A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Neo-Luddismus

Bewegung

© 2016 - 2025




Basiswissen


Als Neo-Luddismus[1] bezeichnet man eine zurzeit lose organisierte gesellschaftliche Strömung. Ihr wichtigstes Merkmal ist eine Ablehnung spezieller Technologien, etwa der künstlichen Intelligenz oder sozialer Medien. Maschinen und Computer werden als Bedrohung empfunden. Verbindende Werte der Neo-Ludditen sind vor allem der Wunsch nach einer Bewahrung von Menschlichkeit[2] und Autonomie[3]. Die Formen der Ablehnung reichen von gelegentlichem Verzicht bis hin zur aktiven Zerstörung von Maschinen[3].



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Ein Mob von Neo-Luddisten zerstört ein Rechenzentrum: genau das schlägt der KI-Experte Eliezer Shlomo Yudkowsky als Maßnahme gegen eine gefährliche weltweite Ki vor. Das historische Vorbild sind Luddisten und Maschinenzertrümmerer.☛


Historische Wurzeln des Neo-Luddismus


Die historischen Wurzeln des Luddismus sind für England besonders gut untersucht. Das durchgehende Muster ist dabei, dass ein wirtschaftlicher Fortschritt Gruppen Menschen hervorbrachte, die nicht nur keinen Nutzen daraus ziehen konnten, sondern oft direkt von sozialem Abstieg und Armut bedroht waren.

Die Steigerung der Effizienz wirtschaftlicher Unternehmen setzt nicht immer den Einsatz von neuen innovativen Technologien voraus. Oft genügt eine Änderung der Besitzverhältnisse und damit einhergend eine neue Form der gesellschaftliche Organisation von Produktion. So wurden in England und Wales seit dem 15ten Jahrhundert vermehrt allgemein zugängliche Bereiche des Landes rechtlich privatisiert und anschließend oft eingehegt (Enclosure Movement). Die meist privaten Besitzer nutzten die Flächen dann etwa für die Schafzucht (Wollexport nach Flandern) oder eine intensive Landwirtschaft[4]. Auch ohne den Einsatz innovativer Technologien brachte das oft beträchtliche Gewinne an Produktivität[5], gemessen in landwirtschaftlichen Gütern oder auch Geld[6]. Dieser Zuwachs an Reichtum verteilte sich aber nicht gleichmäßig. Vor allem die ärmsten der Armen lebten weiter in erbärmlichen Verhältnissen[7].

MERKSATZ:

Anfang des 19ten Jahrhunderts lebten viele Menschen in England in ärmlichen Verhältnissen ohne Unterstützung durch den Staat.

Um die Zeit von 1800 wurden sie speziell in Großbritannien dann auch Opfer steigender Lebensmittelpreise infolge der Kriege gegen Napoleon Bonaparte. Gesellschaftlich betrachtete man die Armut in England als unabänderliches Übel[8]. In der Zeit ab 1811 mehrten sich dann die Aufstände der Bedrohten. Wurden die Ludditen früher oft als ein Haufen unkontrollierten Pöbels dargestellt[41], sieht man heute in ihnen eher gut ausgebildete und im Untergrund gut vernetzte Handwerker.[42] Die rebellierenden Personen nannte man Ludditen, nach ihrem legendären Anführer Ned Ludd. Es kam zur Zerstörung von Maschinen und Produktionsanlagen. Letztendlich wurde eine große Zahl aufständischer Ludditen nach Australien in Sträflingskolonien deportiert oder hingerichtet.

MERKSATZ:

Landesweite Aufstände wurden gewaltsam niedergeschlagen. Es gab zunächst keine Besserung der Lage.

