Einzelspaltexperiment (Kerze)
Optik
Basiswissen
Licht, etwa von einem Laser geht durch einen dünnen Spalt (z. B. von Schieblehre). In etwa 2 bis 3 Meter Entfernung kann man gut ein makroskopisches Beugungsmuster erkennen. Neben dieser Variante mit Laserlichte gibt es auch noch eine zweite Variante, für die normales Kerzenlicht genügt.
Die Grundidee des Einzelspaltexperiments mit Kerzenlicht
Die Kernidee ist, dass sich Licht nach dem Durchgang durch einen dünnen Spalt nach dem Spalt auszuweiten scheint. Das heißt, das Licht bewegt sich nach dem Spalt in Bereiche, in die es bei einer nur geradlinigen Ausbreitung nicht gelangen könnte . Diesen Effekt nennt man Beugung[6]. Beugung tritt oft in Zusammenhäng mit dünnen Öffnungen auf[3]. Zusätzlich treten bei Beugungseffekten auch geometrisch verblüffend symmetrische Muster der sogenannten Interferenz[4] sowie regenbogenartige Farbeffekte auf[5]. Der zugrundeliegende Effekt heißt Beugung ↗
Material für das Einzelspaltexperiment mit Kerzenlicht
Das Einzelspaltexperiment mit der Kerze ist der denkbar einfachste Versuch, mit dem man die sogenannte Beugung von Licht sichtbar machen kann. Man benötigt lediglich folgende Materialien:
- Eine Kerze oder ein Teelicht ↗
- Streichhölzer oder ein Feuerzeug ↗
- Zwei normale Bleistift[e] ↗
Dürchführung des Einzelspaltexperimentes mit Kerzenlicht
Man hält die zwei Bleistifte so in einer Hand, dass sie eine Art sehr spitzes V bilden. In der Hand sollen sich die beiden Bleistifte berühren. Darüber laufen sie etwas auseinander. Die Lücke zwischen den Bleistiften nennen wir hier den Spalt. Mit der zweiten Hand können wir jetzt die beiden oberen Enden der Bleistifte wahlweise näher zusammen schieben oder wieder voneinander entfernen. Dadurch können wir die Breite des Spaltes bequem verändern. Wo der Spalt dann weniger als einen Millimeter breit ist blicken wir mit den Augen hindurch. Dazu kann man den erzeugten Spalt direkt vor ein Auge halten. Wenn die Bleistifte das Auge fast oder tatsächlich berühren ist es gut. Nun blicken wir durch diesen Spalt auf eine etwa in Armeslänge (40 cm bis 1 m sind z. B. gut) entfernt brennende Kerze. Wenn man etwas mit der Breite des Spaltes spielt wird man irgendwann verblüffende Phänomene des Lichts beobachten.
Phänomen I: ein helles Lichtband
- Man macht den Spalt zunächst so breit, dass man die Flamme der Kerze bequem und natürlich sieht.
- Dann macht man den Spalt langsam immer schmaler, Richtung einen Millimeter und weniger.
- Man beobachtet dann, wie aus der Flamme ein heller Lichtstreifen auszutreten scheint.
- Dieser Streifen Licht ist immer senkrecht (90-Grad-Winkel) zu den Bleistiften ausgerichtet.
- Je dünner der Spalt ist, desto länger werden die Streifen.
- Im Extremfall eines sehr dünnen Spaltes, sieht man nichts mehr von der Flamme sondern nur noch den hellen Streifen von links nach rechts.
- Man sieht Licht aus einer Richtung kommen, wo eigentlich die Bleistifte den Weg zur Kerze versperren oder wo die Kerze überhaupt nicht steht.
- Das Licht erreicht also Bereiche, die nach der reinen Strahlenoptik nicht erreicht werden dürften[2].
- Dass Licht in Bereiche eindringt, die nach einer strikten Strahlenoptik nur Schatten zeigen dürften nennt man Beugung ↗
Phänomen II: Interferenz
- Ist der Spalt schmal genug, sieht man beidseits der Flamme Muster aus hellen und dunklen Streifen.
- Diese Muster liegen immer in dem oben beschriebenen Lichtband.
- Macht man den Spalt schmaler, weitetet sich das Muster weiter weg von der Flamme aus, man zieht es sozuagen auseinander.
- Macht man den Spalt breiter, staucht man das Muster hin zur Flamme, die hellen und dunklen Bereiche rücken enger aufeinander zu.
- Dieses Muster bezeichnet man als Interferenz ↗
Phänomen III: Farbeffekte (Dispersion)
- Bei einem sehr engen Spalt treten lebhafte Farbeffekte auf.
- Viele Experimentatoren beschreiben deutlich die Regenbogenfarben ↗
- Aber nicht alle Experimentatoren haben Farbeffekte wahrgenommen.
- Man muss dazu wohl mit verschiedenen Spaltbreiten und Blickrichtungen auf die Kerze spielen.
