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Relativgeschwindigkeit

Anschaulich

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Definition


Wie schnell sich ein Objekt gemessen von einem anderen Objekt, dem Beobachter aus gesehen bewegt nennt man die Relativgeschwindigkeit. Rechnerisch ist das auch die Differenz der beiden Gechwindigkeiten. Betrachtungen zur Geschwindigkeit von Licht relativ zu verschieden schnellen Beobachtern führte letztendlich zu Einsteins Relativitätstheorie. Das wird hier ausführlich anhand von mehreren Beispielen erklärt.



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Wie schnell sich ein Objekt gemessen von einem anderen Objekt aus bewegt. Das wird am Beispiel eines Schiffes erklärt, das durch ein Gebiet mit Meereswellen fährt. © ☛


Beispiele zur Relativgeschwindigkeit


Was Relativgeschwindigkeit bedeutet erfasst man vielleicht am besten mit mehreren unterschiedlichen Beispielen. Albert Einstein benutzte oft Beispiele mit Personen in Zügen. Historisch interessant ist aber auch die Geschwindigkeit von Wellen im Wasser relativ zu verschiedenen Beobachtern.

Situation 1: auf einer Zugreise


Angenommen ein Zug fährt vom Bahnhof aus gesehen mit 10 Metern in der Sekunde auf einer geraden Strecke. In dem Zug schlendert ein Mensch langsam mit einem Meter pro Sekunde Richtung Lok. Vom Lokführer aus gesehen kommt der Mensch mit einem Meter pro Sekunde auf ihn zu. Vom Bahnhof aus gesehen bewegt sich der Mensch aber mit 11 Metern pro Sekunde über die Gleise hinweg.

Situation 2: ein Schiff fährt durch Wellen


Wellen, die sehr gleichmäßig in immer gleichen Abständen auftreten nennt man auch Dünung. Um solche Wellen geht es hier. Angenommen man blickt vom Strand aus auf ein Meer. Wellen bewegen sich vom Horizont kommend Richtung Strand. Nun fährt ein kleines Schlauchboot langsam vom Strand aus Richtung Horizont. Das Schlauchboot sei 8 Meter lang. Vom Boot aus misst man, wie lange eine Welle braucht, um vom Bug (vorne) bis zum Heck (hinten) zu gelangen. Angenommen man misst dafür 4 Sekunden. Vom Boot aus gesehen legte die Welle dann 8 Meter in 4 Sekunden zurück. Sie hatte damit relativ zu Boot eine Geschwindigkeit von 2 m/s. Das ist die Relativgeschwindigkeit der Wellen im Bezug zum Boot.

Situation 3: Vogel über Schiff


Man steht nun gedanklich auf dem Deck eines großen Schiffes. Über dem Kopf fliegt eine Möwe. Sie scheint über dem eigenen Kopf stillzustehen. Im Bezug zum Beobachter auf dem Schiff hat sie dann eine Relativgeschwindigkeit von 0 m/s. Angenommen das Schiff fährt mit rund 5,4 m/s durch das Wasser. Dann würde ein Beobachter von einer kleinen Insel aus die Möwe mit 5,4 m/s über das Wasser fliegen sehen.



Das kurze Video zeigt genau die hier beschriebene Situation: eine Möwe scheint über dem Heck eines Schiffes still zu stehen. Tatsächlich fliegt sie aber mit 5,4 m/s oder fast 20 km/h über das Wasser.

Dieselbe Möwe, die relativ zum Schiffpassagier eine Geschwindigkeit von 0 m/s hatte, hätte gegenüber einem Beobachter auf Land eine Geschwindigkei von 4 m/s.

Situation 4: Ein Falke im Standflug


Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist es, wenn ein Vogel ohne Flügelschlag längere Zeit an einer Stelle still in der Luft steht. Nun kann eine Vogel nur dann seine Flughöhe beibehalten, wenn Luft seine Flügel umströmt. Ein Vogel fliegt nur aufgrund eines sogenannten dynamischen Auftriebs.[5]



Im zweiten Teil des kurzen Videos sieht man, wie der Turmfalke relativ zu einer Turmspitze still in der Luft zu stehen scheint. Tatsächlich muss er aber eine Relativgeschwindigkeit zur Luft haben.

