Pseudodyskalkulie
Arten
Definition
1002 minus 5 kann ein Problem sein: als Dyskalkulie bezeichnet man auffällige Problemem mit den Rechenarten aus der Grundschule, die sich nicht durch fehlende oder schlechte Beschulung, einen niedrigen IQ oder andere Lernstörungen erklären lassen. Als Pseudodyskalkulie bezeichnen wir hier ähnliche Probleme, für die man aber eine überzeugende Erklärung angeben kann.
I Pseudoyskalkulie als Folge von ADS oder ADHS
Kinder mit ADS oder ADHS benötigen viel psychische Energie, um die Gedanken an einem Punkt festzuhalten. Wenn Medikament wie zum Beispiel Ritalin schlagartig und wiederholt die Leistungen verbessern, dann gehen wir davon aus, dass die betroffenen Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen tatsächlich ADS oder ADHS haben. Ohne die Einnahme der Medikamente und ohne bewusste Kontrolle der eigenen Gedanken machen die Betroffenen oft viele Flüchtigkeitsfehler. Diese können dann außerlich wie eine Dyskalkulie aussehen. Ein einfacher Test ist es hier, solchen Personen neue Zusammenhänge mit Zahlen kurz zu erklären. Verstehen sie das Prinzip schnell, machen aber in der Ausführung später viele Fehler, liegt eher ADS/ADHS vor und keine Dyskalkulie. Siehe dazu auch ADHS ↗
II Pseudodyskalkulie als Folge von Zerstreutheit
In unserer Lernwerkstatt in Aachen beobachten wir viele aufgeweckte Kinder und Jugendliche. Ihre Gedanken rasen oft von Idee zu Idee. Sie stellen Fragen so schnell hintereinander, dass sie die Antworten gar nicht mitbekommen. Diese Kinder zeigen beim Rechnen oft ähnliche Auffälligkeiten wie Kinder mit einer echten Dyskalkulie. Hier liegen aber ganz andere Ursachen vor. Die Ursachen hier sind eine felende Disziplinierung der eigenen Gedanken. Mit der richtigen Hilfestellung von außen können entsprechende Kinder oft in wenigen Wochen ihre Rechensicherheit deutlich erhöhen. Wir sprechen hier nicht von Dyskalkulie sondern eher von Zerstreutheit ↗
III Pseudodyskalkulie: fehlendes Training
Was gibt 712 geteilt durch 4? Als Pseudodyskalkulie bezeichnen wir die Unfähigkeit sehr einfache Rechenaufgaben nach Abschluss der Grundschule zu lösen, obwohl keine echte Dyskalkulie vorliegt. Könnenauch andere Lernstörungen oder Zerstreutheit die Rechenprobleme nicht erklären, liegt es oft an der fehlenden Übung im Umgang mit Zahlen. Das betrifft viele Schüler ab der Klasse 5 bis in die Oberstufe sowie auch Studenten und Auszubildende. Folgende elementare Fragen werden schnell zu einem großen Problem:
- 700 geteilt durch 4
- 714 geteilt durch 4
- 8 geteilt durch 0,5
- 8 hoch minus 1
- 0,23 mal 800
- 40 cm² in mm²?
- 3,8 cm³ in Liter?
Auch praktische Aufgabenstellen wie etwa "teile 240 Gramm so in zwei Stücke, dass das eine Stück dreimal so schwer ist wie das andere Stück" waren für viele Schüler aus der Oberstufe und auch Studenten zum Teil nicht lösbar. Der Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Tests der RWTH Aachen zu den Mathematik-Fähigkeiten von Abiturienten. In fast allen Fällen aber wurden die Aufgabentypen schnell und sicher gekonnt, wenn sie einmal kurz besprochen wurden. Wenn das so ist, kann eine echte Dyskalkulie ausgeschlossen werden.
Ein Brandbrief von Hochschulen
Am 17. März 2017 veröffentlichten rund 130 Professoren einen Brandbrief. In ihm attackierten Sie scharf die dann vorherrschende Mathematik-Didaktik an den Schulen, namentlich die sogenannte Kompetenzorientierung. Als Beleg für ihre Warnung fügten Sie dem Brief eine Reihe von Aufgaben an. Die Beispielaufgaben sollten zeigen, wie stark der Verlust elementarer Fähigkeiten aus der Mittelstufe vorangschritten ist. Siehe auch Brandbrief 2017 ↗
Fußnoten
- [1] Wolfram Meyerhöfer: Vom Konstrukt der Rechenschwäche zum Konstrukt der nicht verstandenen stofflichen Hürden. Pädagogische Rundschau, 65 (4), S. 401-426. 2011.