Kausalitätsprinzip
Physik
Definition
Als Kausalitätsprinzip[7], Kausalprinzip[6] oder Kausalgesetz[10] bezeichnet man die Idee, dass jede Ursache eine Wirkung hervorbringt und jede Veränderung eine Ursache hat[8]. Die Art der Verbindung zwischen Ursache und Wirkung bezeichnet man als Kausalität[12], ohne dass diese zunächst enger definiert werden muss. Obwohl das Kausalitätsprinzip als Voraussetzung jeder Erkenntnis gilt[11], werden strenge Deutungen davon, zum Beispiel durch Quantenphysik hinterfragt[4][19][20].
Verschiedene Aspekte und Grade des Kausalitätsprinzipes
Was in der Litertatur mit Worten wie Kausalitätsprinzip, Kausalprinzip oder Kausalgesetz bezeichnet wird, ist eher eine Verbindung verschiedener, auch getrennt denkbarer Konzepte als ein durchängiges, logisch nicht weiter zergliederbares Prinzip. Je nachdem, was man dann zum Kausalitätsprinzip mit hinzuzählt, ergeben sich daraus engere oder auch weiter gefasste Definitionen.
Aspekt I: es gibt keine Ursache ohne Wirkung
Es gibt keine Ursache ohne eine darauf folgende Wirkung[6]. Wenn zum Beispiel ein ein Stein auf den Boden fällt hat diese Ursache nach den jetzt bekannten Gesetzen der Physik am Ende immer die Wirkung, dass die ursprüngliche Bewegungsenergie des Steines am Ende in eine andere Energieform umgewandelt wurden. Ohne weitere Ausführungen ließe sich die Definition, dass jede Ursache eine Wirkung habe, aber auch zu banalen bis inhaltslosen Beispielen heranziehen. Man könnte a) bei jeder Änderung sagen, dass die Änderung die Ursache dafür war, dass später etwas nicht mehr so ist, wie es vorher war. Man könnte b) sogar einen über die Zeit gleichbleibenden Zustand darunter fassen, indem man spitzfindig sagt: dadurch dass nicht passiert ist (Ursache) gab es auch keine Veränderung (Wirkung). Um diesen Aspekt der Kausalität präziser zu fassen, müsste man folgende Dinge präzisieren:
- Änderung als Ursache nötig? Gilt als Ursache nur eine Veränderung oder kann auch gleichbleibender Zustand als Ursache gelten? Man denke dabei zum Beispiel an die unterlassene Hilfeleistung im Rechtswesen. Siehe auch Ursache ↗
- Änderung als Wirkung nötig? Ist eine Veränderung notwendig für eine Wirkung oder kann auch gerade das Gleichbleiben eines Zustandes die Wirkung einer Ursache ausmachen. Aus der Technik kennt man das Beispiel eines Thermostates, aus der Biologie die sogenannte Homöostase ↗
- Änderung, was ist das überhaupt? Wenn ein Objekt mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch den Weltraum fliegt, ist das dann ein gleichbleibender Zustand (nämlich die Geschwindigkeit) oder eine Änderung (z. B. des Ortes)? Siehe auch Veränderung ↗
- Systemgrenzen nötig? Wenn im Inneren der Erde ein Strom aus Magma sich so bewegt, dass nirgends die Dichte des Magmas sich verändert und auch die Entfernung zum Erdmittelpunkt immer dieselbe bleibt, dann hat dieser Magmastrom keinerlei Wirkung auf das Schwerkraftfeld um die Erde. Wenn dieser Magmastrom aber zum Beispiel benachbarte Schichten des Erdmaterials mit in Bewegung setzt, dann hat er zwar eine Wirkung innerhalb der Erde, nicht aber außerhalb der Ede. Ist es sinnvoll, dass man für die Definition von Ursachen und Wirkungen auch Systemgrenzen angibt? Kann es in einem schwarzen Loch Vorgänge geben, die keinerlei Wirkung auf das umgebene Universum haben? Siehe auch Schwarzes Loch ↗
