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Uhrwerk-Universum

Physik

Basiswissen


Die Idee, dass das ganze Universum, einmal in Gang gesetzt, ganz mechanisch wie ein Uhrwerk abläuft bezeichnet man auch als Uhrwerk-Universum. Die Idee geht bis ins Mittelalter zurück. Im Laufe der Jahrhunderte rückten aber die ursprünglich theologischen Bedeutungen immer weiter in den Hintergrund. Das ist hier kurz vorgestellt.

Das Uhrwerk-Universum als Sinnbild göttlicher Perfektion


Thomas von Aquin (1225 bis 1274), ein mittelalterlicher Philosoph argumentierte, dass die Welt der natürlichen Dinge genauso als Werk Gottes betrachtet werden sollte wie etwa eine Uhr als Werk von Menschen[11]. Später soll der Bischof Nicole d'Oresme (1330 bis 1382) die Bahn der Planeten mit einer Uhr verglichen haben und auf die Zuverlässigkeit ihres Laufes hingewiesen haben[10]. Die mittelalterliche Metapher von der Welt als einem Uhrwerk stand damit für zwei verwandte Ideen: a) dass man die Zweckmäßigkeit der Schöpfung in Gottes Werk erkennen kann[12] und b) dass die Welt perfekt eingerichtet ist.

Das Uhrwerk-Universum als Sinnbild von Gottes Zurückgezogenheit


Im Jahr 1715 weist Isaac Newton (1642 bis 1727) darauf hin, dass die Idee der Welt als Uhrwerk, welches zuverlässig ohne das Eingreifen Gotts abläuft, Gott aus seiner Schöpfung ausschließt und einem schicksalshaften Materialismus Platz macht[9]. Gott wurde noch zugestanden, das Universum erschaffen zu haben[5]. Aber in den späteren Ablauf griff er nicht mehr ein[13]. Gott war noch Schöpfer aber ansonsonsten zurückgezogen, ein Deus absconditus[14]. Das entsprechende Weltbild bezeichnet man als Deismus ↗

Das Uhrwerk-Universum als Sinnbild des Mechanismus


Im weiteren Verlauf des 18ten und 19ten Jahrhunderts verengte sich die Metapher vom Uhrwerk-Universum immer mehr auf die Bedeutung eines rein mechanistisch ablaufenden Weltgeschehens[7]. Nicht nur Gott war aus dieser Welt als wirkende Gestalt augeschlossen, sondern auch jeder menschliche Wille. Auch der Mensch selber wurde in dieser Vorstellung zu einer Mechanik, die sich nach den Gesetzen von Masse und Kraft ganz so verhielt wie die Mechanik einer Uhr[8]. Damit, so die Vorstellung bis hinein ins 20te Jahrhundert, war die Welt in ihrem gesamten Ablauf vorhersagbar. Diese Vorstellung bezeichnet man heute als mechanistisches Weltbild ↗

Das Uhrwerk-Universum im 20ten und 21ten Jahrhundert


Wer heute vom Universum als Uhrwerk spricht, hat meist nicht mehr die ursprüngliche theologische Bedeutung einer zweckmäßig und perfekt eingerichteten Welt im Sinn. Vielmehr steht das Uhrwerk-Universum heute ganz für die Idee, dass die Welt mechanistisch abläuft und möglicherweise in ihrem Ablauf vorausgesagt werden könnte[15]. In diesem mehr oder minder gottfreien Weltbild war die interessante Frage dann: läuft die Welt wirklich mechanistisch ab? Und kann man ihren Gang wirklich vorhersagen? Beide Fragen werden heute abschlägig beantwortet. Im Sinne der Quantenmechanik kann der Zustand der Welt schon aus theoretischen Gründen nie ausreichend exakt erfasst werden[1] oder unterliegt einem echten Zufall[18]. Die moderne Chaostheorie[2] spinnt den Gedanken fort und zeigt, wie schon kleinste Abweichungen im Geschehen die Zukunft in ganz andere Bahnen ablenken kann[18]. Ganz im Gegensatz zum Uhrwerk-Universum, das Gott und alle Lebewesen von eine aktiven Gestaltung der Abläufe ausschließt, kommen manche Physiker hin zu der Idee, dass die Gesetze der Natur geradezu so angelegt sind, dass sie auf eine Teilnahme und Mitgestaltung zugeschitten sind. Siehe dazu auch Partizipatorisches Universum ↗

Kuriosum: Schrödingers Pendeluhr


Der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger (1887 bis 1961) ging im Jahr 1944 der Frage nach, ob es besondere Naturgesetze im Bereich des Lebendigen gibt oder nicht. Dabei betrachtete er vor allem den Aufbau und die Rolle von Erbmaterial in menschlichen Zellen. Die großen Moleküle der Erbsubstanz (die DNA war ihm noch unbekannt) verglich er dabei mit einer Pendeluhr: bei beiden Strukturen regiert auf der Ebene von Atomen der Zufall, doch beide Strukturen sind so geschaffen, dass die Summe aller Zufälle letztendlich sehr zuverlässige, fast uhrwerksartige Abläufe ergbit[6]. Der Grundgedanke dahinter, der sich durch viele Bücher Schrödingers zieht, ist die statistische Physik ↗

Empfehlung zur Schreibweise mit Bindestrich


Wir empfehlen die Schreibweise Uhrwerk-Universum, das heißt mit Bindestrich: im Englischen ist das "clockwork universe" ein stehender Begriff[7] und wird dort durchgängig ohne Bindestrich geschrieben. Im Deutschen finden sich sowohl die Schreibweise Uhrwerk-Universum[1] mit Bindestrich als auch Uhrwerk Universum ohne Bindestrich[4]. Man kann einen feinen Bedeutungsunterschied ausmachen, wenn man die Betonung dem üblichen Gebrauch im Deutschen entsprechend abändert. Beim Uhrwerk-Universum spricht man die beiden Worte recht schnell hintereinander. Bei Uhrwerk Universum lässt man eine spürbar längere Pause zwischen den beiden Worten. Mit Bindestrich stellt sich dann die Bedeutung ein, dass Uhrwerk hier eine beschreibende, fast adjektivistische Rolle spielt und nur das Substantiv Universum näher beschreibt. Ohne Bindestrich und mit Pause gesprochen stellt sich hingegen eher die Bedeutung ein, dass Uhrwerk und Universum zwei gleichberechtigte Substantive sind, die miteinander gleichgesetzt werden sollen. Wir haben uns hier für die Schreibweise mit Bindestrich entschieden, da der eigentliche Gebrauch eher auf eine Beschreibung einer besonderen Sicht auf Universum abzielt.

Fußnoten