Zellenstaat
Spekulation
Grundidee
Als Zellenstaat bezeichnete der deutsche Biologie Ernst Haeckel (1834 bis 1919) die Organismen höher entwickelter Tiere. Er verglich das Gehirn mit der Regierung, Nervenbahnen mit Telegraphen und die Arbeitsteilung mit der Bildung von Geweben. Der Gedanke war zu jener Zeit nicht ungewöhnlich[2][3]. Andere Autoren um die Zeit von 1900 verglichen Staaten mit Bienenvölkern[4] oder Termitenvölkern[5], später im 20ten Jahrhundert sprach man auch von einem Globalen Gehirn[6]. Zwei bis heute offene, das heißt ungeklärte Fragen sind a) das Bindungsprobl, nämlich wie aus der Tätigkeit einzelner Zellen abgestimmte, zusammehängende Aktivitäten des Gesamtorganismus entstehen, und b) wie überhaupt aus Materie Bewusstsein entstehen soll, das sogenannte Kombinationsproblem ↗
Fußnoten
- [1] Der Biologe Ernst Haeckel (1834 bis 1919) sah eine enge Analogie zwischen Geweben in einem Organismus und Ständen oder Kasten in Staaten: "Die Zellen verhalten sich dabei [bei der Gewebildung, siehe oben] ganz ebenso, wie die wohlerzogenen Staatsbürger eines gut eingerichteten Kulturstaates. In der Tat ist unser eigener Leib, wie der Leib aller höheren Tiere, ein solcher zivilisierter Zellenstaat. Die sogenannten 'Gewebe' des Körpers, Muskelgewebe, Nervengewebe, Drüsengewebe, Knochengewebe, Bindgewebe usw., entsprechen den verschiedenen Ständen oder Korporationen des Staates, oder noch genauer den erblichen Kasten, wie wir sie im alten Ägypten oder noch heute in Indien antreffen. Die Gewebe sind erbliche Zellenkasten im Kulturstaate des viellzelligen Organismus. Die Organe aber, die sich wieder aus verschiedenen Geweben zusammensetzen, sind den verschiedenen Ämtern und Instituten zu vergleichen. An der Spitze aller steht die mächtige Zentralregierung, das Nervenzentrum, das Gehirn. Je vollkommener das höhere Tier entwickelt, je stärker die Zellenmonarchie zentralisiert ist, desto mächtiger ist das beherrschende Gehirn, und desto großartiger ist der elektrische Telegraphenapparat des Nervensystems zusammengesetz, welcher das Gehirn mit seinen wichtigsten Regierungsbehörden, den Muskeln und Sinnesorganen, in Verbindung setzt." In: Ernst Haeckel: Zellseelen und Seelenzellen. Vortrag gehalten am 22. März 1878 in der Concordia zu Wien. Als Buch herausgegeben vom Verlag Alfred Krömer im Jahr 1909. Haeckels Ideen waren Teil einer breiten Strömung seiner Zeit, siehe dazu auch organische Theorie ↗
- [2] René Worms: Organisme et société. Paris 1896
- [3] F. W. Coker: Organismic Theories of the State. In Columbia University Studies, XXXVIII, No. 2. 1910
- [4] Maurice Maeterlinck: Das Leben der Bienen. 1901. Siehe auch Das Leben der Bienen ↗
- [5] Eugène N. Marais: The Soul of the White Ant. Zuerst verfasst auf Afrikaans unter dem Titel: Die Siel van die Mier. Im Jahr 1937 ins Englische übersetzt von Winifred de Kok. Londoner Ausgabe von 1971 vom Verlag Jonathan Cape and Anthony Blond. ISBN: 0 224 61871 7. Siehe auch The Soul of the White Ant ↗
- [6] Peter Russell: The Global Brain: speculations on the evolutionary leap to planetary consciousness. Los Angeles: JP Tarcher. 1983.