Quantenphysik
Prinzipien | Fachwortliste
© 2021
- 2025
Einführung ·
Historischer Hintergrund ·
Energie nur in Paketen ·
Wellenartige Teilchen ·
Objektive Außenwelt ·
Alles nur Stochastik ·
Was ist Quantenphilosophie? ·
Fußnoten
Einführung
Die Quantenphysik ist ein Weltbild das a) eine Stückelung von Energieübergängen annimmt, b) Teilchen gleichzeitig auch einen wellenhaften Charakter zuschreibt und c) die objektive Existenz einer Außenwelt nicht mehr zwingend voraussetzt.
Historischer Hintergrund
Bis etwa zum Jahr 1900 hatte die Physik ein Weltbild erarbeitet, das man heute die "klassische Physik" nennt: der Stoff der Welt besteht im Wesentlichen aus materiehaften, ausgedehnten Grundbausteinen. Daneben gibt es Wellen, die Kräfte zwischen den Teilchen vermitteln können. Veränderungsprozesse in dieser Welt wurden als kontinuierlich angenommen und mathematisch als stetige Funktionen abgebildet. Das heißt: zwischen zwei Zuständen gibt es immer einen fließenden Übergang mit unendlich vielen Zwischenzuständen: kein Zwischenzustand wird übersprungen oder ist physikalisch verboten. Dieses Weltbild geriet ab 1900 zunehmend unter Druck: die Versuchsergebnisse ließen sich zunehmend nicht mehr entsprechend deuten[1]. Mehr unter klassische Physik ↗
Energie nur in Paketen
Gemäß der Newtonschen Mechanik können Satelliten die Erde in jeder beliebigen Entfernung auf Kreisbahnen umrunden. Je größer der Bahnradius, desto kleiner die Bahngeschwindigkeit. Durch die Wahl einer geeigneten Geschwindigkeit kann man beliebige Bahnradien realisieren. Dieses Bild kann man modellhaft auf gedachte Kreisbahnen von Elektronen um den Atomkern übertragen: je weiter ein Atom vom Kern entfernt ist, desto geringer ist seine Geschwindigkeit. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass bestimmte Geschwindigkeit nicht erlaubt seien. Damit gibt es auch keine "verbotenen", das heißt dauerhaft instabile Bahnradien von Elektronen in einem solchen Atommodell. Aus der Elektronengeschwindigkeit und dem Radius lässt sich dann eine Summe aus kinetischer und potentieller Energie für die Elektronen berechnen. Tatsächlich lieferten aber bereit in den 1910er Jahren Experimente den Befund, dass Atome die mit Elektronenbahnen verbundene Energien nur in bestimmten Paketen aufnehmen und abgeben. Das Fremdwort für paketartig ist: gequantelt. Ein klassisches Experiment dazu ist der Franck-Hertz-Versuch ↗
Wellenartige Teilchen
Für die erlaubten Energiezustände der Elektronen im Atom suchte man einen theoretisches Fundament. Es führte zu Gleichungen, in denen teilchenartige Vorstellungen von Materie mit Rechenmodellen wellenartiger Prozesse verbunden wurde. Bis Ende der 1920er Jahre war deutlich geworden, dass sich Zustandsänderungen von Materie nur exakt vorausberechnen ließen, wenn man mathematische Modelle aus der Welt der Wellen benutzt. Der klassische Versuch dazu ist das Doppelspaltexperiment ↗
Objektive Außenwelt
Ein wesentliches Fundament der klassischen Physik (bis etwa 1900) war die sogenannte Objektivierbarkeit: was immer man beobachtete konnte man beliebig unabhängig machen vom Beobachter. Insbesondere nahm man an, dass Dinge auch unabhängig von einem möglichen Beobachtungsvorgang existieren und feste Eigenschaften haben. Diese Annahme wurde erstmals in den 1930er Jahren theoretisch in Frage (Einstein-Rosen-Podolsky Paradoxon) gestellt und inzwischen experimentell mehrfach widerlegt. Mehr dazu unter EPR ↗
Alles nur Stochastik
Die volkstümliche Vorstellung eines Naturgesetzes ist die von einer unumstößlich und immer geltenden Regel, die nie verletzt werden kann. Diese Vorstellung trifft auf die Quantenphysik nicht zu: quantenphysikalische Gesetze gegeben immer nur Wahrscheinlichkeiten an, mit denen ein Versuchsergebnis eintreten kann (oder auch nicht). Das strenge Kausalitätsprinzip kann nicht mehr durchgehend angewendet werden.[5][6][7] Die Wahrscheinlichkeiten liegen dabei nicht in unserem Wissen begründet sondern die Naturabläufe selbst scheinen zufällig zu sein. Siehe auch Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation ↗
Was ist Quantenphilosophie?