Eine schnelle Besserung ihrer Lage hatten die Ludditen damit nicht erreicht[9]. Etwas zeitversetzt gab es dann auch auf dem Kontinent Aufstände verzweifelter Arbeiter (z. B. der Aufstand der Weber in Schlesien), was dann, ab etwa 1840 bis 1850 zu einer zunehmenden Annahme des Problems durch die Politik führte[10]. Siehe auch Luddismus ↗

21tes Jahrhundert: von Webstühlen zu Rechenzentren


Im 18ten und frühen 19ten Jahrhundert war durch den technologischen Fortschritt das Einkommen auch gut ausgebildeter Handwerker bedroht. Neben den Webern zählten dazu etwa auch Uhrmacher und Töpfer. Durch neue, mehr arbeitsteilige Produktionsformen, etwa in Manufakturen, drängte einigermaßen gute aber meist sehr preiswerte Massenware auf den Markt.[37] Diese konnten auch mit Billigarbeitskräften hergestellt werden. Die Arbeitsplätze der gut ausgebildeten Handwerker waren unmittelbar bedroht.[41] Können war kein Garant mehr für einen Lebensunterhalt.

Heute sind es wieder oft gut ausgebildete Personen, die als Neo-Ludditen den Nutzen von neuen Technologien hinterfragen. Darunter sind Arbeiter, Kritiker Akademiker, Organisatoren (Manager?) und Schriftsteller. Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter hingegen bezeichnen sich zumindest nicht sichtbar oft als Ludditen.[39]

War im frühen 19ten Jahrhundert das Sinnbild der übergriffigen Maschinenwelt vielleicht der Webstuhl, sind es zurzeit Dinge wie Rechenzentren[18][34] oder autonom fahrende Fahrzeuge[33]. Doch die harsche Realität beim Verlust des Einkommens mag für viele Länder heute wie damals gelten: die Verarmung großer Schichten der Bevölkerung Englands im frühen 19ten Jahrhundert ist klar beschrieben.[7] Und auch heute ist in Ländern wie den USA ein wirtschaftlicher Abstieg schnell mit dem Gespenst der Verelendung verbunden. So mögen die Neo-Ludditen des frühen 21ten Jahrhunderts noch in wirtschaftlich guten Verhältnissen[11][35] leben, doch beim Verlust ihrer Erwerbsgrundlage droht auch ihnen der Abstieg.

MERKSATZ:

Wie ihre historischen Vorbilder sind auch die Neo-Ludditen des 21ten Jahrhunderts oft gut ausgebildete Personen in zunächst noch guter wirtschaftlicher Lage.

Was die modernen Neo-Ludditen antreibt ist aber nicht nur individuelle Betroffenheit[39] sondern eine globale und existentielle Sorge um das Wohl der Menschheit als Ganzer. Die modernen Neo-Ludditen handeln weniger aus akuter materieller Not sondern eher aus intellektuellen Antrieben.[36] So sehen manche Neo-Ludditen die ökologischen Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht und suchen nach Alternativen[12]. Andere haben Angst vor dem Verlust von Kultur[13] oder gar einer Auslöschung der Menschheit durch künstliche Intelligenz[14]. Dabei sind typische Neo-Ludditen[15] keine Feinde von High-Tech an sich. Im Gegenteil. Im Jahr 2023 sahen zwischen 38 % bis 51 % von befragten IT-Fachkräften eine Wahrscheinlichkeit von rund 10 %, dass künstliche Intelligenz zu einer Auslöschung der Menschheit führt[16].

MERKSATZ:

Anders als die historischen Ludditen sind ihre heutigen Nachfolger auch von einer intellektuellen Sorge um das Wohl der gesamten Menschheit angetrieben.

Eine Gemeinsamkeit vieler Neo-Ludditen ist die Angst vor einer existentielle Bedrohung der menschlichen Art. Ein bekannter Vertreter dieser extremene Position ist der 1979 geborene KI-Forscher Eliezer Shlomo Yudkowsky.[40] Der größtmögliche Unfall in der Geschichte der Menschheit wäre dann so etwas wie die technologische Singularität[17] ↗

Wenig Zeit zum Handeln: Jethros Window


Angenommen die Ludditen des 21ten Jahrhunderts hätten mit ihren Ängsten Recht, wie drängend ist dann das Problem einer Bedrohung durch Künstliche Intelligenz? Der folgende Gedankengang kann beunruhigen. Angesichts der vielen erdähnlichen Planeten sollten an vielen Stellen im Kosmos menschenähnliche Zivilisationen entstanden sein[19]. Seit etwa 1960 sucht man aktiv nach solchen Zivilisationen[20], bisher aber erfolglos[21]. Ein Grund könnte sein, dass jede mehr oder minder intelligente Zivilisation nur kurz im Stadium einer menschenähnlichen Hochkultur verbleibt und stattdessen über eine technologische Singularität schnell in eine für uns völlig unerkennbare Lebensform wechselt.

