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Höhenmessung (Pendelmethode)

Physik

© 2025




Definition


Mit Hilfe eines Fadenpendels kann man gut die Höhe von Bauwerken abschätzen. Das ist hier am Beispiel des Itertalviadukts, einer ehemaligen Eisenbahnbrücke in Kornelimünster bei Aachen vorgestellt. Die interessante Frage ist: wie gut passt der Messwert zu den Ergebnissen anderer Messungen?

Videos




Am 19. Juni 2025 wurde vom oberen Rand der Itertalbrücke ein Pendel bis zu einem Mauervorsprung am Sockel einer der Brückenpfeiler herabgelassen. Eine ganze Schwingung ist eine vollständig Hin- und Herbewegung des Pendels. Die Auswertung einer einzelnen solchen Schwingung über ein Drohnenvideo ergab eine Schwingungs- oder Periodendauer T von 9,09 Sekunden.[3]



Am 8. August 2025 wurde mit einem einfachen Fadenpendel die Höhe der Strandpromenade auf der Nordseeinsel Wangerooge gemessen. Hier dauerte eine Schwingung nur etwa 4,464 Sekunden. Damit kam man auf eine Höhe von ziemlich genau 5 Metern.

Grundidee


Es ist ein immer wieder verblüffendes Experiment: Wenn man ein Seil mit einem Gewicht unten anstößt, wird es für 10 ganze Schwingungen immer dieselbe Zeit benötigen. Egal ob es nur wenige wenig hin und her schwingt oder eine weite Strecke: die für eine 10 Schwingungen benötige Zeit hängt nicht davon ab, wie stark man das Pendel anstößt.[1] Die sogenannte Schwingungs- oder Periodendauer[2] hängt nur davon ab, wie lange das Pendel ist.[3] Dafür gibt es einen formelmäßigen Zusammenhang, das sogenannte Pendelgesetz:

  • T = 2·π·√(l/g)

Legende


Umstellen nach l gibt:

  • l = g·T²/(4·π²)


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Kurze Pendeldauer: angenommen man misst einmal eine Schwingungsdauer von 2 Sekunden und einmal von 2,1 Sekunden. Damit erhält man nach der Formel l = g·T²/(4·π²), dem nach Länge l umgestellten Pendelgesetz die Längen 0,995 Meter und 1,097 Meter. Ein Unterschied von 0,1 Sekunden in der Zeitmessung gibt also einen Unterschied von 0,102 Meter oder 10,2 Zentimeter in der Länge.


Anleitung


  • a) Miss die Dauer für 10 ganze Schwingungen in Sekunden, z. B.: 90 s
  • b) Teile diese Wert durch 10, das gibt hier hier: 9 s
  • c) Setze das für T ein in: g·T²/(4·π²), das gibt hier etwa: 20,148 m
  • d) Die Länge des Pendels ist etwa 20,148 Meter.

Rechenbeispiel


Am 19. Juni 2025 wurde ein Pendel eine ehemalige Eisenbahnbrücke herab gelassen. Unten angehängt war ein rund 1,5 Kilogramm schweres Gewicht aus Blei. Die Pendelbewegung wurde über eine fliegende Drohne als Video aufgezeichnet und später ausgewertet. Gleichzeitig wurde von der Brücke aus die Dauer für 10 ganze Schwingungen mit einer mechanischen Stoppuhr gemessen. Die Dauer für 10 Schwingungen lag bei 91 Sekunden, die Schwingungs- oder Periodendauer T für eine Schwingung war also 9,1 Sekunden. Mit g als 9,81 m/s² und pi = 3,14 kann man in die Formel oben einsetzen:

  • l = 9,81·9,1²/(4·3,14²)

Man erhält so eine rechnerische Länge des Pendels von 20,6 Metern. Davon zieht man jetzt noch die Höhe des Aufhängspunktes des Pendels über der Fahrbahn der Brücke von 1,25 Metern ab und erhält so die Höhe der Brücke von 19,35 Metern. Dabei war das Gewicht des Pendels in etwa auf der Höhe eines Sockels an einem der Brückenpfeiler. Dieser Punkt lag wiederum etwas über einen bis anderthalb Meter über dem Untergrund. Damit kommt man auf eine ungefähre Höhe der Brücke über dem Talboden von etwa 20 bis 21 Metern. Dieser Wert passte sehr gut zu den Ergebnissen von mehreren ganz anderen Messmethoden. Siehe dazu auch den Artikel zum Itertalviadukt ↗

Messergebnis und Messgröße


Das eigentliche Ziel der Messung in dem Beispiel hier ist die Länge des Fadenpendels. Diese Größe, deren Wert man eigentlich bestimmen möchte, die eigentlich interessiert, ist die sogenannte Messgröße.[6] Was man aber zunächst tatsächlich misst ist eine Zeit. Das Ergebnis der Zeitmessung ist das Messergebnis.[7]


