Subjektivismus
Physikalisch
Basiswissen
Unter Subjektivismus fasst man verschiedene Positionen zusammen denen zufolge Erkenntnis - auch naturwissenschaftliche - sowie Begründungen von Handlungen letztendlich vom Subjekt, meist einem einzelnen Menschen, abhängen und von diesem nicht abgelöst werden können[1, Seite 573]. Dabei kann man verschiedene Stufen des Subjektivismus unterscheiden. Das ist hier kurz aus Sicht der Physik erläutert.
Drei Stufen des Subjektivismus
Den Subjektivismus, die Idee, dass wir als Subjekte keine sichere Kenntnis über die Welt erlangen können, lässt sich in mindestens drei Spielarten aufspalten.
- 1) Erkenntnistheoretischer Subjektivismus: es gibt eine objektiv seiende Welt, aber unsere Kenntnis davon ist immer subjektiver Art. Siehe dazu auch Subjektivismus ↗
- 2) Eigenschafts-Subjektivismus: es gibt eine objektiv seiende Welt, etwa bestehend aus Quantenobjekten. Aber manche Eigenschaften dieser Objekte werden erst durch das Hinzutreten eines Subjekts, etwa in Form einer Versuchsandordnung, festgelegt[2][4][6]. Siehe dazu auch Wheelers partizipatorisches Universum ↗
- [3] Existenz-Subjektivismus: die Welt oder Teile davon existieren erst dann, wenn Subjekte hinzutreten, die etwas Wahrnehmen[8]: Sein ist Wahrgenommen-Sein. Siehe dazu auch unter Esse est percipi ↗
Arthur Schopenhauers Weltknoten
Der oben beschriebene physikalische Subjektivismus handelte davon, dass die Betrachtung der physikalischen Außenwelt nicht vollständig vom betrachtenden Subjekt abgelöst werden kann. Neben diesem physikalischen Subjektivismus kann man auch einen psychologischen Subjektivismus sprechen: ist es ist unmöglich, sich selbst in seinen Grundlagen des Erkennens selbst zu erkennen. Diesen Gedanken formulierte unter anderem um 1813 der Philosoph Arthur Schopenhauer mit seiner Metapher vom Weltknoten ↗
Subjetivismus als Relativismus
Der Subjektivismus ist ein Sonderfall des Relativismus. Relativismus heißt in der Philosophie zunächst ganz allgemein, dass „etwas (Gegenstände, Wertungen, Erkenntnisse) […] hinsichtlich eines bestimmten Gesichtspunktes nur durch Bezugnahme auf etwas anderes bestimmt werden kann.[1, Seite 505]“. Im Fall des Subjektivismus ist dieses relative andere dann ein Subjekt. Lies mehr unter Relativismus ↗
Der Objektivismus als Gegenposition
Der Glaube, dass es eine Welt gibt, die unabhängig von Betrachtern existiert oder Eigenschaften hat, ist die Gegenposition zum Objektivismus. Während dieser Objektivismus im Alltagsdenken vorherrscht, wird er in der Physik durch angezweifelt, zumindest oft vorsichtig nur als Hypothese verwandt[7]. Siehe mehr unter Objektivismus ↗
Fußnoten
- [1] Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X.
- [2] Der Physiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger (geboren 1945) steht einem starken Subjektivismus nahe. Die Ergebnisse von Versuchen zur Quantenverschränkung und dem Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon legen für ihn nahe: „Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden.“ In: Interview von Andrea Naica-Loebell mit Anton Zeilinger. Telepolis, 7. Mai 2001.
- [3] Immanuel Kants "Ding an sich" war als ein Gegenstand der Realität gedacht, der vielleicht real und objektiv für sich existiert, nicht aber sicher und vollständig in seinen Eigenschaften von uns erkannt werden kann. Das Kantsche "Ding an sich" wäre damit ein Beispiel für einen schwachen Subjektivismus. Siehe auch Ding an sich ↗
- [4] Albert Einstein beschreibt die "die Bohrsche Interpretation" so, "daß es keine vom wahrscheinlichen Subjekt unabhängige Realität gebe." Diese, Bohr zugeschriebene Position wäre ein starker Subjektivismus. In: Albert Einstein Max Born: Briefwechsel 1916-1955. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort in einem Brief von Albert Einstein vom 3. Dezember 1953, an Max Born. Seite 279.
- [5] In einer Einschätzung der Position von Albert Einstein unterscheidet Werner Heisenberg deutlich zwei Grade von Subjektivismus: "Zu seiner [Einsteins] philosophischen Grundeinstellung gehörte die Überzeugung von der Möglichkkeit einer vollständigen Trennung der Welt in einen objektiven und einen subjektiven Bereich und die Hypothese, daß man über die objektive Seite in einer unzweideutigen Weise reden können müsse. Diesen Forderungen aber konnte die Quantenmechanik nicht genügen, und es sieht nicht so aus, als könne die Naturwissenschaft jemals wieder zu den Einsteinschen Postulaten zurückfinden. In: Albert Einstein Max Born: Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort im Vorwort von Werner Heisenberg auf Seite 12. Eines der zentralen physikalischen Phänomene zur Stärkung einer subjektivistischen Position ist das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon [EPR] ↗
- [6] Wolfgang Pauli zufolge unterstellte Einstein anderen Quantenphysiker den Glauben an einen starken Subjektivismus, den er selbst ablehnte: "Nun habe ich in Gesprächen mit Einstein gesehen, daß er Anstand nimmt an der für die Quantenmechanik wesentlichen Vorausestzung, daß der Zustand eines Systems erst durch Angabe einer Versuchsanordnung definiert ist. [N.B. Einstein sagt statt >>Angabe einer Versuchsanordnung<< : >>daß der Zustand eines Systems davon abhängt, wie man es anschaut<<. […] Davon will Einstein absolut nichts wissen." In: ein Brief Wolfgang Paulis an Max Born, vom 3. März 1954. In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 290.
- [7] Einstein glaubt an eine objektiv seiende Welt: "Einstein aber hat das >philosophische< Vorurteil, daß sich (für makroskopische Körper) unter allen Umständen ein (>real< genannter) Zustand >objektiv< definieren läßt, d. h. ohne Angabe der Versuchsanordnung, mit deren Hilfe das System (der makr. Körper) untersucht wird, bezw. der das System >unterworfen< wird." In: ein Brief Wolfgang Paulis an Max Born, vom 3. März 1954. In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 290. Siehe auch Objektivismus ↗
- [8] Einstein war ein strenger Objektivist. Den Subjektivismus spitzte er mit seiner provokativen Mond-Frage zu: "We [Einstein und Bohr] often discussed his notions on objective reality. I recall that during one walk Einstein suddenly stopped, turned to me and asked whether I really believed that the moon exists only when I look at it." Auf Deutsch: glauben Sie, dass der Mond nur dann existiert, wenn ich ihn ansehen? In: Abraham Pais: Einstein and the quantum theory. In: Rev. Mod. Phys. 51, 863–914 (1979), p. 907. DOI: https://doi.org/10.1103/RevModPhys.51.863