MERKSATZ:

Spekulation: die Technologie wächst uns über den Kopf.

Der US-amerikanische Autor Zoltan Istvan schätzt das entsprechende Zeitfenster auf nicht viel mehr als 100 Jahre[22]. Legt man den Beginn einer interstellar kommunikationsfähigen Menschheit etwa auf das Jahr 1960, so müssten wir Zoltan zufolge in den kommenden wenigen Jahrzehnten einer für uns unzugänglichen Intelligenz Platz gemacht haben. Das Fenster zum Handeln schließt sich. Siehe dazu den Artikel zu Jethros Window ↗

Ein möglicher Ausweg: die Bostrom-Bremse


Der schwedische Philosoph Nick Bostrom (geboren 1973) betrachtet die Entwicklung künstlicher Intelligenz vor allem aus der Sicht einer ökononomisch und darwinistisch gedeuteten Evolution. Nur wenn wir im wirtschaftlichen Wettbewerb mit Maschinen bestehen können oder wenn wir die Maschinen uns wohlgesonnen (eudämonistisch) halten können, werden wir in der jetzigen Form überleben. Bostrom Grundidee ist es also, die Evolution maschineller Lebensformen gezielt zu steuern. Das aber, so Bostrom könne nur unter einer Art Weltregierung (dem singleton) gelingen.[23] Mehr dazu unter Bostrom-Bremse ↗

Persönliche Einschätzung


Maschinenstürmerei wie im 19ten Jahrhundert oder gelegentliche Enthaltsamkeit gegenüber Technologien werden den Gang der Welt nicht ändern. Mir[24] erscheinen die Untergangsszenarien für die Menschheit in ihrer jetzigen Form sehr realistisch aber nicht zwingend dystopisch. Vielleicht leben wir bald in Symbiose mit Maschinen[25] oder wir nutzen sie als eine Art neuen Körper[31]. Überzeugend finde ich die Vorstellung, dass sich über geologische Zeiträume hinweg immer wieder neu Komplexitätssprünge wiederholen. Aus Einzellern werden Mehrzeller, aus Menschen werden soziotechnische Überwesen[26]. Wir würden dann als Gattung Mensch vielleicht in einer evolutionären Sackgasse enden[27], aber die Evolution als Ganzes würde Überwesen schaffen, in denen der Geist sich weit entwickeln kann[28]. Vielleicht ist der Kosmos geradezu angelegt für einen solchen Weltprozess[29]?

Aber das sind nur Spekulationen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir die Dinge zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht voraussehen können. Sicher erscheint mir nur, dass wir Entwicklung vorantreiben, die wir nicht kontrollieren können. Ein Aspekt, den ich mir in diesem Zusammenhang sehr viel stärker betrachtet wünsche ist die Verbindung von Geist und Materie. Darüber wissen wir sehr wenig. Es ist in mir eine bloß vage aber auch sehr nach Wirkung drängende Ahnung, dass die Physik an der Schnittstelle zwischen Geist und Materie unerwartete neue Sichten und Möglichkeiten liefern könnte[22].

