Prädestionationslehre
Theologie
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Definition
Innheralb der christlichen Theologie steht das Wort Prädestinationslehre für den Gedanken, dass das Seelenheil des Menschen bereits bei seiner Geburt feststeht. Eine Hinführung zu diesem Schluss läuft über die Vorstellung, dass Gott allwissend ist und er auch deshalb schon jetzt weiss, wie die Zukunft aussieht. Die Prädestinationslehre ist eng mit dem Calvinismus verbunden, findet sich aber auch zum Beispiel im Islam[2]. Wenn die Vorherbestimmung nicht göttlicher oder schicksalshafter Art ist sonder rein naturwissenschaftlich gedacht wird, spricht man auch von Determinismus.
Zitate
ZITAT:
Boethius, um 523 n. Chr.: "»Es scheint mir,« entgegnete ich, »ein großer Gegensatz und Widerspruch darin zu liegen, daß einer seits Gott alles vorherwissen und andererseits doch eine Freiheit des Willens bestehen soll. Wenn nämlich Gott alles voraussieht und bei ihm jeder Irrtum unmöglich ist, so muß doch notwendigerweise alles das eintreten, was die göttliche Vorsehung voraussieht."[4]
Boethius, um 523 n. Chr.: "»Es scheint mir,« entgegnete ich, »ein großer Gegensatz und Widerspruch darin zu liegen, daß einer seits Gott alles vorherwissen und andererseits doch eine Freiheit des Willens bestehen soll. Wenn nämlich Gott alles voraussieht und bei ihm jeder Irrtum unmöglich ist, so muß doch notwendigerweise alles das eintreten, was die göttliche Vorsehung voraussieht."[4]
ZITAT:
Fritz Mauthner, 1923: "Ich wüßte nicht, wie man sich diesem Fatalismus entziehen soll, wenn man an einen allmächtigen und allwissenden Gott glaubt. Ja, der Glaube an Allwissenheit ohne Allmacht allein müßte zum Fatalismus führen. Der allmächtige Gott unterscheidet sich nämlich von dem Gotte der Deïsten, von dem Gotte der natürlichen Religion nur dadurch, daß er die Kette von Ursachen und Wirkungen durch Wunder zerreißen kann; weiß er aber nur alle Ursachen und Wirkungen, so kennt er auch die Schicksale aller Menschen, sieht sie vorher, und darum allein müssen sie vorher bestimmt sein; denn Gott kann unmöglich falsch vorhergesehen haben."[3]
Fritz Mauthner, 1923: "Ich wüßte nicht, wie man sich diesem Fatalismus entziehen soll, wenn man an einen allmächtigen und allwissenden Gott glaubt. Ja, der Glaube an Allwissenheit ohne Allmacht allein müßte zum Fatalismus führen. Der allmächtige Gott unterscheidet sich nämlich von dem Gotte der Deïsten, von dem Gotte der natürlichen Religion nur dadurch, daß er die Kette von Ursachen und Wirkungen durch Wunder zerreißen kann; weiß er aber nur alle Ursachen und Wirkungen, so kennt er auch die Schicksale aller Menschen, sieht sie vorher, und darum allein müssen sie vorher bestimmt sein; denn Gott kann unmöglich falsch vorhergesehen haben."[3]
Fußnoten
- [1] S. Müller: Logik der Freiheit. Die Prädestinationslehre Wilhelms von Ockham im Rahmen seiner Theologie. Archa Verbi, [s. l.], v. 17, p. 194–197, 2020. Siehe auch Ockhams Rasiermesser ">Wilhelm von Ockham ↗
- [2] "Ziabaristen heißen bei den Mahomedanern eine gewisse Secte, welche behaupten, daß alles was in der Welt geschehe und vorgehe, durch eine Vorausbestimmung Gottes (Prädestination) geschehe, und daß also dem Menschen schlechterdings kein freier Wille zustehe." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 515. Online: http://www.zeno.org/nid/20000808199
- [3] Das Zitat zum allmächtigen und allwissenden Gott im Widerspruch als Urheber eines Fatalismus stammt aus: Fritz Mauthner (1849 bis 1923). In: Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 1923, Band 1, S. 462-468. Siehe auch Fatalismus ↗
- [4] Der Gedanke, dass göttliches Allwissen eine Prädestion logischerweise nach sich ziehen muss, formulierte schon um 523 der spätantike Denker Boethius: "»Es scheint mir,« entgegnete ich, »ein großer Gegensatz und Widerspruch darin zu liegen, daß einer seits Gott alles vorherwissen und andererseits doch eine Freiheit des Willens bestehen soll. Wenn nämlich Gott alles voraussieht und bei ihm jeder Irrtum unmöglich ist, so muß doch notwendigerweise alles das eintreten, was die göttliche Vorsehung voraussieht. Da diese nun aber nicht bloß die Thaten der Menschen, sondern auch ihre Gedanken und Willensregungen vorherweiß, so scheint es doch keinen freien Willen geben zu können; denn es kann weder irgend ein Ereignis eintreten, noch irgend eine Willensregung lebendig werden, von denen die untrügliche göttliche Vorsehung nicht vorher Kenntnis gehabt hätte. Könnte sich aber der Wille auch in einer anderen als in der so vorhergesehenen Weise bethätigen, so könnte man eben nicht von sicherer Voraussicht, sondern nur von einer unbestimmten Meinung reden, und so etwas von Gott zu sagen, halte ich für sündhaft. Ich kann aber auch jener Ausführung nicht zustimmen, mittelst welcher einige über die Schwierigkeit dieser Frage hinwegzukommen glauben. Diese sagen nämlich, daß das zukünftige Ereignis nicht deswegen geschieht, weil die göttliche Allwissenheit sein Eintreten vorausgesehen hatte, sondern daß gerade umgekehrt ein Ereignis deswegen, weil es künftig geschehen wird, der göttlichen Voraussicht nicht verborgen bleiben kann. Man müsse also die ganze Sache umkehren, denn es sei nicht notwendig, daß etwas Vorausgesehenes wirklich geschehe, sondern daß das künftige Ereignis vorausgesehen werde. – Als ob es sich hierbei überhaupt um die Frage handelte, welches der Grund und welches die Folge sei, ob die Vorsehung der Grund der Notwendigkeit eines künftigen Geschehens, oder ob eben diese Notwendigkeit der Grund für die göttliche Voraussicht sei. – wir wollen hier aber doch nur untersuchen, ob, auch ganz abgesehen von aller Verknüpfung von Grund und Folge, das Eintreffen der vorausgesehenen Dinge ein notwendiges sei, wenn auch das Vorauswissen selbst nicht die Notwendigkeit des künftigen Geschehens bewirkt." In: Anicius Manlius Severinus Boethius: Die Tröstungen der Philosophie (De consolatione philosophiae). Entstanden um 523. Erstdruck unter dem Titel »De consolatione philosophiae«, Savigliano(?) 1470. Erste (frühneuhoch-)deutsche Übersetzung (anonym) unter dem Titel »Das puech von dem trost der weisshait des maiesters Boecy«, Nürnberg 1473. Der Text hier folgt der Übersetzung durch Richard Scheven von 1893. Dort im Fünften Buch. Online: http://www.zeno.org/nid/20009159266