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Klimasabotage


Politik


Definition


Die Tageszeitung TAZ fragt im Juni 2023: „Wer sabotiert die Entscheidungen, die das Klima und unsere Lebensgrundlagen retten? Wer blockiert, was nötig ist – und warum? Wer führt uns in die Krise?“ Diese Frage definiert als Aussage geschrieben Klimasabotage: Klimasabotage ist die bewusste und gewollte Verhinderung von bekannten und nötigen Maßnahmen zur Wahrung unserer Lebensgrundlagen. Der Vorwurf wirft einige Fragen auf.

Wie ist Klima definiert?


Als Klima bezeichnet man über lange Zeiträume (oft 30 Jahre) Durchschnittswerte von meteorologischen Größen wie Bodentemperatur, Niederschlag, Windgeschwindigkeiten oder die Anzahl von Frosttagen pro Jahr. Beschränkt man sich dabei auf einen klein umgrenzten Ort (etwa einen Berghang) spricht man von Mikroklima. Betrachtet man größere Bereiche, etwa Länder oder Kontinente, spricht man von Makroklima. Betrachtet man die Welt spricht man über das Welt- oder Erdklima. Erdgeschichtliche Befunde zeigen, dass sich das Klima meist nur langsam (über viele Jahrtausende) verändert. Das gibt Lebewesen oft die Zeit, sich langsam an das neue Klima anzupassen. Aber auch schnelle Änderungen des Klimas (wenige Jahrtausende) sind belegt, etwa während der großen Vereisungen in Europa während der Steinzeit. Grundsätzlich kann man sagen, dass mit der Geschwindigkeit eines Klimawandels der Stress der betroffenen Lebensgemeinschaften stark zunimmt. Manche Klimawandel in der Geschichte der Erde führten zu geologisch dokumentieren Massenaussterben[4]. Siehe auch Klima ↗

Was ist Sabotage?


Als Sabotage im klassischen Sinn bezeichnet man eine aktive und bewusste Zerstörung von Anlagen oder eine Störung von Abläufen die im Wesentlichen die Wehrfähigkeit eines Landes oder die Grundversorgung und die Infastruktur einer Bevölkerung beeinträchtigen sollen. Dabei muss die Sabotage gegen offene Kampfhandlungen eines Kriegsgegners abgegrenzt werden. Die Bombardierung von Wohngebieten, etwa in London durch die deutsche Luftwaffe im Jahr 1940, würde man nicht als Sabotage bezeichnen, wohl aber die Zerstörung von Wasserleitungen in London, durchgeführt von verdeckt in London operierenden deutschen Agenten. Typisch für die Sabotage ist oft, dass aus dem Verdeckten heraus gearbeitet wird und offene Kampfhandlungen vermieden werden sollen. Ein Arbeiter in einer Fabrik, der aber tatsächlich Munition für einen Panzer so zusammensetzt, dass sie später nicht zündet, ist insofern ein klassischer Saboteur, als er nach außen scheinbar mit dem Gegner zusammenarbeitet. Siehe auch Sabotage ↗

Was wäre ein juristischer Tatbestand einer Klimasabotage?


Für einen juristischen Tatbestand einer Klimasabotage müssen bestimmte im deutschen Strafgesetzbuch genannten Bedingungen erfüll sein. Der Tatbestand könnte beispielsweise dann erfüllt sein, wenn jemand Sabotagemittel herstellt oder sie sich oder anderen verschafft (§ 87, Abs. 1). Etwas weiter heißt es auch "Sabotage ist auch, durch Störhandlungen folgendes ganz oder zum Teil außer Tätigkeit zu setzen oder den bestimmungsmäßigen Zwecken zu entziehen: Anlagen oder Unternehmen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen oder dem öffentlichen Verkehr dienen, Telekommunikationsanlagen, die öffentlichen Zwecken dienen, Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen (Versorgungsunternehmen) oder sonst für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig sind, oder Dienststellen, Anlagen, Einrichtungen oder Gegenstände, die ganz oder überwiegend der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen" (§ 88 Abs. 1). Fraglich ist, ob zum Beispiel eine Unterlassung (kein Tempolimit auf Autobahnen, keine ausreichende Vorsorge für Starkwetterereignisse) greifen kann, da das Gesetz ausdrücklich von "Störhandlungen" spricht. Ist Unterlassung eine Handlung? Leichter zu fassen sind die Gegenstände der Sabotage. Hier ist recht weit gefasst die Rede von "Unternehmen" oder "Anlagen" die für die "Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig" sind. Je nach Dauer eines möglichen Ausfalles können Kraftwerke, Deiche, Rückhaltebecken für Regen oder auch Grundwasserspeicher (sind das Anlagen?) oder eine widerstandsfähige Landwirtschaft lebenswichtig werden. Für den Vorwurf einer Klimasabotage, ausgeführt von Politikern, scheint der schwierigste Aspekt zu sein, unterlassene Tätigkeiten als Handlung zu deuten.