Fußnoten


  • [1] Neo im Sinne von Wieder oder "neu aufgelegt" bezieht sich hier auf die Bewegung der Ludditen in der Frühzeit der Industrialisierung in England. In der Zeit von 1811 bis etwa 1817 leisteten die sogenannten Ludditen einen gewaltsamen Widerstand gegen die Einführung von Industriemaschinen. Der Widerstand wurde wiederum gewaltsam niedergeschlagen und brachte keine unmittelbaren Verbesserungen der Lage der Arbeiter in England. Siehe auch Luddismus ↗
  • [2] Fred Schulenburg (Text), Tatiana Trikoz (Illustrationen): "Bleib Mensch" Technologie-Pioniere und die Neo-Luddite-Revolution. In: Think:Act Magazin. 20. November 2018.
  • [3] Gavin Mueller: Maschinenstürmer. Autonomie und Sabotage; Edition Nautilus, Hamburg 2022, 232 Seiten. Ins Deutsche übersetzt vom Englischen Original "Breaking Things at Work: The Luddites Are Right About Why You Hate Your Job" von Josefine Haubold. ISBN: 978-3-96054-307-7.
  • [4] Das Enclosure Movement war eine frühe Form der Privatisierung von Gemeingut und begann bereits im 15ten Jahrhundert: "Although enclosure has tended to become synonymous in common usage with physically shutting off a piece of land with a fence, hedge or wall, its historical, legal meaning was rather different. In this latter sense, enclosure involved the removal of communal rights, controls or ownership over a piece of land and its conversion into ‘severalty’, that is a state where the owner had sole control over its use, and of access to it." In: Roger J. P. Kain, John Chapman and Richard R. Oliver: The Enclosure Maps of England and Wales, 1595-1918. Erschienen im Jahr 2004. 415. Seiten. ISBN: 9780521827713.
  • [5] In einer Betrachtung der frühen industriellen Revolution in England im 18ten Jahrhundert sieht der Autor nicht nur Technologie als treibende Kraft an, sondern auch die Form industrieller Organisation: "The most revolutionary developments were in technology, in transport, and in methods of industrial organization." In: In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century (1715-1815). The Pelican History of England. Penguin Books. Erstausgabe 1950. Dort das Kapitel "The Agrarian and Industrial Revolution". Die zitierte Stelle steht in der Ausgabe von 1965 auf der Seite 78. Siehe auch industrielle Revolution ↗
  • [6] Für den Erfolg neuer landwirtschaftlicher Methoden stellt ein Geschichtsbuch etwa die Anzahl von Einhegungen (das heißt Privatisierungen) von Landwirtschaftsflächen und dem durchschnittlichen Gewicht von verkauftem Vieh auf einem Markt nebeinander. Die Anzahl der betrachteten Einhegungen stieg im Zeitraum von 1710 bis 1795 von etwa 8 auf 506, das Durchschnittsgewicht von Oxen von 370 auf 800, das von Kälbern von 50 auf 150 und das von Schafen von 38 auf 80 Pfund (lb). Ein anderes Beispiel war die enorme Steigerung der Pachtbeträge die der Landbesitzer Coke of Holkham durch strenge Einführung neuer Methoden erzielen konnte. Er konnte die Pacht für sein Land von 2000 £ auf 20 tausend £ steigern. In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century (1715-1815). The Pelican History of England. Penguin Books. Erstausgabe 1950. Dort das Kapitel "The Agrarian and Industrial Revolution". Die maßgebliche Stelle steht in der Ausgabe von 1965 auf den Seiten 82 und 83.
  • [7] Der im 18ten Jahrhundert in England zunehmende Reichtum verteilte sich nicht gleichmäßig auf die Bevölkerung. Insbesondere die Ärmsten (die "labouring poor) lebten weiter in erbärmlichen Verhältnissen: täglich bis zu 16 Stunden Arbeit, sechst Tage die Woche mit nur zwei freien Tagen an Weihnachten und Osterstonntag, bis zur völligen Erschöpfung (the human animal broke down under the burden) und mit Ausschweifungen (drink, lechery, blood-sports) als einziger Ablenkung. In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century (1715-1815). The Pelican History of England. Penguin Books. Erstausgabe 1950. Dort das Kapitel "The Agrarian and Industrial Revolution". In der Ausgabe von 1965 steht die maßgebliche Stelle auf Seite 150.