Der Falke in dem Video scheint still an einem Punkt über dem Boden zu stehen. Tastächlich aber muss er eine Relativgeschwindigkeit zur Luft haben, sonst würde er herunterfallen wie ein Stein. Die Geschwindigkeit relativ zu einem Medium wie zum Beispiel Luft ist der Schlüsse für den Auftrieb von Vögeln und Flugzeugen. Siehe dazu auch den Artikel dynamischer Auftrieb ↗

Situation 5: Geschwindigkeit über Grund


In der Seefahrt unterscheidet man bei Schiffen und Booten eine Geschwindigkeit über Grund und eine sogenannte Fahrt durchs Wasser. Einmal betrachtet man die Geschwindigkeit relativ zum Meeresboden, das andere Mal relativ zur Wasseroberfläche. Mehr zu dieser seemännischen Bedeutung im Artikel Geschwindigkeit über Grund ↗

Situation 6: Eine Kreiswelle in strömendem Wasser


Im 19ten Jahrhundert nahm man an, dass Licht eine Welle ist, die wich wie eine Wasserwelle in einem Medium ausbreitet. Diese Medium nannte man den Lichtäther. Und dieser Äther könnte sich ja relativ zur Erde bewegen. Diese Relativbewegung des Äthers zur Erde wollte man mit einem Experiment feststellen.[4] Die Grundidee dieser Äthertheorie lässt sich mit einfachen Mitteln in langsam strömendem Wasser nachvollziehen.

Eine seichte Stelle an einem Flussufer oder ein langsam voll laufender Priel am Meer sind ideale Orte für die Wellen-Strömungs-Experimente. Dabei sollte es aber möglichst windstill sein. Um die Strömung des Wassers zu erkennen, kann man zum Beispiel Federn oder anderes leichtes Treibgut auf die Oberfläche Wasser geben. Auch Luftblasen, mit den Fingern erzeugt, zeigen gut die Richtung und Geschwindigkeit der Strömung an.



Das Video zeigt, wie kleine, langsame Kreiswellen von der Strömung im Wasser weggetrieben werden.

Nun kann man in dem strömenden Wasser leicht Kreiswellen erzeugen. Man tippt kurz mit dem Finger ins Wasser. Oder man lässt einen Wassertropfen von oben herab auf die Oberfläche fallen. Auf dem Wasser erkennt man dann eine kreisförmige Wellenfront, die mit der Zeit einen immer größeren Kreis im Wasser bildet. Gleichzeitig bewegt sich dieser Kreis mit der Strömung fort. Für die sich ausbreitende Wellenfront kann man dann sinnvoll zwei verschiedene Relativgeschwindigkeiten betrachten: a) eine Bewegung relativ zur Kreismitte, die sich mit der Strömung mitbewegt, und b) eine Bewegung relativ zum festen Untergrund.

Situation 7: geostationäre Satelliten


Geostationär nennt man Satelliten, die von einem Ort an der Erdoberfläche aus gesehen immer an derselben Stelle im Himmel stehen. So steht zum Beispiel der Satellit Astra 1KR etwa 36 Tausend Kilometer hoch über der kongolesischen Stadt Mbandaka nahe dem Fluss Zaire in Afrika. Dieser Satellit bewegt sich relativ zu der Stadt Mbandaka oder auch relativ zu jedem anderen Ort auf der Erdoberfläche nicht. Das ist der Grund, warum man die Antennen von einem Satelliten-Fernseher immer in die gleiche Richtung am Himmel zeigen lassen kann. Würde man aber vom Weltraum aus auf den Satelliten blicken, dann würde man sehen, dass er die Erde auf einer Kreisbahn umfliegt und nicht still steht. Siehe auch geostationär ↗

Situation 8: die Radialgeschwindigkeit in der Astronomie


Blickt man in den Welt und betrachtet dort die Galaxien, so stellt man etwas verblüffendes fest: so gut wie alle der vielen Milliarden Galaxien im Weltraum scheinen sich von unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, weg zu bewegen. Die relative Geschwindigkeit, mit der sich die Galaxien von uns entfernen nennt man in der Astronomie die Radialgeschwindigkeit ↗

Spielt das Vorzeichen für die Relativgeschwindigkeit eine Rolle?


Oft, aber nicht immer. Das Vorzeichen drückt die Richtung der Relativgeschwindigkeit aus. Man kann sich relativ zu etwa hin bewegen oder auch davon weg. Die Hin- oder die Wegbewegung unterscheidet man dann oft mit Hilfe des Vorzeichens. Man legt dazu ein festes Koordinatensystem fest, oft so, dass einer der beteiligten Körper dauerhaft im Ursprung dieses Koordinatensystems liegt. Dann definiert man die Differenz v2 minus v1 als Geschwindigkeit des Körpers 2 relativ zum Körper 1. Je nachdem wie schnell und in welche Richtung sich der Körper dann in dem Koordinatensystem bewegt, kann die Relativgeschwindigkeit positiv oder negativ werden. Eine wichtige Rolle spielt das Vorzeichen zum Beispiel in Einsteins Relativitätstheorie.