- Darf es verschiedene Wirkungen geben? Fordert man lediglich, dass eine Ursache irgendeine Wirkung habe, so lässt das offen, dass ein Zustand A nicht immer zu einem Zustand B führt, sondern je nachdem manchmal auch zu einem Zustand C oder D. Eine solche kausale Beziehung nennt man dann stochastisch ↗
Aspekt II: Es gibt keine Wirkung ohne Ursache
Es gibt keine Wirkung ohne eine Ursache.[8][11][21] Anders gesagt: alles was passiert, muss eine Ursache haben, auch wenn man sie nicht kennt.[2] Das klassische Beispiel ist das erste Newtonsche Axiom: ein Körper bleibt solange im Zusand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, wie keine resultierende Kraft von außen auf ihn wirkt[7]. Hier gelten dieselben Vorbehalte wie bei der umgekehrten Betrachtung, dass es keine Ursache ohne Wirkung geben soll. Neu hinzu kommt der Fall, dass die Physik Veränderungen - und damit Wirkungen - kennt, für die es möglicherweise keine Ursache gibt. Man spricht dann von einem echten Zufall. Das klassische Beispiel dafür ist der Atomzerfall oder das Verhalten von Photonen.[4]
- Wenn jede Wirkung eine Ursache hat, was ist dann die Ursache von einem Kernzerfall ↗
- Wenn jede Wirkung eine Ursache hat, was ist dann die Ursache des Zufall[s] ↗
- Wenn jede Wirkung einer Ursache hat, wie entsteht dann echte Spontaneität ↗
Aspekt III: Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkung
Gleiche Ursache haben immer auch gleiche Wirkungen[10]: diese Bedingung ist enger gefasst, als dass jede Ursache auch eine Wirkung hat. Das klassische Beispiel aus der Physik ist hier das sogenannte Doppelspaltexperiment. Eine Lichtquelle sende einzelne Lichtteilchen, sogenannte Photonen aus. Es ist aber ganz prinzipiell unmöglich vorherzusagen, wo das Photon später ankommen wird. Für ein einzelnes Photon gilt das Kausalprinzip hier nicht mehr.[4] Beispiele dafür, wo gleiche Ursache möglicherweise zu unterschiedlichen Wirkungen führen können sind:
- Ein einzelnes Photon kann jeden einzelnen von mehreren Detektoren erreichen. Man kennt kein Prinzip mit dem sich der tatsächlich erreichte Detektor vorherbestimmen lässt. Siehe dazu das berühmte Doppelspaltexperiment ↗
- Hätte die Geschichte der Menschheit ab einem bestimmten Punkt trotz exakt gleicher Startbedingungen auch anders verlaufen können? Siehe dazu Kontrafaktische Geschichte ↗
Aspekt IV: Gleiche Ursachen führen zu gleichen Wahrscheinlichkeiten
Das ist eine Aufweichung von Aspekt III. In der modernen Physik, insbesondere der Quantenphysik, geht man davon aus, dass gleiche Startbedingungen als Ursachen zu immer gleichen Wahrscheinlichkeiten für Wirkungen führen[4]. Das gilt aber nur näherungsweise für große Anzahlen von immer gleich durchgeführten Versuchen. Für Einzelfälle gilt das Prinzip nicht[5]. Siehe dazu auch Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation ↗
Aspekt V: Die Ursache kommt immer vor oder mit der Wirkung
Es scheint dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen, dass die Ursache entweder vor der Wirkung liegt[2][3] oder zeitgleich mit ihr eintritt[15], nie aber nach der Wirkung. Dass aber genau das möglich ist behauptet der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988). Wenn auch nur für spezielle Versuche unter Laborbedingungen bisher verwirklicht, scheint es Dinge zu geben, die in der Zeit zurückreisen können[16]. Zu ähnlichen Schlüssen kann das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon führen[18]. Dass ein Zustand aus der Zukunft sozusagen die aus seiner Sicht zurückliegende Vergangenheit beeinflussen könnte, reisst weitreichende Probleme und Spekulationen an.
