Evolution
Biologie
Basiswissen
Evolution heißt zunächst ganz allgemein: Entwicklung[17]. Heute steht das Wort meist für die biologische Vorstellung einer Veränderung von Lebensformen über die Veränderung ihrer Erbmerkmale. Die biologische Evolution setzte auf der Erde schon früh nach deren Entstehung ein.
Evolution im Sinne von Charles Darwin
Was man heute im Sinne von Charles Darwin (1809 bis 1882) als Evolution bezeichnet ist Entstehung und Veränderung biologischer Arten durch drei grundlegende Vorgänge. Darwin selbst beschreibt die drei grundlegenden Vorgänge so: "Wachsthum mit Fortpflanzung; Vererbung, fast in der Fortpflanzung mit inbegriffen, Variabilität in Folge der indirecten und directen Wirkungen äusserer Lebensbedingungen und des Gebrauchs oder Nichtgebrauchs; rasche Vermehrung in einem zum Kampfe um's Dasein und als Folge dessen zu natürlicher Zuchtwahl führenden Grade, welche letztere wiederum die Divergenz des Characters und das Erlöschen minder vervollkommneter Formen bedingt.[12]"
Sprach Darwin von Evolution?
Nein, Charles Darwin das Wort Evolution in seiner englischen Originalausgabe von 1859 kein einziges Mal verwendet[18]. Wörter die Darwin selbst verwendet hat sind zum Beispiel "natural selection", "sexual selection", "extinction", "divergence", "variation", "variability" oder "struggle for life". Was wir heute als Evolutionstheorie bezeichnen nannte Darwin selbst die "theory of Natural Selection". Im deutschen Sprachraum bezeichnete man die darwinische Theorie zunächst als als Deszendenztheorie ↗
Evolution als Höherentwicklung
Mehr Komplexität, mehr "Fitness", mehr Infromation: eng mit der Idee der Evolution verbunden ist die Vorstellung einer irgendwie gearteten Entwicklung hin zu etwas Höherem[7], einer Stufenfolge von Entwicklungssprüngen. Siehe dazu den Artikel Höherentwicklung ↗
Evolution als Wiederkehr von Entwicklungssprüngen
Von Atomen zu Molekülen, von Molekülen zu Zellen, von Zellen zu Organismen und von Organismen zu Geselleschaften: einmal in Gang gesetzt, machte die Evolution große Entwicklungssprünge oder Übergänge, sogenannte Transitionen[4] mit immer wieder ähnlichen Prozessen wie Arbeitsteilung, Zentralisierung der Informationsverarbeitung oder der Ausbildung genetischer Kodierungen. Siehe dazu den Artikel evolutionäre Transitionen ↗
Evolution in der Soziologie
Darwins Theorie einer Entwicklung durch natürliche Auslese (Selektion) wurde sehr schnell auf das menschliche, soziale Zusammenleben[19] und den Kampf der Völker untereinander[20] übertragen. Der Kampf wurde bewusst als Lebensprinzip idealisiert Solche Strömungen fasst man heute zusammen als Sozialdarwinismus ↗
Evolution toter Dinge?
Die Idee, dass nicht nur Lebewesen in einem darwinistischen Sinn evoluieren können, sondern auch scheinbar tote Dinge wie Wirbelstürme[11], Sterne[21] oder Computercode kam bereits früh nach Darwins veröffentlichung auf und hat sich seitdem immer weiter entwickelt:
- Evolution von Molekülen Chemische Evolution ↗
- Evolution von Unternehmen Evolutionsökonomik ↗
- Evolution von Sternen Der Kampf ums Dasein am Himmel ↗
- Evolution von Computercode genetischer Algorithmus ↗
Fußnoten
- [1] Fortschritt und Richtung in der Evolution? In: Schöpfung und Evolution – zwischen Sein und Design. Neuer Streit um die Evolutionstheorie (pp.89–112). Herausgegeben von: Böhlau. Editiert von: Ulrich H. Körtner & Marianne Popp. 2007.
- [2] Bourke, A. F. G. (2011). Principles of Social Evolution. Oxford, UK: Oxford University Press. doi: 10.1093/acprof:oso/9780199231157.001.0001
- [3] Carsten Bresch: Die Rolle der Sprache im Gesamtbild der Evolution. In: Nova Acta Leopoldina N.F. 54, S. 747–752. 1981.
- [4] Jagers op Akkerhuis: Evolution and Transitions in Complexity: The Science of Hierarchical Organization in Nature. Springer. 2018. ISBN: 978-3319829142.
