Sublunar
Irdisch, unterhalb des Mondes
Basiswissen
In der antiken und mittelalterlichen Gegenüberstellung einer irdischen und einer göttlichen Welt galt die Bahn des Mondes als Trennung: unterhalb des Mondes lag der irdische Lebensbereich[1]. Das Wort sublunar trägt oft einen abwertenden Beigeschmack des Unvollkommenen, des Vergänglichen[2], eben im Gegensatz zur himmlisch-göttlichen Welt oberhalb der Mondbahn. Das wird hier kurz mit einem Zitat des römischen Politikers Cicero (1. Jh. nach Christus) vorgestellt.
Cicero über die sublunare Welt
Der römische Politiker, Anwalt, Redner und Philosoph Cicero (106 bis 43 v. Chr) sagte über die sublunare Welt: "Danach hat dann die Sonne ungefähr das mittlere Gebiet inne, als Führer, Fürst und Lenker der übrigen (himmlischen) Lichter, maßgebender Geist der Welt, von solcher Größe, daß sie alles mit ihrem Lichte durchdringt und erfüllt. Von dort folgen wie Begleiter (der Sonne) die Umläufe sowohl der Venus wie des Merkurs. Und auf der untersten Bahn läuft der Mond um, von den Strahlen der Sonne entzündet. Unterhalb (der Mondbahn) gibt es nur noch Sterbliches und Hinfälliges, außer den Seelen, die dem Menschengeschlechte von den Göttern als Geschenk gegeben wurden. Oberhalb des Mondes ist alles ewig."[2]
Die antike Kosmologie im christlichen Mittelalter
Große Teile der Philosophie und Wissenschaf der griechischen und römischen Antike gelangten auf zwei Hauptwegen ins westeuropäische Mittelalter: zum einen wurde ein großer Teil des Wissens von Möchen in Klöstern bewahrt und weitergegeben. Zum anderen aber wurde gerade das mathematische und astronomische Wissen vom 8ten bis weit ins 13te Jahrhundert von arabischen Gelehrten nicht nur bewahrt sondern auch stark erweitert. Über die Kreuzzüge und die multikulturelle Wissenschaft des Stauferkaisers Friedrich II und auch über den Austausch mit arabischen und jüdischen Gelehrten, etwa im maurischen Spanien, wurde die westeuropäische Philosophie stark befruchtet. Vielleicht gelangte auf einem oder mehreren dieser Wege auch die antike Vorstellung einer unvollkommenen sublunaren Welt unterhalb einer himmlischen Welt darüber ins Christentum. Im Rahmen der Scholastik, einer christlich-intellektuellen Strömung des Hochmittelalters, kam es zu einer Verschmelzung chrisitlichen und antiken Denkens. In dieses Denken passt die Idee einer sublunaren Welt, als abgetrennt von einer himmlischen Welt sehr. Den geistigen Hintergrund bildete die sogenannte Scholastik ↗
Kometen gehörten der sublunaren Welt an
Der antik-mittelalterlichen Vorstellung einer göttlich-perfekten Welt oberhalb der Mondbahn entsprach nicht das ganz ungeregelte Auftreten von Kometen. Während man die Bewegung der Gestirne mehr oder minder gut aus den als perfekt gedachten Kreisbewegungen zusammengebaut denken konnte, gelang das mit den Bahnen der Kometen nicht. So wurden sie der Sphäre des Unperfekten, eben der sublunaren, irdischen Sphäre zugeordnet[1, Seite 31]. Tatsächlich stammen Kometen aber gerade aus sehr erdfernen Regionen, sie durchwandern nicht selten die Regionen am Rand unseres Sonnensystems. Siehe dazu auch Komet ↗
Newton und die sublunare Welt
Die Idee, dass es eine sublunare oder allgemeiner gesagt, eine irdische Welt gibt, in der andere Gesetze gelten als in einer überirdischen oder himmlischen Welt wurde zumindest für die Bewegungsgesetze endgültig von Isaac Newton widerlegt.[4] Newton führte die Bewegungen aller Gestirne als auch der Objekte auf der Erde auf drei überall gültige Grundtatsachen[5], seine berühmten drei Axiome zurück. Diese Axiome regeln den Weg des Jupiter um die Sonne und den Fall eines Steines auf der Hand eines Kindes. Siehe auch Newtonsche Axiome ↗
Fußnoten
- [1] Sublunar. In: Brigitte Hoppe. Historisches Wörterbuch der Philosophie online. Abgerufen am 27. September 2023. Dort heißt es "Als ‹sublunar› bzw. ‹translunar› werden in der antiken und mittelalterlichen Kosmologie die beiden Hauptregionen des Kosmos, deren Grenze die Mondsphäre bildet, bezeichnet.". DOI: 10.24894/HWPh.4133
- [2] Originalzitat in: T. M. Cicero: Scritpa quae manserunt omnia. Leipzig 1905. Darin: De re publica. Seite 271 bis Seite 379. Übersetzt von W. Petri. Buch 6, Kapitel 17, Seite 373/4. Zitiert nach: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. 1983. Seite 23.
- [3] Das Wort sublunar wird im Rahmen der Entwicklung kosmologischer Weltbilder insgesamt 11 mal erwähnt. In: Klaus Anselm Vogel: Sphaera terrae - das mittelalterliche Bild der Erde und die kosmographische Revolution. Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades am Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften der Georg-August-Universität zu Göttingen. 1995. DOI: http://dx.doi.org/10.53846/goediss-4247
- [4] Bis zur Zeit von Newton suchte man keine gemeinsame Ursache der Bewegungen von himmlischen und irdischen Objekten. Man betrachte die Bewegung der Himmelskörper vorwiegend als Kinematik [kinesis = Bewegung], die man nicht aus Ursachen, etwa einer Kraft (dynamis = Kraft) ableitete. In: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. Dort vor allem das Kapitel 2.5 "Kinematik und Dynamik - ein wichtiger Unterschied zwischen Antike und Neuzeit". Siehe auch Dynamik ↗
- [5] Indem Newton die Bewegung des Mondes um die Erde auf dieselben Gesetze zurückführte wie den Fall eines Steines auf der Erde, verschmolz er die vorher getrennte Physik für Himmel und Erde zu einer einheitlichen Sicht. In: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. Dort der Abschnitt "Isaac Newton, 1687: Die Geburt der Himmelsmechanik", Seite 268. Siehe auch Himmelsmechanik ↗
- [6] Noch für Johannes Kepler (1571 bis 1630) sei etwa die "Gleichsetzung zwischen den Ursachen von senkrechtem freien Fall und kreisender Bewegung der Planeten […] doch noch sehr fern". In: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. Seite 83.