Wahrscheinlichkeit
Stochastik
Basiswissen
Als Wahrscheinlichkeit bezeichnet man den Anteil, auch relative Häufigkeit genannt, eines Ereignisses bei vielen Wiederholungen an der Gesamtzahl der Versuche. Die Wahrscheinlichkeit „ein Sechstel“ beim Würfeln kann zum Beispiel meinen: wenn man sehr oft würfelt, dann kommt meistens in einem Sechstel der Fälle eine 6.
Was meint Wahrscheinlichkeit?
In der Mathematik gilt das Wort "wahrscheinlich" nur für Geschichten oder Abläufe, die sich in gleicher Weise immer wieder wiederholen. Wenn man mit einem Würfel oft 10-mal-hintereinander würfelt, dann wiederholt sich die Geschichte "10-mal-hintereinander Würfeln". Wenn man eine Münze hochwirft und zählt, auf welcher Seite sie landet liegt, dann haben wir die Geschichte: "Münzwurf". Diese Geschichten können unterschiedliche Ausgänge haben. Beim Würfeln können die Zahlen eins bis sechs herauskommen. Beim Münzwurf "Kopf" oder "Zahl". Die mathematische Wahrscheinlichkeit ist der Anteil, mit dem eine bestimmte Geschichte einen bestimmten Ausgang hat, wenn man die Geschichte sehr oft wiederholt.[9]
Beispiel Würfeln
- Beim Würfeln beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Eins 1/6.
- 1/6, also ein Sechstel, ist so viel wie etwa 17 %.
- Das meint: Wenn man sehr oft würfelt, dann ...
- kommt in etwa einem Sechstel der Würfe eine Eins.
- Oder: Etwa 17 % der Würfe sind Einer.
- Von 200 Würfen wären etwa 34 Einer.
- Siehe auch Zweihundert-Würfel-Versuch ↗
Beispiel Münzwurf
- Wenn man sehr oft eine Münze wirft, dann ...
- kommt in etwa 50 % der Fälle "Kopf".
- Die Wahrscheinlichkeit für "Kopf" beträgt dann 50 %.
- Wenn man z. B. 120 mal wirft, kommt in etwa 60 mal Kopf.
Fußnoten
- [1] Ganz dem eigentlichen Wortsinn nach fasste man den Begriff 1771 noch auf als die Fähigkeit einer Sache wahr scheinen zu können, denkbar zu sein: "Wahrscheinlichkeit. (Schöne Künste) Das Wahre ist für die Vorstellungskraft, was das Gute für die Begehrungskraft ist. Wie wir nichts begehren können, als in so fern wir es für gut halten, so können wir auch in die Masse unsrer Vorstellungen nichts aufnehmen, als was wahr scheinet. Darum ist Wahrscheinlichkeit in dem, was die Werke der Kunst uns vorstellen, eine wesentliche Eigenschaft. Es ist nicht genug, daß das, was der Künstler uns sagt, oder vorstellt, wahr, oder in der Natur vorhanden sey, wir müssen es auch für etwas würkliches, oder mögliches, oder glaubwürdiges halten; denn sonst wenden wir gleich die Aufmerksamkeit davon ab, als von einem Gegenstand, den wir weder fassen, noch für würklich halten können. Darum soll die erste Sorge des Künstlers darauf gerichtet seyn, daß der Gegenstand, den er uns vorzeichnet, wahrscheinlich sey, daß wir ihn für etwas gedenkbares, oder würkliches halten. Diese Wahrscheinlichkeit ist im Grunde nichts anders, als die Möglichkeit, oder Gedenkbarkeit der Sache." Der Artikel führt den Gedanken noch sehr lange und sehr ausführlich weiter aus. In: Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1263-1266. Online: http://www.zeno.org/nid/20011450649
- [2] Recht tautologisch erscheint folgende Definition aus dem Jahr 1801: "Die Wahrscheinlichkeit, plur. die -en. 1. Der Zustand, da eine Sache wahrscheinlich ist; ohne Plural. 2. Eine wahrscheinliche Sache; mit dem Plural." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1349. Online: http://www.zeno.org/nid/20000515906
