Zufall
Ohne erkennbare Regel
Basiswissen
Definition: von Zufall oder zufälligen Ereignissen spricht man, wenn ihr Einreten nicht sicher vorhergesagt werden kann. Es sind keine Regelmäßigkeiten zu erkennen, mit denen man eine zuverlässige Voraussage treffen kann.
Zufall im Alltag
Zufall ist ein philosophisch und wissenschaftlich sehr schwieriger Begriff. Im Alltag gebrauchen wir ihn für Geschehnisse, die wir nicht vorhersagen können. Dabei genügt es uns, dass wir einfach nicht über das Wissen verfügen etwas vorhersagen zu können, obwohl es theoretisch vielleicht ginge. Man nennt das den subjektiven Zufall. Ein klassisches Beispiel ist die sogenannte Synchronizität ↗
Subjektiver Zufall
Es gibt vielleicht eine Regel, aber man kennt sie nicht: subjektiv meint, dass es ganz sicher aus Sicht einer Person so ist, nicht aber unbedingt aus Sicht anderer Personen so sein muss. Angenommen ich hätte eine sehr gute Kamera und einen sehr schnellen Computer. Es wäre denkbar, dass der Computer den Schwung der Hand, die Lage des Würfels, die Beschaffenheit des Tisches und einige andere Faktoren verrechnet. In dem Moment in der der Würfel die Hand verlässt, könnte der Computer schon vorausberechnet haben, welche Zahl kommt. Wenn es tatsächlich einen solchen Computer einmal geben sollte, dann wäre das Würfeln nicht wirklich zufällig sondern nur subjektiv (für uns scheinbar) zufällig. Mehr unter subjektiver Zufall ↗
Atomzerfall als objektiver Zufall
Objektiv meint hier, dass etwas ganz unabhängig vom Beobachter gilt. Es gilt also für alle Menschen gleich. Dazu ein Beispiel: Es gibt keine Formel und keine Theorie nach dem man vorausberechnen könnte, wann ein Uran-Atom von sich aus zerfällt. Es scheint dies ohne erkennbaren äußeren Einfluss zu einem vollkommen zufälligen Zeitpunkt zu tun. Viele Physiker schließen sogar aus, dass in dem Atom irgendwelche inneren Vorgänge stattfinden, aus denen man zumindest theoretisch den Zeitpunkt des Zerfalls voraussagen könnte. Wer den objektiven Zufall für möglich hält, glaubt gleichzeitig auch, dass Dinge ohne Ursache geschehen können. Siehe auch Radioaktivität ↗
Zufall in der Mathematik
Wenn man mit 200 Würfeln gleichzeitig würfelt, dann wird die Anzahl der 6en meistens zwischen 28 bis 38 liegen: mit Hilfe der Mathematik kann man sehr zuverlässige Vorhersagen darüber machen, mit welchem Anteil bestimmte Ergebnisse bei vielen Wiederholungen auftreten. Mehr dazu unter Wahrscheinlichkeit ↗
Zufall in der Informatik
Informatiker bemühen sich möglichst zufällige Zahlenfolgen zu erzeugen. Sie halten eine Zahlenfolge für zufällig, wenn man sie nicht komprimieren kann. Komprimieren meint hier, dass man eine Regel zur Erzeugung der Zahlenfolge findet, die selbst kürzer ist als die Auflistung der Zahlen selbst. Die Zahlenfolge 1, 8, 7, 4, 5, 6, 3 , 2, 9, 0, 1 erscheint recht zufällig. Tatsächlich geht sie aber aus einer einfachen Formel hervor: Zufallszahl = Rest von (n·n·n)/10. Man nennt solche mit Formeln erzeugte Zufallsfolgen Pseudozufallszahlen. Die Erzeugung und Überprüfung von Zufallsfolgen ist ein wichtiges Gebiet der Mathematik und Informatik. Mehr unter Zufallsgenerator ↗
Zufall als Causa sui
Als Causa sui, auf Deutsch auch eine Selbstursache, bezeichnet man etwas, das sich selbst hervorgebracht hat. Wenn der Zufall von nichts anderem abhängt, durch nichts hervorgebracht ist[3], gleichzeitig aber das Prinzip gelten soll, dass nichts ohne Ursache geschehe[5], so muss jedes zufällige Ereignis die Ursache für sich selbst gewesen sein, also eine Causa sui ↗
Fußnoten
- [1] Der Zufall als Ausdruck von Unwissenheit ist historisch schon früh bereits 1801 formuliert, sogar in der engen Bedeutung einer unerwarteten Krankheit: "Der Zufall, des -es, plur. die -fälle. 1. Derjenige Zustand, da etwas unvermuthet und aus uns unbekannten Ursachen geschiehet; ohne Plural. Er ist durch einen Zufall hierher gekommen. Da es denn, so wie Ungefähr und Schicksal, oft von demjenigen Wesen gebraucht wird, welches nach der Philosophie des großen Haufens, alle unvermuthete Begebenheiten, deren Ursachen ihm unbekannt sind, regieret. Sich dem Zufalle überlassen. Nur der ist unglücklich, der sich unter den Streichen des Zufalles beuget. 2. Eine jede unerwartete Begebenheit oder Veränderung, deren Ursachen uns unbekannt sind; mit dem Plural. Sie müssen wissen, daß das ein bloßer Zufall ist. Widrige Zufälle mit Standhaftigkeit ertragen. Sich in alle Zufälle zu schicken wissen. Ein ungefährer, ein blinder Zufall. 3. In engerer Bedeutung, eine unerwartete merkliche Veränderung der Gesundheit, welche man nicht näher bezeichnen will, oder kann. Sie bekommt einen Zufall über den andern, Gell. Ist ihr Zufall vorüber? eben ders. Gichtische, hysterische, epileptische Zufälle." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1747-1748. Online: http://www.zeno.org/nid/20000554081
