Substanz
Philosophie
Grundidee
Die Substanz der Naturiwssenschaften, etwa der Chemie oder Physik wird „verstanden als Masse und Energie, ist quantivtativ unvermehrbar und unzerstörbar“.[4] Diese Idee des Dauerhaften zeigt sich auch im Begriff der Substanz in der Philosophie und Theologie. Dort ist die Substanz „das hinter den sichtbaren, wechselnden Gestalten bleibende Wesen einer Sache, der seinshafte Grund“.[4] Das ist hier näher vorgestellt.
Zur Etymologie des Wortes Substanz
Das Wort Substanz heißt wörtlich so viel wie darunter stehend, stützend und geht auf das altgriechische hypostasis zurück. Die Idee von stanz als stehend drückt sich zum Beispiel auch in dem englischen Wort stance für Haltung, Gesinnung aus. Siehe auch sub [Silbe] ↗
Antike Vorstellung von Substanz
In der griechischen Antike liegen die Wurzeln des heutigen Substanzbegriffs. Man suchte nach etwas Dauerhaftem, das dem gesamten Sein zugrunde liegt, aus dem die Welt an sich aufgebaut ist. Die Atomidee hat dort ihre Motivation[14] aber auch Begriffe wie arch (Prinzip), hyle (Stoff) oder Platons (428 bis 348 v. Chr.) unverändliche Ideen können unter dem Aspekt eines Suche nach dem Immerwährenden aufgefasst werden. Für Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) sind einerseits konkrete Dinge wie etwa Pferde oder Menschen Substanzen[6], anderseits nur deren Form oder Wesen (eidos)[1]. Für die moderne Physik bedeutsam wurde die Idee eines substanzartigen Atomon ↗
Die Substanz im Mittelalter
Im westeuropäischen Mittelalter wird der Substanzbegriff im Rahmen der christlichen Scholastik mit religiösen Vorstellungen verbunden. Insbesondere wurde die Seele als unvergänglicher Teil des Menschen gesehen, im Gegensatz zum vergänglichen Körper.[2] Die Seele war der Schlüssel zur Auferstehung und zum ewigen Leben. Darin drückt sich wieder der mit dem Substanzbegriff einhergehende Wunsch nach etwas Ewigem aus, "das hinter den sichtbaren, wechselhaften Gestaltende bleibende Wesen einer Sache, der wesenhafte Grund".[4] Siehe auch Seele ↗
Die Substanz in der Neuzeit
Die Neuzeit, beginnend um etwa 1400, ist in der Philosophie gekennzeichnet durch eine langsame Abkehr von theologisch geleitetem Denken. In der Neuzeit beginnen sich die heutigen Naturwissenschaften unabhängig von der Theologie zu machen. Einen bedeutsamen bis folgenschweren Schritt markiert hier die Trennung der Welt in zwei Arten von Substanzen durch den Mathematiker Rene Descartes. Er unterschied eine denkende Substanz, die res cogitans, von einer ausgedehnten, körperhaften Substanz, die res extensa. Beide Subtsanzen waren bei Descartes zwar von Gott noch geschaffen, existierten dann aber für sich beständig. Die Substanz nach Descartes war "ein Ding, das zu seiner Existenz keines anderen Dinges bedarf".[4] Das Folgenschwere dieser Trennung war die sich verengende Sicht der Naturwissenschaften auf die res extensa, das was wir heute Materie nennen, und das, unter Ausschluss der res cogitans, des Geistigen. Siehe auch res extensa ↗
Frühe Probleme mit dem Substanzbegriff
Seit etwa den 17ten Jahrhundert versuchten Naturwissenschaftler in der Materie eine dauerhafte feste Substanz im Sinne von Bausteinen der Welt zu erkennen. Dies führt zum sogenannten Teilchenmodell der Physik und Chemie und zur Entdeckung chemisch unveränderlicher Stoffe, der Elemente. Gleichwohl machten Denker wie Hume, Berkeley, Locke und Kant darauf aufmerksam, dass sich die Dinge an sich durch die Sinne niemals sicher wahrnehmen lassen. Damit können wir auch gewisse Kenntnis der Substanzen erhalten, sie bleiben unbeweisbare Gedankenkonstrukte und Modelle. Siehe dazu auch Ding an sich ↗
Der Verlust der Substanz in der modernen Physik?
