Futurologie
Zukunftsforschung
Definition
Futurologie ist der im Jahr 1943 von O. K. Flechtheim geprägte Begriff für die systematisch-kritische Behandlung von Zukunftsfragen[1]. Die Futurologie umfasst sowohl die wissenschaftlich eng gefasste akademische und kommerzielle Zukunftsforschung sowie auch eher spekulative Zugänge, die oft von Einzelpersonen unternommen werden.
Die nahe Zukunft, wenige Jahrzehnte
Als Zukunftsforschung bezeichnet man systematische und wissenschaftliche Untersuchungen über die Zukunft sozialer, wirtschaftlicher und technischer Entwicklungen. Es werden mögliche, meist aber nur wenige Jahrzehnte überspannende Zukünfte als Szenarien durchdacht. Siehe dazu auch Zukunftsforschung ↗
Die ferne Zukunft, Jahrhunderte und mehr
Von einer schein-perfekten Welt dauerhafter Glückzustände[2] über Orwells Dystopie verewigter globaler Diktaturen (3) bin hin zu Spekulationen über weltweite Organismen[4]: viele Autoren greifen Trends ihrer Gegenwart auf und spinnen diese als beherrschende Gestaltungsfaktoren für die Zukunft fort. Solche Szenarien lassen sich nur schwer mit verlässlichen Wahrscheinlichkeiten voraussagen. Sie sind damit weniger Gegenstand der akademischen Zukunftsforschung sondern eher in einem Grenzbereich zwischen Science Fiction und Wissenschaft angesiedelt. Sie werden dennoch der Futurologie zugerechnet. Hier stehen einige beispielhafte Megatrends.
- Der Mensch wird von künstlicher Intelligenz überflügelt Technologische Singularität ↗
- Es entstehen großräumige technosoziale Gehirnstrukturen Global Brain ↗
- Es kommt zu einer Vergeistigung des Lebens Planetarisierung ↗
Die Futurologie als Historizismus
Als Historizismus bezeichnet man in oft abwertender Weise die Idee, dass der Gang der Geschichte erkennbare festen Prinzipien folgt, die man von der Vergangenheit über über die Gegenwart in die Zukunft fortsetzen kann. Mit dem Begriff des Historizismus werden vor allem Gedankengebäude aus dem 19ten Jahrhundert verbunden, etwa der Marxismus. Wo die Futurologie versucht, Tendenzen in der Geschichte zu erkennen und diese in die Zukunft fortzuspinnen, teilt sie die Methode des des Historizismus ↗
Die geologische Zukunft
Die Kontinente der Erde bewegen sich mit einigen Zentimetern pro Jahr über die Erdoberfläche. Geologische Prozesse der Erosion tragen über Jahrmillionen Gebirge ab und erzeugen neues Land aus Sedimenten. Und in Afrika entsteht möglichlerweise ein neuer Ozean. Durch eine Extrapolation vergangener Prozesse lässt sich das geologische Aussehen der Erde auf Jahrmillionen in die Zukunft abschätzen. Solche Betrachtung liegen aber nicht im Bereich der Zukunftsforschung sondern eher der Geologie[6]. Das zentrale Modell dazu ist die sogenannte Plattentektonik ↗
Die klimatologische Zukunft
Die Entwicklung des weltweiten Klimas wird einerseits von der Paläoklimatologie für längst vergangene Zeiträume und andererseits von der Klimaforschung für die nähere Zukunft untersucht. Einzigartig ist die zurzeit von Menschen ausgelöste Erderwärmung. Durch die enge Verzahung sozialer (Konsumverhalten), wirtschaftlicher (Energieerzeugung) und technologischer (Geoengineering) Aspekte hat die Klimaforschung breite Überdeckungen mit der Zukunftsforschung. Siehe dazu auch Erderwärmung ↗
Die ganz große Zukunft: Big History
Vor allem in den USA haben verschiedene Wissenschaftler seit etwa dem Jahr 2000 feste Vorlesungen an Universitäten zum Thema „Big History“ einzurichten. Die Idee dabei ist es, die Menschheit als nur einen kleinen Teil einer kosmischen Geschichte vom Big Bang bis hin zu komischen Ende zu betrachten. Siehe dazu auch Big History ↗
Fußnoten
- [1] Pierre Teilhard de Chardin: Die Zukunft des Menschen. 4. Auflage. Walter Verlag, Olten 1987, ISBN 3-530-87358-6. Übersetzung von Lorenz Häflinger und Karl Schmitz-Moormann (Originaltitel: L’Avenir de L’Homme, Editions du Seuil. Paris 1959).
- [2] Aldous Huxley: Schöne Neue Welt. 1932. Siehe auch Schöne Neue Welt ↗
- [3] George Orwell: Neunzehnhundertvierundachtzig. Nachwort Arthur Koestler. Übersetzung Kurt Wagenseil. Diana, Zürich 1950; zuletzt: Ullstein, Frankfurt 1996, ISBN 978-3-548-22562-3. Siehe auch 1984 (Roman) ↗
- [4] Russell, P. (1983). The Global Brain: speculations on the evolutionary leap to planetary consciousness. Los Angeles: JP Tarcher.
- [5] Last and First Men (1930). Deutsch: Die letzten und die ersten Menschen. Heyne (Bibliothek der Science Fiction Literatur), 1983, ISBN 3-453-30960-X. Siehe auch William Olaf Stapledon ↗
- [6] O. Wagenbreth, W. Steiner: Der geologische Bau und die geologische Zukunft Europas. In: Wagenbreth, O., Steiner, W. (eds) Geologische Streifzüge. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. 1990. https://doi.org/10.1007/978-3-662-44728-4_4
- [7] Brockhaus in Achtzehn Bänden. Band 5. F. A. Brockhaus. Leipzig, Mannheim. 2002. ISBN für das Gesamtwerk: 3-7653-9320-7. Seite 81.
- [8] Nick Bostrom: The Future of Humanity. In: J.-K. B. Olsen, S. A. Pedersen & V. F. Hendricks (Eds.), Companion to philosophy of technology, pp. 551-558. Wiley-Blackwell. 2010. Wissenschaftliche Veröffentlichung.
- [9] Nick Bostrom: Die Zukunft der Menschheit. Suhrkamp Verlag. 2018. ISBN: 978-3518298459.
- [10] Eine (englischsprachige) Fachzeitschrift (research aimed at developing the new paradigm of cosmos, life, consciousness and society emerging at the cutting edge of contemporary research): World Futures. The Journal of New Paradigm Research. URL: https://www.tandfonline.com/journals/gwof20