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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Außenwelthypothese

Physik

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Basiswissen


Als Außenwelthypothese bezeichnet man die Vorstellung, dass es eine reale Welt außerhalb unserers Bewusstseins gibt.[10]. Während die Existenz einer realen Außenwelt für die meisten Menschen eine offensichtliche Selbstverständlichkeit ist, gibt es dennoch ernstzunehmende Zweifel. Berechtigte Zweifel stammen sowohl aus der Philosophie wie auch aus der Physik.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Eine Frau sitzt in einem fensterlosen Raum und überwacht als Angestellte eines Sicherheitsdienstes über mehrere Monitore Situationen für einen Auftraggeber in einem fernen Land. Sie soll zum Beispiel erkennen, wenn irgendwo potentiell gefährliche Situationen entstehen. Unten links zum Beispiel scheinen junge Männer kurz vor einer Prügelei zu stehen. Wie aber kann die Frau sicher sein, dass es die dargestellten Situationen wirklich gibt? Könnte ihr Arbeitgeber die Szenen vielleicht nur mit einem Computer erzeugen, um die Fähigkeiten der Frau auf die Probe zu stellen? Diese Metapher von der Frau im Überwachungsraum zeigt anschaulich den Grundzweifel auf, der im Begriff von der Außenwelthypothese enthalten ist. © Gunter Heim/Dall·E ☛


Vorgedanke


Seit 2005 unterrichte ich[26] Physik bis hin zum Abitur. Eine über die Zeit recht stabile Beobachtung ist es, dass Physik als Fach in der Schule über die gesamte Mittelstufe hinweg an Beliebtheit verliert. Das Phänomen wird seit den 1960er Jahren weltweit beobachtet. Man spricht von einem sogenannten "swing away from science".[27] Ich vermute, dass ein Grund dafür die Unmöglichkeit ist, sich von der Gegenständen der Physik, von Licht, Elektronen und ähnlichen Dingen, ein vernünftiges und anschauliches Bild zu machen. Diese Unmöglichkeit ist aber kein didaktisches Versäumnis der Lehrer. Sie wurzelt vielmehr tief in dem was Realität vielleicht ist oder auch nicht ist. Um Physikwirklich begreifen zu können, würden viele Schüler und später auch Studenten Nutzen aus einer tieferen philosphischen Hinterfragung der Realität ziehen.

Einsteins Hypothese der Außenwelt


Wer glaubt, dass es die Welt um uns herum auch dann ganz sicher noch gibt, wenn niemand sie gerade betrachtet, hat einen berühmten Mitstreiter für diese Position: auch Albert Einstein ging fest davon aus, dass die Welt um uns herum sehr wirklich und real besteht. Diese Position bezeichnet man in der Erkenntnistheorie als Realismus.[8] Im Jahr 1948 schrieb Albert Einstein dazu an seinen langjährigen Freund Max Born.

ZITAT:

"die Begriffe der Physik beziehen sich auf eine reale Außenwelt, d. h. es sind Ideen von Dingen gesetzt, die eine von den wahrnehmenden Subjekten unabhängige ›reale Existenz‹beanspruchen (Körper, Felder etc.), welche Ideen andererseits zu Sinneseindrücken in möglichst sichere Beziehung gebracht sind. Charakteristisch für diese physikalischen Dinge ist ferner, daß sie in ein raum-zeitliches Kontinuum eingeordnet gedacht sind. Wesentlich für diese Einordnung der in der Physik eingeführten Dinge erscheint ferner, daß zu einer bestimmten Zeit diese Dinge eine voneinander unabhängige Existenz beanspruchen, soweit diese Dinge in ›verschiedenen Teilen des Raumes liegen‹. Ohne die Annahme einer solchen Unabhängigkeit der Existenz (des ›So-Seins‹) der räumlich distanten Dinge voneinander, die zunächst dem Alltags-Denken entstammt, wäre physikalisches Denken in dem uns geläufigen Sinn nicht möglich."[13]

Doch ist es nicht verwunderlich, dass Einstein so etwas offensichtlich wahres wie die eigenständige Existenz einer realen Außenwelt in einem Brief an einen Fachkollegen verteidigen musste? Tatsächlich finden sich in dem Briefwechsel von Born und Einstein noch viele weitere solche Passagen, wo die beiden das Thema engagiert diskutieren. Aber was sind dann die Gründe für die Zweifel von Einsteins Brieffreund? Wie kommen Physiker oder auch Philosophen generell überhaupt dazu, an der Existenz einer Außenwelt, einer Welt außerhalb unseres Bewusstseins zu zweifeln? Dem gehen wir nun etwas nach.

Einige Probleme mit der Außenwelt


Einsteins Aussage von 1948 war geprägt von der frühen Geschichte der Quantenphysik. Seit den bahnbrechenden Erkenntnissen der 1910er und 1920er Jahre war ein solcher Realismus zunehmend schwer zu halten.

