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Weichenereignis

Physik

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Grundgedanke


Wenn der Mensch einen Freien Willen haben soll, dann muss er die kausalen Abläufe in der Welt ablenken können. Das lassen die Gesetze der Naturwissenschaften in der Welt der sichtbaren größeren Objekte, im Makrokosmos, aber nicht zu. Wohl lassen sie es aber in der Welt der kleinen Ereignisse, zum Beispiel auf atomarer Ebene zu, im Mikrokosmos. Das führt zu der Idee, dass ein Freier Wille im Mikrokosmos wirken könnte.[9] Das wirft dann die Frage nach einer Art Hebelwirkung auf, einer Weichenentscheidung.[10] Man benötigt einen Effekt der Verstärkung von kleinsten Ereignissen der Mikrowelt hin zu gewünschten Effekten im Makrokosmos. Ein solche Mechanismus ist hier unter dem Stichwort Weichenereignis vorgestellt.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Hätten Araber Australien und letztendlich auch Amerika kolonisiert, wenn im Jahr 1450 ein junger talentierter Mann bei einem Würfelspiel ein Vermögen für eigene Entdeckungsfahren gewonnen hätte? Offensichtlich waren die Würfel in unserer Welt anders gefallen.☛


Die Weiche als Metapher


Ein großer Zug kann durchaus über tausend Tonnen schwer sein. Stellen wir uns einen solchen Zug auf einer flachen Ebene fahrend vor. Für das Gedankenexperiment soll er zunächst nicht auf Schienen fahren, sondern wie ein Road-Truck mit seinen Rädern auf dem flachen Untergrund. Für einen Menschen wäre es unmöglich, durch anschubsen oder Stoßen mit der Körperkraft alleine die Richtung eines solchen rollenden Zuges wesentlich zu ändern. Die Trägheitskraft des Zuges ist für die Muskelkraft des Menschen (einige wenige hundert Newton) zu groß. Rollt derselbe Zug aber geführt von Schienen auf eine Weiche zu, so kann ein Mensch durch das leichte Umlegen von einem Schalter die Richtung des Zuges deutlich ändern. Hier genügt eine Kraft von weniger als einem Newton (Tafel Schokolade hochhalten) um einen Zug mit einer Masse von über eine Million Kilogramm umzulenken. Die Struktur Hebel und Weiche wirken dann als Verstärker.

Der Anfang im Kopf: der Freie Wille


Als Menschen haben wir den Eindruck, dass wir mit unserem Willen unser Verhalten beeinflussen können. Der Pionier der Psychologie, William James (1842 bis 1910) stellte im Jahr 1890 ein Modell vor, wie wir durch die Steuerung unserer Aufmerksamkeit einen Gedanken etwas länger (vielleicht eine Sekunde) festhalten können oder ihn auch gehen lassen können. Diese minimalste Einflussnahme, so James, ist der Ausgangspunkt für weitere Gedanken bis hin zu vollzogenen Handlungen des ganzen Körpers. Somit verstärkt sich eine ursprünglich kleine Änderung von vielleicht wenigen Molekülen in einem Kopf effektiv bis hin zur Bewegung des ganzen Körpers mit seinen Milliarden von Molekülen. Das Weichenereignis war dann die anfängliche Beeinflussung von mikroskopischen Gehirnzuständen. Im 20ten Jahrhundert griffen dann vor allem (Quanten)Physiker diesen Gedanken von James auf und suchten nach entsprechend effizienten Mechanismen in Übereinstimmung mit dem Gesetzen der Physik.[11] Siehe mehr zum psychologischen Zwei-Stufen-Modell (Freier Wille) ↗

James Clerk Maxwell


Eine früh und sehr klar ausformulierte Theorie von Weichenereignisse als Erklärung eines Freien Willens finden wir in einer Vorlesung des Physiker James Clerk Maxwell, gehalten im Jahr 1873 in Cambridge in England. Maxwell geht zunächst von der offensichtlichen Tatsache eines in der Wirkung beschränkten freien Willens aus.

ZITAT:

James Clerk Maxwell, 1873: "Niemand wird dem Freien Willen mehr als eine kleinste Reichweite zugestehen. Kein Leopard kann sein Fellmuster verändern [...] Unser freier Wille ist bestenfalls wie der von Lukrez' Atomen, welche hin und wieder von ihrem festem Weg abweichen."[13]

Aber es gibt Ereignisse, in denen eine kleineste Beeinflussung eine große Wirkung haben wird. An solchen Stellen hat der menschliche Wille eine Chance zu wirken.