- Ist Beugung die Ursache dieser Effekte, spricht man von Beugungsdispersion ↗
Noch einfacher: Finger statt Stifte
Der große Vorteil des oben beschriebenen Experimentes mit Kerzenlicht ist, dass man sehr wenig Material braucht. Ein Experimentator hat sogar versucht, die Bleistifte durch zwei Finger zu ersetzen: kann man mit zwei Fingern so einen Spalt erzeugen, dass beim Hindurchblicken die oben beschriebenen Phänomene der Beugung auftreten? Der Erfolg war mäßig. Interessant wäre auch, ob man statt einer Kerze die Reflexion der Sonne, etwa auf einer Metallfläche oder irgendeine andere stets verfügbare Quelle von Licht nutzen könnte. Je heller, kleiner und weiter entfernt die Lichtquelle ist, desto besser für die Effekte. Die Idee, Experimente mit möglichst einfachen Mitteln zu machen ist eine der Kerngedanken einer Lernwerkstatt ↗
Einfacher aber anders: mit Wimpern
Betrachtet man eine Kerze in einem nicht zu hellen Raum, zum Beispiel aus etwa vier Metern Entfernung und kneift man dann die Augen zusammen, so wird man dann auch gut das Interferenzmuster wie oben beschrieben erkennen können. Wahrscheinlich aber ist die Beugung hier nicht auf einen einzelnen Spalt zurückzuführen sondern auf die mehr oder minder regelmäßig angeordneten Wimpern. Diese ergeben dann vielleicht eine Art Beugungsgitter. Dass der Wechsel von hellen und dunklen Streifen (wenn man ihn denn erblickt) nicht einfach nur der Schatten der Wimpern ist, kann man leicht einsehen, wenn man den Kopf beim blinzelnden Blick auf die Kerze von links nach rechts schwenkt. Das Muster bleibt an der alten Stelle. Wie gesagt, die Wimpern sind hier vermutlich ein Beugungsgitter ↗
Das Einzelspaltexperiment mit Laserlicht
Ein großer Nachteil des oben beschriebenen Experimentes ist, dass man die Effekte nicht gemeinsam betrachten kann. Niemand kann anderen Leuten zeigen, was man gerade sieht[6]. Eine Abhilfe ist es, das Experiment mit einem Laserpointer durchzuführen. Man schickt einen Lasertrahl durch einen dünnen Spalt und lässt das Licht in einigen Dezimetern oder wenigen Metern Entfernung auf eine Wand fallen. Dort kann man dann gemeinsam und gleichzeitig die Ausbreitung des Lichtflecks sowie Interferenz, nicht aber die bunten Effekte der Dispersion beobachten. Siehe dazu die Anleitung Einzelspaltexperiment (Laser) ↗
Das Babinetsche Prinzip und das Einzelhaarexperiment
Einzelspaltexperimente sind schon für das 17te Jahrhundert nachgewiesen[1]. Eine Alternative war es, dass man keinen dünnen Spalt erzeugt sondern einen dünnen Gegenstand (Haar, Draht, Faden) in den Weg des Lichtes bringt. So führte Isaac Newton eine Art Einzelspaltversuch mit dünnen Stiften durch[2]. Für ein praktisches Beispiel siehe unter Einzelhaarexperiment ↗
Fußnoten
- [1] 1665: Ein Einzelspaltexperiment, mit der Sonne als Lichtquelle, durchgeführt in einem abgedunkelten Raum, ist auf Latein und unter dem Titel "Experimentum secundum" ausführlich und mit einer Skizze beschrieben in: Francesco Maria Grimaldi: Physicomathesis de lumine, coloribus, et iride, aliisque annexis, Bologna 1665. Dort die Seite 9 in der Ausgabe von 1665.
- [2] Isaac Newton: Opticks. Kapitel: The Third Book of Opticks Part I. 1730. Der Schatten eines dünnen Stabes in einem Sonnenstrahl in einem abgedunkeltem Raum ist dort beschrieben ab Seite 317: "Grimaldo has inform'd us, that if a beam of the Sun's Light be let into a dark Room through a very small hole, the Shadows of things in this Light will be larger than they ought to be if the Rays went on by the Bodies in straight Lines, and that these Shadows have three parallel Fringes, Bands or Ranks of colour'd Light adjacent to them. But if the Hole be enlarged the Fringes grow broad and run into one another, so that they cannot be distinguish'd." Es folgt dann eine ausführliche Beschreibung des Versuches. Siehe auch Newtons Lichtbeugung ↗
- [3] 1854, Beugung definiert als Lichteffekte an dünnen Öffnungen: "Beugung des Lichts, auch Inflexion oder Diffraction des Lichts, nennt man das eigenthümliche Verhalten des Lichts beim Durchgang durch enge Oeffnungen." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 518-519. Online: http://www.zeno.org/nid/20003233715
- [4] 1911, mit Interferenz verbunden: "Beugung, Diffraktion oder Inflexion des Lichts, eine mit Interferenz (s.d.) verbundene Ablenkung des Lichts aus der geraden Fortpflanzungsrichtung, entsteht, wenn Licht durch einen schmalen Spalt geht, durch die seitliche Ausbreitung und Interferenz der durch den Spalt dringenden Ätherwellen" In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 197. Online: http://www.zeno.org/nid/20000955167
- [5] 1857, Beugung mit Farbeffekten verbunden: "Wenn man ferner durch einen schmalen Spalt nach einem leuchtenden Punkte blickt, so sieht man neben dem direct gesehenen hellen Streifen nach beiden Seiten im Schattenraume noch eine große Zahl farbiger Streifen." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 697. Dies Farbeffekte gehören zum größeren Bereich der Dispersion ↗
- [6] Beugung als umgebogene Lichtstrahlen: "B. der Lichtstrahlen (Inflexio od. Diffractio luminis), die Eigenschaft der Lichtstrahlen, sich nicht nur in gerader Richtung, sondern auch nach beliebigen anderen Richtungen hin fortzupflanzen." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 697. Siehe auch Beugung ↗
- [7] Wäre es möglich, eine kleine Webcam an die Stelle des Auges zu setzen und das Muster so etwa auf einem großen Bildschirm eines Computers sichtbar zu machen?