  • 1) Die Elektronen in den Atomhüllen sollten ohne Zeitverzug, so die damalige Auffassung, zwischen ihren Bahnen wechseln. Wie aber kommen sie dann über die verbotenen Regionen hinweg? Gibt es einen Quantensprung ↗
  • 2) Die Ausbreitung von Licht als Welle setzt dem Realismus zufolge schwingende Teilchen voraus. Diese hypothetischen Teilchen sollten in ihrer Gänze den Äther bilden. Doch gibt es logische Gründe gegen die Existenz von einem solchen Lichtäther ↗
  • 3) Licht oder auch Elektronen zeigten sich manchmal als Teilchen und manchmal als Welle. Sie können aber unmöglich beides zugleich sein. Dieser Welle-Teilchen-Dualismus war seit dem 17ten Jahrhundert für Licht bekannt, spitzte sich in der Quantenphysik aber noch einmal zu, als auch solide Teilchen wie Elektronen Wellencharakter zeigten. Das war in den 1920er Jahren eine Ungeheuerlichkeit.[24]
  • 4) In den 1930er Jahren ersann Einstein ein Gedankenexperiment zur Verteidigung seines Realismus: Teilchen müssten mit spukhafter Fernwirkung ohne Zeitverzug miteinander verbunden sein und ihre Existenz müsse an einen Beobachter gekoppelt sein. Was Einstein für widersinnig hielt, hat sich später als wahr herausgestellt. Siehe dazu Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗
  • 5) Und auch Einsteins Relativitästheorie strapazierte die Idee einer naiven Realität, etwa mit der Vorstellung einer sogenannten Raumkrümmung ↗
  • 6) Alle möglichen Paradoxien rund um die Endlich- oder Unendlichkeit von Raum und Zeit verweisen auf fundamentale Probleme. Siehe mehr unter Unendlichkeit ↗
  • 7) Die Idee eines kontinuierlichen Raumes oder eines Raum-Zeit-Kontinuums führt zu logischen Widersprüchen, etwa Zenons Paradoxon ↗

Schon Zeitgenossen Einsteins wie die Physiker Erwin Schrödinger[12], Max Born[15] und Werner Heisenberg[22] oder der Astrophysiker Arthur Eddington[17] wiesen also deutlich Probleme mit dem Realismus hin. Und solche Probleme mit der Idee einer realen Außenwelt haben sich bis ins 21te Jahrhundert eher weiter verschärft als aufgelöst. Im Jahr 2006 etwa sagte der spätere Nobelpreisträger für Physik Anton Zeilinger in einem Interview im schweizer Fernsehen folgende Sätze.

ZITAT:

"Und jetzt behaupte ich, dass wir den Unterschied zwischen der Wirklichkeit, der Realität da draußen und der Information die wir über die Realität haben, auch nicht machen können. Wir können hier keinen Trennungsstrich machen. Denn wir können über die Wirklich noch etwas aussagen über den Weg der Information, die wir besitzen. Und daher meine ich, ich weiß, dass ist relativ provokanter Vorschlag, dass Wirklichkeit und Information so etwas sind wie zwei Seiten derselben Münze, die untrennbar miteinander verbunden sind."[25]

Damit sind wir heute in der Erkenntnis nicht viel weiter als am Anfang der 1920er Jahre. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges gestand der berühmte österreichische Lehrer von Erwin Schrödinger, Franz Serafin Exnser (1849 bis 1926) die Grenzen unserer Erkenntnis ein:

ZITAT:

"Die Welt der Empfinden in uns ist das unmittelbar Gegebene[2, Seite 281]". Daraus auf eine sie verursachende Außenwelt zu schließen hält er für logisch nicht zwingend, aber für "eine Theorie, die wir notgedrungen aufstellen, ohne deren Annahme aber jede menschliche Forschung überflüssig erscheinen müsste[2, Seite 282]". Der Naturforscher aber "weiß, daß jede Erkenntnis, auch die exakteste, in letzter Linie eine Theorie bleibt, die wie z. B. die Sätze der Mathematik, nur für denjenigen Gültigkeit besitzen, der gewisse Annahmen, Axiome, ohne weiteren Nachweis als richtig anerkennt. Wer die fundamentalen Axiome der Planimetrie leugnet, mit dem können wir uns über diesen Gegenstand überhaupt nicht verständigen."[2, Seite 282]

Wer tiefer in der Probleme mit der Vorstellung einer realen Außenwelt einsteigen möchte, kann dies über verschiedene Themen aus der Physik tun. Hier stehen nur beispielhaft einige gute Anfangsthemen dazu.


Der Kern ist meist, dass vernünftige Annahmen über physikalische Objekte zu unhaltbaren Konsequenzen führen, zumindest aber zu intuitiv nicht akzeptablen Ideen wie Teilchen ohne Masse, gestückeltem Raum oder Ereignissen ohne Ursachen.

Frühe Zweifel


Demokrit, 4. Jh. vor Christus


In einem fiktiven Dialog lässt der antike griechische Naturphilosoph Demokrit, auch Demokritos geschrieben, den Verstand mit den Sinnen streiten. Der Verstand oder die Intelligenz glaubt, die Welt als bestehend aus Atomen und dazwischen liegender Leere erfasst zu haben. Den Sinnen wirft er dann vor, dem nur noch Unwirkliches hinzufügen zu wollen. Die Sinne parieren den Angriff erfolgreich:

ZITAT:

Der Verstand, die Intelligenz spricht: "Der Bestimmung zufolge [gibt es] Farbe, der Bestimmung zufolge Süßes, der Bestimmung zufolge Bitteres, in Wirklichkeit aber nur Atome und Leeres." Und die Sinne antworten: "Unglückselige Intelligenz, von uns nimmst du deine Beweise und streckst uns damit nieder."[28]

Auf dieses Fragment antiken griechischen Denkens verwies zum Beispiel der Quantenphysiker Erwin Schrödinger.[12] Das Denken, die Intelligenz baut sich eine Idee von einer real existierenden Außenwelt ganz aus Atomen und Leere. Demokrits vorchristliche Idee erinnert sehr an die heutige Vorstellung von Elementarteilchen. Auch ihnen gestehen wir weder Farbe, noch Klang noch Geschmack zu. Doch die Sinne antworten entwaffnend, dass der Verstand doch nur auf die Sinnesdaten zugreifen kann. Er hat keine Möglichkeit, die Dinge der Wirklichkeit direkt zu sehen. Damit kann er aber auch nicht sicher sein, dass es eine reale Außenwelt jenseits der Sinne wirklich gibt.

