Wirklichkeit
Definition
Basiswissen
In Wirklichkeit gibt es keine Feen, Einhörner oder Superhelden: das Wort Wirklichkeit bezeichnet oft eine unterstellte Realität in Abgrenzung zu bloßen Phantasiewelten. Wörtlich betrachtet ist es die Welt, in der etwas wirken kann (zum Beispiel Menschen) oder in der etwas zur Wirkung kommt und damit real wird. Das ist hier kurz mit einigen Aspekten vorgestellt.
Mathematik und Wirklichkeit
Albert Einstein sprach 1922 den Satz aus: “Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.” Die Tatsache, dass viele mathematische Konstruktionen sehr gut auf die Erfahrungstatsachen passen, hat die Frage aufgeworfen, ob die Mathematik eine Grundlage von Wirklichkeit ist oder bloß ein Gebilde unseres Geistes[6]. Solche Fragen behandelt man unter anderem innerhalb der Ontologie ↗
Wirklichkeit als Ort von Wirkungsmöglichkeiten
Das Wort Wirklichkeit enthält gedanklich das Verb wirken. Damit verweist es auf einen Bereich, in dem irgendjemand oder irgendetwas wirken kann, also Dinge erzeugen[10], vernichten, verändern oder gestalten kann. Damit grenzt sich die Idee einer so gedachten Wirklichkeit philosophisch ab gegenüber einer Realität als etwas das einfach nur ist. Eine Realität kann das Reich des Seienden, von existierenden Dingen sein, ohne dass darin etwas wirken muss. Die Wirklichkeit ist damit ein Sonderfall von Realität. Ein spekulativer Gedanke ist die Idee, dass die Wirklichkeit sozusagen einen gemeinsamen Raum für eine geregelte Wirkung verschiedener Wesen (Agenten, Akteure, Menschen, Seelen, Geister, Götter) darstellt. Lies mehr zu dieser Spekulation unter kollaborative Physik ↗
Fußnoten
- [1] 1793, Gegensatz von Möglichkeit: "Die Wirklichkeit, plur. car. die Eigenschaft, da etwas wirklich ist, besonders in der vorigen dritten Bedeutung, zum Unterschiede von der Möglichkeit. Die Wirklichkeit des Teufels leugnen. O Einbildung, du hast alle Reitze der Wirklichkeit!" In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1574-1575. Online: http://www.zeno.org/nid/20000538272
- [2] 1857, Gegenteil von Phantasie: " Wirklichkeit das in der Körper- u. Geisterwelt Existirende im Gegensatz zu dem, was nur Gebilde der Phantasie ist." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 731. Online: http://www.zeno.org/nid/20003568687
- [3] 1865, empirisches Dasein: "Wirklichkeit, Bezeichnung des empirischen, thatsächlichen Daseins. Logisch betrachtet steht sie in der Mitte zwischen der Möglichkeit u. Nothwendigkeit; in dieser Beziehung rechnete sie Kant zu den Kategorien der Modalität." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 282. Online: http://www.zeno.org/nid/20011297123
- [4] 1904, sicher ist nur das Ich: "Wirklichkeit (actualitas, realitas) bedeutet 1) gegenüber der bloßen Möglichkeit (s. d.): die Actualität, das gegenwärtige Sein, Wirken, Ausgewirkte, Verwirklichte. 2) im Gegensatz zum Schein (s. d.), zum Eingebildeten, bloß Vorgestellten, Bildlichen, Vermeinten: den Charakter des mit Recht als seiend, wesenhaft, dinglich, eigenschaftlich, zuständlich Beurteilten, bezw. den Inbegriff des wahrhaft Seienden selbst. Ursprünglich gilt alles (implicite) als wirklich, der Begriff der Wirklichkeit wird aber erst gebildet durch die Gegenüberstellung des wahrhaft und des vermeintlich, scheinbar Seienden. »Wirklich« ist alles Wirkungsfähige, den Inhalt einer (möglichen) Erfahrung bildende oder als seiend denkend Gesetzte. Indem man erkennt, daß die Objecte (s. d.) in ihrer Beschaffenheit subjectiv