ZITAT:

James Clerk Maxwell, 1873: "Im Gange unseres moralischen Lebens treffen wir immer wieder auf eine moralische Wasserscheide, wo eine unmerklich kleine Abweichung entscheidet, in welches von zwei Tälern hinab wir gehen."[13]

Maxwell gibt dann einige Sinnbilder aus der Natur.

ZITAT:

James Clerk Maxwell, 1873: "ein Felsen, freigelegt vom Frost und auf einen einzelnen Punkt balanciert am Hang eines Berges, der kleine Funken, der einen Waldbarand entfacht, das kleine Wort das zum Weltkrieg führt, der kleine Skrupel der den Willen hindert".[13]

Beispiele


Meteorologie


Im Jahr 1972 frug der US-amerikanische Meteorologie Edward Lorenz (1917 bis 2008) auf einem Vortrag[8], ob der Schlag eines einzelnen Schmetterlings in Brasilien nicht nur darüber entscheiden kann, ob eine einzelner Tornado in Texas stattfinden wird oder nicht, sondern: kann der einzelne Schlag eines Schmetterlings das gesamte Wettergeschehen an sich verändern, also die Anzahl von Tornados über einen längeren Zeitraum. I dieser Fassung zielt Lorenz' Schmetterlingseffekt auf genau das was hier als Weichenereignis beschrieben wird: eine kleine Ursache (small perturbation), die ein größeres System langfristig auch in seinen statistischen Durchschnittswerten verändert. Siehe mehr unter Schmetterlingseffekt ↗

Im Alltag: aus klein wird groß


Geht man davon aus, dass ein Mensch einen freien Willen hat, mit dem er zum Beispiel seine Bewegungen und seine gesprochenen Worte steuern kann, dann kann man dem Gedanken der Weichenereignisse hin zu noch größeren makroskopischen Effekten in den Alltag folgen. Werkzeuge, Maschinen, Industrieanlagen sowie auch auch gesellschaftlichen Regeln bis hin Verwaltunsstrukturen können als Verstärker betrachtet werden. Indem man als Baggerführer mit wenigen Newton Kraft einen kleinen Hebel bewegt, kann der Bagger eine Last von zig Zehnertausenden Newton anheben. Und als Chef einer großen Reederei kann das kleine Wörtchen "Ja" dazu führen, dass zig Riesentanker auf den Weltozeanen ihren Kurs ändern und durch den Zusammenbruch von Lieferketten Volkswirtschaften auf- oder absteigen. Die Idee, dass Menschen mit ihren individuellen Handlungen größere Abläufe in ihrem Alltag beeinflussen können betracht zum Beispiel die Psychologie, siehe dazu die Idee von der Selbstwirksamkeit ↗

In der Geschichte: aus groß wird sehr groß


Im Jahr 1492 landete der Seefahrer Christoph Kolumbus im Auftrag Spaniens auf einer Insel vor dem amerikanischen Festland. Damit begann eine Zeit der Vernichtung großer Teile der dort ansässigen Bevölkerung, eine Kolonisierung Amerikas durch Europäer und letztendlich die Entstehung der Vereinigten Staaten als Katalysator einer heute als westlich bezeichneten Lebensart, die geprägt ist von Konsumismus, Marktwirtschaft und Vorstellungen individueller Freiheit. Stellen wir uns nun als eine alternative, kontrafaktische Geschichte folgendes vor: im Jahr 1450 macht ein junger Araber bei einem Würfelspiel einen großen Geldgewinn. Damit finanziert er große Entdeckungsfahrten über den Indischen Ozean. Dabei entdeckt er Australien. Australien wird daraufhin arabisch kolonisiert. In Australien wirken progressive Kräfte, die den Kontinenten zu einem mächtigen Vorreiter eines weltweit neuartigen Lebensstiles machen. So wie in der realen Geschichte das 20ten Jahrundert auch das amerikanische Jahrhundert genannt wurde, so wäre es in dieser kontrafaktischen Geschichte vielleicht zu einem arabischen Jahrhundert gekommen. Hier war das Weichenereignis der glückliche Gewinn bei einem Glücksspiel, letztendlich nur der Fall eines einzelnen Würfels. Siehe mehr zu Weichenereignissen in der Geschichte unter dem Stichwort Alternativweltgeschichte ↗

In der Realität (Tankerunglück)