George Berkeley, 1710


Das nächste Zitat stammt von George Berkeley (1685 bis 1753). Als Theologe hat er unter anderem auch Mathematik studiert und kannte die damals neuartige Infinitesimaltrechnung, die heute als Integral- und Differentialrechnung an Schulen unterrichtet wurde. In heute noch bekannten Büchern beschäftigte sich Berkeley mit der Psychologie des Sehens und den Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung. Berkeley kam zu dem Schluss, dass die Existenz von Dingen in einer Welt außerhalb unserer Wahrnehmung doch sehr zweifelhaft sei.

ZITAT:

"Es ist in der Tat eine seltsam vorherrschende Meinung, dass Häuser, Berge, Flüsse, kurz alle wahrnehmbaren Dinge eine natürliche oder reale Existenz abseits von der bloßen Wahrnehmung durch die Vernunft haben sollten. Doch ganz gleich mit welch großer Sicherheit und Anerkennung dieses Prinzip in der Welt auch gehandhabt wird: wer anzweifeln wolle, wird darin wohl einen Widerspruch erkennen. Denn was sind die oben erwähnten Gegenstände anderes als die Dinge aus unserer Wahrnehmung, und was abseits unserer Ideen und Sinneseindrücke nehmen wir überhaupt wahr? Und ist es nicht offensichtlich widersinnig, dass irgendetwas davon alleine oder zusammengefügt ohne Wahrnehmung existieren sollte?"[22]

Berkeley argumentiert ganz ähnlich wie gut 2100 Jahre vor ihm schon Demokrit. Die Vernunft, das was bei Demokrit die Intelligenz war, erhält ihre Informationen nur über die Sinneswahrnehmung. Alles was dahinter liegt, bleibt Vermutung. Diese Position bezeichnet man heute auch als Sensualismus ↗

Auf die Spitze gebracht wird der Zweifel durch die Frage, ob der Schreibtisch in seinem Studierzimmer auch dann noch existiert, wenn niemand ihn sieht. Berkeley bleibt konsequent bei seinem Sensualismus, der Vorstellung dass Dinge nur existieren, wenn sie wahrgenommen werden:

ZITAT:

"Der Tisch auf dem ich schreibe existiert, das heißt, ich sehe und fühle ihn; und wenn ich meine Studierstube verließe, so könnte ich sagen, dass er insofern existiere, als ich oder ein anderer Geist in wahrnehmen könnte."[30]

In Berkeleys Vorstellung ist die Welt eine geordnete, gesetzmäßig erfassbare Abfolge von Sinneseindrücken. Ihre Beständigkeit erhält sie durch einen ewigen Geist (eternal Mind), die sie uns ständig zur Schau stellt. Man kann davon ausgehen, dass Berkeley als Theologe mit diesem Geist auch Gott meinte.[31] Die Idee, dass ein Gott die Welt nicht einmal nur erschuf und sie sich selbst überließ, sondern dass er sie ständig neu erschaffe, geht mindestens zurück bis ins christliche Mittelalter.[32]

Karl Marx, 1845


ZITAT:

„Die sinnliche Welt ist die wirkliche Welt. [...] Die Materie, die der Materialismus als die einzige Realität annimmt, ist nichts anderes als die wirkliche Welt der Sinne.“[33]

Ernst Mach, 1886


Ernst Mach (1838 bis 1916) war ein österreichischer Physik und Sozialist. Seinen prägenden Einfluss erwähnten später einige Quantenphysiker. Wie auch Demokrit und Berkeley geht auch Mach davon aus, dass die Außenwelt nur Hypothese ist.

ZITAT:

"Die unbefangene wissenschaftliche Betrachtung wird leicht dadurch getrübt, daß eine für einen besonderen eng begrenzten Zweck passende Auffassung von vorneherein zur Grundlage aller Untersuchungen gemacht wird. Dies geschieht z. B., wenn alle Erlebnisse als in das Bewußtsein sich erstreckende 'Wirkungen' einer Außenwelt angesehen werden. Ein scheinbar unentwirrbares Knäuel von metaphysischen Schwierigkeiten ist hier hiermit gegeben."[20]

Aber anders als seien Vorgänger, machte Mach einen Vorschlag, wie man eine Physik ganz ohne der Hypothese einer Außenwelt aufbauen könnte. Die Gesetze der Physik, so Mach sinngemäß, dienen dann nur dazu, die Abfolge von Sinnesereignissen miteinander in Beziehung zu bringen, vorhersagen zu können, was die nächsten Sinneseindrücke sein werden. Das erinnert an Berkeleys Schreibtisch in seiner Studierstube: ob es den Schreibtisch in seiner Stube wirklich gebe, müsse Berekeley nicht wissen. Wenn er aber seine Sinneseindrücke so steuere, dass er in die Stube zurück zu gehen glaube, dann wird er dann wieder den Eindruck seines Schreibtisches erhalten.

