Farbwahrnehmung
Physik
Basiswissen
Als Farbwahrnehmung bezeichnet man die Fähigkeit, mit Sinnesorganen verschiedene spektrale Zusammensetzungen von Licht unterscheiden zu können. Das ist hier kurz vorgestellt.
Die Farben der Wahrnehmung
Die meisten Menschen können Farben wie Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett gut unterscheiden. Manche Tiere können zusätzlich auch für Menschen unsichtbare Farben erkennen. So können manche Insekten Farben im ultravioletten Bereich von Blüten erkennen, wo Menschen nur weiß sehen[4]. Und manche Schlangen sehen auch im Infrarotbereich[5]. Siehe auch Farben ↗
Vorrangig ausschlaggebend: die Frequenz
Farben werden in der Physik oft als elektromagnetische Wellen beschrieben. Jeder Farbe ist dann ein kleiner Bereich einer Wellenlänge (meist in Nanometer) und einer Frequenz (meist in Terahertz) zugeordnet. Die Zuordnung der Wellenlänge einer elektromagnetischen Welle[12] gilt aber nur für das Vakuum. Tritt Licht vom Vakuum in ein anderes Medium ein, so wird es langsamer und seine Wellenlänge nimmt dabei oft deutlich ab. Die Frequenz jedoch ändert sich beim Wechsel des Mediums nicht, sie bleibt immer erhalten. Dass die Wellenlänge für die Farbwahrnehmung keine Rolle spielt , kann man leicht selbst überprüfen. Betrachtet man einen roten Ball mit bloßem Auge einmal knapp über der Wasseroberfläche und einmal knapp darunter, dann erscheint er in beiden Fällen gleich rot. Dabei hat sich die Wellenlänge im Wasser aber deutliche verringert. Wenn sich aber die Wellenlänge stark verändern kann, ohne dass sich dabei die empfundene Farbe ändert, kann die Wellenlänge keinen Einfluss auf die Wahrnehmung der Farben haben, sondern es ist die Frequenz[1]. Letztendlich immer eindeutig für das Farbempfinden ist also die Lichtfrequenz ↗
Nur zweitrangig wichtig: die Wellenlänge
Schon Isaac Newton ordnete verschiedenen Farbempfindungen verschiedene Wellenlängen zu[8]. Erwin Schrödinger schreibt später: "Fragt man einen Physiker nach seiner Vorstellung von gelebem Licht, so wird er sagen, daßes aus transversalen elektromagnetischen Wellen besteht, deren Wellelnlägen inder Nachbarschaft von 590 µµ (1 µµ = 10 hoch -6 mm) liegen […] Weiter können wir fragen: Ist die Strahlung in der Nähe der Wellenlänge 590 µµ die einzige, die die Empfindung Gelb hervorruft? Die Antwort lautet: Nein, ganz und gar nicht! Mischt man Wellen von 760 µµ die für sich allein die Empfing Rot erzeugen, in bestimmtem Verhältnis mit Wellen von 535 µµ, die für sich allein die Empfindung Grün erzeugen, so ergibt diese Mischung ein Gelb, das vom Auge von dem Gelb nicht unterschieden werden kann, das durch die Welelnlänge 590 µµ erzeugt wird." Aber: "Es gibt kein einfaches Gesetz dafür, daß eine Mischung zweier Spektrallichter die gleiche Wirkung habe wie ein einziges zwischen ihnen liegendes Spektrallicht. So ergibt zum Beispiel eine Mischung von Blau und Rot, die an den Enden des sichtbaren Spektrums liegen,Purpur, eine Farbe, die durch ein einziges Spektrallicht überhaupt nicht erzeugt werden kann." Die hier angeführten Zitate[2, Seite 66 ff.] stammen von dem Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger. Er argumentiert damit dahingehend, dass keine naturwissenschaftliche Theorie die sinnlichen Qualitäten unserer Wahrnehmung erklären kann[3].