30. Dezember, 1958, 2 Uhr morgens auf dem Öltanker "African queen" mit Ladung von Cartagena, Kolumbien Richtung Philadelphia (USA): Nach langer Zeit auf der Brücke zieht sich der Kapitän in seine Koje zurück. Er übergibt dem zweiten Offizier das Ruder. Bei Sichtung eines bestimmten Feuerschiffes stand ein schwieriger Kurswechsel an. Zu diesem wollte der Kapitän zur Sicherheit geweckt werden. Das aber unterließ der zweite Offizier. Die Folge: der Tanker lief auf eine Sandbank auf und zerbrach. eine schwere Ölpest verseuchte den nahen Strand von Ocean City. Kein Tourist sei mehr in die Stdt gekommen, die Immobilienpreise seien "ins Bodenlose" gefallen. "Der Untergang der Ocean Queen wurde zum Untergang einer kleinen Stadt"[7]. Hier war es vielleicht nur ein winziger Moment, ein Spiel weniger Atome oder Moleküle im Kopf eines Menschen, weniger hin und her sich drängender Gedanken, in dem sich der zweite Offizier dafür entschied, den Kurs ohne die Hilfe des Kapitäns zu wählen. Die Stadt, so die Geschichte weiter, sei auf Jahrzehnte wirtschaftlich betroffen gewesen.

In der Astronomie: kleine Störung, große Folge


Im 19ten Jahrhundert lobte der schwedische König Oskar II einen Preis aus: wer die ewige Stabilität der Erdbahn beweisen könne, solle den Preis erhalten. Tatsächlich fanden Wissenschaftler wie zum Beispiel der französische Mathematik Henri Poincare (1854 bis 1912) heraus, dass die Bahn der Erde um die Sonne in gewissen Grenzen sehr stabil ist. Man fand aber auch heraus, dass der Einfluss der äußeren Planeten, insbesondere des Mars, zu kleinen Schwankungen in der Erdbahn führt. Bis auf 4 Millionen Jahre in die Zukunft könne man die Positionen der Erde sehr genau vorhersagen. Ab dann aber führt der Einfluss der anderen Planeten zu Unbestimmtheiten, die man mathematisch nicht auflösen könne. Nach 10 Millionen Jahren dann, "verliert sich die Vorhersage über den Aufenthaltsort der Erde im Nebel des Chaos[6, Seite 119]." Schon kleinste Änderungen an der Bahn der Erde könnten langfristig große Änderungen bewirken. Interessant ist hier, dass die Folgen mit zunehmender Zeit immer schwerer voraussagbar werden. Phänomene, bei denen kleinste Änderungen große aber schwer vorhersehbare Wirkungen haben können behandelt man heute im Fachgebiet der Chaostheorie ↗

Unterscheidbare Weltverläufe


Die Idee eines Weichenereignisses ist eng verbunden mit der Idee von unterscheidbaren Verläufen der Geschichte, die man auch als unterschiedlich erstrebenswert erachtet, für die es also (subjektiv oder objektiv) gesehen nicht egal ist, welcher Verlauf eintritt. Diese Weltverläufe kann man weiter unterscheiden nach ihrer räumlichen Tragweite (nur meine Familie, Deutschland, der Kosmos) oder nach ihrer zeitlichen Tragweite (für meine Lebenszeit, für 100 Jahre, für immer).

Bewusstsein als Mangelware?


Der Psychologe William James bemerkte im Jahr 1911, dass viele Fähigkeiten des Menschen gerade dadurch entstehen, dass man sie automatisiert, verinnerlicht und damit unbewusst macht. Man denke etwa an das völlig unbewusste Binden der Schnürsenkel eines Schuhes oder die zuverlässigen und unbewussten Bewegungsabläufe, wenn wir durch eine volle Fußgängerzone laufen.

ZITAT:

"It is a profoundly erroneous truism, repeated by all copy-books and by eminent people when they are making speeches, that we should cultivate the habit of thinking of what we are doing. The precise opposite is the case. Civilization advances by extending the number of important operations which we can perform without thinking about them. Operations of thought are like cavalry charges in a battle—they are strictly limited in number, they require fresh horses, and must only be made at decisive moments."[12]

Whitehead weist darauf hin, dass Bewusstsein klug an "entscheidender" (decisive) Stelle eingesetzt werden sollte. Wie Pferde in einer Schlacht, ist Whiteheads Analogie auch Bewusstsein ein wertvolles aber knappes Gut. Dieser Gedanke passt zu dem hier vorgestellten Konzept, dass sich Bewusstsein möglicherweise bevorzugt im Zusammenhang mit Weichenereignissen zeigt.