- Wenn Kausalität zeitlich rückwärts gerichtet sein kann, wie vermeidet die Physik dann das Großvaterparadoxon [?] ↗
- Eröffnet eine rückwärts gerichtete Kausalität die Möglichkeit einer physikalisch realen causa finalis [?] ↗
- Ist Zeit nur eine Illusion, eine Denkkategorie und die Wirklichkeit tatsächlich ein Blockuniversum [?] ↗
Aspekt VI: Kausalität ist nur eine Denkgewohnheit
Die bisherigen Betrachtungen sollten zeigen, dass Kausalität schwer exakt und eng zu definieren ist. Probleme entstehen oft dann, wenn man Kausalität als ein Prinzip der Natur fassen möchte. Dass die Kausalität aber vielleicht nur eine Eigenart des menschlichen Denkes ist, sprach schon sehr früh der schottische Philosoph David Hume (1711 bis 1776) aus. So scheint auch der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schröding (1887 bis 1961) zu denken, wenn er vorsichtig formuliert, dass Ursache und Wirkung noch beobachtete Merkmalsgruppen sind[2]. Diese Vorsicht findet man auch bei Kant, wenn er die Notwendigkeit (im Sinne von Kausalität) als bloße Kategorie des Denkens definiert, letztendlich aber skeptisch ist, ob wir als Menschen jemals das "Ding an sich", die Objekte der realen Welt, erblicken können[17]. Die Idee, dass Kausalität zunächst nur eine menschliche Denkweise ohne zwingenden Bezug zur physikalischen Wirklichkeit sein könnte, berührt verschiedene Themen:
- Ist der Kosmos gezielt so geschaffen, dass er unseren Denkgewohnheiten entgegen kommt Anthropisches Prinzip [?] ↗
- Wenn Kausalität nur eine Denkgewohnheit ist, ist der Ablauf des Kosmos dann a-kausal [?] ↗
Fußnoten
- [1] Als Prinzip bezeichnet man "das, wovon etwas dem Sein oder Erkenntnis nach seinen Ausgang nimmt". In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Seite 467.
- [2] Der österreichische Quantenphysiker Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) legt Wert darauf, dass Ursachen letztendlich nur eine rein gedanklich Verallgemeinerung beschränkter Erfahrungen sind. Schrödinger defniert eine Ursache über immer wiederkehrerende Ähnlichkeiten im Ablauf des Welt: "gewisse Merkmale eines Erscheinungsablaufes zeigen sich immer und überall mit gewissen anderen Merkmalen verknüpft". Man denke hier zum Beispiel an das Auftreten eines Vollmondes und damit eng verknüpfte hohe Wasserstände an den Küsten im Zusammenhang mit Ebbe und Flut. Schrödinger weiter: "Dabei ist von besonderer biologischer Bedeutung der Fall, daß die eine Merkmalgruppe der anderen zeitlich voraufgeht. Die Umstände, die einem gewissen, oft beobachteten Erscheinungsablauf (A) vorangehen, scheiden sich typisch in zwei Gruppen, beständige und wechselnde. Und wenn weiter erkannt wird, daß die beständige Gruppe auch umgekehrt immer von A gefolgt wird, so führt das dazu, diese Gruppe von Umständen als die bedingenden Ursachen von A zu erklären." Verallgemeinert man diese Erfahrungstatsache zu der Forderung, "daß auch in solchen Fällen, in denen es noch nicht gelungen ist, die bedingenden Ursachen eines bestimmten Erscheinungsablaufes zu isolieren, solche doch angebbar sein müssen […]", so spricht man nach Schrödinger auch vom sogenannten Kausalitätsprinzip. Zitiert nach: Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Scientia nova, 5. Auflage, Oldenbourg, München 1997, ISBN 978-3-486-56293-4. Seite 9 ff. Siehe auch Naturgesetz ↗
- [3] Dass die Ursache der Wirkung in der Zeit vorausgeht, schrieb unter anderem der Mathematiker Laplace: "Wir müssen also den gegenwärtigen Zustand des Universums als Folge eines früheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes, der danach kommt. " Das Zitat stammt aus dem größeren Zusammenhang des Laplaceschen Dämons. Es wurde hier zitiert nach "Oskar Höfling: Physik. Band II Teil 1, Mechanik, Wärme. 15. Auflage. Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn 1994, ISBN 3-427-41145-1." Originalquelle: Essai philosophique sur les probabilites aus dem Jahr 1814. Siehe auch Laplacescher Dämon ↗
