Als Halbkreislinse[1] bezeichnet man eine Linse die genau die Form einer halben Kreisscheibe hat. Die Halbkreislinse ist aber keine sphärische Linse[2]. Von der Wirkung her gilt sie als Sammellinse[3]. An der Halbkreislinse lassen sich verschiedene Phänomene der Strahlenoptik vor allem mathematisch besonders leicht nachvollziehen. Außer als Lehrmittel hat die Halbkreislinse kaum eine praktische Bedeutung.
Beschreibung der Halbkreislinse
Die geometrische Form einer Halbkreislinse ist die einer halben Kreisscheibe, ähnlich einem großen Buchstaben D. Die gerade Seite nennt man die plane Seite. Die nach außen gewölbte Seite nennt man konvex. Die Halbkreislinse ist damit eine plan-konvexe Linse. Siehe auch Sammellinse ↗
Materialien einer Halbkreislinse
Klassische Halbkreislinsen der Optik sind meist aus Glas oder dem Kunststoff Acryl gefertigt. Acryl ist deutlich leichter als Glas[4] und erzeugt bei einem Bruch keine gefährlichen schneidenden Kanten. Wie stark die Materialien die Richtung von Lichtstrahlen ändern können besagt die Brechungszahl[5], auch Brechungsindex genannt. Je nach Glasart kann Glas eine Brechungszahl von 1,45 bis 2,14 haben. Acryl hat eine Brechungszahl von 1,49. Siehe mehr unter Brechungszahlen ↗
Optische Effekte an einer Halbkreislinse
An einer Halbkreislinse man vergeichsweise einfach grundlegende Gesetze der Strahlenoptik[6] nachvollziehen. Zur Berechnung des Strahlenganges genügen lineare Funktionen[7], das Rechnen mit Wurzeln[8] und die einfache Trigonometrie mit Sinus[9] und Tangens[10].
Brechung, Aberration und Totalreflexion an einer halbkreisförmigen Linse.
Man stelle sich die Halbkreislinse als großen Buchstabe D vor. Von links nach rechts gehe waagrecht (horizontal) eine gerade Linie durch die Mitte der Linse. Diese Linie nennt man die optische Achse. Sie bildet auch gleichzeitig die Abszisse eines gedachten Koordinatensystems. Die Verlängerung der geraden Linie links bilde dann die Ordinate. Legt man das Koordinatensystem auf diese Weise an die Linse, kann man vor allem die Kreisform bequem mathematisch modellieren.
Brechung nach Snellius
Ein Lichtstrahl, der nicht genau unter eine Winkel von 90° auf eine Grenzfläche zwischen Luft und dem Linsenmaterial auftrifft, also sozusagen etwas schief, ändert mit dem Durchgang durch diese Grenzfläche seine Richtung. Diesen Effekt nennt man Brechung. Bei einer Halbkreislinse werden Strahlen die auf die plane Fläche auftreffen immer hin zur sogenannten optischen Achse "umgebogen". Die genaue Berechnung ist erklärt im Artikel Snelliussches Gesetz ↗
Strahlenbündelung
Verschiedene Strahlen, die parallel zueinander auf die plane (flache) Fläche der Halbkreislinse auftreffen, werden durch die Halbkreislinse nach ihrem Austritt aus der gewölbten, konvexen Seite auf einen engen Raumbereich zusammengeführt. Diesen Raumbereich nennt man den Brennraum. Wäre der Raumbereich ein Punkt, wäre es der Brennpunkt, dann auch Fokus genannt. Lässt man etwa Sonnenlicht auf die plane Seite fallen, so kann Material im Brennraum, zum Beispiel Papier, damit entzündet werden. Diesen Effekt, dass parallel einfallende Strahlen gebündet werden, ist typisch für eine sogenannte Sammellinse ↗
Kollimation
Eng verwandt mit dem Effekt der Bündelung von Strahlen ist die Kollimation. Als Kollimation bezeichnet man die Parallelisierung von Strahlen, die vor dem Eintritt in die Linse nicht parallel verliefen[11], etwa weil sie aus einer Punktlichtquelle stammen. Betrachtet man die Strahlen eines einfachen Strahlers (kein Laser), so erkennt man, dass die Strahlen mit zunehmender Entfernung von der Lichtquelle auseinander laufen. Das Fachwort für dieses Auseinanderlaufen ist Divergenz. Lässt man divergente Strahlen in geeigneter Weise auf die plane Seite einer Halbkreisline fallen, so bleiben sie nach Austritt aus der Linse deutlich länger eng zusammen, also näherungsweise parallelisiert, als ohne den Einfluss der Linse. Siehe mehr unter Kollimator ↗
Totalreflexion
Bei einer Totalreflexion werden einfallende Lichstrahlen wieder zu der Seite hin zurückgeworfen, von der sie gekommen sind. Bei einer Halbkreislinse kann man die Strahlen sowohl auf die plane (flach) wie auch die gewölbte Seite (konvex) einfallen lassen. Dreht man die Linse dann so, dass die Strahlen unter einem möglichst kleinen Winkel auf die Fläche treffen, so werden die Strahlen einmal oder mehrmals so gebrochen, dass sie im Endeffekt nicht mehr aus der gegenüberliegenden Seite der Linse austreten. Siehe auch Totalreflexion ↗
Partielle Reflexion
Unter einer partiellen Reflexion versteht man, dass ein Lichtstrahl teilweise durch eine Grenzfläche hindurchtritt, teilweise an dieser aber auch zurückgeworfen, das heißt reflektiert wird. Die partielle Reflexion kann mit den Mitteln der Strahlenoptik zwar beschrieben werden, die tieferen physikalischen Gründe aber kann die Strahlenoptik nicht erklären. Dazu benötigt man die Quantenphysik, speziell die Quantenelektrodynamik[12]. Siehe auch partielle Reflexion ↗