- [3] Im Jahr 1837 findet die rechnerische Behandlung der Wahrscheinlichkeit schon ihren Niederschlag in einem Lexikon: "Wahrscheinlichkeit oder Probabilität. Eine Behauptung, das Erreichen eines bestimmten Zwecks, das Eintreten eines Ereignisses ist wahrscheinlich, wenn die dafür sprechenden Gründe und dasselbe begünstigenden Umstände die demselben entgegentretenden und hinderlichen nicht so weit überwiegen, daß ein Gegentheil gar nicht denkbar wäre […] Die eigentliche Berechnung des Wahrscheinlichen ist daher auf solche Angelegenheiten gewöhnlich nur sehr beschränkt anzuwenden und man versteht unter Wahrscheinlichkeitsrechnung auch in der Regel nur die Lehre von Berechnung der mathematischen Wahrscheinlichkeit. Angewendet wird dieselbe in der verschiedenartigsten Richtung, z.B. auf Glücksspiele, auf Sterblichkeitsverhältnisse, beim Versicherungsgeschäft, zur Berechnung von Leibrenten, aber auch in den Naturwissenschaften und besonders in der Sternkunde. Zu den besten Schriften dieser schwierigen Lehre gehört Lacroix's »Lehrbuch der Wahrscheinlichkeitsrechnung«, deutsch von Unger (Erfurt 1818); über ihre Anwendung schrieb unter Andern Meyer, »Allgemeine Anleitung zur Berechnung der Leibrenten und Anwartschaften« (2 Bde., Kopenh. 1823)." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 640. Online: http://www.zeno.org/nid/20000875279
- [4] Im Jahr 1854 nimmt die mathematische Bedeutung des Begriffes bereits einen großen Anteil ein: "Wahrscheinlichkeit lat.-deutsch Probabilität, die Annäherung an die Wahrheit, das Vorhandensein vieler aber nicht aller Gründe für eine Annahme, der Gegensatz zur Unwahrscheinlichkeit. – W. sbeweis, im Rechtswesen, wenn mehr Gründe für die Wahrheit der Thatsache als gegen dieselbe gegeben sind. – W. srechnung, die von Pascal und Fermat begründete, von I. Bernouilli zuerst in ein Lehrbuch gefaßte [658] Lehre von der Berechnung der mathematischen W., welche dargestellt wird durch das Verhältniß der Zahl der günstigen zur Zahl aller möglichen Fälle oder durch einen Bruch, wo der Zähler die günstigen, der Nenner alle möglichen Fälle angibt. Schon deßhalb weil die W.srechnung für Geschäfts- u. Finanzmänner, Statistiker u.s.f. hohe Wichtigkeit hat, haben sich die tüchtigsten Mathematiker, ein Euler, Gauß, Meyer u.a. mit ihrer weitern Ausbildung befaßt. – W. sschlüsse, lat. syllogismi dialectici (von Kant Schlüsse der Urtheilskraft genannt), sind in der Logik Schlüsse mit varticulären Obersätzen; vgl. Schluß." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 658-659. Online: http://www.zeno.org/nid/20003562506
- [5] Streng logisch-philosophisch behandelt ein Lexikon aus dem Jahr 1864 das Wort Wahrscheinlichkeit: "Wahrscheinlichkeit (Probabilitas), ist die Art des Fürwahrhaltens, welche sich auf einen Schluß aus nicht vollständig zureichenden Gründen stützt (Wahrscheinlichkeitsschluß), indem entweder aus einem nicht streng allgemeinen Obersatze geschlossen wird, od. bei dem Vorhandensein von Gründen sowohl für als gegen eine Annahme des Fürwahrhalten sich nach dem Übergewichte der ersteren über die letzteren richtet." Der Artikel führt diese Unterscheider weiter aus und fährt dann mit der mathematischen Bedeutung von Wahrscheinlichkeit fort. In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 756-757. Online: http://www.zeno.org/nid/20011243686
- [6] Einer strengen philosophischen Kritik unterzieht ein Artikel aus dem Jahr 1923 den Begriff: "Wahrscheinlichkeit – Es ist nicht länger als 200 Jahre her, daß der Begriff Wahrscheinlichkeit, der eben damals eine ungenaue und nicht ganz gewisse Wahrheit zu bezeichnen angefangen hatte, scheinbar in die strenge Wissenschaft eingeführt wurde. Durch geniale Mathematiker, welche sich die Aufgabe stellten, die Chancen bei einer Wette genau zu berechnen. Man braucht bloß alle Glückspiele, besonders die Würfelspiele, als Wetten zu betrachten, um einzusehen, daß es ein bestimmtes Zahlenverhältnis gibt zwischen allen möglichen Fällen und dem einen, den der Spieler gern haben möchte. […] Als die Wahrscheinlichkeitsrechnung, von Pascal und Fermat begründet, durch Jacob Bernoulli und seine Nachfolger in ein strenges System gebracht worden war, knüpfte man an diese »allgemeine Logik des Ungewissen« bald ausschweifende Hoffnungen." Der Artikel behandelt anschließend in großer Breite Probleme rund um den Begriff der Wahrscheinlichkeit. In: Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 2 1923, Band 3, S. 416-429. Online: http://www.zeno.org/nid/20006181791
