Psychophysik
Wissenschaft
Basiswissen
Als Psychophysik bezeichnet man vor allem im 19ten Jahrhundert die Erforschung der physikalischen Grundlage menschlicher Psychologie[1]: die elektrische Reizleitung in Nerven, Wahrnehmungsschwellen von Augen oder Ohren und ähnliches. Ziel ist es, physikalische messbare Größen in Verbindung zu psychologisch wichtigen Phänomen zu bestimmen, in der Sprache um 1900 also die Beziehung zwischen Leib und Seele[4]. Wo das Seelische ganz ausgeschaltet wurde, sprach man später auch von einem Behaviorismus[9]. Dazu stehen hier beispielhaft einige einfache Selbstversuche.
Schallortungsversuch
Für diesen Versuch müssen zwei Personen A und B zusammenarbeiten. Und man benötigt den Zugang zu einem Schwimmbecken. Die Person A soll die Augen für längere Zeit schließen und dabei ruhig stehen bleiben. Die zweite Person B stellt sich dann dicht vor die erste Person A und macht denn mit den zwei Metallgegenständen klopfender Geräuse in einem Abstand. Person A soll dann immer mit einem Finger in Richtung der Schallquelle zeigen. Person B macht die Geräusche dabei mannchmal von links, manchmal von rechts und manchmal von vorne. Normalweise gelingt es Person A immer in die richtige Richtung zu zeigen. Dann wird dasselbe Experiment unter Wasser durcheführt. Hier sollte Person A deutlich öfters Fehler machen oder gar nicht sicher sagen können, aus welcher Richtung der Schall kommt. Der Grund für dieses Phänomen ist die hohe Geschwindigkeit des Schalls im Wasser: der Zeitunterschied, mit dem der Schall in beiden Ohren ankommt ist zu klein, als dass der Kopf es wahrnehmen könnte. Siehe auch Schallgeschwindigkeiten ↗
Rot-Grün Blindheit
Für diesen Versuch müssen wieder zwei Personen A und B zusammenarbeiten. Und wieder findet er im Schwimmbad statt. Man braucht einige rote und grüne Gegenstände, die aber ansonsten genau dieselbe Form und Größe haben. Rot und Grün sollten dabei sein. Die eine Person, A, braucht eine Taucherbrille. Person B nimmt alle Gegenstände mit. A und B platzieren sich dann im Schwimmbecken möglichst weit voneinander entfernt. 25 Meter sind gut. Person A taucht dann unter und blickt Richtung B. Person B. hält dann einzeln die verschiedenen Gegenstände unter Wasser. Person A soll die Farbe benennen. Das sollte unter Wasser deutlich schwerer sein als an der Luft. Der Grund ist, dass Wasser die roten Lichtteile sehr schnell herausfiltert und rot wie grau wirkt. Siehe auch Optik ↗
Psychophysik und Psychometrie
Der Begriff der Pyschophysik hat heute eher historische Bedeutung. So gibt es etwa im deutschen Sprachraum kein Hochschulinstitut, das das Wort Psychophysik in seinem Namen führt [Stand 2022]. Die entsprechendem Themen sind meist der Neurophysiologie, den Kognitionswissenschaften sowie der Psychometrie zugeordnet. Das Wort Psychometrie kommt dabei der ursprünglichen Bedeutung der Psychophysik wohl am nächsten. Die Psychometrie zielt auf die Messbarmachung psychologischer Phänomen ab. Siehe auch Psychometrie ↗
Fußnoten
- [1] Gustav Theodor Fechner: Elemente der Psychophysik. 1860.
- [2 ] Max Weber: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit. In: Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik. Tübingen 1988, ISBN 3-16-845371-4, S. 61–255.
- [3] Manuel Kühner, Heiner Bubb, Klaus Bengler, Jörg Wild: Adaptive Verfahren in der Psychophysik – Effiziente Bestimmung von Absolut- und Unterschiedsschwellen. In: Ergonomie aktuell. Nr. 13, 2012.
