Kampf ums Dasein
Evolution
Basiswissen
Der Kampf ums Dasein, auf Englisch auch struggle for life, ist die Idee Darwins[1], dass ein Kampf oder Wettbewerb um begrenzte Ressourcen eine wichtige treibende Kraft der Evolution ist[10]. Andere Autoren übertrugen das Konzept dann etwa auch den Kosmos[2] oder das Zusammenleben von Menschen[9]. Zu letzterem siehe den Artikel zum Sozialdarwinismus ↗
Fußnoten
- [1] 1860, Charles Darwin verwendet den Begriff "Kampf ums Daseyn" an mehreren Stellen und geht ausführlich auch auf verschiedene Einwände ein. Hier steht ein Zitat, in dem Darwin die Idee der Malthusianischen Katastrophe der Überbevölkerung aufgreift: "Der Kampf ums Daseyn ist die unvermeidliche Folge der hochpotenzirten geometrischen Zunahme, welche allen organischen Wesen gemein ist. Dieses rasche Zunahme-Verhältniss ist thatsächlich erwiesen aus der schnellen Vermehrung vieler Pflanzen und Thiere während einer Reihe günstiger Jahre und bei ihrer Naturalisirung in einer neuen Gegend. Es werden mehr Einzelwesen geboren, als fortzuleben im Stande sind. Ein Gran in der Wage kann den Ausschlag geben, welches Individuum fortleben und welches zu Grunde gehen soll, welche Art oder Abart sich vermehren und welche abnehmen und endlich erlöschen muss. Da die Individuen einer nämlichen Art in allen Beziehungen in die nächste Bewerbung miteinander gerathen, so wird gewöhnlich auch der Kampf zwischen ihnen am heftigsten seyn; er wird fast eben so heftig zwischen den Abarten einer Art, und dann zunächst zwischen den Arten einer Sippe seyn. Aber der Kampf kann oft auch sehr heftig zwischen Wesen seyn,[S. 501] welche auf der Stufenleiter der Natur am weitesten auseinander stehen. Der geringste Vortheil, den ein Wesen in irgend einem Lebens-Alter oder zu irgend einer Jahreszeit über seine Mitbewerber voraus hat, oder eine wenn auch noch so wenig bessere Anpassung an die umgebenden Natur-Verhältnisse kann die Wage sinken machen." In: Charles Darwin: Über die ENTSTEHUNG DER ARTEN im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Züchtung, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um’s Daseyn. Nach der zweiten Auflage mit einer geschichtlichen Vorrede und andern Zusätzen des Verfassers für diese deutsche Ausgabe aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Dr. H. G. Bronn. Stuttgart. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung und Druckerei. 1860. Dort die Seite 500. Siehe auch Malthusianische Katastrophe ↗
- [2] 1874, der Kampf ums Dasein auch in der Sternenwelt: "Die Biologie in ihrer neueren Gestalt, für welche Darwins Untersuchungen grundlegend geworden sind, zeigt uns, daß wir alle Anpassung der Organismen an ihre respektiven Lebensverhältnisse, alle Zweckmäßigkeit in der leiblichen Verfassung der Individuen als das natürliche Resultat langer Entwicklungszustände zu erachten haben, daß aber keine Entwicklung ohne die Inkonvenienz begleitender Kämpfe auftritt. Daß aber dieses Gesetz keineswegs auf die biologischen Veränderungen beschränkt sei, sondern vielmehr in modifizierter Form nach Maßgabe der Verschiedenheit der von den Spezialwissenschaften behandelten Objekte auf alle übertragen werden kann, möchte schon daraus erhellen, daß alle Zeige der empirischen Forschung dem Erklärungsprinzip der Entwicklung zutreiben. Wenn wir nun in Bewunderung der zweckmäßigen Anordnung der Gestirne auch an sie den gleichen Maßstab legen und nach Analogien suchen wollen zwischen den biologischen und den kosmischen Vorgängen, so erscheint das bei der totalen Verschiedenheit der Objekte vorerst allerdings unthunlich; wir werden aber gleichwohl sehen, daß in allgemeiner Hinsicht sehr mekrwürdige Analogien vorhanden sind, und dies erfüllt uns mit dem Vertrauen, daß auch für die Astronomie etwas Ähnliches geleistet werden kann, wie es durch Darwin für die Biologie geleistet ist." In: Karl Freiher du Prel: Der Kampf ums Dasein am Himmel: Die Darwin'sche Formel nachgewiesen in der Mechanik der Sternenwelt von Karl Freiherr du Prel. Denicke's Verlag. Berlin. 1874. 110 Seiten. Siehe auch Solaris-Welten ↗