Erst durch einen Rechenvorgang kommt man vom Messerergebnis zum Wert der Meßgröße. Das Messergebnis "Schwingungsdauer" ist eine sogenannte Proxy-Variable oder ein Surrogat (Ersatz) für die eigentliche Messgröße.[8][9]

Fehlerrechnung


Messungen in der Physik sind nie völlig zu 100 % zuverlässig. Ist gibt immer die Möglichkeit von Fehlern. Bei einer mechanischen Stoppuhr kann man an die Reaktionszeit des menschlichen Bedieners oder den Einfluss der Temperatur auf die Geschwindigkeit der Uhr denken. Bei einer Auswertung per Video spielt die Bildwiederholungsrate (fps) eine wichtige Rolle[4], außerdem zeigen verschiedene Auswertungsprogramme leicht abweichende Zeitdauern für ein und dasselbe Video an. Und in der Quantenphysik gilt sogar die Aussage, dass Prozesse der Wirklichkeit keine exakte Dauer haben sondern die Dauer in einem bestimmten (extrem kleinen) Maß sogar "verschmiert" oder "unbestimmt" ist.[5]

Rechenbeispiel


Interessant ist nun die Frage, wie stark sich auf die errechnete Pendellänge ein Fehler von zum Beispiel 0,1 Sekunden für die Schwingungsdauer auswirkt. Zwei Rechenbeispiele zeigen einen wichtigen Effekt.


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Kurze Pendeldauer: angenommen man misst einmal eine Schwingungsdauer von 2 Sekunden und einmal von 2,1 Sekunden. Damit erhält man nach der Formel l = g·T²/(4·π²), dem nach Länge l umgestellten Pendelgesetz die Längen 0,995 Meter und 1,097 Meter. Ein Unterschied von 0,1 Sekunden in der Zeitmessung gibt also einen Unterschied von 0,102 Meter oder 10,2 Zentimeter in der Länge.


Aber:


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Lange Pendeldauer: angenommen man misst einmal eine Schwingungsdauer von 12 Sekunden und einmal von 12,1 Sekunden. Damit erhält man nach der Formel l = g·T²/(4·π²), dem nach Länge l umgestellten Pendelgesetz die Längen 35,819 Meter und 36,418 Meter. Ein Unterschied von 0,1 Sekunden in der Zeitmessung gibt also einen Unterschied von 0,599 Metern.


Das Interessante ist, dass sich ein Messfehler in der Zeit bei Schwingungen mit kurzer Dauer absolut nach Zentimetern beurteilt nicht so stark auf die Länge auswirkt wie bei Schwingungen die länger dauer. In der Gegend von 2 Sekunden Schwingungsdauer war der Unterschied in der Länge von den Zahlenwerten in Metern und Sekunden in etwa beide Mal 0,1. Bei etwa 12 Sekunden Pendeldauer ist dieses Verhältnis schon auf das etwa 6fache angestiegen.

Erste Ableitung


In der Höheren Mathematik kann man dieses Verhältnis, wie viel mal so groß die Abweichung in der eigentlichen Messgröße ist, wie die Abweichung des Messergebnisses, berechnen über die sogenannte erste Ableitung l'(T). Geometrisch gedeutet entspricht das der Steigung der Graph l=f(T) der Funktion l = g·T²/(4·π²).

  • l(T) = g·T²/(4·π²)
  • l'(T= 2·g·T/(4·π²)

l'(T) spricht man aus als "L-Strich-von-T). Setzt man dort eine bestimmte Zahl der Pendeldauer als Argument von T ein, dann sagt der Funktionswert l(T) wie viel mal so stark die Längenänderung ist wie die Zeitänderung, wenn man sehr geringe Zeitänderungen einsetzt.

  • l'(2) = 2·9,81·2/(4·π²) ≈ 0,995
  • l'(12) = 2·9,81·12/(4·π²)≈ 5,70

Die Rechnung über die erste Ableitung sagt also, dass bei einer Pendeldauer in der Gegend von zwei Sekunden die Längenabweichung in Metern ungefähr genauso groß ist wie der Fehler in der Zeitmessung in Sekunden. Bei einer Pendeldauer in der Gegend von 12 Sekunden hingegen ist die Abweichung der berechnet Länge in Metern schon fast das 6fache des Messfehlers der Zeit in Sekunden. Kurz: Je länger das Pendel, desto stärker wirken sich Messfehler in der Pendeldauer absolut gesehen auf die berechnete Länge aus. Siehe mehr unter erste Ableitung ↗