Welche Umweltdelikte kennt das deutsche Umweltgesetz?


Durch die deutsche Umweltgesetzgebung sind Umweltdelikte explizit benannt[5]. Hier gibt es keinen juristischen Bezug zur Sabotage, wohl aber eine inhaltliche Verbindung über die Idee eines geschädigten Systems. Nur wenn eines dieser Delikte erfüllt ist, kann das Recht im Sinne der Umweltgesetze greifen. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass einen Tatbestand des Ökozids im deutschen Umweltrecht nicht gebe.

27 ChemG)
PflSchG)
strenggeschützten wildlebenden Tieres oder die Entnahme oder Zerstörung einer streng
geschützten Pflanze (§ 69 i.V.m. § 71 BNatSchG)

Wer haftet für Klimaschäden?


Juristische und natürliche Personen: der Frage der Haftung sind die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Jahr 2021 nachgegangen[5], ausdrücklich auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf eines Ökozids. In dem Text heißt es wörtlich: "Es existieren keine Straftatbestände, welche explizit auf Sachverhalte Anwendung finden, die sich auf den Klimawandel auswirken könnten." Ferner können juristische Personen, die keine natürlichen Personen sind, durch das Strafrecht nicht haftbar gemacht werden, wohl aber durch das Zivilrecht. Solche juristischen Personen sind zum Beispiel Unternehmen oder Behörden. Gleichwohl haften natürliche Personen. Und sie können auch dann haftbar gemacht werden, wenn keines der obigen Delikte erfüllt sind. Es genügt, wenn schuldhaft versuchsachte Schäden an der Umwelt zu einem Schaden am Eigentum anderer führen. Dann haftet der Verursacher. Egal ob mit eigenem Verschulden oder nicht, muss der Verursacher die Ursachen der Schädigung abstellen. In einem Musterprozess verklagte der Peruaner Saúl Luciano Lliuya im Jahr 2015 das deutsche Energieunternehmen RWE. Der von RWE schuldhaft mitverursache Klimawandel bedrohe das Wohnaus des Klägers in den Anden, da ein schmelzender Gletscher zu einer Katastrophe durch eine Flutwelle führen könnte. RWE sei mit 0,47 % am weltweiten CO2-Ausstoß mitverantwortlich und solle anteilig Schutzmaßnahmen in Saúl Luciano Lliuyas Heimat mit bezahlen. Der Prozess war im Jahr 2023 noch nicht entschieden.

Können Politiker jurististisch haftbar gemacht werden?


Ja: "Nach § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 haftet ein Beamter für Schäden, die er in Ausübung seines Amtes durch Verletzung seiner Amtspflicht einem Dritten vorsätzlich oder fahrlässig zugefügt hat. Nach Art. 34 S. 1 Grundgesetz (GG)2 geht die Haftung auf den Staat über. Für entsprechende Klagen sind nach Art. 34 S. 3 GG die Zivilgerichte zuständig. Die Haftung des Staates greift nicht nur für Beamte, sondern für alle Personen, die in öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen stehen. Dies umfasst auch die Bundesminister, die nach § 1 Bundesministergesetz in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund stehen." Für Bundesbeamte sieht ein Gesetz (§ 75 Bundesbeamtengesetz)) vor, dass der Staat bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit den Beamten auf Regress [Schadenersatz] verklagen. Für Minister ist ein solcher Gesetz nicht vorgesehen. [6] Minister der Bundesregierung können damit auch bei vorsäztlichen oder grob fahrlässigen Fehlentscheidungen oder Unterlassungen nicht persönlich haftbar gemacht werden.

Was ist Klimasabotage?


Laut einem Artikel der Berliner Tageszeitung TAZ ist ein Klimasaboteur jemand, der die Entscheidungen sabotiert die unsere Lebensgrundlagen retten[2]. Diese Definition reicht Nahe an juristisch greifbare Konzepte heran. Es wird ein Gegenstand der Sabotage benannt, nämlich Entscheidungen. Und es wird ausdrücklich auf die Gefährdung unserer Lebensgrundlagen hingewiesen.

Wer sind die bezichtigten Klimasaboteure?


Seit dem Jahr 2022 werfen Zeitungen Einzelpersonen oder Gruppen Klimasabotage vor. Als Beispiele für Klimasabotage führen verschiedene Zeitungen vor allem an: die Öl- und Gasindustrie durch Tolerierung von Methanlecks[1], Vertreter von Lobbygruppen wie Astrid Hamker, die Präsidentin des CDU-nahen Wirtschaftsrates und Gesellschafterin der Osnabrücker Piepenbrock-Gruppe (z. B. Verpackungen und Reinigungsmittel)[2], sowie der Bundesverkehrsminister Volker Wissing[7], dem es nicht gelingt die im Koalitionsvertrag vereinare Verkehrswende einzuleiten. Siehe dazu auch das Stichwort von der Autoflut ↗

Fußnoten