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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Ontologie (Philosophie)

Wissenschaft

Definition


Innerhalb der wissenschaftlich betriebenen Philosophie ist Ontologie definiert als eine Disziplin, die sich mit Grundbegriffen des Seins beschäftigt, mit Worten also wie Realität, Existenz, Werden und Sein selbst. Die moderne Ontologie deckt damit ab, was man zuvor in etwa auch als Metaphysik bezeichnete. Die aufgeworfenen Fragen sind keineswegs trivial. Hier stehen beispielhaft einige ontologische Fragen der Physik.

Womit beschäftigt sich die Ontologie?


Die Naturwissenschaften beantworten im Wesentlichen Fragen nach dem "wie": wie fällt ein Stein zu Boden? Wie kann man das Beugungsmuster von Elektronen vorausberechnen? Wie groß ist Auftriebskraft für ein bestimmtes Schiff? Dabei kann die Physik fragen nach dem "was ist?" durchaus ausblenden:

ZITAT:

"Das Standardmodell der Teilchenphysik bildet eine wesentliche Grundlage der modernen Physik. Doch was sind Elementarteilchen eigentlich? Diese Frage führt aus der Physik in die Philosophie, speziell in die Ontologie, die Lehre vom Sein."[13]

Die Ontologie versucht Antworten auf die Frage nach dem "was ist" oder "was sind" zu finden. Was ist Materie? Was ist ein Naturgesetz?[14] Was ist Kausalität?

Beispiel I: gibt es ausdehnungslose Körper?


Der Mathematiker Rene Descartes formulierte eine sehr folgenreiche Einteilung der Welt in zwei grundlegende Phänomene: die res cogitans (denkende Substanz) und res extensa (ausgedehnte Substanz). Die res extansa steht für das, was wir heute am ehesten physikalische Körper oder auch Objekte mit Masse nennen würden. Aber muss jeder Körper wirklich Ausdehnung haben? Bei Elektronen ist die Sache unklar. Lies mehr dazu unter Ausdehnungslos ↗

Beispiel II: woraus besteht Licht?


Was ist Licht? Besteht aus kleinsten Teilchen, also Lichtatomen? Oder sind es Strahlen die sich ausdehnen? Die scheinbar harmlose Frage zur Natur des Lichts ist bis heute ungeklärt. Sie führte Physiker im frühen 19ten und 20ten Jahrhundert an die Grenzen menschlicher Begriffsbildung: seit Albert Einstein das Quantenprinzip auch auf Photonen, also hypothetisch gedachte Lichtteilchen, übertrug, ordnet man diesen Lichtteilchen rechnerisch eine Wellenlänge zu. Die Frage ist dann erlaubt, was einen einem gedachten Lichtteilchen wellenartig sein soll. Bewegt es sich in Schlängellinien (tut es sicher nicht), führt es ein physikalisches Feld mit sich, in dem etwas wellenartiges vor sich geht (wird diskutiert) oder ist der Wellencharakter eine reine Rechenvorschrift? Einfache Phänomene von Licht, wie etwa am Doppelspaltexperiment zu erkennen, werfen ferner die Frage auf, ob Licht zwischen zwei Beobachtungsvorgängen oder physikalischen Ereignissen überhaupt existiert. Man spricht zum Beispiel von einer Außenwelthypothese und meint damit die begründbare Annahme, dass die Außenwelt möglicherweise gar nicht für sich existiert sondern nur ein Denkmodell ist. Mehr dazu unter Außenwelthypothese ↗

III Was heißt sein, was ist Existenz?


Dass ein großer Stein "ist" und damit existiert scheint zunächst offensichtlich zu sein. Was aber sind die notwendigen Bedingungen für etwas Seiendes oder Existierendes? Muss die Sache durchweg in der Zeit sein? An manchen Bergkuppen bilden sich zum Beispiel Wolken, die zwischendurch verschwinden und später wieder erscheinen. Handelt es sich dabei um ständig dieselbe Wolke? Falls ja, in welcher Form hat sie existiert als sie nicht vorhanden war? Die Frage nach der Existenz wird in scharfer Form auch von der experimentellen Physik aufgeworfen, unter anderem durch das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗

Eddingtons ABC der Physik


Der Astrophysiker Arthur Stanley Eddingto (1882 bis 1944) verglich die Sprache der Physik mit den Buchstaben unserer Schrift. Die geschriebenen Buchstaben des Wortes BROT haben keinerlei direkte Beziehung zu einem echten Brot. Sie haben kein Gewicht, riechen nicht, bestehen nicht aus Mehl und müssen vor der Drucklegung auch nicht gebacken werden. Lernen Kinder Buchstaben zum ersten Mal, geben wir ihnen manchmal Merkhilfen: das Vogel-V, das Apfel-A oder das Zwitscher-Z. Doch solange das A mit der Idee des Apfels verbunden bleibt, sind Fortschritte beim Lesen schwierig. Denn tatsächlich hat das A nichts zu tun mit irgendetwas aus der Wirklichkeit. Genauso verhält es sich mit den Worten der Physik:

ZITAT:

"In der Physik liegen die Apfel-A Definitionen der grundlegenden Symbole hinter uns. Auf die Frage was ein Elektron wirklich ist, können wir bloß antworten: es ist Teil des ABC der Physik"[15]

Eddingtons Gleichnis ist tiefsinniger als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten möchte. Er widmete ihm ein ganzes Buch von über 350 Seiten, voll mit konkreten Beispielen und weitreichenden Folgen. Der Äther, Elektronen, Hamitonsche Funktionen oder Potentiale sind Teile der Sprache der Physik. Ihnen entspricht aber nichts mehr aus der Welt des Anschaulichen, des Vertrauten. Und die Physiker haben den Anspruch aufgegeben, die Frage nach der eigentlichen Bedeutung eines Elektrons zu beantworten, ein Elektron zu "erklären".[16]

Eddington verfasste seine Gedanken zu genau der Zeit, als in Deutschland und Dänemark die sogenannte Kopenhagener Deutung der Quantenphysik entstand. Physiker um den jungen Werner Heisenberg und den älteren Niels Bohr kamen ähnlich wie Eddington zu dem Schluss, dass man von den sicheren Messergebnissen keine anschaulichen Vorstellungen der physikalischen Realität ableiten kann. Die Physik gibt keine wirklich befriedigende Anwtort auf die ur-ontologische Frage, was denn das Wesen der Materie überhaupt ist.[17] Diese schon um 1927 klar erkannte Lücke in unserem Weltverständnis beklagte noch 2006 der spätere Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger, als er sagte, dass man realistische Bilder der Quantenphysik nicht mehr akzeptiere.[18] Siehe mehr zu den Deutungsproblemen der modernen Physik im Artikel zur Kopenhagener Deutung ↗

Fußnoten