- [3] 1870 bis 1880er Jahre, Friedrich Engels misst dem Kampf ums Dasein in der Evolution keine große Bedeutung bei: "Kampf ums Dasein. Vor allen Dingen streng zu beschränken auf die durch pflanzliche und tierische Übervölkerung hervorgerufenen Kämpfe, die auf gewissen pflanzlichen und niedrigen tierischen Stufen in der Tat vorkommen. Aber davon scharf zu trennen die Verhältnisse, wo Arten sich ändern, alte aussterben und neue, entwickelte, an ihre Stelle treten ohne diese Übervölkerung: z.B. bei Wanderung von Tieren und Pflanzen in neue Gegenden, wo neue klimatische Boden- etc. Bedingungen die Abänderung besorgen. Wenn da die sich anpassenden Individuen überleben und sich durch stets wachsende Anpassung zu einer neuen Art fortbilden, während die andern, stabileren Individuen absterben und schließlich aussterben, und mit ihnen die unvollkommenen Mittelstufen, so kann dies vor sich gehn und geht vor sich ohne allen Malthusianismus, und sollte dieser je dabei vorkommen, so ändert er nichts am Prozeß, kann ihn höchstens beschleunigen. – Ebenso bei der allmählichen Veränderung der geographischen, klimatischen etc. Verhältnisse in einem gegebnen Gebiet (Entwässerung von Zentralasien z.B.). Ob da die tierische oder pflanzliche Bevölkerung aufeinander drückt oder nicht, ist gleichgültig; der durch sie bedingte Entwicklungsprozeß der Organismen geht doch vor sich. – Ebenso bei der sexuellen Zuchtwahl, wo der Malthusianismus auch ganz beiseite bleibt." In: Dialektik der Natur. Notizen und Fragmente. Biologie. Veröffentlicht in: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 20, S. 554-569. http://www.zeno.org/nid/20009163379
- [4] 1904, als zwangsläufiges Naturprinzip: "Kampf (Streit) ist nach HERAKLIT der Vater aller einzelnen Dinge (polemos patêr pantôn, Plut., Is. et Osir. 48). Der Kampf läßt aus der Einheit die Vielheit, Verschiedenheit hervorgehen; die Rückkehr zu jener, zum göttlichen Urfeuer, ist der Friede (homologia kai eirênê, Diog. L. IX, 8). – Nach CAMPANELLA stehen alle Dinge im Kampfe miteinander (De sensu rer. I, 5). HOBBES spricht vom »bellum omnium contra omnes« (s. Sociologie). Den (directen und indirecten) »Kampf ums Dasein« (»struggle for life«) aller Lebewesen lehrt CH. DARWIN (s. Evolution). Nach Du PREL besteht auch ein »Daseinskampf« zwischen den Himmelskörpern. ROLPH setzt an die Stelle des Kampfes ums Dasein den »Kampf um Mehrerwerb« (Biolog. Probleme 1884).[535] Ähnlich NIETZSCHE. Nach F. SCHULTZE ist der Kampf ums Dasein »nur ein besonderer Ausdruck der allgemeinen Causalität«. »Jeder sucht sich so weit zu erhalten, als seine ursächliche Kraft reicht, und wird so weit überwältigt, als die Kraft des Gegenstrebenden die des Strebenden überragt« (Philos. der Naturwiss. II, 344). Vgl. Evolution, Selection, Dualismus." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 535-536. http://www.zeno.org/nid/20001792822"
- [5] 1899, als wörtliche Übersetzung "Viertes Capitel" der Titel "Natürliche Zuchtwahl oder Überleben des Passendsten". In: Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. Stuttgart 91899, S. 97-153. Online: http://www.zeno.org/nid/20009160736
- [6] 1905, als kritisierter Begriff, in: "Alle Fortbildungen der Variationen und Anpassungen schreibt der Darwinismus (und in noch strengerm Ausschluß aller andern Faktoren der Neodarwinismus) der natürlichen Auslese oder Zuchtwahl zu, die durch die Mitbewerbung ähnlicher Wesen (Kampf ums Dasein) in Tätigkeit erhalten wird, und gegen diese Lehre, die das Überleben der passendsten, d. h. unter den gegebenen Umständen am zweckmäßigsten organisierten Formen betont, richten sich daher die Hauptbestrebungen der neuern Gegner des Darwinismus, während die andern Faktoren (Variabilität und Anpassungsfähigkeit) nicht mehr bestritten werden, die Deszendenztheorie im allgemeinen kaum mehr ernstlich bekämpft wird." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906. Online: http://www.zeno.org/nid/20007737270
- [7] 1906, Kampf ums Dasein ist Konzept ohne Alternative: "Alle Fortbildungen der Variationen und Anpassungen schreibt der Darwinismus (und in noch strengerm Ausschluß aller andern Faktoren der Neodarwinismus) der natürlichen Auslese oder Zuchtwahl zu, die durch die Mitbewerbung ähnlicher Wesen (Kampf ums Dasein) in Tätigkeit erhalten wird, und gegen diese Lehre, die das Überleben der passendsten, d.h. unter den gegebenen Umständen am zweckmäßigsten organisierten Formen betont, richten sich daher die Hauptbestrebungen der neuern Gegner des Darwinismus, während die andern Faktoren (Variabilität und Anpassungsfähigkeit) nicht mehr bestritten werden, die Deszendenztheorie im allgemeinen kaum mehr ernstlich bekämpft wird. Diese Gegner sind in neuerer Zeit so zahl- und wortreich geworden, daß