Die Farbwahrnehmung bei wenig Licht
In einem ziemlich dunklen Raum oder bei Dämmerung und in der Nacht kann man noch oft Gegenstände erkennen, sieht aber deren Farben nicht. Das hängt damit zusammen, dass es zwei Arten von Sehzellen auf der Netzhaut gibt. Gut im Dunkeln sehen können die Stäbchen. Aber Farben können die Stäbchen nicht unterscheiden. Erst wenn es hell genug ist reagieren die Zäpfchen. Diese Zellen können gut Farben unterscheiden, sehen aber schlecht im Dunkeln. Interessant ist hier der sogenannte Purkinje-Effekt. Die Stäbchen-Zellen für das Dunkelsehen reagieren so gut wie gar nicht auf dunkelrotes Licht. Wenn wir in einem dunklen Raum ein rotes Blatt Papier sehen, so erscheint es uns als schwarz. Tatsächlich kann es im hellen Licht heller erscheinen erscheinen, als zum Beispiel eine blaues Blatt Papier. Aber im Dunkeln erscheint das rote Blatt dann immer dunkler als das helle Blatt[6]. Siehe dazu auch den Artikel zu Stäbchen ↗
Farben aus dem Nichts? Die Benham-Scheibe
Wie Menschen Farben wahrnehmen hängt nicht alleine von der Frequenz des ausgesandten Lichts ab. Das zeigen verschiedene eindrucksvolle Experimente. Die Wahrnehmung einer Farbe ist immer auch ein psychologisches Phänomen. Ein klassischer Versuch dazu ist die sogenannte Benham-Scheibe. So nennt man eine Kreisscheibe, auf der ein einfaches Muster aus Schwarz und Weiß aufgezeichnet ist. Dreht man die Scheibe langsam, sehen die meisten Menschen plötzlich blaue und bräunliche Farbeffekte. Dreht man die Drehrichtung um, wechseln damit auch die Bereiche, in denen man Blau und Braun wahrnimmt. Dieses sehr einfache Experiment zeigt, dass die Wahrnehmung der Farben nicht alleine von den Frequenzen des ins Auge fallenden Lichts bestimmt wird. Siehe mehr dazu im Artikel zur Benham-Scheibe ↗
Die Farbwahrnehmung und Kants Ding an sich
Der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) ging davon aus, dass die wahre Beschaffenheit der Gegenstände der Wirklichkeit für uns nicht direkt erkennbar sind. Diese nicht genau erkennbaren Objekte nannte er "Ding an sich". Macht man sich klar, dass eine Farbe tatsächlich erst in unserem Kopf entsteht, und zwar nur aufgrund der Frequenz eines Photons, so wird deutlich, dass man niemals die Farbe der Objekte selbst sieht. Betrachtet man zum Beispiel den Riesenstern Beteigeuze, einen roten Riesen im Sterbild Orion, so erscheint er dem Auge tatsächlich rötlich. Man hat den Eindruck, den Stern und seine Farbe direkt wahrzunehmen. Tatsächlich hat das Photon den Stern vor über 600 Jahren verlassen und ist seitdem durch den Weltraum gewandert. Unsere Psyche deutet alleine und nur das Auftreffen dieses Photons auf die Netzhaut, oder sogar noch nicht einmal das, sondern nur ein elektrisches Erregungsmuster von Neuronen tief im Inneren unseres Gehirns. Unsere Psyche rekonstruiert aus diesen elektrischen Mustern dann einen Stern Beteigeuze mit der Farbe Rot. Tatsächlich aber bleibt der Stern ganz im Sinne von Kants vorsichtiger Philosophie nur ein Ding an sich ↗
Historisch interessant: Newtons "rays of light"
Der Physiker und Philosoph Isaac Newton (1642 bis 1727) dachte, Licht bestünde aus kleinsten Teilchen, die er "rays of light" nannte[7]. Die kleineren dieser Lichtteilchen erzeugen die Farben zum Violetten hin, die längeren die Farben zum Roten[8]. Das passt sehr gut zur heutigen Vorstellung, dass Photonen (Lichtteilchen) mit kurzer Wellenlänge eher violett ist und solches mit großer Wellenlänge eher rot. Wo Newton von Schwingungen (vibrations) spricht, meint er damit nicht die Vibration der Lichtteilchen selbst. Die Vibration werden zwar von den Lichtteilchen ausgelöst, finden aber im Medium statt, in dem sich das Licht ausbreitet[9]. Newtons Vorstellung von Licht bezeichnete man später als Korpuskeltheorie ↗
Fußnoten
- [1] Der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) betont, dass sowohl beim Schall als auch beim Licht die Frequenz und nicht die Wellenlänge über die Tonhöhe und die Farbempfindung entscheidet. Über die Schallwellen schreibt er: "Ihre Wellenlänge - genauer gesagt, ihre Frequenz (Schwingungszahl pro Sekunde) - bestimmt die Tonhöhe des gehörten Schalles. (Hiezu sei bemerkt: Physiologische Bedeutung kommt der Frequenz, nicht der Wellenlänge zu, ebenso beim Licht, bei dem indessen diese beiden Größen ineinander fast genau umgekehrt proportional sind…" In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort die Seite 68.
- [2] Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort die Seite 66.
- [3] Erwin Schrödinger spricht über die Wellenlängen von Farben und betrachtet dabei die Begrenztheit naturwissenchaftlicher Theorien zur Erklärung von Sinnesqualitäten: "Naturwissenschaftliche Theorien verhelfen uns zu einem leichteren Überblick über unsre Beobachtungen und experimentellen Ergebnisse. Jeder Naturwissenschaftler weiß, wie schwierig es ist, eine auch nur mäßig umfangreiche Gruppe von Tatsachen im Kopf zu bhelaten, ehe man wenigestens irgendein primitives theoretisches Bild von ihnen geformt hat. Es nimmt daher wenig Wunder und ist durchaus nicht zu bemängeln, wenn Verfasser von wissenschaftlichen Abhandlungen oder von Lehrbüchern nach der Aufstellung einer vernünftig zusammenhängenden Theorie nicht die nackten Tatsachen mitteilen, die sie entdeckt haben oder zu vermitteln wünschen, sondern sie in die Sprache jener Theorie oder jener Theorien kleiden. Dieses Verfahren, obgleich sehr nützlich, um sich der Tatsachen im Rahmen eines wohlgeordneten Systems zu erinnern, verführt leicht dazu, die Unterscheidung zwischen den tatsächlichen Beobachtungen und der aus ihnen erwachsenen Theorie zu verwischen. Da nun jene immer einen irgendwie sinnlichen Charakter haben, so glaubt man leicht, daß die Theorien sinnliche Qualitäten erklären, was sie selbstverständlich niemals tun." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort die Seiten 77 und 78 ganz am Ende des Buches.