- [4] 1904: "Psychophysik (psychê, physikê): Lehre von den Beziehungen zwischen Seele und Leib, psychischen und physischen Vorgängen, besonders von der Messung psychischer Vorgänge nach ihren Relationen zu physischen, von der Messung der Empfindungsintensitäten (vgl. Webersches Gesetz). Von der Möglichkeit einer mathematischen Psychologie, »Psycheometrie« spricht schon CHR. WOLF." Der Artikel gibt dann viele Beispiele aus dem 19ten Jahrhundert. In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 166-168. Online: http://www.zeno.org/nid/20001801104
- [5] 1904: "Psychophysik (psychê, physikê): Lehre von den Beziehungen zwischen Seele und Leib, psychischen und physischen Vorgängen, besonders von der Messung psychischer Vorgänge nach ihren Relationen zu physischen, von der Messung der Empfindungsintensitäten (vgl. Webersches Gesetz)." Der Artikel behandelt dann ausführlich Ansätze einer Mathematisierung der Psychophysik. In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 166-168. Online: http://www.zeno.org/nid/20001801104
- [6] 1907: "Psychophysik (moderne Bildg. aus gr. psychê = Seele und physikê = Naturwissenschaft) heißt die Lehre von den Beziehungen zwischen Leib und Seele; sie vereinigt in sich Physiologie und Psychologie und ist die Grundlage der experimentellen Psychologie. Sie mißt, um. die Empfindungsintensitäten zu bestimmen, psychische Vorgänge an physischen, weil diese allein Maßstäbe liefern. Unmittelbare Vergleichung ist nur möglich unter der Voraussetzung, daß psychische Größen nach ihrem relativen Werte verglichen werden (Webersches Gesetz); Wundt fügt noch die Fälle hinzu, wo eine Vergleichung nach absolutem Werte stattfindet. Bei drei Arten von Verhältnissen statuiert er die »psychische Größenmessung«: 1. bei Gleichheit zweier psychischer Gebilde; 2. bei eben merklichem Unterschied zweier Größen; 3. bei Gleichheit zweier Größenunterschiede (vgl. Wundt, Grundriß der Psych. S. 309 ff.). Gefördert wurde die Psychophysik außer durch E. H. Weber (1795-1878) durch Fechner, G.E. Müller, (Zur Grundlegung der Psychophysik. 1878.) Delboeuf, W. Wundt und H. Münsterberg. Vgl. des letzteren »Neue Grundlegung der Psychophysik«. Freiburg 1889. Die Psychophysik ist ein wichtiger Teil der objektiven experimentellen Psychologie." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 474. Online: http://www.zeno.org/nid/20003588971
- [7] 1911: "Psychophysik, Naturlehre der Seele, untersucht auf dem Wege des Experiments und der Messung die körperlichen Bedingungen der Seelentätigkeit sowie die Abhängigkeitsverhältnisse des Körpers von der Seele; begründet von Fechner, dann namentlich durch Wundt gefördert." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 467. Online: http://www.zeno.org/nid/20001470752
- [8] In einem Lexikon aus dem Jahr 1961 wird Psychophysik definiert als die "Lehre von den Beziehungen zwischen Leib und Seele, insbesondere der messende Vergleich von Umweltreiz und Sinnesempfindung […]" In: Duden-Lexikon in drei Bänden. Dritter Band P bis Z. Dudenverlag. Mannheim. 1961. Seite 1733.
- [9] "Innerhalb der Psychologie wird der Forschungsgegenstand auf das empirisch beobachtbare Verhalten des Menschen, auf das Feststellen von Reiz-Reaktionsmechanismen, eingeschränkt (Reiz-Reaktions-Modell)": In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel zum Behaviorimus auf Seite 69. Siehe auch Behaviorismus ↗
- [10] Paul von Lilienfeld: Gedanken ueber die Socialwissenschaft der Zukunft. Erste Theil: die menschliche Gesellschaft als realer Organismus. Zweiter Theil: die socialen Gesetze. Dritter Theil: die sociale Psychophysik. E. Behre's Verlag. Mitau und Hamburg. 1873. Siehe auch organische Theorie ↗