Atom, Proton, Neutron, Elektron, Quark, Meson, Higgs-Boson und so weiter: seit etwa der Zeit um 1900 verfolgt die Physik das Ziel, die Grundbausteine der Welt in kleinsten Teilchen oder Dingen zu suchen. Große Geldbeträge werden zum Beispiel für Teilchenbeschleuniger ausgegeben, um die Materie in immer wuchtigeren Kollisionen in immer kleine Bruchstücke zu zertrümmer[3]. Doch es wird zunehmend zweifelhaft, ob die Teilchen der Teilchenphysik überhaupt noch sinnvoll als Substanz im ursprünglichen Sinn definiert werden können.
ZITAT:
"Das Standardmodell der Teilchenphysik bildet eine wesentliche Grundlage der modernen Physik. Doch was sind Elementarteilchen eigentlich? Diese Frage führt aus der Physik in die Philosophie, speziell in die Ontologie, die Lehre vom Sein." In: Thomas Brückner: Was ist ein Elektron? Die grundlegende Frage nach der Beschreibung und dem Wesen von Elementarteilchen eröffnet neben der physikalischen auch eine philosophische Perspektive."
"Das Standardmodell der Teilchenphysik bildet eine wesentliche Grundlage der modernen Physik. Doch was sind Elementarteilchen eigentlich? Diese Frage führt aus der Physik in die Philosophie, speziell in die Ontologie, die Lehre vom Sein." In: Thomas Brückner: Was ist ein Elektron? Die grundlegende Frage nach der Beschreibung und dem Wesen von Elementarteilchen eröffnet neben der physikalischen auch eine philosophische Perspektive."
So haben sie nicht immer eine Masse (masselose Teilchen?), entstehen und vergehen als virtuelle Teilchen im Quantenschaum, sind also damit höchst unbeständig, hängen in ihren Eigenschaften vom Momentanzustand weit entfernter anderer Teilchen ab (Verschränkung) oder treten überhaupt erst in die Existenz ein, wenn sie durch einen Experimentator dazu gezwungen werden (Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon). Dass die physikalisch gedachte Materie nur schwer den Anforderungen eines philosophischen Begriffes von Substanz genügen kann zeigt vor allem das klassische Doppelspaltexperiment ↗
Was ist das ontologische Gegenteil einer Substanz?
Etwas Flüchtiges, ständig Veränderliches, etwas ohne dauerhaften Bestand. In der Philosophie ist das Unwesentliche einer Sache ein Akzidens. Als Leitidee von Erkenntnis und Forschung ist das Gegenteil einer Suche nach unverändlichen Dingen die Idee, dass die Welt aus ständig veränderlichen Abläufen besteht. Diesen Ansatz bezeichnet man als Prozessphilosophie ↗
Was ist das logische Gegenteil einer Substanz?
In der mittelalterlichen Philosophie, insbesondere der Logik, unterschied man wesentliche von unwesentlichen Eigenschaften mit den Worten Akzidens und Substanz. Die Substanz war das Wesentliche, Dauerhafte, Unverzichtbare. Das Veränderliche und Unwesentliche war das Akzidens ↗
Fußnoten
- [1] Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Seite 575.
- [2] Günther Mensching und Alia Mensching-Estakhr (Herausgeber): Die Seele im Mittelalter. Von der Substanz zum funktionalen System. 6. Hannoveraner Symposium zur Philosophie des Mittelalters an der Leibniz-Universität Hannover vom 21. – 23. Februar 2012. Verlag Königshausen und Neumann. 216 Seiten. ISBN: 978-3826060274.
