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Krone der Schöpfung


Theologie


Definition


„Der Mensch ist der Gipfel der sichtbaren Schöpfung, da er nach Gottes Bild und Ähnlichkeit erschaffen wurde“: so ist die offizielle Haltung der katholischen Kirche. Diese kirchliche Sicht ist hier zusammen mit einigen Gegenpositionen kurz vorgestellt.

Der Mensch als Krone der Schöpfung


Die offizielle katholische Lehrmeinung wird als sogenannter Katechismus veröffentlicht[1]. In 598 Abschnitten werden enthält der Katechismus kurzer Aussagen zu zentralen Fragen des Glaubens. In den Abschnitten 62 und 64 des Katechismus wird zunächst ein statisches Bild der Welt vorausgesetzt: „Alle Dinge verdanken ihr Dasein Gott, von dem sie […] ihre eigenen Gesetze und ihren Platz in der Welt empfangen […] Unter den Geschöpfen gibt es eine gottgewollte gegenseitige Abhängigkeit und Rangordnung.“ Vom Menschen heißt es dann im Abschnitt 63 er sei „der Gipfel der sichtbaren Schöpfung, da er nach Gottes Bild und Ähnlichkeit erschaffen wurde“. Abschnitt 71 schließlich bezeichnet den Menschen als „Verwalter“ Gottes; er soll „sie sich die Erde unterwerfen“.

Der Mensch als Herrscher über die Schöpfung


Auch die Schöpfungsgeschichte der Bibel[2] weist dem Menschen eine Führungsrolle auf der Erde zu. Die Menschen „sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land“ [Genesis 1,26] sowie „bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ [Genesis 1,28]. Bemerkenswert ist hier die alleinige Nennung von Pflanzen - Tiere sind nicht genannt - als Nahrung: „Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ [Genesis 1,29]

Die Krone der Schöpfung Metapher einer statischen Weltordnung


Die von der Bibel und der katholischen Kirche gezeichnete Ordnung der Dinge in der Welt ist statisch, das heißt unveränderlich. Weder die Bibel noch der Katechismus beschreiben eine irgendwie geartete Weiterentwicklung des Menschen. Nirgends wird gefordert, der Mensch solle sich weiter oder höher entwickeln. Im Gegenteil: die Geschichte vom Sündenfall Adams und Evas im Paradies [Genesis 3 1-24] warnt vor zu viel Neugier, nämlich vom „Baum der Erkenntnis“ essen zu wollen. Auch als später die Menschen den hohen Turm zu Babel bauen möchten, erkennt der Schöpfergott darin eine Bedrohung „Jetzt wird ihnen nichts mehr unerreichbar sein, was sie sich auch vornehmen“ [Genesis 11,6]. Wieder bestraft er die Menschen dafür. Diese Bibelstellen verschieben die Bedeutung der Metapher von der „Krone der Schöpfung“ auf das Wort Schöpfung: die Schöpfung ist der von Gott vorgesehene Gestaltungsraum. Und dieser Gestaltungsraum ist nach oben beschränkt. Auch so kann man Krone deuten: das höchste, über das es aber kein höheren Hinaus mehr geben soll. Die Weltordnung ist statisch und so soll es wohl auch sein.

Gegenposition I: der Mensch als Ergebnis vergangener Evolution


Gäbe es heute Lebewesen wie Menschen, wenn vor 66 Millionen kein Asteroid die Dinonsaurier ausgelöscht hätte? Die Evolutionstheorie sieht den Menschen eher als ein Produkt einer Kette vieler zufälliger Ereignisse. Die Menschwerdung oder Hominisation als Entstehung von zweibeinigen Säugetieren ohne größere Körperbehaarung und mit einem Schädelvolumen von etwa 1400 cm³ war kein vorgefasstes Ziel der Evolution. Es hätte auch ganz anders kommen können. Mit ganz anderen möglichen Evolutionen beschäftigt sich die spekulative Evolution ↗

Gegenposition II: der Mensch als Ausgangspunkt zukünftiger Selbstoptimierung


Ins Gehirn implantierte Chips stellen Fremdsprachen zur Verfügung, Psychopharmaka steigern die Konzentration, Gentechnik beseitigt alle Krankheiten und eine Migration von Bewusstsein auf Computerplattformen macht den einzelnen Menschen nahezu unsterblich: solche Visionen einer technologischen Höherentwicklung des Menschen mit Hilfe von Technologie bezeichent man als Transhumanismus ↗

Gegenposition III: der Mensch als Auslaufmodell im Kampf mit Maschinen


Verschiedene Autoren warnen vor einer Verdrängung des Menschen durch Maschinen. Wenn intellligente Maschinen immer billiger und besser alle Bereiche der Produktion - auch geistiger - übernehmen, fallen Menschen die Einnahmequellen weg. Überwuchert die Technik (Solarpaneele, Rechenzentren, Verkehrsinfrastruktur etc.) die Erdoberlfäche, bleiben dem Menschen am Ende keine Ressourcen (Nahrungsmittel, Licht, Wohnraum etc.) übrig. Menschen sterben dann aufgrund von Ressourcenmangel aus oder sie verzichten auf Kinder und sterben darüber aus. Neben solchen „weichen Verdrängungen“ zeichnen anderen Autoren auch Szenarien eines „harten“ Krieges zwischen Maschinenintelligenz und Menschen, bei denen letzterer unterliegen könnte. Mehr dieser Gattung von Dystopien steht im Artikel technologische Singularität ↗

Gegenposition IV: der Mensch als Ausgangspunkt einer Degeneration


Angstbilder einer Rückentwicklung einmal erreichter Höhe gibt es viele. Vom inneren moralischen Verfall, einem rückläufigen IQ (negativer Flynn-Effekt) bis zu dystopischen Visionen einer Einverleibung des Menschen in höhere Lebensformen (Überwesen) reicht das Spektrum. Siehe dazu den Artikel soziointegrative Degeneration (Soziologie) ↗

Synthese: der Mensch als tragender Teil einer Höherentwicklung


Eine Art Synthese mehr oder minder statischer Vorstellungen einzelner Menschen bei einer gleichzeitigen Höherentwicklung der Menschheit als Art skizzierte zum Beispiel der christliche Anthropologe Teilhard de Chardin. Der Mensch kann dabei durchaus in seiner gegenwärtigen leiblichen Form verbleiben, ist aber gleichzeitig Träger einer kollektiven Vergeistigung, einer globalen Spiritualisierung. Chardins Ansinnen war es, christlichen Glauben mit der Idee einer Evolution zu verbinden. Zu dieser spirituellen Vision, siehe den Artikel über Pierre Teilhard de Chardin ↗

Fußnoten