Sonderfall: Relativgeschwindigkeit mit Vektoren


Bei den Erklärungen oben ging man stillschweigend davon aus, dass sich die betrachteten Objekte auf einer gemeinsamen Linie oder zumindest parallel oder antiparallel[3] zueinander bewegten. Zwei Objekte können sich aber auch sozusagen schräg zueinander bewegen. Ein Flugzeug im Steigflug bewegt sich zum Beispiel mit einem Startwinkel von 15° schräg nach oben. Ein Zug, der direkt unter dem Flugzeug in derselben Richtung auf dem Boden fährt, gewinnt aber keine Höhe. Was soll hier als Relativgeschwindigkeit gelten? Je nach Fragestellung gibt es zwei Antworten. Man kann die Geschwindigkeiten als Vektoren darstellen und dann die Vektordifferenz als Relativgeschwindigkeit annehmen. Oder man projiziert beide Bewegungen auf eine gemeinsame Ebene und bildet dann die Differenz der projizierten Bewegungsgeschwindigkeiten. Eine Projektion wäre zum Beispiel der Schatten des Flugzeuges auf dem Boden, auf dem auch der Zug fährt. Welche der beiden Deutungen man wählt, hängt von der konkreten Fragestellung ab.


Gibt es auch eine absolute Geschwindigkeit?


Man kann sich fragen, ob es denn nicht eine "wirkliche" Geschwindigkeit gibt. Definiert man ein Bezugssystem, das heißt ein Koordinatensystem als absoluten Bezug, dann kann man die damit bestimmten Geschwindigkeiten als Absolutgeschwindigkeiten bezeichnen. Als absolutes Bezugssystem könnte man für Schiffe zum Beispiel den Meeresboden wählen und für Flugzeuge und Landfahrzeuge die Erdoberfläche. Das ist solange zulässig, wie man relativistische Effekte aus Albert Einsteins Relativitätstheorie vernachlässigen möchte. Denn tatsächlich verändern schon kleine Relativgeschwindigkeiten den Raum und die Zeit der beteiligten Objekte (etwa bei GPS-Satelliten). Für navigatorische Zwecke von Luft-, Land- und Seefahrzeugen aber kann man den festen Grund durchaus als festes Bezugssystem wählen und dann von absoluten Geschwindigeiten sprechen. Man muss dabei aber immer bedenken, dass die Wahl des absoluten Systems willkürlich ist. In der Physik gibt es kein bevorzugtes Koordinatensystem. Siehe auch absolut [Gegenteil von relativ] ↗

Die Galilei-Transformation


Die Beispiele oben haben gezeigt, wie die Geschwindigkeit unterschiedlich sein kann, je nachdem, von wo aus man auf ein bewegtes Objekt blickt. Nun kann man sagen, dass jeder Beobachter für sich ein eigenes Koordinatensystem festlegen kann, in dem er die Bewegung betrachtet. Ein kleines Boot auf dem Meer hat im Koordinatensystem eines Hafens eine andere Geschwindigkeit als im Koordinatensystem das zum Beispiel mit der Radaranlage eines Küstenschutzbootes mitläuft. Solange sich aber zwei Koordinatensysteme relativ zueinander auf einer geraden Bahn und mit konstanter Geschwindigkeit bewegen, kann man die Bewegung im einen Koordinatensystem recht einfach in die Bewegung im anderen Koordinatensystem umrechnen. Dazu dient die sogenannte Galilei-Transformation ↗

Die Relativgeschwindigkeit und der Elektromagnetismus


Eine wichtige Rolle spielen Relativgeschwindigkeiten im Elektromagnetismus. Ein anderes Wort für Elektromagnetismus ist auch Elektrodynamik. Das Wort Dynamik bringt hier zum Ausdruck, dass Bewegungen eine wichtige Rolle spielen. Die Grundidee ist: elektromagnetische Effekte treten erst dann auf, wenn sich Dinge relativ zueinander bewegen. Ohne Bewegung, gibt es keine elektromagnetischen Effekte.