  • [8] Insbesondere die Kriege gegen Napoleon verschärften die Lage der Ärmsten weiter, mit stark steigenden Preisen für Lebensmittel. Doch gab es im damaligen England, um das Jahr 1800, noch nicht einmal im Ansatz so etwas wie eine soziale Absicherung. Wer sich selbst nicht mehr helfen konnte, landete im Arbeitshaus (workhouse). Das Übel war allgemein bekannt, doch niemand sah eine Lösung: "the vast unimaginative majority regarded poverty as an inexorable law of nature." In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century (1715-1815). The Pelican History of England. Penguin Books. Erstausgabe 1950. Dort das Kapitel "The Agrarian and Industrial Revolution". In der Ausgabe von 1965 vor allem die Seiten 151 bis 154.
  • [9] Gewaltsame Ausbrüche, wie die Aufstände der Ludditen, blieben eine politisch eher wirkungslose Wutbekundung (pointless, frenzied industrial jacquerie). In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century (1715-1815). The Pelican History of England. Penguin Books. Erstausgabe 1950. Dort das Kapitel "The Agrarian and Industrial Revolution". In der Ausgabe von 1965 steht die maßgebliche Stelle auf Seite 150.
  • [11] Man kann pauschal davon ausgehen, dass Autoren von Büchern, Blogger im Internet und Mitarbeiter der IT-Branche fern von den wirtschaftlich grauenhaften Zuständen der Armen zur Zeit der Industrialisierung leben. Angst vor unmittelbar drohender Armut scheidet in diesen Fällen als Beweggrund aus.
  • [12] Alan Marshall: Ecotopia 2121: Our Future Green Utopia, Arcade Publ, New York. 2016. ISBN 9781628726008. Siehe auch Solarpunk ↗
  • [13] Neil Postman: Technopoly: the Surrender of Culture to Technology Knopf, New York. 1992. ISBN 0-394-58272-1.
  • [14] Elizier Yudkovsky sieht die Menschheit am Ende: "Many researchers steeped in these issues, including myself, expect that the most likely result of building a superhumanly smart AI, under anything remotely like the current circumstances, is that literally everyone on Earth will die." In dem drohenden Kampf hat der gegenwärtige Mensch keine Chance, es ist wie ein "Australopithecus trying to fight Homo sapiens" In: Eliezer Yudkowsky: Pausing AI Developments Isn’t Enough. We Need to Shut it All Down. In: TIME. 29. März 2023. Online: https://time.com/6266923/ai-eliezer-yudkowsky-open-letter-not-enough/
  • [16] Eine Befragung von professionellen Arbeitern der IT-Branche kommt zu dem Ergebnis: "In the largest survey of its kind, we surveyed 2,778 researchers who had published in top-tier artificial intelligence (AI) venues, asking for their predictions on the pace of AI progress and the nature and impacts of advanced AI systems." Sowie: "Between 37.8% and 51.4% of respondents gave at least a 10% chance to advanced AI leading to outcomes as bad as human extinction." In: The 2023 Expert Survey on Progress in AI (ESPAI). Herausgegeben von AI Impacts. Online: https://aiimpacts.org/wp-content/uploads/2023/04/Thousands_of_AI_authors_on_the_future_of_AI.pdf
  • [17] Als technologische Singularität bezeichnet man den Verlust der menschlichen Kontrolle über ihre eigenen Geschicke. Manche Autoren sehen das Ereignis bereits in der Vergangenheit, andere in der Zukunft. Siehe auch Technologische Singularität ↗