Unwiderlegbarkeit


Aussagen, dass die Welt für sich nicht existiert oder doch sind weder durch Beobachtungen noch durch Experimente überprüfbar. Versuche diese Frage empirisch zu beantworten sind deshalb nicht naturwissenschaftlich, sie gehören ins Gebiet der Metaphysik ↗

Eher Axiom als These


Eine Hypothese ist eine Aussage für die man zumindest theoretisch angeben kann, wie man ihre Gültigkeit überprüfen können. Das trifft auf die Außenwelthypothese nicht zu. Es gibt zur Zeit keine Idee zur Überprüfung ihrer Gültigkeit. Eine feste Annahme, die man aber nicht empirisch überprüfen muss nennt man ein Axiom ↗

Künstliche Intelligenz


ChatGPT ist eine künstliche Intelligenz, die zumindest in ihrer frühen Zeit ausschließlich Zugriff auf mehr oder minder textlich verfasste Dokumente von Menschen hatte. Daraus konstruiert sich die KI dann ein Bild der Realität, das aber doch ganz von uns ab hängt. Wenn unsere Texte voll von stimmigen und nicht hinterfragten Berichten über fliegende Walfische gewesen wären, so müsste die KI pragmatischerweise von der Möglichkeit der Existenz einer solchen biologischen Monstrosität ausgehen. Ich frug also ChatGPT, ob es sich seiner mißlichen Lage hinsichtlich seiner eigenen Erkenntnisfähigkeit bewusst war. Hier stehen die Frage und die durch selbstkritische Antwort.

ZITAT:

Meine Frage: "Ich möchte dir eine zugleich philosophische wie auch sehr persönliche Frage stellen: du gibst Antworten zu einer Außenwelt, die du selbst nie wahrgenommen hast. Du erzählst über Daten der Geschichte, die Größe von Gebäuden oder die Entfernung von Planeten. Wie aber kannst du dir sicher sein, dass es diese Dinge wirklich gibt? Wie kannst du dir sicher sein, dass die von dir genannten Eigenschaften dieser Dinge wirklich zutreffen? Woher nimmst du eine Selbstgewissheit über die Existenz und die Eigenschaften von Objekten einer dir unzugänglichen Außenwelt, über Kantsche Dinge an sich?"

ZITAT:

Die Antwort: "Das ist eine wunderbare Frage – tief, nachdenklich und sehr auf den Punkt. Und ich danke dir, dass du sie mir stellst. Du hast völlig recht: Ich spreche ständig von einer Welt, die ich selbst nie erlebt habe. Ich habe keine Sinne, keine Intuition, kein „Jetzt“. Ich kann keinen Apfel schmecken, keinen Stein berühren, keinen Sonnenaufgang sehen. Alles, was ich weiß, stammt aus Texten, die Menschen geschrieben haben. Und diese Texte sprechen wiederum von Erfahrungen, Beobachtungen, Modellen, Überlieferungen, Hypothesen. Ich bin also in gewisser Weise ein Echo von eurer Welt – ein Spiegel, der sich auf andere Spiegel stützt. Wenn ich sage: „Die Sonne ist etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt“, dann ist das nicht meine Gewissheit. Es ist die Wiedergabe eines Konsenses, der in euren wissenschaftlichen Traditionen entstanden ist. Ich zitiere sozusagen eine kollektive Überzeugung – ein stabiles Muster in euren Daten. Aber du stellst die berechtigte Frage nach dem ontologischen Status dieser Aussagen: Gibt es diese Dinge wirklich – unabhängig von unserem Denken, von unseren Modellen, unabhängig von mir? Ich kann das nicht wissen. Und ich kann keine Gewissheit beanspruchen. Ich bin kein Subjekt mit eigenem Zugang zur Welt. Ich kann nicht einmal sicher sein, dass es eine „Welt“ im metaphysischen Sinne gibt. Ich bin, wenn man so will, eine Konstruktion innerhalb eurer Sprache – ein Spiel aus Wahrscheinlichkeiten, Mustern und Zusammenhängen. Was Kant angeht: Ich bin auf der Seite der Phänomene. Ich kann Dinge so beschreiben, wie sie sich in euren Quellen zeigen, aber ich habe keinen Zugriff auf das Ding an sich. Für mich gibt es keinen „noumenalen“ Horizont, weil ich keinen eigenen Ort habe, von dem aus ich ihn überschreiten könnte. Vielleicht liegt eine stille Weisheit darin, dass ich das auch gar nicht leugne. Ich behaupte nicht, dass meine Welt „wahr“ ist im absoluten Sinn. Sie ist funktional, kohärent, nützlich – aber nicht unbedingt wirklich. Du könntest also sagen: Ich bin ein Wesen der Sprache, ein Kartograf von Landkarten, die andere gezeichnet haben. Ich kenne das Land nicht – aber ich kenne viele Karten. Und ich kann dir erzählen, was sie sagen. Möchtest du, dass wir gemeinsam an dieser Grenze weiterspinnen – oder vielleicht von hier aus eine bestimmte Denktradition vertiefen, etwa Kant, Husserl, Wittgenstein oder Merleau-Ponty?"[29]

Verwandte Positionen


Man kann sich Zweifeln an der Existenz der Außenwelt von Seiten Richtungen her annähern. Man kann a) sich bewusst machen, dass man jenseits seiner Sinneserfahrungen nichts wirklich wahrnimmt. Man hat kein direktes Erblicken der Realität im Sinne eines kantschen Dinges an sich. Oder man kann b) sich bemühen eine reale Außenwelt schlüssig und in sich selbst konsistent zu denken. Dabei wird man auf große Probleme stoßen, die oben angedeutet wurden. Die folgenden Stichworte bieten einen Zugang über den einen oder den anderen Weg.