bei Laien vielfach der Glaube erweckt wird, die Darwinsche Theorie sei überwunden, man stehe am ›Sterbelager des Darwinismus‹. Aber leider enthalten alle diese Schriften nur eine negative Kritik, ohne einen positiven Ersatz zu bieten, denn alle neu aufgestellten Erklärungsprinzipien, wie z.B. die Zielstrebigkeit Baers, die Orthogenesistheorie Eimers, die Dominanten Reinkens, die ›Autonomie des Lebens‹ von Driesch etc., erweisen sich bei genauerer Betrachtung durchweg als Wiederbelebungen uralter philosophischer Aufstellungen, wie der Ideenlehre Platons, der Entelechienlehre des Aristoteles, der vis plastica und der Lehre von der Keimseele und Lebenskraft, von der ›goldenen Kette‹ etc., die z.T. seit Jahrhunderten ihre Überzeugungskraft eingebüßt haben. Diese Gegner der Zuchtwahltheorie übersehen, daß sowohl der Kampf ums Dasein als der Fortschritt durch das Überleben des Passendsten als nicht nur im Völkerleben, sondern auch für den Fortschritt der Geisteskultur als allgemein anerkannte Erfahrungstatsachen gelten, auf die ja die gesamte Kulturentwickelung zurückgeführt wird, daß man ferner denselben Vorgang auch durch die Paläontologie bewiesen findet, sofern nicht nur ein Aussterben unzähliger Lebensformen (das die Gegner durch ein sogen. Altern der Arten und Gattungen, ja der Familien erklären wollen) infolge des Daseinskampfes, sondern auch an den Fossilien ein Überleben sogen. adaptiver Formen verfolgbar ist, deren Sieg sich durch die Gliedmaßenausbildung und durch meßbaren Gehirnzuwachs noch am Knochengerüst demonstrieren läßt. Historische Vorgänge lassen sich nachträglich nur durch Dokumente beweisen, aber die erkennbaren Veränderungen der in vervollkommneten Formen fortlebenden Geschlechter sind in der Tat derart, daß sie das beanstandete Argument vom ›Forlleben des Passendsten‹ direkt zu bestätigen im stände sind." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906. Online: http://www.zeno.org/nid/20007737270
- [8] 1911, als zwingende Logik: "Zuchtwahl, Auslese, Selektion (Selectĭo), ein, solange es Lebewesen gibt, in der Natur stattfindender Vorgang (selectĭo naturālis; engl. natural selection), durch den von einer Anzahl unter gleichen Verhältnissen lebender Organismen gleicher Art gewisse, diesen Verhältnissen am besten entsprechende Individuen im Kampf ums Dasein, dem auf den Nahrungserwerb gerichteten Wettkampf, mit den andern, auch mit solchen anderer Art, als Sieger hervorgehen (Überleben des Passendsten) und die Eigenschaften, durch die sie Sieger wurden, auf ihre Nachkommen vererben können. Da sich dieser Vorgang in jeder Generation abspielt, müssen sich die betreffenden Eigenschaften immer mehr steigern, und zwar auf Kosten anderer, überflüssig werdender." Und so weiter. In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 1035. Online: http://www.zeno.org/nid/20001702173
- [9] Friedrich von Bernhardi: Deutschland und der nächste Krieg. Verlag J. G. Cotta, 1913. 345 Seiten. Siehe auch Deutschland und der nächste Krieg ↗
- [10] 1909 schreibt der Biologe Ernst Haeckel (1834 bis 1919): "Not macht erfinderisch, und Übung macht den Meister. Der harte Kampf ums Dasein stellt eben überall und jederzeit so strenge Anforderungen an den Selbsterhaltungstrieb der Tiere, daß sie zum Lernen und Arbeiten ebenso gezwungen sind wie der Mensch." In: Ernst Haeckel: Zellseelen und Seelenzellen. Vortrag gehalten am 22. März 1878 in der Concordia zu Wien. Als Buch herausgegeben vom Verlag Alfred Krömer im Jahr 1909. Dort die Seite 31. Siehe auch Zellseelen und Seelenzellen ↗
- [11] 1944 Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger geht von einem Überleben des Stärkeren aus: "Wenn die Nachkommen ausnahmslos das getreue Abbild ihrer Eltern wären, dann wären uns nicht nur all die schönen Versuche, welche uns den Vererbungsvorgang im einzelnen zeigen, versagt, sondern auch das großartige millionenfache Experiment der Natur, die durch die natürliche Zuchtwahl und das Überleben des Stärkeren die Arten formt." Und: "Weil die Mutationen sich rein vererben, sind sie andererseits ein geeignetes Arbeitsmaterial für Darwins Zuchtwahl, die die Schwachen ausmerzt und die Starken überleben läßt und damit die Arten hervorbringt." In: Erwin Schrödinger: Was ist Leben?: Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987. ISBN: 3-492-11134-3. Dort die Seiten 58 und 61. Siehe auch Siehe auch (externer Link) => Erwin Schrödinger