Fußnoten


  • [1] Dass die Pendeldauer nichts (oder kaum etwas) mit der Weite der Schwingung, der sogenannten Amplitude, zu tun hat, kann man leicht beim Schaukeln am eigenen Leib erfahren: wenn man auf einem Spielplatz zwei genau gleich lange Schaukeln nebeneinander hat, kann man mit jemanden ein Wettschaukeln probieren: wer kann schneller hin und her schaukeln, also zum Beispiel in einer Minute mehr Schwingungen hinkriegen. Solange die beiden Schaukeln gleich lang sind, sollte niemand deutlich gewinnen können. Ob ein Kind oder ein Erwachsener auf der Schaukel sitzt, ob man niedrig oder hoch schaukelt, die Anzahl der Hin- und Herbewegungen für eine Minute wird immer in etwa gleich sein.
  • [2] Die Schwingungs- oder Periodendauer ist die Zeit, oft in Sekunden angebeben, die eine ganze Schwingung braucht. Eine Schwingung ist eine Bewegung von einer Seite, einmal nach gegenüber und wieder zurück zum Anfangspunkt. Siehe auch Schwingungsdauer ↗
  • [3] Die Anzeige der Zeit schwankte zwischen verschiedenen Auswertungsprogrammen im Bereich von bis zu einer Zehntel Sekunde. Eine höhere Genauigkeit kann über Mittelwertbildung vieler Schwingungen und einen Abgleich über mehrere Zeitmessmethoden erreicht werden.
  • [4] Die Bildwiederholrate (englisch: frames per second, fps) gibt an, aus wie vielen einzelnen statischen Bildern sich eine Sekunde des Film zusammensetzt. Bei einer Bildwiederholrate von einer Sekunde gäbe es pro Sekunden ur ein Bild. Weit verbreitet sind zum Beispiel Bildwiederholraten von 20 bis zu über 200 fps. Bei 20 fps dauert wird jedes Bild eine Zwanzigstel Sekunde lang angezeigt. Das sind in Dezimaldarstellung 0,05 Sekunden. Veränderungen die dann innerhalb einer solchen Zeitdauer stattgefunden haben, werden innerhalb dieser Zeitdauer im Film später nicht erkennbar. Ein Ereignis, das zum Beispiel nach genau einer Sekunde stattgefunden hat, wird auch noch nach 1,05 Sekunde der Videlaufzeit angezeigt. So kommt man zu einer maximalen Genauigkeit der Zeit von etwa 0,05 Sekunden.
  • [5] In der sogenannten Quantephysik geht man heute davon aus, dass die dort betrachteten Objekte wie Elektronen, Photonen (Lichtteilchen) oder kleine Moleküle zu einer festen Zeitpunkt keinen exakten Aufenthaltsort HABEN, sondern sondern die Teilchen gleichzeitig an mehreren Orten existieren. Damit wäre die Unenauigkeit einer Messung kein Mangel der Messmethode sondern eine Eigenschaft der Wirklichkeit selbst. Siehe dazu speziell den Artikel Heisenbergsche Unschärferelation ↗
  • [6] Nach der DIN 1319-1, 01.95, Nr. 1.1 ist die "Meßgröße" die "physikalische Größe, der die Messung gilt." In: Glossar der Metrologie. Deutsche Akademie für Metrologie (DAM) beim bayrischen Landesamt für Maß und Gewicht. Stand Oktober 2007. Siehe auch Messgröße ↗
  • [7] Das Messergebnis ist ein a) "Einer Messgröße zugeordneter, durch Messung gewonnener Wert." Oder b) Aus Messungen gewonnener Schätzwert für den wahren Wert einer Messgröße." Quellen a) Interrnationales Wörterbuch der Metrologie, 1994, Nr. 3.1, b) DIN 1319-1, 01.95, Nr. 3.4. In: Glossar der Metrologie. Deutsche Akademie für Metrologie (DAM) beim bayrischen Landesamt für Maß und Gewicht. Stand Oktober 2007. Siehe auch Messergebnis ↗
  • [8] Im Deutschen, speziell der Medizin sind Begriffe wie Surrogat-Marker oder Surrogat-Variable (auch ohne Bindestrich) gebräuchlich. In: Michael Berger, Ingrid Mühlhauser: Surrogat-Marker: Trugschlüsse. Deutsches Ärzteblatt. Ausgabe 49/1996.
  • [9] In einer englischsprachigen Fachveröffentlichung aus dem Jahr 2021 werden die Ideen von surrogat (Ersatz) und proxy im Sinne von Messvariablen als Synonyme verwendet: "The model prediction can be used as an approximation for the true north and is often referred to as a surrogate metric, proxy metric or surrogate." In: Weitao Duan et al.: Online Experimentation with Surrogate Metrics: Guidelines and a Case Study. WSDM '21: Proceedings of the 14th ACM International Conference on Web Search and Data Mining. 2021. Pages 193 - 201. DOI: https://doi.org/10.1145/3437963.3441737