Mind-Stuff
Philosophie
Basiswissen
Der Begriff soll von dem englischen Naturphilosophen William Kingdon Clifford (1845 bis 1879) geprägt worden sein[1]. Mind-Stuff, auch Mind-dust[6], auf Deutsch etwa Geist-Stoff oder Geiststaub[9], bezeichnet die einfachsten Elemente aus denen Bewusstsein oder Geist zusammengefügt ist. Die Theorie eines solchen elementaren Geist-Stoffes wurde später ausführlich von dem Philosophen William James (1842 bis 1910) dargelegt und mit ihren Problemen aufgezeigt[2]. James benutzte auch die Schreibweise mit Bindestrich.
Mind-stuff zur Erklärung von Bewusstsein
Eines der hartnäckigsten Problemen der Philosophie ist das sogenannte Geist-Materie-Problem. Stellt man sich die Welt aus Materie aufgebaut vor, dann stellt sich die Frage, wie daraus der Geist, das Bewusstsein, das Seelenhafte, Psychische oder Mentale entstehen soll. Wenn man einzelne Atomen oder Molekülen noch keinen Geist zugesteht, wohl aber einer komplizierten Ansammlung solcher Moleküle in einem Gehirn, an welches Stelle, warum und wie trat dann plötzlich das Bewusstsein dazu? Tritt es unvermittelt ab einer bestimmte Stufe der Komplexität von außen dazu (Beseelung?). Als eine mögliche Antwort gilt die Theorie des Mind-stuff: so wie es im Kosmos von Anfang an Bausteine der Materie gab, gab es auch schon Bausteine des Geistes oder von Bewusstsein. Aber erst wenn dieser Mind-stuff sich auf geeignete Weise zusammensetzt entstehen daraus höhere Formen von Bewusstsein. Diese Vorstellung wird von William ausführlich mit vielen Zitaten anderer Denker dargelegt und abschießend zurück gewiesen. Wer tiefer in diese Probleme einsteigen möchte, wird in James' Werk[3] gute anschauliche Beispiele und klare Gedankengänge finden. Ein hartnäckiges Problem ist die Frage, wie sich einzelne Mind-stuffs zu übergeordneten Bewusstseinen zusammenfügen sollen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Kombinationsproblem ↗
Das Lukrezsche Atommodell als Vorläufer
Schon der antike Philosoph Lukrez (99 bis 55 v. Chr.) ging von der Idee aus, dass auch der Geist letztendlich aus kleinsten materiellenb Atomen aufgebaut sei. Die Geist-Atome des Lukrez sind damit ein frühes Beispiel für die Idee eines Mind-stuff. Siehe auch Lukrezsches Atommodell ↗
Olaf Stapledons mindlets
Der englische Philosoph William Olaf Stapledon (1886 bis 1950) beschrieb in seinem Roman "Nebula Maker"[8] wie bereits in der Frühzeit neben der Materie eine Art atomarer Geisteinheiten nach Ausdruck suchten. Stapledon nannte diese Geist-Atome mindlets, auf Deutsch so viel wie kleine Bewusstseinchen oder Geistchen. Obwohl diese mindletes voneinander getrennt waren, sah Stapledon sieh gleichzeitig auch als Teile eines kosmischen Übergeistes. Siehe auch Nebula Maker ↗
Fußnoten
- [1] Mind-Stuff ist definiert als "the simple elements of which consciousness is composed". In: William Kingdon Clifford. Encyclopedia Britannica, 30 Apr. 2023, Online: https://www.britannica.com/biography/William-Kingdon-Clifford
- [2] Mind ist zusammengesetzt: "The theory of 'mind-stuff' is the theory that our mental states are compounds". In: William James: The Principles of Psychology. Henry Holt. New York 1918. Dort das Kapitel CHAPTER VI. THE MIND-STUFF THEORY ab Seite 145. Online: https://www.gutenberg.org/cache/epub/57628/pg57628-images.html
- [3] Mind-dust erklärt Bewusstsein: "If evolution is to work smoothly, consciousness in some shape must have been present at the very origin of things. Accordingly we find that the more clear-sighted evolutionary philosophers are beginning to posit it there. Each atom of the nebula, they suppose, must have had an aboriginal atom of consciousness linked with it; and, just as the material atoms have formed bodies and brains by massing themselves together, so the mental atoms, by an analogous process of aggregation, have fused into those larger consciousnesses which we know in ourselves and suppose to exist in our fellow-animals. Some such doctrine of atomistic hylozoism as this is an indispensable part of a thorough-going philosophy of evolution. According to it there must be an infinite number of degrees of consciousness, following the degrees of complication and aggregation of the primordial mind-dust. To prove the separate existence of these degrees of consciousness by indirect evidence, since direct intuition of them is not to be had, becomes therefore the first duty of psychological evolutionism." In: William James: The Principles of Psychology. Henry Holt. New York 1918. Dort das Kapitel CHAPTER VI. THE MIND-STUFF THEORY ab Seite 149. Online: https://www.gutenberg.org/cache/epub/57628/pg57628-images.html