Einen engen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Bewusstsen und Weichenereignissen, oder Strukturen, an denen öfters Weichenereignisse auftreten, ließe siche aber auch darüber erklären, dass Bewusstsein an sich nicht begrenzt sein muss, aber die Wirkmächtigkeit von Bewusstsein in die Welt hinein ist begrenzt. Dieser Gedanke wiederum passt zu der Vorstellung eines kreativen Universums, in dem mehrere unabhängige Wesen gemeinsam wirken möchten. Wie bei einem guten Spiel für mehrere Personen müssen dann Freiheit und Beschränkung des Einzelnen wohl ausgewogen sein. Diese Idee einer Art Mehrbenutzer-Universum wird näher betrachtet im Artikel kollaborative Physik ↗

Zum Weichenereignis verwandte Ideen


  • Ein Ereignis hat eine große (materielle) Hebelwirkung Effizienz ↗

Fußnoten


  • [2] Alexander Demandt: Sternstunden der Geschichte. C. H. Beck Verlag. 1. Auflage 2003. ISBN: 978-3406494116
  • [3] John Carew Eccles, Karl Popper. 1984: The Self and Its Brain: An Argument for Interactionism. Routledge, Seite 540.
  • [4] John Yerbury Dent: Reactions of the Human Machine. Published by Victor Gollancz Ltd, 1936. 288 Seiten.
  • [5] Franz Vonessen: Der richtige Augenblick - über den Kairos im Märchen. In: Die Zeit im Märchen. Erich Röth Verlag Kassel. 1989. Eine Veröffentlichung der Deutschen Märchengesellschaft. ISBN: 3-8768-354-3. Siehe auch Kairos ↗
  • [6] Joachim von Bublath: Chaos im Universum. Droemersche Verlagsanstalt. München. 2001. 232 Seiten. ISBN: 3-426-27193-1. Die Kernaussage des Buches: Die Abläufe im Universum sind aus mehreren Gründen prinzipiell vorausberechenbar sondern im Wesen chaotisch. Naturwissenschaft ist beschränkt auf wenige und kleine "Inseln der Ordnung". Siehe auch Chaostheorie ↗
  • [7] Thomas Marquardt: Der Untergang von Ocean City. in: Stefan Krücken, Achim Multhaupt: Orkanfahrt. 25 Kapitäne erzählen ihre besten Geschichten. Ankerherz Verlag. 2007. ISBN: 978-3-940138-00-2. Seite 99 bis 105.
  • [9] Der Systemtheoretiker Valentin Turchin (1931 bis 2010) weist die Idee zurück, dass der Gang der Evolution nicht beeinflusst werden kann. Der Schlüssel ist, dass Menschen nicht statistisch unabhängig voneinander sind: "But the use of the law of big numbers would be justied only if the actions of those individuals were independent. They are not, of course. Society is a tightly bound system, and we know that in such systems tra jectories in the confguration space diverge: small variations in the present may lead to huge differences in the future." In: Valentin Turchin: A Dialogue on Metasystem Transition. The City College of New York. July 12, 1999. Dort im Kapitel "The Future of the World" die Seite 63. Turchin nennt sein Überwesen Superbeing ↗
  • [10] Im Zusammenhang mit der Physik des Freien Willens, spricht der Astrophysiker Arthur Stanley Eddington (1882 bis 1944) von weichenhafte Ereignissen, zweifelt aber an, dass diese im Zusammenhang mit wenigen ausgewählten Atomen stehen: "Eine geistige Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten, mich nach rechts oder nach links zu wenden, ruft eine von zwei verschiedenen Folgen von Impulsen längst meiner Nerven bis zu den Füßen hervor. In irgendeinem Gehirnzentrum ist das mögliche Verhalten gewisser Atome oder Elemente der physikalischen Welt direkt durch die geistige Entscheidung determiniert - oder, wie man es vielleicht ausdrücken kann, die physikalische Beschreibung dieses Verhaltens stellt die metrisch faßbare Seite der geistigen Entscheidung dar. Es würde eine immerhin mögliche, wenn auch schwierige Hypothese sein, wollte man annehmen, daß ganz wenige Atome (oder vielleicht nur ein einziges Atom) diesen direkten Kontakt mit unserer bewußten Entscheidung haben, und daß diese wenigen Atome als Weiche dienen, um die materielle Welt in die eine oder andere Bahn zu lenken. Aber physikalisch betrachtet ist es unwahrscheinlich, daß jedem Atom im Gehirn seine Aufgabe so präzis zugeteilt ist, daß zugleich mit seinem Verhalten auch alle möglichen Unregelmäßigkeiten im Verhalten der übrigen Atome geregelt werden können. Wenn ich die Vorgänge in meinem eigenen Geist überhaupt richtig verstehe, so gibt es da kein kleinliches Herumexperimentieren mit einzelnen Atomen." In: Das Weltbild der Versuch und ein Versuch seiner philosophischen Deutung. Friedrich Vieweg und Sohn. Braunschweig, 1931. Dort im Kapitel über den Freien Willen, Seite 306. Englisches Original: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Einen sehr ähnlichen Gedanken betrachtete - und verwarf - auch Erwin Schrödinger in Do Electrons Think ↗