  • [18] Der US-amerikanische Autodidakt und Ki-Experte Eliezer Shlomo Yudkowsky (geboren 1979) sieht in Ansammlungen von CPU in Rechenzentren eine konkrete Bedrohung und fordert unter anderem: "be willing to destroy a rogue datacenter by airstrike" und "Shut them all down". Yudkowsky hält es für sicher, dass eine absichtlich gegen Menschen gerichtete Ki - ob sie Bewusstsein hat oder nicht - im Falle eines Konfliktes siegreich sein wird und kein Mensch überleben wird: "In today’s world you can email DNA strings to laboratories that will produce proteins on demand, allowing an AI initially confined to the internet to build artificial life forms or bootstrap straight to postbiological molecular manufacturing." Und dann: "If somebody builds a too-powerful AI, under present conditions, I expect that every single member of the human species and all biological life on Earth dies shortly thereafter." In: Eliezer Yudkowsky: Pausing AI Developments Isn’t Enough. We Need to Shut it All Down. In: TIME. 29. März 2023. Online: https://time.com/6266923/ai-eliezer-yudkowsky-open-letter-not-enough/
  • [19] Eine Methode zum Abschätzen mehr oder minder irdischer Zivilisationen im All ist die sogenannte Drake-Gleichung ↗
  • [20] Tastsächlich sucht man seit spätestem dem Jahr 1960 aktiv nach Zeichen intelligenter Zivilisationen im All. Dabei scannt man den Himmel nach verdächtigen elektromagnetischen Wellen ab, sendet selbst solche aus, oder schickt Sonden mit Botschaften an Außerirdische auf eine Reise in den interstellaren Raum. Bisher blieben alle diese Versuche ohne Ergebnis. Siehe auch SETI ↗
  • [21] Der schweigende Weltraum, dass fehlen jeder Spur von intelligentem Leben im All bezeichnet man als Fermi-Paradoxon ↗
  • [22] Der Gedanke, dass sich entwickelnden Zivilisationen im All häufig sind, aber nur für sehr kurze Zeit ein menschenähnliches Stadium durchlaufen formulierte unter anderem der US-Amerikaner Istvan Zoltan: "The only time we may discover other intelligent life forms is that 100 or so years during Jethro's Window, and then it requires the miracle of another species in a similar evolutionary time table, right then, looking for us too." In: Zoltan Istvan: The Language of Aliens Will Always Be Indecipherable. In: VICE Digital. August 26, 2016. Siehe auch Jethros Window ↗
  • [23] Nick Bostrom: The Future of Human Evolution. First version: 2004. Published in Death and Anti-Death: Two Hundred Years After Kant, Fifty Years After Turing, ed. Charles Tandy (Ria University Press: Palo Alto, California. 2004: pp. 339-371. Siehe dazu Bostrom-Fenster ↗
  • [24] Das Personalpronomen "mir" steht hier für einen 1966 geborenen Ingenieur, Privatlehrer und Privatphilosophen mit einem Hang zum "kosmischen" Denken. Siehe auch Gunter Heim ↗
  • [25] Die positive Vision eines symbiotischen Miteinanders von Menschen und Maschinen entwickelte - unter anderen - der französische Biologie Joel de Rosnay in seinem Buch Homo symbioticus ↗
  • [26] Von Atomen zu Molekülen, von Molekülen zu Zellen, von Einzellern zu Mehrzellern, von Mehrzellern zu Gesellschaften, von Gesellschaften zu planetaren Lebensformen: die Idee, dass sich in der Evolution über die Jahrmiliarden immer wieder neu symbiotische Verschmelzungsprozesse hin zu höher-komplexen Lebensformen wiederholt haben, wird von sehr vielen Forschern ernsthaft diskustiert. Siehe dazu den Artikel zu evolutionäre Transitionen ↗
  • [27] Als gesellschaftliche Dystopie ausgearbeitet ist die Idee einer evolutionären Endstation von Kazem-Sadegh Zadeh in seiner düsteren Vision der Machina sapiens ↗
  • [28] Die Idee einer Entstehung planeterarer Überwesen wurde von verschiedenen Autoren durchdacht. Solche Sichten gehen davon aus, dass der Geist nicht an speziell menschliche Lebensformen gebunden ist. Siehe dazu Planetisation ↗
  • [29] Dass der gesamte Kosmos Träger oder Ziel einer Vergeistigung ist bezeichnet man als Kosmopsychismus ↗
  • [31] Transhumanisten sehen im technologischen Fortschritt die Möglichkeit, dass Menschen sich ihres gegenwärtigen Körpers entledigen oder diesen mit technischen Konstruktuen aufwerten. Unsterblichkeit, Freiheit von Krankheiten und eine enorme Erweiterung geistiger Fähigkeiten klingen dort als Verheißung an. Siehe auch Transhumanismus ↗