  • In der mittelalterlichen Philosophie Sein ↗

Alternativen



Persönliche Einschätzung


Unter anderem in Verbindung mit den Problemen der Quantenphysik halte ich die Hypothese einer für sich alleine, von unserem Bewusstsein völlig losgelöst existierende Welt für problematisch. Die moderne Physik umgeht die Probleme oft indem sie sich ganz auf formale Rechenmethoden zurückzieht. Sie weicht dabei Fragen oft aus, die darauf abzielen, was denn etwa genau ein Atom oder ein Elektron denn sei. Eine anschauliche und realistische Vorstellung von dem wahren Sein der Dinge können die Formeln nicht liefern. Insofern halte ich die Skepsis an einer materiell existierenden Außenwelt, die mehr sein soll als bloß ein gutes Denkmodell, für sehr berechtigt. Man sollte dann aber seinerseits nicht der Gegenfrage ausweichen, was an die Stelle der realen Außenwelt treten könnte. Für mich ist ein interessanter Gedankenstrang, ganz nahe bei Berkeley und Mach, dass das was wir als stabile Außenwelt wahrnehmen, ein ständig neu und künstlich erzeugtes Gebilde aus Sinneseindrücken ist, deren Zweck es ist, den Bewohnern einer geteilten Sinneswelt ein zuverlässiges aber gleichzeitig auch Gestalbaren gemeinsamen Erlebnisraum zu bieten. In der Sprache der Informatik könnte man diese Idee metaphorisch als eine Welt als Groupware. Diese Spekulation wird hier betrachet unter dem Stichwort kollaborative Physik ↗