Das Magnetfeld elektrisch geladener Teilchen


Wenn man einen Stück Kupferdraht auf den Tisch legt, so wird man kein Magnetfeld feststellen, das von dem Draht ausgeht. Wenn aber ein elektrischer Strom durch den Draht fließt, entsteht sofort ein Magnetfeld rund um den Draht. Dieses Magnetfeld ist umso stärker, je stärker der Strom ist. Die Ursache des Magnetfeld ist, dass sich die Elektronen in dem Draht nun relativ zu einem Beobachter bewegen. Und elektrische Ladungen, die sich relativ zu einem Beobachter bewegen erzeugen für diesen Beobachter ein Magnetfeld. Siehe mehr dazu im Artikel bewegte Ladung ↗

Elektrisch geladene Teilchen in einem Magnetfeld


Hat mat ein Teilchen mit einer elektrischen Ladung, etwa ein Elektron oder ein Proton, und hält man dieses Teilchen gedanklich unbewegt in ein Magnetfeld, so gibt es keinerlei Kraft, die zwischen dem Teilchen und dem Magnetfeld wirkt. Ruhende elektrische Ladungen spüren nichts von einem Magnetfeld. In dem Moment aber, wenn man das geladene Teilchen schräg zu den Linien des Magnetfeldes bewegt, wirkt plötzlich eine Kraft auf das Teilche. Diese Kraft ist umso stärker, je schneller sich das Teilchen bewegt und je mehr Richtung 90° die Richtung der Bewegung im Vergleich zu den Magnetfeldlinien ist. Diese Kraft nennt man die Lorentzkraft ↗

Die Relativgeschwindigkeit in der Relativitätstheorie


In der Relativitätstheorie von Albert Einstein sind alle Geschwindigkeiten immer nur relativ, eine absolute Geschwindigkeit gibt es nicht. Der Grund dafür ist, dass man im Weltall keine Bezugszysteme, das heißt abstrakt gedacht keine Koordinatensysteme, definieren kann, die aus Sicht der physikalischen Gesetze gegenüber allen anderen Bezugssystemen besonders wären. Damit kann man aber auch kein physikalisch sinnvolles absolutes Bezugsystem und damit auch keine absolute Geschwindigkeit definieren. Albert Einstein selbst betonte, dass eng physikalisch gedacht, ein Zugreisender auch sich selbst als Bezugssystem definieren kann und dann korrekt sagt, die Landschaft bewege sich an ihm vorbei[1]. Lies mehr unter Relativitätstheorie ↗

Fußnoten


  • [1] Albert Einstein: Über die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. Ersterscheinung im Jahr 1916.
  • [2] Angenommen man steht an einem Bahnübergang. Von links nach rechts fährt dann ein Personenzug genau in Richtung Norden vorbei. Für den Beobachter am Bahnübergang fährt die Lok mit hoher Geschwindigkeit Richtung Norden. Nun stelle man sich vor, man laufe in demselben Zug in einem Waggon langsam Richtung Lok. Relativ zu dem Fahrgast bewegt sich die Lok nicht in Richtung Norden sondern langsam Richtung Süden. Welche Geschwindigkeitkeit die Lok hat, hängt ab vom Beobachter. Es gibt nicht DIE Geschwindigkeit der Lok, sondern nur Geschwindigkeiten relativ zu einem angegebenen Beobachter. Siehe auch Relativ ↗
  • [3] Antiparallel ist ein Wort aus der Vektorrechnung. Antiparallel im Bezug auf Bewegungen heißt, dass sich zwei Objekte auf zueinander parallelen Geraden bewegen, aber in entgegengesetzten Richtungen. Siehe auch antiparallel ↗
  • [4] Um die Bewegung des hypothetischen Äthers relativ zur Erde zu messen, wurden im Jahr 1881 und 1887 berühmte Experimente durchgeführt, die ein völlig überraschendes Ergebnis brachten. Diese Experimente ähneln im Grundgedanken dem oben beschriebenen Experiment mit Wellen in strömendem Wasser. Siehe mehr dazu im Artikel zum Michelson-Morley-Experiment ↗
  • [5] Flugzeuge, Hubschrauber und Tragflächenboote haben gemeinsam, dass sie bei Stillstand keinen Auftrieb haben. Ihr Auftrieb entsteht nur dadurch, dass Luft ihre Flügel umströmt. Ein Vogel der bei Windstille still an einer Stelle über dem Boden verharren wöllte, würde wie ein Stein zu Boden fallen. Siehe mehr unter dynamischer Auftrieb ↗