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Michelson-Morley-Experiment

Äthertheorie

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Basiswissen


Um 1880 herrschte die Vorstellung vor, Licht sei wellenartig. Wasser- und Schallwellen ließen sich damit gut berechnen. Für viele Lichtphänome ließen sich dieselben Formeln anwenden. Aus der Erfahrung von Wasser- und Lichtwellen leitete man, dass Wellen immer ein materielles Medium benötigen, in dem sie sich ausbreiten.[3] Dieses vermutete Medium für Licht nannte man den Äther[1]. Michelson und Morley wollten mit einem Experiment bestimmen, wie schnell sich Licht relativ zur Erdbewegung ausbreitete. Das Ergebnis wiederlegte die klassische Vorstellung eines Lichtäthers.



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Der Äther war ein gedachtes Medium, in dem sich Lichtwellen ausbreiten. Es wurde ähnlich wie etwa Wasser gedacht, in dem sich dann Wasserwellen ausbreiten. Mit dem Experiment sollte die Geschwindigkeit bestimmt werden, mit dem sich die Lichtwellen relativ zur Erde bewegen. Verblüffend war: unabhängig von der Geschwindigkeit und Flugrichtung der Erde war diese Geschwindigkeit immer diesselbe. Dieses Ergebnis führt zur Formulierung der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. © Wdwd (Wikimedia) ☛


Was war die Fragestellung?


Im 19ten Jahrhundert hatte sich die Ansicht durchgesetzt, dass Licht ein wellenartiges Phänomen ist. Licht besteht nicht, wie Newton vermutet hatte, aus kleinsten Teilchen. Licht war vielmehr eine Schwingungen, die sich im Raum ausbreitet. In der mechanistischen und durchaus anschaulichen Denkweise jener Zeit war es also naheliegend, nach den Oszillatoren dieser Schwingungen zu suchen. Die Oszillatoren einer Schallwelle sind die Luftteilchen, die Oszillatoren einer Wasserwelle sind die Wassermoleküle. Und die Oszillatoren von Erdbebenwelle sind die Atome und Moleküle des Untergrundes. Entsprechend nahm man auch mechanisch-stoffliche Oszillatoren für die Wellen des Lichts an. Diese Oszillatoren zusammengedacht nannte man den Äther. Er sollte den ganzen Raum ausfüllen.

Erzeugt man nun Licht, dann regt man eigentlich nur einen Bereich dieses Äthers zum schwingen an. Ab dann breitet sich die Schwingung im Äther aus wie sich eine Wasserwelle um einen ins Wasser geworfenen Kieselstein ausbreitet. Wenn nun dieser Äther den gesamen Weltraum ausfüllt, wofür ja die Sichtbarkeit ferner Sterne sprach, dann stellt sich die Frage, ob dieser Äther relativ zur Erde ruht oder eine bestimmte Geschwindigkeit im Vergleich zur Geschwindigkeit der Erde um die Sonne hat. Das festzustellen war der eigentliche Zweck des Versuchs von Michelson und Morley. Um einen möglichst großen Unterschied an Geschwindigkeiten nutzen zu können, nahmen die Experimentatoren die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne, etwa 30 km/s: im Verlauf eines Jahres wechselt die Erde ihrer Geschwindigkeit von der Richtung her deutlich. Die Erde müsst dann manchmal den Wellen eines bestimmten Sternes entgegenlaufen und ein halbes Jahr später mit ihnen mitlaufen. Damit müsste auch die Relativgeschwindigkeit eines Beobachters auf der Erde relativ zu solchem Licht sich deutlich ändern. Die Frage damals war nicht, ob sich das feststellen ließ (man ging fest davon aus), sondern nur, wie groß die Geschwindigkeit der Erde relativ zum Äther sei.

Wo und wann wurde das Experiment durchgeführt?


Das Michelson-Morley-Experiment wurde vom deutsch-amerikanischen Physiker Albert A. Michelson 1881 in Potsdam und in verfeinerter Form von ihm und dem amerikanischen Chemiker Edward W. Morley 1887[5] in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio durchgeführt wurde. In beiden Fällen wurde die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bestätigt.

Was war das überraschende Ergebnis?


Licht bewegt sich immer gleich schnell im Vergleich zu einem Beobachter auf der Erde. Dieses Ergebnis war überraschend. Als Analogie kann man sich ein Schiff vorstellen, dass durch eine Dünung fährt. Als Dünung bezeichnet man gleichmäßige und ruhige Wellen, die in breiter Front durch das Meer wandern. Fährt das Schiff entgegen der Wellenrichtung, erscheinen die Wellen relativ zum Schiff schnell. Fährt das Schiff mit der Wellenrichtung, erscheinen die Wellen relativ zum Schiff langsamer. In der Analogie zum Michelson-Morley-Experiment wären sie in jedem Fall immer gleich schnell relativ zum Schiff. Das Experiment war rückwirkend auch ein Beleg für die sogenannte Längenkontraktion im Sinne der Theorie von Albert Einstein.[5] Mehr zu diesem Hintergrund findet sich im Artikel zur Relativgeschwindigkeit ↗