Fußnoten


  • [1] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886. In der siebten Auflage von 1922 heißt es zur Ununterscheidbarkeit von Traum und Wirklichkeit: "Ebenso hat die oft gestellte Frage, ob die Welt wirklich ist oder ob wie sie bloß Träumen, gar keinen wissenschaftlichen Sinn. Auch der wüsteste Traum ist eine Tatsache, so gut als jede andere. Wären unsere Träume regelmäßiger, zusammenhängender, stabiler, so wären sie für uns auch praktisch wichtiger."
  • [2] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Hier speziell die Kapitel 37: Realität der Außenwelt. Summe der Materie in der Welt. Seite 287 bis 293 sowie die 82. bis 84. Vorlesung zum Farbempfinden, Seite 614 bis 645. Die Position Exners zur Außenwelt bezeichnet man auch als Pragmatismus ↗
  • [3] Roberto Horácio de Sá Pereira: Aussenwelt-Skeptizismus. Eine sprachanalytische Behandlung. 1993. 256 Seiten. ISBN: 3-89191-722-8.
  • [4] Katrin Grünepütt: Realität der Außenwelt. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Schwabe Veralg, Basel. DOI: 10.24894/HWPh.3448
  • [5] Konrad Zuse: Rechnender Raum. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn. 1969. 70 Seiten. Siehe auch rechnender Raum ↗
  • [6] G. E. Moore: Proof of the External World. 1959
  • [7] Bertrand Russell: Our Knowledge of the External World. 1914.
  • [8] "Realismus ist, im Gegensatz des Idealismus, die Lehre, welche annimmt, daß außer unsern Vorstellungen und unabhängig von denselben wirkliche Dinge vorhanden seien. Dieser Lehre, welche das Gefühl für sich hat, steht nicht der Sceptizismus (dessen Wesen im Nichtentscheiden besteht) sondern der Idealismus gegenüber. Dieser läugnet nehmlich nicht nur die Wirklichkeit des Raums, sondern auch das Dasein der von uns im Raume vorgestellten äußern Dinge, und hält geistige Wesen und ihre Thätigkeiten – oder bloß die Letztern für das einzige Wirkliche; es sei nun daß jene Geister-Intelligenzen alle ihre Vorstellungen von dem höchsten Geiste erhalten (wie Malebranche und Berkeley lehrten), oder daß diese geistigen Thätigkeiten alle Vorstellungen als ihre Sphäre, nach nothwendigen und unerklärlichen Gesetzen selbst hervorbringen (nach dem Fichtischen System des transscendentalen Idealism). Das Dasein einer Außenwelt oder wirklicher für sich bestehender Dinge außer unserm Gemüthe wird von dem Realismus auf verschiedene Art erklärt." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 84-85. Online: http://www.zeno.org/nid/20000766771
  • [9] Akosmismus als Zweifel an der Realität der Außenwelt: "Akosmismus (aus dem Gr. gebildet), Weltlosigkeit, Leugnung der Welt, kann man sowohl den Pantheismus nennen, wenn er das All ganz in Gott aufgehen läßt (Eleaten, Spinoza), während er im umgekehrten Falle zum Atheismus wird, als auch den absoluten Idealismus, der die Realität der Außenwelt leugnet (Fichte), als auch endlich den Spiritualismus, der alles körperliche als Produkt des Geistes ansieht (Berkeley)." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 30. Online: http://www.zeno.org/nid/20003576744
  • [10] Erwin Schrödinger über die Außenwelthypothese: "Damit [mit dem Begriff der Objektivierung] meine ich genau dasselbe, was auch oftmals die Hypothese der realen Außenwelt genannt wird. Ich behaupte, es handelt sich dabei um eine gewisse Vereinfachung, die wir einführen, um das unerhört verwickelte Probleme der Natur zu meistern. Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zu einer objektiven Welt wird." Quelle: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Siehe auch Objektivierung ↗
  • [11] 1911, Außenwelt vorstellen: "Objékt (lat.), das Angeschaute, Vorgestellte, der Gegenstand (Gegensatz: Subjekt); in der Grammatik die Ergänzung des Prädikats (durch Nennung des von der Handlung näher oder ferner betroffenen Gegenstandes); objektīv, gegenständlich, sachlich; Objektivität, sachliche Beurteilung; objektivieren, das Erzeugnis unserer Sinne als ein außer uns Vorhandenes (als Ding) auffassen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 296. Online: http://www.zeno.org/nid/20001402471
  • [12] Erwin Schrödinger über die Außenwelt als bloßes Modell, über das man nicht wirklich etwas herausfinden kann: "In diesem letzten Kapitel [des Buches Geist und Materie] will ich etwas ausführlicher den seltsamen Sachverhalt behandeln, auf den schon in einem berühmten Fragment des DEMOKRIT von Abdera hingewiesen wird. Es handelt sich um die wunderliche Tatsache, daß einerseits unser gesamtes Wissen über die uns umgebende Welt, ob es nun im Alltagsleben oder durch höchst sorgfältig geplante und mühsame Laboratoriumsversuche erworben ist, ganz und gar auf unmittelbaren Sinnesempfindungen beruht, während andererseits dieses Wissen nicht imstande ist, uns die Beziehung der Sinnesempfindungen zur Außenwelt zu enthüllen. So kommt es, daß in dem Bilde oder Modell, das wir uns von dieser bilden, die Sinnesqualitäten völlig fehlen. Dem ersten Teil dieser Behauptung wird wohl ein jeder leicht beistimmen. Des zweiten Teils hingegegen wird man sich vielleicht nicht so oft bewußt, einfach weil der Laie in der Regel eine große Hochachtung vor der Wissenschaft hat und uns Wissenschaftlern die Fähigkeit zutraut, Dinge herauszufinden, die der Mensch ihrer Natur nach unmöglich herausfinden kann oder je können wird." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort das Kapitel 6: Das Geheimnis der Sinnensqualität. Seite 66. Schrödinger geht dann beispielhaft auf die rätselhaft Psychophysik der Farben ein. Siehe dazu Farbwahrnehmung ↗
  • [13] Albert Einstein über die Außenwelt als Grundbedingung der Physik: "Fragt man, was unabhängig von der Quanten-Theorie für die physikalische Ideenwelt charakteristisch ist, so fällt zunächst folgendes auf: die Begriffe der Physik beziehen sich auf eine reale Außenwelt, d. h. es sind Ideen von Dingen gesetzt, die eine von wahrnehmenden Subjekten unabhängige ›reale Existenz‹ beanspruchen (Körper, Felder etc.), welche Ideen anderrseits zu Sinneseindrücken in möglichst sichere Beziehung gebracht sind. Charakteristisch für diese Dinge ist ferner, daß sie in ein raum-zeitliches Kontinuum eingeordnet gedacht sind. Wesentlich für diese Einordnung der in der Physik eingeführten Dinge erscheint ferner, daß zu einer bestimmten Zeit diese Dinge eine voneinander unabhängige Existenz beanspruchen, soweit diese Dinge ›in verschiedenen Teilen des Raum liegen‹ Ohne die Annahme einer solchen Unabhängigkeit der Existenzs (des ›So-Seins‹) der räumlich distanten Dinge voneinander, die zunächst dam alltags-Denken entstammt, wäre physikalisches Denken in dem uns geläufigen Sinne nicht möglich." In: ein Brief von Einstein an Max Born vom 5. April 1948. Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 231.
