R


Soziointegrative Stagnation


Evolution


Definition


Der Homo sapiens in seiner jetzigen Form ist der Endpunkt seiner Evolution. Die Evolution komplexerer, höherentwickelter Wesen greift nun auf der Ebene kollektiver Gebilde bestehend aus einer Vielzahl Menschen an, nicht mehr am individuellen Menchen selbst. Der Begriff der soziointegrativen Stagnation wurde in Anlehung an das Konzept der soziointegrativen Degeneration von Stanislaw Lem geprägt.

Von der Hominisation zum Transhumanismus: die Idee einer Höherentwicklung


In den erdgeschichtlich fernen Zeiten des Perm und des Trias entstanden die ersten Vorformen der heutigen Säugetiere. Über die folgende Zeit der Dinosaurierherrschaft waren die Säugetiere etwa so groß wie heutige Mäuse oder kleine Nagetiere. Nach dem Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit entwickelten sich aus diesen frühen Säugern recht schnell agile affenartige Wesen. Aus diesen Tieren wiederum entwickelte sich der Australopithecus, ein aufrecht gehender Affe, aus dem letztend der Homo habilis (geschickter Mensch) und der Homo erectus (aufrechter Mensch) entstanden. Aus dem Homo habilis schlussendlich entwickelten sich der Neandertaler und der heutige Homo sapiens. So erzählt, scheint die Geschichte eine stetige Entwicklung hin zu mehr Intelligenz zu sein. Wird sich diese Geschichte in der Zukunft fortsetzen? Wird es zukünftige Menschenarten geben, deren Individuen jeden heutigen Menschen weit an Intelligenz, Moral und vielleicht auch Weisheit übertreffen? Die naive Idee eines immer weitergehenden Fortschritts nannte der Franzose Voltaire Panglossianismus[9]. Heute laufen die meisten Visionen zukünftig verbesserter Menschen auf eine (gen)technische Optimierung des Menschen hinaus. Entsprechend visionäre Strömungen fasst man zusammen mit dem Stichwort Transhumanismus ↗

Die Aminosäure-Barriere als Evolutionsbremse


Die Idee, dass die Erscheinungsform individueller Menschen möglicherweise jetzt evolutionär eingefroren wird, soll jetzt als denkmöglich dargestellt werden. Zur Betonung der Plausibilität dient eine Analogie aus der Frühzeit der chemischen Evolution. Alle biologischen Lebensformen auf der Erde benutzen nur genau 21 verschiedenen Aminosäuren als Bestandteile ihres Körpers. Theoretisch wäre es denkbar, dass auch ganz andere Aminosäuren die Funktionen dieser 21 tatsächlichen Säuren einnehmen. Es scheint so zu sein, dass in einer sehr frühen Zeit der chemischen oder biologischen Evolution auf der Erde genau diese 21 Säurearten als Grundbausteine des Lebens eingerastet sind. Keine der später sich entwickeldenden Hauptlinien des Lebens (Pilze, Bakterien, Tiere, Pflanzen) hat jemals auch nur einen dieser Bausteine abgeändert oder durch einen neuen Baustein ersetzt. Evolutionär kann das nur dadurch erklärt werden, dass jede Mutation an einem dieser elementaren Bausteine von Leben sehr schädlich wirkt. Je elementarer nun ein Baustein eines komplexen Systems ist, desto chaotischer, das heißt schlechter vorhersagbar und potentiell weitreichender sind die Folgen. Die erfolgreiche Verbesserung eines komplexen System erreicht man eher durch neue Beziehungen zwischen modulartigen Groß-Bausteinen, als durch eine Änderung elementarer Klein-Bausteine. Dieser Gedanke ist mit weiteren Beispielen (Gesellschaften, Informatik) erklärt im Artikel Aminosäure-Barriere ↗

Der Mensch als Analogon zur Evolution der Aminosäuren


Nachdem die frühe biologische Evolution auf der Erde die 21 Aminosäuren sozusagen eingefroren hatte, entwickelten sich diese Aminosäuren als individuelle Chemische Moleküle nicht mehr weiter. Was sich weiter entwickelte waren immer neuartige Kombinatione solcher Moleküle. Der evolutionäre Fortschritt war damit von Molekülen übergegangen auf Übergebilde aus vielen Molekülen. Eingehegt von ähnlichen Sachzwängen könnte die Weiterentwicklung von Erscheinungsformen indivueller Menschen übergehen auf Systeme, Gesellschaften oder hypothetische Überwesen, von denen die Menschen ähnlich elementare Bausteine sind wie Aminosäure von biologischen Organismen.

Kohlequalität als alternative Metapher


Eine alternative Metapher bietet die Anforderung von Steinkohlen- oder Braunkohlenkraftwerken an die Qualität der eingesetzten Kohle. Man kann Kohlen nach verschiedenen Qualitätskriterien unterscheiden. Es gibt Kohlen mit niedrigem und hohen Brennwert, mit wenig und viel Asche, mit wenig und vielen flüchtigen Bestandteilen oder mit wenig oder viel enthaltenen Schwermetallen. Für ein einmal gebautes Kraftwerk ist es jedoch meist nicht sinnvoll, von einer Kohle niedriger Qualität auf eine Kohle hoher Qualität zu wechseln. Für die Zuverlässigkeit der technischen Prozesse förderlich ist vielmehr die Beibehaltung einer genau definierten Qualität.

Arbeitsplatzbeschreibung als Indiz?


Größere Unternehmen haben, oft im Zuge eines geregelten Qualitätsmanagements, genau Beschreibungen der Tätigkeiten von Mitarbeitern auf einem bestimmen Arbeitsplatz. Für die Zuverlässigkeit der Unternehmensabläufe hilfreich ist es, dass Mitarbeiter möglichst genau die definierten Abläufe durchführen und die definierten Ergebnisse abliefern. Mitarbeiter mit einer Überqualifiktion oder über den definierten Arbeitsplatz hinausgehenden Engagement bringen oft bewährte Abläufe so stark durcheinander, dass ihre Endwirkung meist eher schädlich als gut ist. Aus Sicht eines komplexen Unternehmens sind eng definierbare Eigenschaften von Mitarbeitern hilfreicher als eine ergebnisoffene Höherentwicklung von Mitarbeitern.

Die Bernhardi-Barriere als anti-utopische Urangst


Das frühe 20te Jahrhundert war eine Blütezeit sozialdarwinistischer Schriften. Verbindende Leitideen waren die Vorstellung vom Krieg als Vater aller Dinge und von der Konkurrenz als Triebfeder der Evolution. Ein herausragender Vertreter dieser Denkströmung war der deutsche Militärhistoriker Friedrich von Bernhardi. Ein Verzicht auf Krieg zwischen Völkern war für ihn gleichbedeutend mit einem Verzicht auf jede Form von Fortschritt (auch moralischen). Pazifismus und ein friedlich geregeltes Miteinander der Völker führen in dieser Gedankenwelt zwangsläufig zu Stagnation (Stillstand) oder sogar Regression (Rückentwicklung). Dieser Gedanke ist hier bezeichnet als Bernhardi-Barriere ↗

Fußnoten