  • [32] Sehr bemerkenswert für das Zusammenspiel für Physik und Geist finde ich ein Interview von Anton Zeilinger aus dem Jahr 2006. Der spätere Nobelpreisträger deutete darin sehr vorsichtig aber auch sehr bestimmt an, dass die Erkenntnisse der modernen Quantenphysik auf eine Deutung durch Philosophen warten. Siehe auch dazu Zeilingers Kant-Forderung ↗
  • [33] Ein Beispiel für mehr oder minder gewaltfreien modernen Aktivismus ist es, die Kameras selbstfahrender Autos abzudunkeln. Damit bleiben die Wagen stehen, ohne dass sie aber beschädigt werden. Die entsprechenden Aktivisten, etwa aus San Francisco, bezeichnen sich dabei selbst als Ludditen. In: Gregory Barber: Everyone Is a Luddite now. Im online-Magazin Wired. 22ter Oktober 2023. Online: https://www.wired.com/story/everyone-is-a-luddite-now
  • [35] Ein Beispiel für einen gegenwärtig wirtschaftlich gut abgesicherten Neo-Ludditen ist Nick Hilton, der südlich von London aus einen Podcast mit dem Titel "The Ned Ludd Radio Hour" betreibt. Hilton hat eine eigene Firma und ist als freiberuflicher Schriftsteller tätig. Weitere Beispiele für wirtschaftlich eher gut gestellte Personen, die sich selbst als Ludditen bezeichnen sind der Wissenschaftler Elizer Yudkovsky, der Schriftsteller Edward Ongweso Jr und die Künstlerin Molly Crabapple (beide aus Neu York, USA). In: Tom Lamont: Meet the neo-luddites warning of an AI apocalypse. From the academic who warns of a robot uprising to the workers worried for their future – is it time we started paying attention to the tech sceptics? The Guardian Online. 17ter Februar 2024. Online: https://www.theguardian.com/technology/2024/feb/17/humanitys-remaining-timeline-it-looks-more-like-five-years-than-50-meet-the-neo-luddites-warning-of-an-ai-apocalypse
  • [36] Zu den intellektuellen Antrieben: Ein Fachartikel aus dem Jahr 2017 macht 4 soziologische Typen von Neo-Ludditen aus: 1) der wirtschaftliche Typ (Economic Neo-Luddites) würde aus anti-libertären Instinkten. Dieser Typ sehnt sich nach einer Rückkehr zu archaischen (primeval) Gruppen wie der Familie, der Nation oder religiösen Gemeinschaften, mit einer Harmonisierung von Arbeit mit nicht-ökonomischen Werten und einem kollektivistischen Lebensstil (collective life). 2) Eng damit verbunden, aber ohne den Aspekt des Religiösen seien der romantisch-ländliche (romantic pastoral) Typ. Für ihn seien etwa Ökologie und vegatarisches Essen wichtige Werte. 3) Der spirituell-ideologische Typ sei geprägt von einem Misstrauen gegenüber moderner Wissenschaft und Technologie an sich. Und 4) gäbe es den anarchischen Neo-Luddismus als Strömung. Die "Inspiration" käme hier driekt aus den "Sabotage Taktiken" der historischen Ludditen. Dieser Typ "attackiert" den "Staat", "Technologie" und die "Technosphäre" mit Methoden, die er vom Feind (enemy) übernimmt. Typische Vertreter dieses Typs seien der "Anarchoprimitivist", der "Kultursaboteur", Anhänger der "Cyberpunkkultur" und "Hacker". Soweit die Wiedergabe aus dem Fachartikel. Als Bemerkung sei angefügt, dass all diesen Typen gemeinsame ihre Intellektualität ist. Ihre Motive sind keine Verzweiflung aus Armut, sie speisen sich aus anderen Quellen. In: Maciej Kryszczuk, Michał Wenzel (2017). Neo-Luddism: Contemporary work and beyond. Przegląd Socjologiczny, 0(4), 45-65. https://www.europub.co.uk/articles/-A-262622
  • [37] Die ursprünlichen Ludditen waren gut ausgebildete Handwerker: "The first Luddites were artisans and cloth workers in England who, at the onset of the Industrial Revolution, protested the way factory owners used machinery to undercut their status and wages. Contrary to popular belief, they did not dislike technology; most were skilled technicians." In: Brian Merchant: The New Luddites Aren’t Backing Down. Activists are organizing to combat generative AI and other technologies—and reclaiming a misunderstood label in the process. The Atlantic. 2ter Februar 2024. Online: https://www.theatlantic.com/technology/archive/2024/02/new-luddites-ai-protest/677327/
