir kennen das letzte Wesen der Dinge nicht. Ein gewisses Schwanken findet sich überhaupt öfter. Unter Monismus versteht H. die »einheitliche Auffassung der Gesamtnatur«, die Ansicht, daß die Welt eine »kosmische Einheit« bildet und daß Gott und Welt eins sind." Der Artikel geht dann noch detailliert auf die Positionen Haeckels ein. In: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 221-223. Online: http://www.zeno.org/nid/20001822780