- [5] Ein Lexikon im Jahr 1854 kennt noch nicht die spätere biologische Bedeutung von Evolution: "Evolution, lat.-deutsch, im Kriegswesen jede Bewegung, wodurch die Linie verändert wird." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 637. Online: http://www.zeno.org/nid/20003326101
- [6] Im Jahr 1858 nennt eine Lexikon einen Bezug zur Biologie, aber noch nicht im heutigen darwinistischen Sinn: "Evolution (v. lat.), 1) Entwickelung, Enthüllung, der Act der Entfaltung vorzüglich der Blätter u. Blüthen aus den Knospen, auch die Entwickelung einer ganzen Pflanze; 2) (Math.), eine stetige Bewegung einer eine Curve berührenden Geraden u. eines bestimmten Punktes derselben durch alle ihre Lagen an der Curve." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 23-24. Online: http://www.zeno.org/nid/20009891684
- [7] 1904 ist der Evolutionsbegriff erweitert auf verschiedene - nicht nur darwinistische - Entwicklungen: "Evolution: Entwicklung von niederen, einfacheren zu höheren, complicierteren, vollkommener angepaßten Seins- und Lebensformen. Es gibt eine physische und eine psychische (geistige), ferner eine ethische, sociale, sprachliche, philosophische, religiöse Entwicklung. Die biologische Entwicklung beruht auf inneren und äußeren Factoren; zu den ersteren gehören: Organbetätigung, Übung, Willensintentionen aller Art, Vererbung allmählich erworbener und eingewurzelter Eigenschaften, zu den äußeren: Wechsel der Lebensbedingungen, Kampf ums Dasein und Auslese. Die Auffassung der Dinge unter dem Gesichtspunkte der Entwicklung heißt Evolutionismus. Die biologische Entwicklungstheorie überhaupt heißt Descendenztheorie (Transmutationshypothese), die in verschiedenen Formen (Lamarckismus, Darwinismus u. a.) auftritt." Es folgt dann in dem Artikel ein sehr umfangreicher historischer Abriss. In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 319-325. Online: http://www.zeno.org/nid/20001787640
- [8] Fast ganz ohne den biologischen Bezug kommt das Meyers Konversations-Lexikon im Jahr 1905 aus (die Idee wird umfangreich behandelt unter dem Stichwort Deszendenztheorie): "Evolution (lat.), Entwickelung, allmähliche Entfaltung; insbes. in der Mathematik die Abwickelung einer ebenen Kurve (s. Evolvente); im Militärwesen die Bewegung geschlossener Truppenkörper zum Zweck einer Orts- oder Formationsveränderung. Das Einüben solcher Evolutionen mit den Truppenkörpern bis zur Brigade aufwärts auf den Übungsplätzen nennt man Exerzieren, die Anwendung der Evolutionen im Gelände gegen einen gedachten, durch kleine Abteilungen dargestellten (markierten) oder wirklich vorhandenen Gegner: Manövrieren. – In der Seetaktik spricht man von Evolutionen eines Schiffes, einer Flotte im Sinne von Drehungen. Daher Evolutionsbogen, s. Drehkreis." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 201. Online: http://www.zeno.org/nid/20006578063
- [9] Sehr fokussiert auf die biologische Bedeutung ist ein Lexikon im Jahr 1907: "Evolution (franz. evolution) heißt Entwicklung. Fortschritt. Hauptsächlich versteht man darunter die stufenmäßige Entwicklung der organischen Natur. (Siehe Darwinismus). Herbert Spencer (1820-1904) hat das Evolutionsgesetz zum leitenden Grundgedanken seines gesamten philosophischen Systems gemacht. Das Wesen der Evolution besteht nach seiner Erklärung, in einer Vereinigung des Stoffes (integration of matter) und der Ausbreitung der Bewegung (dissipation of motion), wobei der Stoff eine sich steigernde Differenzierung[196] und Gliederung erhält. Der entgegengesetzte Vorgang ist der der Dissolution. Spencer überträgt das Evolutionsgesetz auch von – der Natur auf die Seele und auf gesellschaftliche und ethische Verhältnisse der Menschheit. Er wendet es auf die Entstehung der Welten, des Lebens, des Gedankens, der Wissenschaft, Kunst, Zivilisation usw. an, bei den Problemen der Soziologie allerdings nicht ohne Zwang. Als Vorgänger Spencers können Leibniz, Herder u. a. gelten. (H. Spencer, System of synthetic philosophy seit 1860. Th. Ribot, la psychologie anglaise contemporaine 1875, S. 160-247.) Vgl. Fortschritt." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 196-197. Online: http://www.zeno.org/nid/20003582159
- [10] Der Brockhaus von 1911 widmet dem Stichwort kaum eine Zeile (hat aber einen längeren Eintrag zum Stichwort Darwinismus): " Evolution (lat.), Entwicklung, Entfaltung; Bewegung geschlossener Truppenabteilungen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 545. Online: http://www.zeno.org/nid/20001092227
- [11] Dass auch nicht-biologische Systeme evoluieren können, etwa Sterne oder Hurricanes, wird betrachtet von: Michael L. Wong, Carol E. Cleland, Daniel Arend Jr., Robert M. Hazen: On the roles of function and selection in evolving systems. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS). 2023. 120 (43) e2310223120. Online: https://doi.org/10.1073/pnas.2310223120
- [12] Charles Darwin: Über die ENTSTEHUNG DER ARTEN im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um’s Daseyn. Nach der zweiten Auflage mit einer geschichtlichen Vorrede und andern Zusätzen des Verfassers für diese deutsche Ausgabe aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Dr. H. G. Bronn. Stuttgart. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung und Druckerei. 1860.