- [4] Dass das Kausalitätsprinzip auf Wahrscheinlichkeiten heruntergestutzt werden muss, zeigt der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) anhand der partiellen Reflexion von Licht an Glas: "Von Philosophen wurde die Behauptung aufgestellt, daß, wenn die gleichen Umstände nicht immer zu den gleichen Resultaten führen, Vorhersagen unmöglich sind, was das Ende der Naturwissenschaften bedeuten müßte." Richtet man zum Beispiel ein Photon in immer derselben Richtung auf dieselbe Glasscheibe müsste das Photon auch immer am selben Zielort A oder B ankommen. Feynman weiter: "Wir können nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Photon in A oder B anlangen wird. Wir können einzig voraussagen, daß von 100 Photonen, die auf dem Glas landen, durchschnittlich 4 an der Oberfläche reflektiert werden. Heißt das nun, daß die Physik, eine Wissenschaft mit großer Genauigkeit, sich damit zufriedengeben muß, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses zu berechnen, und außerstande ist, genau vorherzusagen, was passieren wird? Ja, das heißt es." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seite 30. Siehe auch QED (Feynman) ↗
- [5] Auch Stephen Hawking (1942 bis 2018) sieht in der Quantenphysik nur noch Wahrscheinlichkeitsgesetze: "Grundsätzlich sagt die Quantenmechanik nicht ein bestimmtes Ergebnis für eine Beobachtung voraus, sondern eine Reihe verschiedener möglicher Resultate, und sie gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit jedes von ihnen eintreffen wird" In: Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums. Englischer Originaltitel: A Brief History of Time. From the Big Bang to Black Holes. Deutsch im Rohwolt Taschenbuch Verlag. 1988. ISBN: 3-499-188-50-3. Dort die Seite 78.
- [6] Keine Ursache ohne Wirkung, keine Wirkung ohne Ursache: "Die klassische Formulierung des allgemeinen Kausalprinzips lautet: Keine Ursache ohne Wirkung (Satz vom zureichenden Grund)" sowie als Umkehrschluss, etwa von Leibniz gefordert: "Nichts geschehe ohne Ursache oder zureichenden Grund. Es gebe stets eine Ursache oder einen Grund, warum etwas existiere und nicht vielmehr nicht existiere". In: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort die Seite 281. Siehe auch Kausalität ↗
- [7] 1904, die drei newtonschen Axiome unterliegen dem Kausalitätsprinzip: "Diese drei Sätze, denen das Kausalitätsprinzip zugrunde liegt, sind: 1. jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der geradlinigen Bewegung, solange er nicht durch äußere Kräfte zur Änderung dieses Zustandes gezwungen wird (Prinzip der Trägheit der Materie); 2. die Aenderung der Bewegung ist proportional der bewegenden Kraft und erfolgt in der Richtungslinie derselben, und 3. die Kraftwirkungen zwischen zwei Körpern sind stets einander entgegengesetzt gleich (Prinzip der Aktion und Reaktion)." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 420-421.
- [8] 1907, vom Artikel "Kausalitität" und dort dem Stichwort "Prinzip der Kausalität" verwiesen auf das Kausalgesetz: "Kausalgesetz, der allen Realwissenschaften als allgemeinste Voraussetzung (Axiom) zugrunde liegende Satz, daß jede Veränderung eine Ursache (s. d.) habe, daß also nichts von selbst geschehe, sondern vielmehr jedes Ereignis an eine Summe von Umständen geknüpft sei, bei deren Abwesenheit (oder unvollständiger Anwesenheit) es nicht eintreten kann, und bei deren Vorhandensein es mit Notwendigkeit eintritt. Wird auch die tatsächliche Gültigkeit des Kausalgesetzes von niemand in Zweifel gezogen, so stehen doch in bezug auf seinen Ursprung die entgegengesetzten Ansichten des Empirismus, der es aus der Erfahrung, und des Apriorismus, der es aus der Natur unsers Denkens ableitet, unversöhnt nebeneinander. Viel erörtert wird in der Gegenwart auch die Frage, obdurch das K. auch über die Art der einer Veränderung zugrunde liegenden Ursachen etwas bestimmt werde, ob also z. B. die Vorgänge der Körperwelt nur von andern derselben Art oder auch von geistigen Ursachen abhängen können." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 784-785. Online: http://www.zeno.org/nid/20006880754