Das ist der Versuch, die Eigenarten der Quantenphysik sinnvoll in ein umfassenderes Weltbild einzubinden. Im engeren Sinn kann es auch nur das Bemühen stehen, ein in sich geschlossenes aber anschauliches Modell der Quantenphysik zu entwickeln. Mehr dazu unter Quantenphilosophie ↗
Fußnoten
- [1] Dass die Quantenmechanik gegen den gesunden Menschenverstand geht, betonte immer wieder der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988). Über die Schwierigkeiten der Atommodelle im frühen 20ten Jahrhundert schrieb er: "Um die Vorgänge auf atomarer Ebene verstehen zu können, mußte man erst einmal den 'gesunden Menschenverstand' über Bord werfen. 1926 schlielich wurde eine solche, nicht auf dem gesunden Menschenverstand fußende Theorie entwickelt, mit der sich das 'gänzlich andersartige Verhalten' der Elektronen in der Materie erklären liße. Diese Theorie mutete zwar blödsinnig an, war es aber nicht. Sie erhielt den Namen Quantenmechanik, der bereits durch das Wörtchen 'Quant' den sonderbaren, dem gesunden Menschenverstand gegen den Strich gehenden Aspekt der Natur andeutet." In: Richard Feynman: Feymnan Vorlesungen über Physik. Band 3. Quantenmechanik. Oldenbourg Verlag. 2007. ISBN:978-3-486-58109-6. Dort die Seite 15. Zum Buch siehe auch QED (Feynman) ↗
- [2] Anton Zeilinger: Einsteins Spuk. Teleportation und weitere Mysterien der Quantenphysik. C. Bertelsmann Verlag, 2005. ISBN: 978-357000691. Sehr gut verständlich, auch für Laien Einsteins Spuk ↗
- [3] Meinard Kuhlmann: Was ist real? In: Spektrum der Wissenschaft. Juli 2014. (Warum Teilchen- und Wellenbild beide versagen)
- [4] Die Quantenphysik ist nicht anschaulich sondern nur ein (lingustistisches) Modell: "In both physics and pure mathematics, as the abstractness of the theories increased the understanding of their linguistic nature became solidly rooted. The decisive impetus was given to this process in the early twentieth century when physics entered the world of atoms and elementary particles, and quantum mechanics and the theory of relativity were created. Quantum mechanics played a particularly large part. This theory cannot be understood at all unless one constantly recalls that it is just a linguistic model of the microworld, not a representation of how it would “really” look if it were possible to see it through a microscope with monstrous powers of magnification; there is no such representation nor can there be one." In: Valentin Fedorovich Turchin: The phenomenon of science. Columbia University Press. 1977. Ins Englische übersetzt von Brand Frentz. ISBN 0-231-03983-2. Dort die Seite 228.
- [5] Werner Heisenberg zufolge verletzt die Quantenmechanik das Kausalitätsprinzip: "Weil alle Experimente den Gesetzen der Quantenmechanik […] unterworfen sind, so wird durch die Quantenmechanik die Ungültigkeit des Kausalgesetzes definitiv festgestellt." In: Werner Heisenberg Zeitschrift für Physik. 1927. Dort auf Seite 197. Online: https://people.isy.liu.se/jalar/kurser/QF/references/Heisenberg1927.pdf
- [6] Niels Bohr: "In fact, together with other well-known paradoxes of the quantum theory, the latter difficulty has strengthened the doubt, expressed from various sides, wether the detailed interpretation of the interaction between matter and radiation can be given at all in terms of a causal description in space and time of the kind hitherto used for the interpretation of natural phenomena." In: Niels Bohr, H. A. Kramers, J. C. Slater: The quantum theory of radiation. In: Philosophical Magazine Series 6, 47: 281. 1924. Dort die Seiten 785 bis 802.
- [7] Dass das Kausalitätsprinzip auf Wahrscheinlichkeiten heruntergestutzt werden muss, zeigt der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) anhand der partiellen Reflexion von Licht an Glas: "Von Philosophen wurde die Behauptung aufgestellt, daß, wenn die gleichen Umstände nicht immer zu den gleichen Resultaten führen, Vorhersagen unmöglich sind, was das Ende der Naturwissenschaften bedeuten müßte." Richtet man zum Beispiel ein Photon in immer derselben Richtung auf dieselbe Glasscheibe müsste das Photon auch immer am selben Zielort A oder B ankommen. Feynman weiter: "Wir können nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Photon in A oder B anlangen wird. Wir können einzig voraussagen, daß von 100 Photonen, die auf dem Glas landen, durchschnittlich 4 an der Oberfläche reflektiert werden. Heißt das nun, daß die Physik, eine Wissenschaft mit großer Genauigkeit, sich damit zufriedengeben muß, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses zu berechnen, und außerstande ist, genau vorherzusagen, was passieren wird? Ja, das heißt es." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seite 30. Siehe auch QED (Feynman) ↗