Objektivierung
Physik
Basiswissen
Als Objektivierung bezeichnet man einen Vorgang, bei dem eine der Einfluss einer konkreten Person ausgeschlossen werden soll. Das spielt in der Messtechnik, insbesondere auch in dem empirischen Sozialwissenschaften eine wichtige Rolle.
Die Objektivierung in den Naturwissenschaften
Als Galileo Galilei seine Messungen zur Rolldauer von Kugeln auf schiefen Ebenen machte, soll er unter anderem seinen Pulsschlag für die Messung von Zeiten verwendet haben[1]. Nun können unterschiedliche Menschen unter sonst gleichen Bedingungen ganz unterschiedliche Frequenzen des Pulses haben. Damit kämen - je nach Person - unterschiedlich gemessene Zeitdauern für das Rollen einer Kugel auf eine schiefen Ebene heraus. Diesen Einfluss der konkreten Person ist das Subjektive an der Messung. Objektivierung heißt, dass man diesen Einfluss ausschließen will. Eine Möglichkeit dazu wäre es, die Zeit mit einem Pendel zu messen. So verwendete man für eher kurze Zeitdauern statt des Pulses später tatsächlich das sogenannte Sekundenpendel ↗
Die Objektivierung in der Sozialforschung
Angenommen Sie versuchen über ein Interview mit einem vorher genau festgelegten Fragenkatalog herauszufinden, ob eine bestimmte Person Angst sich als schüchtern empfindet. Es ist nun durchaus denkbar, dass die Antworten der befragten Person von Ihrem Auftreten abhängen. Vielleicht neigen die Antworten der Person eher dazu sich als schüchtern zu beschreiben, wenn Sie forsch, laut und aggessiv auftreten. Um hier den möglichen Einfluss des Interviewers auf die befragte Person auszuschließen, könnte man zum Beispiel die Fragen über ein Formular per Post stellen. Das wäre eine Möglichkeit für eine Objektivierung. Eine weitere Anforderung an die Güte von Messungen in den Sozialwissenschaften ist die sogenannte Reliabilität[3] ↗
Die Objektivierung als Spekulation
In der Philosophie wird Objekt oft vorsichtig zunächst nur als "Gedankending[2]". So kann im eigenen Bewusstsein das Gefühl eines starken Geräusches, etwa lautes Vogelzwitschern, auftreten. Wenn man nun von diesem reinen Objekt der Innenwelt auf ein Objekt in der Außenwelt schließt, so vollzieht man damit eine Objektivierung[3]. Bewusst oder unbewusst denkt man damit im Sinne einer Außenwelthypothese ↗
Fußnoten
- [1] Puls als Zeitmesser: "Wie eine Entfernung gemessen wird, war lange vor Galilei bekannt, aber es gab keine genauenVerfahren zur Zeitmessung, vor allem nicht für kurze Zeiten. Obgleich er später präzisere Uh-ren konstruierte (die jedoch nicht wie die uns bekannten waren), hat Galilei bei seinen erstenBewegungsexperimenten seinen Pulsschlag zum Zählen gleicher Zeitintervalle verwendet." Zu diesem Zitat sieht man im Originalbuch eine Skizze einer Kugel zu verschiedenen Zeitpunkten beim Herunterollen auf einer schiefen Ebene. In: "5 Zeit und Entfernung". Band 1 Mechanik, Berlin, München, Boston: De Gruyter, 2015, pp. 57-70. https://doi.org/10.1515/9783110444292-009
- [2] 1907, Objekt Gedankending: "Objekt (lat. von objicere = entgegenstellen, vorstellig machen), Gegenstand, eigtl. das Dargebotene, bedeutet allgemein dasjenige, womit sich ein Subjekt geistig beschäftigt. […] Gegenstand der subjektiven Betätigung ist alles, was dem Bewußtsein gegeben ist, jedes Gedankending." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 402-404. Online: http://www.zeno.org/nid/20003587282
- [3] 1911, Außenwelt vorstellen: "Objékt (lat.), das Angeschaute, Vorgestellte, der Gegenstand (Gegensatz: Subjekt); in der Grammatik die Ergänzung des Prädikats (durch Nennung des von der Handlung näher oder ferner betroffenen Gegenstandes); objektīv, gegenständlich, sachlich; Objektivität, sachliche Beurteilung; objektivieren, das Erzeugnis unserer Sinne als ein außer uns Vorhandenes (als Ding) auffassen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 296. Online: http://www.zeno.org/nid/20001402471
- [4] Das Ausschalten der subjektiven Sinnesqualitäten ist dem Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger verdächtig. Er hält es für eine "wunderliche Tatsache, daß einerseits unser gesamtes Wissen über die uns umgebende Welt, ob es nun im Alltagsleben oder durch höchst sorgfältig geplante und mühsame Laboratoriumsversuche erworben ist, ganz und gar auf unmittelbaren Sinnensempfindungen beruht, während andererseits dieses Wissen nicht imstande ist, uns die Beziehung der Sinnesempfinden zur Außenwelt zu enthüllen." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort die Seite 66.
- [5] Erwin Schrödinger hält die objektivierten Modelle der Naturwissenschaften für Hypothesen einer Außwenwelt: "Damit [mit dem Begriff der Objektivierung] meine ich genau dasselbe, was auch oftmals die Hypothese der realen Außenwelt genannt wird. Ich behaupte, es handelt sich dabei um eine gewisse Vereinfachung, die wir einführen, um das unerhört verwickelte Probleme der Natur zu meistern. Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zu einer objektiven Welt wird." Quelle: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Dort die Seite 28. Siehe auch Außenwelthypothese ↗
- [6] Man kann zuweilen die Aussage hören, dass unsere Sinneswahrnehmungen den Charakter einer Illusion oder Täuschung haben. Das entkräftet Erwin Schrödinger mit einem fiktiven antiken Dialogs, der von Galenus überliefert ist, Demokrit zugeschrieben wird und von Diels ins Deutsche übersetzt wurde. In dem antiken Fragment streitet sich der vermenschlichte Verstand mit den ebenfalls vermenschlichten Sinnen. Der Verstand sagt: "Nur scheinbar gibt es Farben, nur scheinbar Süße, nur scheinbar Bitterkeit. in Wirklichkeit gibt es nur die Atome und den leeren Raum." Darauf antworten die Sinne: "Armer Verstand! Hoffst du, uns zu schlagen, wo du doch deine Beweise von uns borgst? Dein Sieg ist deine Niederlage!" In: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Dort die Seite 77. Siehe auch Ding an sich ↗