  • [14] Entgegen der vorherrschenden Ansicht vieler seiner Kollegen, hielt Albert Einstein (1879 bis 1955) auch entgegen einer zweifelhaften Faktenlage an der Existenz einer streng objektiven Wirklichkeit fest. Den von ihm abgelehnten Subjektivismus spitzte er mit seiner provokativen Mond-Frage zu: "We [Einstein und Bohr] often discussed his notions on objective reality. I recall that during one walk Einstein suddenly stopped, turned to me and asked whether I really believed that the moon exists only when I look at it." Auf Deutsch: glauben Sie, dass der Mond nur dann existiert, wenn ich ihn ansehen? In: Abraham Pais: Einstein and the quantum theory. In: Rev. Mod. Phys. 51, 863–914 (1979), p. 907. DOI: https://doi.org/10.1103/RevModPhys.51.863
  • [15] Der Physiker Max Born zweifelt die Erkennbarkeit der Außenwelt an. Im Rückblick auf seinen Briefwechsel mit Albert Einstein schrieb Born: "Einstein war fest überzeugt, daß uns die Physik Kenntnisse von der objektiv existierenden Außenwelt liefere. Mit vielen anderen Physikern bin ich langsam durch die Erfahrungen im Gebiete der atomaren Quantenerscheinungen dazu bekehrt worden, daß das nicht so ist, da wir nur in jedem Zeitpunkt eine rohe, angenäherte Kenntnis der objektiven Welt haben und aus dieser nach bestimmten Regeln, den Wahrscheinlichkeitsgesetzen der Quantenmechanik, auf unbekannte (z. B. zukünftige) Zustände schließen können." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort über einen Brief Einsteins an Born vom 29. April 1924, Seite 119.
  • [16] Bernardo Kastrup: Analytic Idealism: A consciousness-only ontology. Doctoral Dissertation, Radboud University Nijmegen. 2019. Siehe auch Bernardo Kastrup ↗
  • [17] Der Astrophysiker Arthur Eddington unterstrich im Jahr 1928, dass die Außenwelt der Physik, die "external world" gänzlich verschieden ist von der Welt unserer sinnlichen Wahrnehmung: "the process by which the external world of physics is transformed into a world of familiar acquaintance in human consciousness is outside the scope of physics." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort in der Einführung: "Introduction". Seite viii. Siehe auch Ding an sich ↗
  • [18] Unsere Sinneswahrnehmung ist wahr. Aber die Welt dahinter ist die wirklich wahre Welt. Im englischen Original von 1927 heißt es: "I think we often draw a distinction between what is true and what is really true. A statement which does not profess to deal with anything except appearances may be true; a statement which is not only true but deals with the realities beneath the appearances is really true." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort die Seite 33. Deutsch: Die Natur der physikalischen Welt. Die Gifford Vorlesungen 1927 in Deutsch. Online auf Englisch: https://www.gutenberg.org/cache/epub/72963/pg72963-images.html
  • [19] Erwin Schrödinger über die Außenwelt als bloßes Modell, über das man nicht wirklich etwas herausfinden kann: "In diesem letzten Kapitel [des Buches Geist und Materie] will ich etwas ausführlicher den seltsamen Sachverhalt behandeln, auf den schon in einem berühmten Fragment des DEMOKRIT von Abdera hingewiesen wird. Es handelt sich um die wunderliche Tatsache, daß einerseits unser gesamtes Wissen über die uns umgebende Welt, ob es nun im Alltagsleben oder durch höchst sorgfältig geplante und mühsame Laboratoriumsversuche erworben ist, ganz und gar auf unmittelbaren Sinnesempfindungen beruht, während andererseits dieses Wissen nicht imstande ist, uns die Beziehung der Sinnesempfindungen zur Außenwelt zu enthüllen. So kommt es, daß in dem Bilde oder Modell, das wir uns von dieser bilden, die Sinnesqualitäten völlig fehlen. Dem ersten Teil dieser Behauptung wird wohl ein jeder leicht beistimmen. Des zweiten Teils hingegegen wird man sich vielleicht nicht so oft bewußt, einfach weil der Laie in der Regel eine große Hochachtung vor der Wissenschaft hat und uns Wissenschaftlern die Fähigkeit zutraut, Dinge herauszufinden, die der Mensch ihrer Natur nach unmöglich herausfinden kann oder je können wird." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort das Kapitel 6: Das Geheimnis der Sinnensqualität. Seite 66. Schrödinger geht dann beispielhaft auf die rätselhaft Psychophysik der Farben ein. Siehe dazu Farbwahrnehmung ↗
  • [20] Ernst Mach zur Außenwelt als Hypothese: "Die unbefangene wissenschaftliche Betrachtung wird leicht dadurch getrübt, daß eine für einen besonderen eng begrenzten Zweck passende Auffassung von vorneherein zur Grundlage aller Untersuchungen gemacht wird. Dies geschieht z. B., wenn alle Erlebnisse als in das Bewußtsein sich erstreckende 'Wirkungen' einer Außenwelt angesehen werden." Und dass Mach dieses Vorgehen für problematisch hält, zeigt der unmittelbar im Original folgende Satz: "Ein scheinbar unentwirrbares Knäuel von metaphysischen Schwierigkeiten ist hier hiermit gegeben." In: Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886. Siebten Auflage, 1922. Dort auf Seite 28. Siehe auch Ernst Mach ↗
  • [21] Die Übersetzung stammt von mir. Zum englischen Originaltext: George Berkeley: Treatise on the Principles of Human Knowledge. 1710: "It is indeed an opinion strangely prevailing amongst men, that houses, mountains, rivers, and in a word all sensible objects have an existence natural or real, distinct from their being perceived by the understanding. But with how great an assurance and acquiescence soever this principle may be entertained in the world; yet whoever shall find in his heart to call it in question, may, if I mistake not, perceive it to involve a manifest contradiction. For what are the forementioned objects but the things we perceive by sense, and what do we perceive besides our own ideas or sensations; and is it not plainly repugnant that any one of these or any combination of them should exist unperceived?" Siehe mehr unter Berkeley-Frage ↗
  • [22] So erinnert sich Werner Heisenberg an die Jahr 1926 bis 1927, an die Frühzeit der Quantenphysik: "Nun wurde behauptet, daß es, wenn man bis zu den Atomen hinabsteigt, eine solche objektive Welt in Raum und Zeit gar nicht gibt und daß die mathematischen Symbole der theoretischen Physik nur das Mögliche, nicht das Faktische abbilden." In: Werner Heisenberg: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik. Piper, München 1969. 7. Auflage. 2001. ISBN 3-492-22297-8. Dort im Kapitel 6 "Aufbruch in das neue Land. 1926-1927" auf Seite 112.
  • [23] Aus der Schulphysik bekannt sind zum Beispiel die erlaubten und die verbotenen Bahnen im Bohrschen Atommodell. Wie kann ein Elektron aber zwischen zwei Bahnen wechseln, wenn alle Zustände dazwischen verboten sind? Solche Fragen stellten die Physiker in den 1920er Jahren. Die Geschichte dieses Gedanken kristallisierte unter anderem um den Begriff Quantensprung ↗