- [7] Im Sinn von Gewissheit benutz der Physiker Christiaan Huygens das Wort Wahrscheinlichkeit auf Niederländisch: "Huygens schreibt dort über den Nutzen des Spekulierens: „Des stellen wy hier niets voor wis en zeker (want hoe kan dat geschieden?) maar wy gaan alleen te werk met gissingen, over welker waarschijnelijkheid het een yder vry staat naar zijn zin te oordeelen. Wil nu iemand zeggen, dat wy dan vergeefschen arbeid doen, met gissingen te openbaren over zoodanige zaken, van welke wy zelve belijden nooit iets zekers te konnen werden begrepen: daar op antwoorde ik, dat de geheele oeffening der Natuurkunde [Studium Physices], voor zoo verre die in ’t uitvorschen van de oorzaken der dingen bezig is, om de zelve reden moest afgekeurt werden; waar in echter de hoogste lof is het waarschijnelijk gevonden te hebben, en waar in de nasporing der grootste en verborgenste dingen vermaak geeft. Dog der waarschijnelijke zaken zyn vele trappen, d’een nader aan de Waarheid, dan d’ander; waar omtrent naauwkeuriglijk acht te slaan het voor naamste gebruik van ons oordeel te pas komt.“ [3, Kapitel "Gissingen zijn niet ydel, om dat ze niet te enemaal zeker zijn."] In: Christiaan Huygens: Cosmotheoros (Kurztitel), Deutsch: Weltbeschauer, oder vernünftige Muthmaßungen, daß die Planeten nicht weniger geschmükt und bewohnet seyn, als unsere Erde. Zürich, 1767; eine weitere deutsche Übersetzung von v. Wurzelbau erschien 1703 sowie 1743 in Leipzig. Siehe auch Kosmotheoros ↗
- [8] Dass die moderne Physik nur noch Wahrscheinlichkeitsaussagen trifft, betonte auch der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988): "Von Philosophen wurde die Behauptung aufgestellt, daß, wenn die gleichen Umstände nicht immer zu den gleichen Resultaten führen, Vorhersagen unmöglich sind, was das Ende der Naturwissenschaften bedeuten müßte." Am Beispiel der sogenannten partiellen Reflexion von Licht an einer Glasplatte zeigt Feynman, dass dieses Prinzip nicht mehr gilt. Richtet man zum Beispiel ein Photon in immer derselben Richtung auf dieselbe Glasscheibe müsste das Photon auch immer am selben Zielort A oder B ankommen. Dazu Feynman weiter: "Wir können nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Photon in A oder B anlangen wird. Wir können einzig voraussagen, daß von 100 Photonen, die auf dem Glas landen, durchschnittlich 4 an der Oberfläche reflektiert werden. Heißt das nun, daß die Physik, eine Wissenschaft mit großer Genauigkeit, sich damit zufriedengeben muß, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses zu berechnen, und außerstande ist, genau vorherzusagen, was passieren wird? Ja, das heißt es." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seite 30. Ein Grundzug der modernen Physik der Quanten ist die sogenannte Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation ↗
- [9] Definition: "Als Wahrscheinlichkeit PA für das Eintreten des Ereignisses A bei der Durchführung des Zufallsexperiments bezeichnet man die Zahl PA = NA/N = Zahl der Elementereignisse des Ereignisses A geteilt durch die Gesamtzahl der Elementarereignisse." In: Klaus Weltner: Mathematik für Physiker. Basiswissen für das Grundstudium der Experimentalphysik. Lehrbuch Band 2. Verlag Vieweg. Braunschweig. 8. verbesserte Auflage 1988. Dort die Seite 142.