- [13] 1854 - Darwin arbeitet intensiv an seiner Evolutionstheorie - nennt ein deutsches Lexikon keinen Bezug zur Biologie: "Evolution, lat.-deutsch, im Kriegswesen jede Bewegung, wodurch die Linie verändert wird." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 637. Online: http://www.zeno.org/nid/20003326101
- [14] 1857 nennt ein anderes deutsches Lexikon Bezüge zur Biologie und auch zur Idee einer Entwicklung: "Evolutĭon (v. lat.), 1) Entwickelung, Enthüllung, der Act der Entfaltung vorzüglich der Blätter u. Blüthen aus den Knospen, auch die Entwickelung einer ganzen Pflanze; 2) (Math.), eine stetige Bewegung einer eine Curve berührenden Geraden u. eines bestimmten Punktes derselben durch alle ihre Lagen an der Curve." Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 23-24. Online: http://www.zeno.org/nid/20009891684
- [15] 1904, Evolution ganz im darwinistischen Sinn: "Evolution: Entwicklung von niederen, einfacheren zu höheren, complicierteren, vollkommener angepaßten Seins- und Lebensformen. Es gibt eine physische und eine psychische (geistige), ferner eine ethische, sociale, sprachliche, philosophische, religiöse Entwicklung. Die biologische Entwicklung beruht auf inneren und äußeren Factoren; zu den ersteren gehören: Organbetätigung, Übung, Willensintentionen aller Art, Vererbung allmählich erworbener und eingewurzelter Eigenschaften, zu den äußeren: Wechsel der Lebensbedingungen, Kampf ums Dasein und Auslese. Die Auffassung der Dinge unter dem Gesichtspunkte der Entwicklung heißt Evolutionismus. Die biologische Entwicklungstheorie überhaupt heißt Descendenztheorie (Transmutationshypothese), die in verschiedenen Formen (Lamarckismus, Darwinismus u. a.) auftritt." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 319-325. Onine: http://www.zeno.org/nid/20001787640
- [16] 1907, Evolution als Fortschritt: "Evolution (franz. evolution) heißt Entwicklung. Fortschritt. Hauptsächlich versteht man darunter die stufenmäßige Entwicklung der organischen Natur. (Siehe Darwinismus). Herbert Spencer (1820-1904) hat das Evolutionsgesetz zum leitenden Grundgedanken seines gesamten philosophischen Systems gemacht. Das Wesen der Evolution besteht nach seiner Erklärung, in einer Vereinigung des Stoffes (integration of matter) und der Ausbreitung der Bewegung (dissipation of motion), wobei der Stoff eine sich steigernde Differenzierung[196] und Gliederung erhält. Der entgegengesetzte Vorgang ist der der Dissolution. Spencer überträgt das Evolutionsgesetz auch von – der Natur auf die Seele und auf gesellschaftliche und ethische Verhältnisse der Menschheit. Er wendet es auf die Entstehung der Welten, des Lebens, des Gedankens, der Wissenschaft, Kunst, Zivilisation usw. an, bei den Problemen der Soziologie allerdings nicht ohne Zwang. Als Vorgänger Spencers können Leibniz, Herder u. a. gelten. (H. Spencer, System of synthetic philosophy seit 1860. Th. Ribot, la psychologie anglaise contemporaine 1875, S. 160-247.) Vgl. Fortschritt." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 196-197. Online: http://www.zeno.org/nid/20003582159
- [17] 1911, allgemein als Entwicklung, militärisch: "Evolution (lat.), Entwicklung, Entfaltung; Bewegung geschlossener Truppenabteilungen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 545. Online: http://www.zeno.org/nid/20001092227
- [18] Charles Darwin: On the Origin of Species BY MEANS OF NATURAL SELECTION, OR THE PRESERVATION OF FAVOURED RACES IN THE STRUGGLE FOR LIFE. Author Of ‘Journal Of Researches During H.M.S. Beagle’s Voyage Round The World. London. 1859. Eine Textsuche nach dem Wort Evolution ergab keinen einzigen Treffer. Online: https://www.gutenberg.org/files/1228/1228-h/1228-h.htm
- [19] René Worms: Les principes biologiques de l’evolution sociale. V. Giard et E. Brière, Paris 1910.
- [20] Wilhelm Schallmayer: Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker. 1903.
- [21] Karl Freiher du Prel: Der Kampf ums Dasein am Himmel: Die Darwin'sche Formel nachgewiesen in der Mechanik der Sternenwelt von Karl Freiherr du Prel. Denicke's Verlag. Berlin. 1874. 110 Seiten. Siehe auch Der Kampf ums Dasein am Himmel ↗