bedingt sind, verwandelt sich deren Wirklichkeit in eine bloß mittelbare, relative, während das Ich (s. d.) als solches unmittelbare Wirklichkeit behält und eine absolute Wirklichkeit den »transcendenten Factoren« (s. d.) zugeschrieben wird. Von der subjectiven Wirklichkeit der individuellen Erlebnisse unterscheiden sich die gesetzmäßigen Zusammenhänge möglicher (äußerer) Erfahrungsinhalte durch ihre objective (s. d.) Wirklichkeit (s. Realität)." Es folgen dann historische Beispiele. In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 788-793. Online: http://www.zeno.org/nid/20001810669
- [5] 1907, frei vom Willen: "Wirklichkeit heißt nach der gewöhnlichen Auffassung das in der Außenwelt Daseiende, in Raum und Zeit Vorhandene. Aber die Philosophie hat frühzeitig erkannt, daß die Gegenstände der äußeren Wahrnehmung durch ihre Eigenschaften (Farben, Töne usf.) nicht das metaphysisch Wirkliche darstellen. Daher hat der Kritizismus den Dingen an sich allein die Wirklichkeit beigelegt, und der konsequente Idealismus hat schließlich die Wirklichkeit der Außenwelt überhaupt geleugnet, so daß Hegel den Satz aussprechen konnte: »Was vernünftig ist, ist wirklich, und was wirklich, ist vernünftig«, womit dem Gedanken, dem Begriff die wahre Wirklichkeit zugesprochen wurde. Vgl. Realität, Objekt. Man wird die Schwierigkeiten im Begriffe des Wirklichen lösen, wenn man das Wirkliche zwar nur in den Vorstellungen des Bewußtseins, aber in dem an unseren Vorstellungen sucht, was unseren Sinnen und dadurch unserem Bewußtsein ohne unseren Willen gegeben ist. Vgl. gegeben." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 694. Online: http://www.zeno.org/nid/20003593584
- [7] Albert Einstein: Geometrie und Erfahrung: Festvortrag gehalten an der Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 27. Januar 1921.
- [8] Roger Penrose: Der Weg zur Wirklichkeit: Die Teilübersetzung für Seiteneinsteiger, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-827-42341-2.
- [8] Howard Bloom: The Global Brain: The Evolution of Mass Mind from the Big Bang to the 21st Century. Wiley, 2000, ISBN 978-0-471-29584-6; deutsch: Global Brain: die Evolution sozialer Intelligenz. Aus dem Amerikanischen und mit einem Nachwort von Florian Rötzer. DVA, 1999, ISBN 978-3-421-05304-6. Dort das Kapitel 7 "Werkzeuge der Wahrnehmung: Konstruktion der Wirklichkeit" von der Seite 105 bis Seite 121 sowie das Kapitel 8 "Die Wirklichkeit ist eine gemeinsame Halluzination" von Seite 122 bis Seite 137. Bloom entwickelt dort den Gedanken der sozial konstruierten Wirklichkeit als Teil einer sozialen Lernmaschine.
- [9] Philip Kindred Dick: "Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away." Das Zitat erschien ursprünglich im Jahr 1978 in einer Vorlesung von Philip Kindred Dick. Dick ergänzte dazu noch: "I offer this merely to show that as soon as you begin to ask what is ultimately real, you right away begin talk nonsense. In: How to Build a Universe That Doesn't Fall Apart in Two Days. Vortrag aus dem Jahr 1978. Der Satz sei Dick im Jahr 1972 gekommen, als Rat für ein Schulmädchen, das einen Aufsatz in Philosophie schreiben sollte. Online: https://urbigenous.net/library/how_to_build.html
- [10] Aristoteles (384 bis 322 v. Chr) zufolge umfasst die Wirklichkeit auch das Mögliche: "Die Wirklichkeit also des der Möglichkeit nach Seienden" In: Aristoteles. Physik. Drittes Buch. Erstes Kapitel. Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 51-54. Siehe auch Aristoteles ↗