Nachstellung mit Wasserwellen


Der Grundgedanke des Lichtäthers kann leicht in Wasser nachgestellt werden: wenn man mit einem Finger flach über eine ruhigen Wasserfläche hinwegfliegt, und dann immer wieder kurz mit dem Finger auf die Oberfläche tippt, dann erregt man auf der Wasserfäche kreisförmig sich ausbreitende Wellen. Die Wellen sind ab dem Moment der Erzeugung von der Bewegung des Fingers entkoppelt. Im Wasser bewegen sich die Wellen (solange sie in etwa gleich lang sind) immer gleich schnell vorwärts. Das heißt dann aber auch, dass sie eine Relativgeschwindigkeit zum Finger haben können. Der Finger kann langsamer, schneller oder auch gleich schnell wie die Wellen im Wasser sein.



In seichtem Wasser stehend kann man die von Michelson und Morley eigentlich erwarteten Ergebnisse eine Relativbewegung der Erde zum Lichtäther (den sie aber nicht zeigen konnten) leicht nachstellen.

Betrachtet man sich die Logik mit Wasserwellen, so ist sie völlig einleuchtend und nachvollziehbar: wenn Wellen im Wasser eine ihnen eigentümliche Geschwindigkeit haben, dann muss ein Beobachter, der sich in verschiedenen Richtungen relativ zu einer Wasserwelle bewegt auch unterschiedliche Gechwindigkeiten von sich relativ zu Wasserwelle beobachten. Die Annahme von Michelson und Morley leuchtet ein. Es ist aber völlig unmöglich, mit Wasserwellen das Ergebnis von Michelsons und Morleys Versuchen nachzustellen. Wie soll man sich in unterschiedichen Richtungen relativ zu immer derselben Wasserwelle bewegen und dabei jedesmals die exakt gleiche Relativgeschwindigkeit dazu feststellen?

Fußnoten


  • [1] George Biddell Airy: On the Supposed Alteration in the Amount of Astronomical Aberration of Light, Produced by the Passage of the Light through a Considerable Thickness of Refracting Medium. Proceedings of the Royal Society of London. 20 (130–138): 35–39. 1871.
  • [3] Einige Ideen, wie man die Bewegung des Äthers relativ zur Erde feststellen, verfasste schon im Jahr 1878 James Clerk Maxwell: "We must therefore consider the aether within dense bodies as somewhat loosely connected with the dense bodies, and we have next to inquire whether, when these dense bodies are in motion through the great ocean of aether, they carry along with them the aether they contain, or whether the aether passes through them as the water of the sea passes through the meshes of a net when it is towed along by a boat. If it were possible to determine the velocity of light by observing the time it takes to travel between one station and another on the earth's surface, we might, by comparing the observed velocities in opposite directions, determine the velocity of the aether with respect to these terrestrial stations." Maxwell macht dann auch konkrete Vorschläge, die Eigenbewegung der Erde durch den Weltraum als Grundlage einer Bestimmung der Relativgeschwindigkeit des Äthers zu nutzen. In: James Clerk Maxwell: "Ether", Encyclopædia Britannica Ninth Edition, 8: 568 - 572. 1878. Online: https://en.wikisource.org/wiki/Encyclopædia_Britannica,_Ninth_Edition/Ether_(2.)
  • [4] Ausführlich dargelegt sind Maxwells Gedanken zum Lichtäther in: On a possible mode of detecting a motion of the solar system through luminiferous ether. Posthum veröffentlicht in: Proceedings of the Royal Society. 30. 188. Dort die Seiten 108 bis 110. Siehe auch Michelson-Morley-Experiment ↗
  • [5] Die Bedeutung des Michelson-Morley-Experiments wurde spätestens im Jahr 1927 festgestellt. Der Astrophysiker Arthur Eddington führt es als Beleg für die Längenkontraktion im Sinne von Einsteins Relativitätstheorie an: "This [die Längenkontraktion] is demonstrated by a number of experiments of different kinds of which the earliest and best known is the Michelson-Morley experiment first performed in 1887, repeated more accurately by Morley and Miller in 1905, and again by several observers within the last year or two. I am not going to describe these experiments except to mention that the convenient way of giving your rod a large velocity is to carry it on the earth which moves at high speed round the sun." In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort "Chapter I The Downfall of Classical Physics". Seite 5.
  • [6] Was könnte ein "absolut ruhender Äther" sein: " Dass von absoluter Ruhe des Aethers nicht die Rede sein kann, versteht sich wohl von selbst; der Ausdruck würde sogar nicht einmal Sinn haben. Wenn ich der Kürze wegen sage, der Aether ruhe, so ist damit nur gemeint, dass sich der eine Theil dieses Mediums nicht gegen den anderen verschiebe und dass alle wahrnehmbaren Bewegungen der Himmelskörper relative Bewegungen in Bezug auf den Aether seien." In: Hendrik A. Lorentz, Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern. Leiden, 1895. Dort im Paragraph § 1, S. 15. Online: https://de.wikisource.org/wiki/Versuch_einer_Theorie_der_electrischen_und_optischen_Erscheinungen_in_bewegten_Körpern