  • [38] Zu den neuen Neo-Ludditen werden etwa gezählt: "a growing contingent of workers, critics, academics, organizers, and writers" In: Brian Merchant: The New Luddites Aren’t Backing Down. Activists are organizing to combat generative AI and other technologies—and reclaiming a misunderstood label in the process. The Atlantic. 2ter Februar 2024. Online: https://www.theatlantic.com/technology/archive/2024/02/new-luddites-ai-protest/677327/
  • [39] Unmittelbar wirtschaftlich betroffen sind zum Arbeiter in der Vergnügungsindustrie von Las Vegas. Doch der Widerstand dort verbindet sich eher nicht mit Luddismus. Das sich Arbeiter, etwa organisiert in Gewerkschaften seltener als Ludditen bezeichnen ist eine subjektive Beoachtung von mir, könnte aber tatsächlich auch ein stabiles Muster sein. Suchen im Internet, mit verschiedenen Suchmaschinen und KIs führten für Neo-Ludditen meist akademisch ausgebildete Personen an. Beispielhaft suchte ich auch nach aktuellen Protesten von Arbeitern gegen den drohenden Arbeitsplatzverlust durch Maschinen. Im Jahr 2023 etwa streikten Arbeiter in Las Vegas gegen KI. An der Rezeption von Hotels gibt es immer mehr voll computerisierte Check-in Points. Essensempfehlungen spricht nicht mehr ein Concierge sondern eine KI aus. Und Drinks an der Bar würden zunehmen von Robotern gemixt und serviert. Doch findet sich in dem längeren Artikel über einen gewerkschaftlich organisierten Streik kein Treffer zum Wort "Luddit". In: Deepa Shivaram: Robots are pouring drinks in Vegas. As AI grows, the city's workers brace for change. NPR Network. September 4, 2023. Online: https://www.npr.org/2023/09/04/1197138244/vegas-ai-workers-brace-for-change
  • [40] Auf seiner eigenen Homepage schreibt Yudkovsky: "Since the rise of Homo sapiens, human beings have been the smartest minds around. But very shortly – on a historical scale, that is – we can expect technology to break the upper bound on intelligence that has held for the last few tens of thousands of years." In: Homepage von Eliezer Yudkovsky. Abgerufen am 7. September 2025. Online: https://www.yudkowsky.net/
  • [41] In älteren Darstellungen erschienen die Ludditen zum Teil als kopflose Maschinenstürmer. Unter den harten Arbeitsbedingungen der napoleonischen Zeit sei das "menschliche Arbeitstier" (human animals) auch zusammengebrochen und es verschwendete (squandered) seine Zeit mit Betäubungsmittel, Unzucht und Blutsport (palliatives, lechery, blood-sports). Oder aber er, der menschliche Arbeiter "revolted, burned down the factory, or broke up the machinery, in a pointless, frenzied, industrial jacquerie. The worst of these outbursts occurred in dhte Midlans and i the North, in 1811 and 1812, and they were dubbed Luddite Riots". In: J. H. Plumb: England in the Eighteenth Century. Penguin Books. 1950. Dort auf Seite 150.
  • [42] Die Ludditen "were artisans—primarily skilled workers in the early-nineteenth-century English textile industry. When faced with attempts to drive down their wages through the use of machines (operated at lower wages by less-skilled labor) the Luddites turned to wrecking the offensive machines and terrorizing the offending owners in order to preserve their wages, their jobs, and their trades. These men objected not only to the threat to their wages, but also to the production of cheap, inferior goods, which they feared would damage the reputation of their trades." In: Kevin Binfield: Luddites. International Encyclopedia of the Social Sciences. Abgerufen am 8. September 2025. Online: https://www.encyclopedia.com/history/modern-europe/british-and-irish-history/luddites