  • [11] Eddington glaubte weniger an einzelne "Schlüsselatome" als vielmehr an eine Beeinflussung ganzer "Atomgruppen": "Ich glaube nicht, daß unsere Entscheidungen durch das Verhalte gewisser Schlüsselatome bestimmt sind. Sollten wir ein Atom aus Einsteins Gehirn herausgreifen können und behaupten, wenn dieses eine Atom einen falschen Quantensprung gemacht hätte, so würde es einen entprechenden Fehler in der Relativitätstheorie ergeben haben? Schon in Anbetracht der physikalischen Einflüsse durch die Temperatur und des Durcheinanders der Atomzusammenstöße ist es unmöglich, etwas Derartiges aufrechtzuerhalten. Offenbar müssen wir dem Geist nicht nur die Macht zugestehen, das Verhalten einzelner individueller Atome zu entscheiden, sondern auch systemtatisch auf ganze Atomgruppen Einfluß auszuüben, d. h. also willkürlich in die Wahrscheinlichkeiten atomistischen Verhaltens eingreifen zu können. Dies ist immer einer der unsichersten Punkte in der Theorie der Wechselwirkung zwischen Geist und Materie gewesen." In: Das Weltbild der Versuch und ein Versuch seiner philosophischen Deutung. Friedrich Vieweg und Sohn. Braunschweig, 1931. Dort im Kapitel über den Freien Willen, Seite 306. Englisches Original: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures).
  • [12] Whitehead, A. N. An Introduction to Mathematics. London: Williams & Norgate, 1911, pp. 45–46.
  • [13] James Clerk Maxwell erwog im Jahr 1873 eine Art Hebelwirkung des Freien Willens und beschrieb dabei ziemlich exakt das, was hier als Weichenereignis betrachtet wird: "No one, I suppose, would assign to free will a more than infinitesimal range. No leopard can change his spots, nor can any one by merely wishing it, or, as some say, willing it, introduce discontinuity into his course of existence. Our free will at the best is like that of Lucretius's atoms,---which at quite uncertain times and places deviate in an uncertain manner from their course. In the course of this our moral life we more or less frequently find ourselves on a physical or moral watershed, where an imperceptible deviation is sufficient to determine into which of two valleys we shall descend. The doctrine of free will asserts that in some such cases the Ego alone is the determining cause. The doctrine of Determinism asserts that in every case, without exception, the result is determined by the previous conditions of the subject, whether bodily or mental, and that Ego is mistaken in supposing himself in any way the cause of the actual result, as both what he is pleased to call decisions and the resultant action are corresponding events due to the same fixed laws." Als Sinnbilder führt Maxwell an: "For example, the rock loosed by frost and balanced on a singular point of the mountain-side, the little spark which kindles the great forest, the little word which sets the world a fighting, the little scruple which prevents a man from doing his will, the little spore which blights all the potatoes, the little gemmule which makes us philosophers or idiots. Every existence above a certain rank has its singular points: the higher the rank the more of them. At these points, influences whose physical magnitude is too small to be taken account of by a finite being, may produce results of the greatest importance. All great results produced by human endeavor depend on taking advantage of these singular states when they occur." In: Maxwell, James Clerk. Does the Progress of Physical Science Tend to Give Any Advantage to the Opinion of Necessity (or Determinism) over That of the Contingency of Events and the Freedom of the Will? Lecture delivered at Cambridge, 11 February 1873. Reprinted in The Life of James Clerk Maxwell, with selections from his correspondence and occasional writings, edited by Lewis Campbell and William Garnett, 362–66. London: Macmillan & Co., 1884.