- [9] Der Philosoph und Schriftsteller Oswald Spengler betont, dass Kausalität zunächst nur ein Werkzeug der Erkenntnis ist. Über die Rolle von Schlachten in der Geschichte schreibt er: "Wer diese Gedanken in sich aufgenommen hat, wird es verstehen, wie verhängnisvoll das in seiner starren Form erst ganz späten Kulturzuständen eigne und dann um so tyrannischer auf das Weltbild wirkende Kausalitätsprinzip für das Erleben echter Geschichte werden mußte. Kant hatte sehr vorsichtig die Kausalität als notwendige Form der Erkenntnis festgestellt, und es kann nicht oft genug betont werden, daß damit ausschließlich die verstandesmäßige Betrachtung der menschlichen Umwelt gemeint war." Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. München 1963, S. 197-202. Diesem Zitat zufolge sollte man das Kausalitätsprinzip nur als Denkform deuten, ohne das Prinzip daraus vorschnell auf die Wirklichkeit zu übertragen. Siehe auch Denkkategorie ↗
- [10] Das Metzler Philosophie Lexikon fasst "Kausalgesetz" zunächst allgemein als ein "Gesetz, das einen Zusammenhang von Ursache und Wirkung behauptet". Enger formuliert heiße es: "Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen". In: Kausalgesetz. Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort die Seite 280. Siehe auch Kausalität ↗
- [11] Das sogenannte Kausalgesetz fordert, dass es keine Wirkung ohne Ursache gibt: "Kausalgesetz, der allen Realwissenschaften als allgemeinste Voraussetzung (Axiom) zugrunde liegende Satz, daß jede Veränderung eine Ursache […] habe, daß also nichts von selbst geschehe, sondern vielmehr jedes Ereignis an eine Summe von Umständen geknüpft sei, bei deren Abwesenheit (oder unvollständiger Anwesenheit) es nicht eintreten kann, und bei deren Vorhandensein es mit Notwendigkeit eintritt." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 784-785. Siehe auch Axiom ↗
- [12] Kausalität steht für jede irgendwie denkbare Verbindung zwischen einer Ursache und einer Wirkung: "Kausalität (Ursächlichkeit). Der Begriff bezeichnet allgemein das Verhältnis der Verursachung, die Relation von Ursache und Wirkung." In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Eintrag zu "Kausalität" auf Seite 280. Siehe auch Kausalität ↗
- [13] Aus A folgt B in den Worten von David Hume (1711 bis 1776). Er definiert Ursache als "einen Gegenstand, dem ein anderer folgt, wobei allen Gegenständen, die dem ersten gleichartig sind, Gegenstände folgen, die dem zweiten gleichartig sind. Oder mit anderen Worten: wobei, wenn der erste Gegenstand nicht bestanden hätte, der zweite nie ins Dasein getreten wäre." In: David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Übersetzt von Raoul Richter, hrsg. von Jens Kulenkampff. 12. Auflage. Meiner, Hamburg 1993. Dort auf der Seite 92.
- [14] Kausalität als bloße Denkgewohnheit, nach David Hume: „Wenn aber viele gleichförmige Beispiele auftreten und demselben Gegenstand immer dasselbe Ereignis folgt, dann beginnen wir den Begriff von Ursache und Verknüpfung zu bilden. Wir empfinden nun ein neues Gefühl […]; und dieses Gefühl ist das Urbild jener Vorstellung [von notwendiger Verknüpfung], das wir suchen." In: David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Übersetzt von Raoul Richter, hrsg. von Jens Kulenkampff. 12. Auflage. Meiner, Hamburg 1993. Dort auf der Seite 95.