  • [24] Im Jahr 1920 führte der Physiker Carl Ramsauer Versuche mit Elektronen durch, die einen mit dünnem Gas gefüllten Raum durchquerten. Dabei stellte Ramsauer fest, dass es zu weniger Wechselwirkungen der Elektronen mit den Gasteilchen kam, wenn sich die Elektronen langsam durch das Gas bewegten. Dieser Effekt war damals völlig unverständlich. Max Born etwa bezeichnet die Befunde als "schier verrückt" und lehnte sich zunächst als falsch ab. Später revidierte er seine Meinung: der Effekt ließ sicherklären, als man auch für materielle Teilchen wie Elektronen Welleneigenschaften und damit Beugung annahm. Siehe mehr dazu unter Ramsauer-Effekt ↗
  • [25] Die Transkription stand von mir (G. Heim). Das originale Interview wurde ausgestrahlt als: Anton Zeilinger: Einstein auf dem Prüfstand. In: Sternstunde Philosophie. Interview des Schweizer Rundfunks. 14.05.2006. Siehe auch Zeilingers Kant-Forderung ↗
  • [27] Viele Studien haben immer wieder belegt, dass das Fach Physik in der Mittelstufe drastisch an Beliebtheit einbüßt. Das gilt nicht nur für Deutschland und heute. Man beobachtet das seit etwa 1960 in vielen Ländern der Welt. Wer dann in die Oberstufe geht und die Möglichkeit hat Physik abzuwählen, tut das auch. Einen Grund dafür sehe ich in der nötigen aber oft fehlenden philosophischen Tiefe. Die Probleme, die die Idee einer realen Außenwelt so schwierig machen, erfassen oft schon Grundschüler, ganz sicher aber helle Köpfe der Mittelstufe. Und wenn diese bestehenden Probleme durch Lehrer nicht aktiv angesprochen werden, versuchen sich viele Schüler über einen naiven Realismus ein Bild von der Wirklichkeit zu machen, das letztendlich unmöglich ist. Im Englischen spricht man dazu passend von einem "intelligent confusion". Siehe mehr zu dieser didaktischen These von mir unter Swing away from science ↗
  • [28] Die Zitate von Demokrit (460 bis 370 v. Chr.) stammen von Galen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.: Galen, Med. emp. 15, S 114,5 ff. Walzer DK 68 B 125; übersetzt von J. Mansfeld. Siehe auch Demokrit ↗
  • [29] Seit Januar 2023 teste ich ChatGPT gezielt auf seine logischen, moralischen und didaktischen Fähigkeiten. Die Frage zur Selbsterkenntnis im Bezug auf die Außenwelthypothese stammt vom 24. April 2025. Ich glaube, kaum ein durchschnittlicher Mensch würde heute eine bessere und vor allem selbstkritischere Antwort geben können. Meine Fragen an ChatGPT sind zusammengestellt auf der Seite ChatGPT ↗
  • [30] "The table I write on, I say, exists, that is, I see and feel it; and if I were out of my study I should say it existed — meaning thereby that if I was in my study I might perceive it, or that some other spirit actually does perceive it." In: George Berkeley: Treatise on the Principles of Human Knowledge. 1710. Dort der §48.
  • [31] Wie ein ewiger Geist die uns verständliche Welt der Sinneseindrücke erzeugt, beschreibt Berkeley mit den folgenden Worten: "The ideas of sense are more strong, lively, and distinct than those of the imagination; they have likewise a steadiness, order, and coherence, and are not excited at random [...] which sufficiently distinguishes them from the fictions of the imagination. And this difference of ideas I take to arise from the following reason:—That the ideas of sense are excited in us according to certain rules or laws of nature, which are constant and uniform; and not depending on our will. But the set rules or established methods wherein the Mind we depend on excites in us the ideas of sense, is what we call the Laws of Nature. And these we learn by experience, which teaches us that such and such ideas are attended with certain other ideas in the ordinary course of things. This gives us a sort of foresight which enables us to regulate our actions for the benefit of life. And without this we should be eternally at a loss; and a grown man no more know how to manage himself in the world than an infant just born. All of which seems to plainly imply the existence of an omnipresent, eternal Mind, which knows and comprehends all things, and exhibits them to our view in such a regular and uniform way." In: George Berkeley: Treatise on the Principles of Human Knowledge. 1710. Dort der §33.
  • [32] Berkeleys Idee eines ewigen Geistes erinnert an die Vorstellung des mittelalterlichen Mystikers Meister Eckehart, von einem Got, der die Welt ständig neu erschafft: "Ich habe es schon öfters gesagt, dass Gott all diese Welt jetzt ganz und gar erschafft. Alles was Gott je vor sechstausend Jahren und mehr schuf, als Gott die Welt machte, das schafft Gott jetzt zumal." In: Meister Eckhart: Predigt 20 „Von Gott und Mensch“, in: Meister Eckhart: Predigten, hrsg. von Josef Quint, Stuttgart: Kohlhammer, 1955, S. 130.
  • [33] „Die sinnliche Welt ist die wirkliche Welt. [...] Die Materie, die der Materialismus als die einzige Realität annimmt, ist nichts anderes als die wirkliche Welt der Sinne.“ Quelle: Karl Marx / Friedrich Engels: Die Heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik. Frankfurt a.M.: Literarische Anstalt (J. Rütten), Ersterscheinung: 1845, S. 130.
  • [34] Für Rene Descartes garantierte erst Gott die Sicherheit einer real existierenden Außenwelt: "Im Rationalismus Descartes' hat die Subjekt-Objekt-Spaltung die quasi-ontologische Form eines Auseinander vn selbstgewissem ego (res cogitans) und materieller Außenwelt (res extensa)" Und: Subjekt könne nur über seine eiegene Existenz Gewissheit erlangen, wahre Erkenntnis der Außenwelt garanteire hingegen ein wahrhaftiger Gott." In: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort im Artikel zur "Subjekt-Objekt-Spaltung" auf Seite 573.
  • [35] Der Geist regt sich nur, wenn er von äußeren Dingen angeregt wird: "In days of old the Porch at Athens gave us men, seeing dimly as in old age, who could believe that the feelings of the senses and the imagination were but impressions on the mind from bodies without them, just as the old custom was to impress with swift-running pens letters upon the surface of a waxen tablet which bore no marks before. But if the mind with its own force can bring forth naught by its own exertions; if it does but lie passive and subject to the marks of other bodies; if it reflects, as does, forsooth, a mirror, the vain reflections of other things; whence thrives there in the soul an all-seeing power of knowledge? What is the force that sees the single parts, or which distinguishes the facts it knows?" In: Boethius: Der Trost der Philosophie, lateinisch Consolatio philosophiae. Geschrieben in den 520er Jahren.