- [3] Elizabeth Gibney: Large Hadron Collider. Hoffnungsvoller Neustart. In: Spektrum der Wissenschaft. Oktober 2022. Seite 52 ff.
- [4] Substanz. In: Duden-Lexikon in drei Bänden. Dritter Band P bis Z. Dudenverlag. Mannheim. 1961. Seite 2040.
- [5] Zur antiken Substanz als Atom: "Eine Substanz beschreibt in der Philosophie dasjenige, was in der Welt unabhängig von anderen Gegenständen existieren kann. In der klassischen Atomtheorie der Vorsokratiker, wie in derjenigen des Demokrit, lässt sich jede wahrnehmbare Materie auf die letzten Bausteine, die Atome, zurückführen. Somit verkörpern in dieser Theorie die Atome die Substanz." In: Thomas Brückner: Was ist ein Elektron? Die grundlegende Frage nach der Beschreibung und dem Wesen von Elementarteilchen eröffnet neben der physikalischen auch eine philosophische Perspektive. Physik Journal 23 (2024) Nr. 11. Dort auf Seite 41.
- [6] Die Substanz als Einzelding, nach Aristoteles: "Im Werk „Kategorien“ von Aristoteles entsprechen den Substanzen Einzelgegenstände mittlerer Größe mit bestimmten Eigenschaften." Als Beispiele werden einzelne Pferde und einzelne Menschen genannt. (Originalquelle: Kategorien 2 a 11 – 14. Aristoteles, Organon, Bd. 2, hrsg. von H. G. Zekl, Meiner, Hamburg 1998). In: Thomas Brückner: Was ist ein Elektron? Die grundlegende Frage nach der Beschreibung und dem Wesen von Elementarteilchen eröffnet neben der physikalischen auch eine philosophische Perspektive. Physik Journal 23 (2024) Nr. 11. Dort die Seite 41.
- [7] Thomas Brückner: Was ist ein Elektron? Die grundlegende Frage nach der Beschreibung und dem Wesen von Elementarteilchen eröffnet neben der physikalischen auch eine philosophische Perspektive. Physik Journal 23 (2024) Nr. 11. Dort die Seite 40.
- [8] Aristoteles definiert Substanz: "Den Gegenstand unserer Betrachtung bildet der Begriff der Substanz als des selbständigen Seins. Die Prinzipien und Gründe der Substanzen sind es, die wir erforschen wollen. Ist das All als geschlossenes Ganzes zu fassen, so ist das substantiell Existierende sein wichtigster Bestandteil; sehen wir auf die Reihenfolge der einzelnen Bestimmungen am Seienden, so käme auch so die Substanz zuerst, und erst nach ihr die Qualität und weiter die Quantität usw. Denn diese alle machen nicht das Seiende in strengem Sinne aus; sie sind nur Beschaffenheiten und Bewegungen am Seienden, fast wie das Nicht-Weiße und das Nicht-Gerade auch. Ein Sein schreiben wir wenigstens irgendwie auch diesem zu; wir sagen z.B.: etwas ist nicht weiß. Keine der anderen Bestimmungen hat ein selbständiges Sein. Dafür zeugen denn tatsächlich auch die Ansichten der alten Denker. Auch sie suchten die Prinzipien, die Elemente und Gründe der Substanz zu erforschen. Und was die Heutigen anbetrifft, so sehen sie als die eigentlichen Substanzen das Allgemeine an; denn die Gattungen, die sie, weil sie alles auf Begriffe zurückführen, als die eigentlichen Substanzen bezeichnen, tragen den Charakter des Allgemeinen, während die Früheren sich an einzelnen Gebilden, wie Feuer und Erde, genügen ließen, ohne zur Körperlichkeit als dem Allgemeinen vorzudringen." In: Aristoteles. Metaphysik. Erste Abteilung. VII Das Absolute. Aristoteles: Metaphysik. Jena 1907, S. 162-169. Online: http://www.zeno.org/nid/20009149686