- [15] Zum Zeitablauf schreibt Immanuel Kant (1724 bis 1804): "Die Zeitfolge ist das empirische Kriterium der Ursache. Doch sind Ursache und Wirkung meist zugleich. »Der größte Teil der wirkenden Ursache in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlaßt, daß die Ursache ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblicke verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Causalität ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehöret hätte zu sein, diese gar nicht entstanden wäre. Hier muß man wohl bemerken, daß es auf die Ordnung der Zeit, und nicht auf den Ablauf derselben angesehen sei: das Verhältnis bleibt, wenngleich keine Zeit verlaufen ist. Die Zeit zwischen der Causalität der Ursache und deren unmittelbarer Wirkung kann verschwindend (sie also zugleich) sein, aber daß Verhältnis der einen zur andern bleibt doch immer, der Zeit nach, bestimmbar. Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Rissen liegt und ein Grübchen darin drückt, als Ursache betrachte, so ist sie mit der Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider. Denn wenn ich die Kugel auf das Kissen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Grübchen. hat aber das Kissen (ich weiß nicht woher) ein Grübchen, so folgt daraus nicht eine bleierne Kugel.« »Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung in Beziehung auf die Causalität der Ursache, die vorhergeht«" Zitiert nach: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 580-590. Online: http://www.zeno.org/nid/2000180796X
- [16] Dass der Fluss der Zeit auch rückwärts laufen kann, das lässt der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) am Beispiel der Streuungvon Photonen an Elektronen offen. Er beschreibt eine "befremdliche, aber reale Möglichkeit", nämlich "ein Elektron emittiert ein Photon, eilt in der Zeit zurück, um ein Photon zu absorbieren und setzt dann seinen Weg in der Zeit vorwärts fort". In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort, zusammen mit einer Skizze, auf Seite 114, und dann noch einmal ausführlicher auf Seite 116. Siehe auch QED (Feynman) ↗
- [17] Zum Ding an sich schreibt Kant: "„Wenn wir aber auch von Dingen an sich selbst etwas durch den reinen Verstand synthetisch sagen könnten (welches gleichwohl unmöglich ist), so würde dieses doch gar nicht auf Erscheinungen, welche nicht Dinge an sich selbst vorstellen, gezogen werden können. Ich werde also in diesem letzteren Falle in der transscendentalen Überlegung meine Begriffe jederzeit nur unter den Bedingungen der Sinnlichkeit vergleichen müssen, und so werden Raum und Zeit nicht Bestimmungen der Dinge an sich, sondern der Erscheinungen sein: was die Dinge an sich sein mögen, weiß ich nicht und brauche es auch nicht zu wissen, weil mir doch niemals ein Ding anders als in der Erscheinung vorkommen kann.“ In: Kant, Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900 ff, AA IV, Kritik der reinen Vernunft, Seite 178. Siehe auch Ding an sich ↗
- [18] Hier scheint es so zu sein, dass sich zwei Photonen erst lange Zeit nach ihrer Erschaffung dazu entscheiden, ob sie beide dieselbe Ausprägung von Merkmalen haben oder nicht, ob sie also quasi-Zwillinge sind oder auch nicht. Die Entscheidung fällt erst dann, wenn ein Mensch - lange nach der Erschaffung der Photonen - sich für oder gegen ein bestimmtes Experiment entscheidet. Fordert man, dass die Photonen mit dem Moment ihrer Entstehung eindeutig Zwillinge waren (oder nicht), so muss man aus dem Befund folgern, dass die menschliche Wahl über das Experiment rückwärts in der Zeit bestimmt hat, ob die zwei Photonen Zwillinge waren oder nicht. Siehe auch Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon ↗
- [19] Werner Heisenberg zufolge verletzt die Quantenmechanik das Kausalitätsprinzip: "Weil alle Experimente den Gesetzen der Quantenmechanik […] unterworfen sind, so wird durch die Quantenmechanik die Ungültigkeit des Kausalgesetzes definitiv festgestellt." In: Werner Heisenberg Zeitschrift für Physik. 1927. Dort auf Seite 197. Online: https://people.isy.liu.se/jalar/kurser/QF/references/Heisenberg1927.pdf
- [20] Niels Bohr: "In fact, together with other well-known paradoxes of the quantum theory, the latter difficulty has strengthened the doubt, expressed from various sides, whether the detailed interpretation of the interaction between matter and radiation can be given at all in terms of a causal description in space and time of the kind hitherto used for the interpretation of natural phenomena." In: Niels Bohr, H. A. Kramers, J. C. Slater: The quantum theory of radiation. In: Philosophical Magazine Series 6, 47: 281. 1924. Dort die Seiten 785 bis 802.
- [21] Sehr detailliert setzte sich der antike griechische Philosoph Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) mit dem Gedanken auseinander, dass alles eine Ursache haben müsse: "es muß immer ein Grund da sein, warum etwas sich gerade so bewegt, sei es von Natur in dieser Weise, sei es in der anderen Weise durch äußere Nötigung, etwa seitens der Vernunft oder irgend eines anderen Grundes." In: Aristoteles. Metaphysik. Erste Abteilung. VII Das Absolute. Jena 1907, S. 169-183. Online: http://www.zeno.org/nid/20009149694