Strahlversetzung
Wenn ein einfallender Strahl nach dem Durchgang durch eine Linse seine Richtung nicht verändert hat, aber parallel verschoben zu sich selbst wurde, spricht man von einer Strahlversetzung. Strahlversetzung ist typisch für rechteckige, quaderförmige Linsen. An einer Halbkreislinse kann man die Strahlversetzung dadurch annähern, dass man den Strahl etwa in der Mitte der gewölbten, konvexen Fläche auftreffen lässt, also dort, wo die konvexe Grenzfläche in etwa parallel zur planen Grenzfläche verläuft. Damit ist dort lokal (örtlich) eine quaderförmige Linse angenähert. Siehe auch Strahlversetzung ↗
Sphärische Aberration
Lässt man mehr als drei Strahlen parallel zueinander auf die flache, plane Seite einer Halbkreislinse auftreffen, so werden diese drei Strahlen nach dem Durchgang durch die Linse nicht auf einen eng umgrenzten Punkt hin gebündet, sondern eher auf einen mehr oder minder großen Raum. Dieser Effekt ist meist nicht gewünscht, betrifft aber nicht nur die Halbkreislinse, sondern alle sphärischen Linsen. Dass man ihn dennoch in Kauf nimmt, hat damit zu tun, dass sphärische Linsen besonders einfach anzufertigen sind. Siehe mehr unter sphärische Aberration ↗
Umkehrbarkeit der Strahlen
Ein Strahl, der etwa parallel zur optischen Achse auf die plane Seite einfällt, geht nach dem Verlassen der konvexen Seite durch einen Punkt auf der optischen Achse. Umgekehrt, lässt man von diesem Punkt auf der optischen Achse einen Strahl ausgehen, kann er denselben Strahlengang erzeugen. Dass die Strahlen sozusagen keine Richtung haben bildet die Kernaussage des 3. Axioms der Strahlenoptik ↗
Fußnoten
[1] Insbesondere im englischen Sprachraum ist der Ausdruck semi circular lens oder semi circular glass üblich. Im deutschen Sprachraum findet man den Ausdruck Halbkreislinse vor allem in Produktbeschreibungen, etwa auf Online-Plattformen.
[2] Als sphärisch bezeichnet man Linsen, bei denen mindestens eine der optisch wirksamen Grenzflächen Teil einer Kugelfläche ist, also ein Kugelausschnitt. Bei einer Halbkreislinse hingegen ist die gewölbte Fläche aber nicht Teil einer Kugelfläche sondern der Mantelfläche eines Zylinders. Siehe auch Zylindermantel ↗
[3] Eine Sammellinse hat die Eigenschaft, parallel einfallende Strahlen auf einen engen Raumbereich, den sogenannten Brennraum, bündeln zu können. Die Lupe ist eine klassische Sammellinse. Siehe auch Sammellinse ↗
[4] Für Glas werden Dichten von etwa 2,5 bis nahe 6,0 g/cm³ angegeben. Für Acrylglas liegt die Dichte bei etwa 1,2 g/cm³. Angaben zu Acryl des Herstellers Evonik stehen im Artikel Plexiglas ↗
[5] Eine Übersicht mit einigen häufig betrachteten Materialien steht in der Liste zu Brechungszahlen ↗
[6] Die Strahlenoptik ist eine von mehreren Modellvorstellungen des Lichts. Mit der Strahlenoptik lassen sich viele Phänomene der Optik - nicht alle - auf eine besonders einfache Weise vorhersagen. Siehe mehr unter Strahlenoptik ↗
[7] Zwischen zwei Grenzflächen verläuft ein gedachte Lichttrahl immer gerade. Zur mathematischen Beschreibung eigenen sich das Gleichunge der Art y=mx+b. Siehe dazu Geradengleichung ↗
[8] Die Randlinie der Linse kann als Teil einer Kreislinie modelliert werden. Legt man den Mittelpunkt eines Kreises in den Ursprung (0|0) eines Koordinatensystem, so beschreibt die Gleichung y=√(r²-x²) die Kreislinie. Umgestellt nach x ist die Gleichung x=√(r²-y²). Zum mathematischen Hintergrund siehe auch den Artikel Kreisgleichung ↗
[9] Der Sinus ist Teil des Snelliussches Gesetzes. Dort genügt es, Sinuswerte und die Umkehrung, den Arkussinus, aus Tabellen ablesen zu können. Siehe dazu Sinustabelle grad ↗
[10] Der Tangens ist im Zusammenhang mit der Halbkreislinse nützlich, da der Arkustangens der Steigung einer Geraden immer auch den Steigungswinkel dieser Geraden angibt. Siehe mehr dazu unter Steigungswinkel in Steigung ↗
[11] Ein Kollimator im Sinne der Optik ist definiert als eine: "Vorrichtung zur Parallelisierung von Strahlen. Verwendung als Kollimatoren finden üblicherweise Sammellinsen oder konkave Spiegel (Hohlspiegel)." In: Lexikon der Physik in sechs Bänden. Walter Greulich (Herausgeber). Spektrum Akademischer Verlag, 1998-2000. ISBN: 3860252917. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/kollimator/8168
[12] Die partielle Reflexion behandelt unter anderem der Physiker Richard Feynman sehr ausführlich in seinem allgemein verständlichen Büchlein. In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort sehr ausführlich die Seiten 27 bis 47. Siehe auch partielle Reflexion ↗