- [2] Dass Dinge ohne Grund geschehen könnten, wird 1837 von einem Lexikon noch verneint: "Zufall und zufällig wird ein Ereigniß und ein Erfolg genannt, wenn die Ursachen und Zwecke davon nicht ersichtlich sind, vielleicht auch nachher nicht bekannt werden und der ganze Vorgang nicht vorauszusehen und nicht beabsichtigt war. Wenn z.B. der Blitz ein Haus trifft und Menschen darin tödtet, so ist zwar anzunehmen, daß er von geeigneten Umständen besonders angezogen wurde; allein nicht immer läßt sich das auch genauer nachweisen. Mit Redensarten, wie: der Zufall regiert die Welt, und der Behauptung eines blinden Zufalls in den Weltbegebenheiten, wird nur angedeutet, daß gar viel große und geringe Dinge vorgehen, die weder vorauszusehen noch in ihren zu Grunde liegenden Bedingungen zu erklären sind; denn daß irgend etwas ohne Ursachen und Vorbedingungen geschehe, kann die Vernunft nicht zugeben, und einen solchen bloßen oder blinden Zufall gibt es in der Welt nicht." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 818-819. Online: http://www.zeno.org/nid/2000087874X
- [3] Im Jahr 1857 ist der Begriff Zufall auch erweitert auf Dinge, die ohne Ursache geschehen: "Zufall, lat. casus, daher das italien. caso, franz. und engl. hasard, ein Begriff, der als eine Krücke menschlicher Unwissenheit dient u. worunter man im Allgemeinen jede Begebenheit od. jeden Erfolg versteht, über dessen Entstehungsgrund oder höhern Zusammenhang wir keine Rechenschaft zu geben vermögen. Streng genommen wäre zufällig alles, was überhaupt keinen letzten Grund u. Zweck und somit auch keinen Zusammenhang mit der höhern Ordnung der Dinge hat, der blinde Zufall selbst der Herrscher der Welt; daß aber eine solche Weltanschauung mit dem Fatalismus, Materialismus u. allem möglichen sich eher vereinbaren läßt, als mit der gefunden Vernunft oder gar mit dem Christenthum, bedarf wohl keines Nachweises. Häufig gebraucht man das Wort »zufällig« in der Bedeutung dessen, was so oder anders sein oder geschehen kann, als Gegensatz zu nothwendig, wesentlich, absichtlich." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 795-796. Online: http://www.zeno.org/nid/20003574326
- [4] Eine sehr umfangreiche Wortgeschichte, einschließlich geschichtlich älterer Begriffe aus dem Griechischen, Lateinischen, Arabischen und Französischen findet sich in: Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 2 1923, Band 3, S. 497-515. Online: http://www.zeno.org/nid/20006181848
- [5] Das sogenannte Kausalgesetz fordert, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt: "Kausalgesetz, der allen Realwissenschaften als allgemeinste Voraussetzung (Axiom) zugrunde liegende Satz, daß jede Veränderung eine Ursache […] habe, daß also nichts von selbst geschehe, sondern vielmehr jedes Ereignis an eine Summe von Umständen geknüpft sei, bei deren Abwesenheit (oder unvollständiger Anwesenheit) es nicht eintreten kann, und bei deren Vorhandensein es mit Notwendigkeit eintritt." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 784-785. Siehe dazu auch Kausalgesetz ↗
- [6] Der Physiker Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) zum Zufall in der Chemie: "Der Chemiker ist immer vor eine ungeheure Menge gleichartiger Moleküle gestellt, selbst wenn er es mit einem sehr komplizierten Molekül in vitro zu tun hat. In diesem Fall haben seine Gesetze Gültigkeit. Er kann beispielsweise bei einer bestimmten von ihm entfachten Reaktion voraussagen, daß nach einer Minute die Hälfte und nach einer weiteren Minute drei Viertel der Moleküle reagiert haben werden. Ob aber ein ganz bestimmtes Molekül – angenommen, man könnte seinen Gang verfolgen – unter denen, welche reagiert haben, oder unter denjenigen, welche noch nicht erfaßt sind, zu finden sein wird, das kann er nicht voraussagen. Das ist eine Sache des reinen Zufalls." In: Erwin Schrödinger: Was ist Leben?: Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987. ISBN: 3-492-11134-3. Dort die Seite 111. Siehe auch statistische Physik ↗
- [7] Eine Uhr besteht aus einer gigantisch großen Anzahl von Atomen. Jedes Atom für sich verhält sich in seinen Bewegungen recht zufällig. Die vielen Zufälle gleichen sich meist gegenseitig aus. Es könnte aber sein, dass alle Atome oft hintereinander gleichzeitig so in eine bestimmte Richtungen springen, dass dadurch die Uhr merklich falsch geht. So argumentiert zumindest der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1887 bis 1961): "Ein Uhrwerk aus realer stofflicher Materie ist im Gegensatz zu einem nur in der Einbildungskraft bestehenden kein echtes »Uhrwerk«. Das Zufallsmoment mag mehr oder weniger zurückgedrängt, die Wahrscheinlichkeit, daß die Uhr plötzlich ganz falsch geht, unendlich klein sein, im Hintergrund ist sie aber immer da." In: Erwin Schrödinger: Was ist Leben?: Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987. ISBN: 3-492-11134-3. Dort die Seite 118. Siehe auch Bernoulli-Ketten-Formel ↗