Clinamen
Physik
Fußnoten
Als Clinamen bezeichnete der antike Naturphilosoph Lukrez (99 v. Chr. bis 55. v. Chr.) eine kleinste Abweichungen der Bewegung der von ihm gedachten kugeligen Atome. Diese Abweichungen bieten die Möglichkeit, dass ein Freier Wille in der Welt wirken kann. Das ist hier kurz vorgestellt.
Die antike Atomidee
Lukrez war ein römischer Naturphilosoph. Er lebte rund 300 Jahre nach dem Begründer Atomtheorie, Demokrit (470 bis 360 v. Chr.). Lukrez folgte der antiken Atomvorstellung [7] Ihr zufolge war die Welt aus kleinstens Kügelchen aufgebaut, den Atomen. auch der Geist selbst besteht aus solchen Atomen. Eine solche Vorstellung wird die Frage auf, wie der menschliche Geist in einer solchen Welt überhaupt wirken könnte.
Lukrez und der Freie Wille
Lukrez arbeitete die Theorie weiter aus und verband sie mit der Frage nach einem Freien Willen [8]. Lukrez unterscheidet dabei bereits zwei Arten von Freiheit des Willens, nämlich a) der Wille ist frei in seiner Entstehung, er hängt von nichts ab und b) der Wille hat eine Freiheit der Wirkung, er kann etwa bewirken:
Daß der Sinn aber selber nicht habe
inneren Zwang in allen Dingen, welche er anfängt,
und wie ein Besiegter gedrängt ist zu tragen und zu leiden,
das bewirkt der Ursprungskörper winzige Beugung (exiguum clinamen),
weder am festen Ort noch auch zum sicheren Zeitpunkt. [1]
Erwin Schrödinger über Lukrez
In der Diskussion um einen Freien Willen spielte unter anderem die Größe der Abweichung von der Naturgesetzlichkeit eine Rolle. Bildhaft gesprochen. Im Jahr 1949 frug der österreichische Physiker Erwin Schrödinger plakativ, ob Elektronen denken können [6]. Dabei nahm Schrödinger auch Bezug auf die Ideen von Lukrez, wies dies aber scharf zurück. Siehe dazu den Artikel Do Electrons Think ↗
Fußnoten
- [1] Lukrez: De rerum natura. Welt aus Atomen, übersetzt und mit einem Nachwort herausgegeben von Karl Büchner, Stuttgart: Reclam 1986. (V. 289–293)
- [2] Ernst A. Schmidt: „Clinamen – Eine Studie zum dynamischen Atomismus der Antike.“ Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2008
- [3] Christian Reidenbach: Abweichung. In: Stephan Günzel (Hrsg.): Lexikon der Raumphilosophie. Wissenschaftliche
- [4] Madelaine F. Wheeler: The Ethics of Perception in Lucretius’ De rerum natura IV. Submitted in partial fulfilment of the requirements for the degree of Master of Arts. Dalhousie University. Halifax, Nova Scotia. August 2019. Dort die Seiten 72 ff.
- [5] D. P. Fowler: Lucretius on the Clinamen and Free Will. In: SUZHTHSIS: Studi sull'epicureismo greco e romano offerti a Marcello Gigante, 3 vols. Naples, 1.329-52. 1983.
- [6] Erwin Schrödinger: Was ist Materie? Und: Do Electrons Think? Originale Tonaufnahmen von Schrödinger als CD: ISBN: 978-3-932513-30-5.
- [7] Ein Lexikon aus dem Jahr 1907 schreibt bereits Epikur (341-270) die Idee des Cliname zu: "Epikuros hingegen, der die Lehre Demokrits erneuerte, wollte ihnen eine kleine Abweichung von der senkrechten Bewegung beilegen, um so die Verschiedenheit der Dinge und die Willensfreiheit zu erklären. Auch die Seele besteht bei ihm aus materiellen Teilchen, wenn auch aus sehr feinen, glatten, runden und daher beweglichen." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 71-73. Online: http://www.zeno.org/nid/20003578437
- [8] "Clinamen atomorum: die willkürliche Abweichung der Atome von der geradlinigen Bewegung, nach EPIKUR und LUCREZ." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 181. Online: http://www.zeno.org/nid/2000178367X