- [4] K. Hamdorf, J. Schwemer, Gogala: Insect Visual Pigment sensitive to Ultraviolet Light. Nature 231, 458–459 (1971). DOI: https://doi.org/10.1038/231458a0
- [5] A. Scanferla, K. T. Smith: Exquisitely Preserved Fossil Snakes of Messel: Insight into the Evolution, Biogeography, Habitat Preferences and Sensory Ecology of Early Boas. Diversity 2020, 12, 100. https://www.mdpi.com/1424-2818/12/3/100
- [6] Richard Feynman, Robert B. Leighton, Matthew Sands: Feynman Vorlesungen über Physik. Band 1. Mechanik, Strahlung, Wärme. Dort das Kapitel 35: Farbensehen, ab Seite 483. Unterkapitel sind: Das menschliche Auge, Farbe hängt von der Intensität ab, Messung der Farbempfindlichkeit, Das Farbdiagramm, Der Mechanismus des Farbensehens, Physiochemie des Farbensehens. Siehe auch Feynman Lectures ↗
- [7] Isaac Newton über das Sehen: "Do not the Rays of Light in falling upon the bottom of the Eye excite Vibrations in the Tunica Retina? Which Vibrations, being propagated along the solid Fibres of the optick Nerves into the Brain, cause the Sense of seeing. For because dense Bodies conserve their Heat a long time, and the densest Bodies conserve their Heat the longest, the Vibrations of their parts are of a lasting nature, and therefore may be propagated along solid Fibres of uniform dense Matter to a great distance, for conveying into the Brain the impressions made upon all the Organs of Sense. For that Motion which can continue long in one and the same part of a Body, can be propagated a long way from one part to another, supposing the Body homogeneal, so that the Motion may not be reflected, refracted, interrupted or disorder'd by any unevenness of the Body." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The_ FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730).
- [9] Newton sieht Farben als Effekte unterschiedlich großer Lichtteile (rays of light): "Nothing more is requisite for producing all the variety of Colours, and degrees of Refrangibility, than that the Rays of Light be Bodies of different Sizes, the least of which may take violet the weakest and darkest of the Colours, and be more easily diverted by refracting Surfaces from the right Course; and the rest as they are bigger and bigger, may make the stronger and more lucid Colours, blue, green, yellow, and red, and be more and more difficultly diverted. In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Dort die Question 29. Siehe auch Korpuskeltheorie ↗
- [8] Newton sieht eine enge Verbindung von Wellenlängen zur Wahrnehmung von Farben: violett hat kleine, rot hat eine große Wellenlänge: "Do not several sorts of Rays make Vibrations of several bignesses, which according to their bignesses excite Sensations of several Colours, much after the manner that the Vibrations of the Air, according to their several bignesses excite Sensations of several Sounds? And particularly do not the most refrangible Rays excite the shortest Vibrations for making a Sensation of deep violet, the least refrangible the largest for making a Sensation of deep red, and the several intermediate sorts of Rays, Vibrations of several intermediate bignesses to make Sensations of the several intermediate Colours?" In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The_ FOURTH EDITI ON, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Hier ist wichtig, dass Newton die Vibrationen (Schwindungen, Wellen) nicht mit Licht gleichsetzt. Die Schwingungen werden von Licht-Teilchen erzeugt, sind aber nicht die Licht-Teilchen selbst.
- [10] Thomas Young, On the theory of light and colors, Philos. Trans. 92, 20–71 (1802).
- [11] Hermann von Helmholtz: Treatise on Physiological Optics. Vol. II (1866), translated by J. P. C. Southall, Optical Society of America, 1924.
- [12] James Clerk Maxwell: The diagram of colors, Trans, R. Soc. Edinburgh 21, 275–298 (1857).
- [13] Von der elektromagnetischen Wellen, die auf das Auge trifft, ist für das Sehempfinden nur der elektrische Teil wichtig: Versuche Wieners haben gezeigt, dass "von der ganzen elektromagnetischen Bewegung, die das Auge trifft, die elektrische Welle es ist, welche die Lichtempfindung hervorbringt. Der magnetische Teil der Welle dagegen übt, soweit bis jetzt bekannt, auf uns keinerlei Wirkung." In: Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Dort die "68. Vorlesung" über "Elektromagnetische Theorie, Strahlung eines Oszillators, Wellengeschwindigkeit, Doppelbrechung, Amperes Magnete". Seite 512.