- [4] Mind-stuff im Sinne einer evolutionären Psychologie: "If evolution is to work smoothly, consciousness in some shape must have been present at the very origin of things. Accordingly we find that the more clear-sighted evolutionary philosophers are beginning to posit it there. Each atom of the nebula, they suppose, must have had an aboriginal atom of consciousness linked with it; and, just as the material atoms have formed bodies and brains by massing themselves together, so the mental atoms, by an analogous process of aggregation, have fused into those larger consciousnesses which we know in ourselves and suppose to exist in our fellow-animals. Some such doctrine of atomistic hylozoism as this is an indispensable part of a thorough-going philosophy of evolution. According to it there must be an infinite number of degrees of consciousness, following the degrees of complication and aggregation of the primordial mind-dust. To prove the separate existence of these degrees of consciousness by indirect evidence, since direct intuition of them is not to be had, becomes therefore the first duty of psychological evolutionism." In: William James: The Principles of Psychology. Henry Holt. New York 1918. Dort das Kapitel CHAPTER VI. THE MIND-STUFF THEORY ab Seite 149. Online: https://www.gutenberg.org/cache/epub/57628/pg57628-images.html
- [5] Der deutsche Biologe Ernst Haeckel (1839 bis 1919) spricht hier auch von einer Atom-Seele zur "Fühlung und Strebung der Masse". In: Ernst Haeckel: Die Welträthsel. 1899. Dort das Kapitel 12 "Das Substanz-Gesetz". Dort direkt unterhalb der Kapitelüberschrift. Online: http://www.biolib.de/haeckel/weltraethsel/kapitel12.html
- [6] James Van Cleve: Mind-Dust or Magic? Panpsychism Versus Emergence. In: Philosophical Perspectives. Vol. 4, Action Theory and Philosophy of Mind. Seiten 215 bis 226. Herausgegeben von: Ridgeview Publishing Company. 1990.
- [7] Lukrez (99 bis 55 v. Chr.) schreibt: "Welcherlei Körper der Geist nun besitzt und aus welchen Atomen dieser besteht, soll weiter mein Vers dir näher erläutern. Erstlich behaupt' ich, er sei aus den allerfeinsten und kleinsten Urelementen gebildet. Daß dieses sich also verhalten, magst du aus folgendem lernen, so daß es dir völlig gewiß wird. Nichts in der Welt scheint wohl an Geschwindigkeit irgend zu gleichen unserem Geist, der im selben Moment, was er denkt, auch schon anfängt. Also bewegt sich der Geist viel schneller als irgendwas andres aus dem Bereiche der Dinge, die unserem Auge sind sichtbar. Aber nun kann doch ein Ding, das so leicht sich bewegt, nur bestehen Aus ganzkugelig runden und allerkleinsten Atomen, die beim leichtesten Stoß sofort in Bewegung sich setzen." In: Über die Natur der Dinge. Original: De rerum natura. Zweites Buch, zitiert nach Hermann Diels, 1924. Siehe auch Lukrezsches Atommodell ↗
- [8] Der Philosoph William Olaf Stapledon (1886 bis 1950) lässt in eine Roman seinen Helden spirituell durch die Äonen und Weiten des Kosmos reisen. Zur Frühzeit des Kosmos spürt der Held die psychischen Vorstufen des späteren Lebens: "While I was stil toiling in this desolation, there came a moment when I realized that I had all along been confronted by something more than the physcial aspect of the cosmos, namely its inchoate and profoundly slumbering mentality, in fact by the cumulative impact of the myriad primal mindlets upon my mind. Or should I say the impact of the foetal spirit of the cosmos itself? It matters not which, for at this time the spirit of the cosmos was dissociated into myriads of the simple spirits of its members." In: Olaf Stapledon: Nebula Maker. Entstanden anfang der 1930er Jahre. Posthum zuerst veröffentlicht im Jahr 1976. Bran's Head Books Ltd. ISBN: 0 905220 06 4. Dort auf Seite 23. Siehe auch Nebula Maker [Roman] ↗
- [9] Geiststaub: Buck, A.: Historische Wurzeln und Entwicklungen des Panpsychismus. In: Müller, T./Watzka, H. (Hg.): Ein Universum voller ‚Geiststaub‘