Tarnkappenlicht (Versuch)
Physik
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Definition|
Versuch im Freiland|
Variante mit Laserlicht|
Deutung|
Paradoxon|
Erklärung|
Philosophie|
Dunkelhimmel|
Fußnoten
Definition
Als Tarnkappenlicht wird hier jedes Licht bezeichnet, dass trotz unmittelbarer Nähe zum Beobachter oder starker Helligkeit an sich (viele Lumen) unsichtbar bleibt. Tarnkappenlicht bezeichnet damit nicht eine besondere Art von Licht, sondern den vielfach als kontraintuitiv empfundenen Umstand, dass man auch beliebig große Mengen an Licht (Photonen) erst dann sieht, wenn es ins Auge fällt. Vorher erscheint auch ein mit Abertrilliarden von Photonen erfüllter Raum nachtdunkel.
Versuch im Freiland
Der Versuch in einer dunklen Heidelandschaft an der Nordsee. Man blickt in einen absolut dunklen Raum, der aber letztendlich voll mit hellen Lichtteilchen sein muss.[8]
Material
- Eine große freie, dunkle Fläche (nachts, unbeleuchtet)
- Eine Taschenlampe, möglichst mit strahlartig eng gebündelten Licht
- Ein kleines Brett, Pappseite, Buch oder sonst eine abschirmende Fläche
- Staub, Sand, im Winter nur der eigene Hauch des Atems
- Wahlweise noch eine Kamera
Freiland
Sehr eindrucksvoll kann man den Effekt des Tarnkappenlichts im Freiland beobachten. Ideal ist eine große Fläche ohne Bäume, Schilder oder sonstige Gegenstände. Ein unbeleuchteter Strand, eine dunkle Heide nachts oder eine Lichtung im Wald wären ideal.
Durchführung
Man hält mit einer Hand die Taschenlampe und den Schirm (Buch, Pappseite, Holzbrett) so, dass die Taschenlampe für uns unsichtbar hinter dem Schirm ist. Halte das vor deine Augen. Das Licht kann dabei nach links, oben oder rechts wegstrahlen. Wenn alles gut eingerichtet ist, solltest du das Licht der Taschenlampe nicht sehen. Auch wo das Licht die Abschirmung verlässt, also frei im Raum vor unseren Augen vorbei geht, sieht man es nicht. Erst wenn man feine Teilchen wie Staub, Sand oder im Winter die Wasströpfchens des eigenen Atemhauchs in den Strahl gibt, leuchtet er auf.
Variante mit Laserlicht
Wenn man einen kleinen Laserpointer zur Hand hat, kann man den Effekt auch in kleinen Räume und bei Tageslicht gut nach vollziehen. Man hält den Laser so, dass sein Strahl von links nach rechts oder von rechts nach links direkt vor unserem Gesicht vorbei geht. Wenn die Luft im Raum einigermaßen klar und staubfrei ist, dann wird man diesen Strahl nicht sehen. Dennoch, so kann man denken, fliegen direkt vor der eigenen Nasenspitze gleichzeitig Aberbilliarden von Lichtteilchen, die sogenannten Photonen, vorbei. Man kann sie aber nicht sehen. Es scheint so zu sein, als hätten die Lichtteilchen eine Tarnkappe auf. Haucht man dann in den Laserstrahl, pustet etwas Rauch in ihn hinein (Raucher) oder lässt feines Mehl in ihn rieseln, dann leuchtet der Strahl aber als sichtbare Linie kurz auf. Der Strahl scheint die ganze Zeit da zu sein, ist aber an sich unsichtbar. Warum man den Strahl mit eingestreuten kleinen Teilchen dann sichtbar machen kann, erklärt sich über die sogenannte Streuung (Physik) ↗
Deutung
Paradoxon
Verblüffend ist zunächst, dass man das Licht an sich nicht sieht. Obwohl in dem Lichtstrahl vor unseren Augen viele Billiarden von gedachten Teilchen des Licht, die sogenannten Photonen, vorbei ziehen, bleibt der eigentlich voll mit Licht angereicherte Raum für unsere Augen unsichtbar.
Erklärung
Antike Denker stellten sich vor, dass von unseren Augen eine Art Sehstrahl ausgeht. Dieser Strahl tastet dann unsere Umwelt ab.[1] Heute würde man sagen, er scannt sie ab. Tatsächlich funktioniert das Sehen der Feldermäuse oder Wäle so ähnlich.[2] Aber die Augen von Menschen senden selbst kein Licht aus, um sehen zu können. Sie fangen das Licht der Umwelt auf. Unseren Linsenaugen, aber auch die Lochaugen von vielen Tieren, sind dann so aufgebaut, dass sie eine Information darüber geben, aus welcher Richtung das Licht ins Auge traf.[3] Mehr "weiß" das Auge nicht. Es kann nur sagen: gerade ist aus dieser Richtung ein Lichtteilchen in mir aufgeschlagen.
Man kann sich diese Erklärung ganz mit den Mitteln der sogenannten Strahlenoptik denken: aus der Lichtquelle treten die Lichtteilchen auf geradenen Bahnen, den Strahlen aus. Sie fliegen solange gerade aus, bis auf ein Hindernis treffen, etwa ein Staub-, Sand- oder Wasserteilchen in der Luft. Von diesem Teilchen werden sie dann durch irgeneinen nicht näher bestimmten Vorgang in eine beliebige Richtung umgelenkt, das heißt gestreut. Und nur die Lichtteilchen, die so gestreut werden, dass sie in unser Auge fallen, werden wir letzten Endes auch wahrnehmen.
Aus den Informationen über die Herkunftsrichtung der ins Auge fallenden Teilchen baut sich der Kopf dann in einem sehr komplizierten Vorgang ein Bild von der Welt auf, die solche Lichtteilchen aussenden würde. Wenn wir also einen Lichtstrahl vor unseren Augen sehen, dann sehen wir eigentlich nicht direkt den Strahl. Wir sehen nur Lichtteilchen, die durch Staub, Sand oder andere Körper von dem Strahl abgelenkt wurden und letztendlich in unsere Augen trafen. Das Bild eines Strahles ist letztendlich bloß eine Konstruktion unseres Auges und des Gehirns.[4]
Als Sinnbild könnte man sich eine Person vorstellen, die völlig auf ein kleines dunkles Zimmer zurück gezogen lebt, gleichzeitig von dort aber ein gewaltiges Firmenimperium, zum Beispiel eine Reederei mit vielen Schiffen weltweit steuert. Die Person sieht niemals irgendeines der Schiffe, spricht nie mit einem Kunden direkt, ist nie beim Löschen oder Verladen der Schiffe dabei. Die einzige Information über die "Welt da draußen" bekommt sie von einigen wenigen Mitarbeitern, die für sie den Kontakt zur Außenwelt halten. Aber letzten Endes könnte die Person in ihrem Zimmer irgendwann nicht mehr sicher sein, ob es die Firma und die Schiffe wirklich noch gibt. Ihre Mitarbeiter haben vielleicht über die letzten Jahre alles verkauft und gaukeln ihr noch noch alles vor. Mit diesem Gedanken spielte die Tragikomödie Goodbye Lenin: nach dem Zusammenbruch der ehemaligen DDR gaukelt ein Sohn seiner kranken Mutter über Wochen vor, dass das Land weiter existiert.
Philosophie
Die Idee, dass unser Gehirn die Welt um uns herum, die sogenannte "Außenwelt" nich t direkt sieht, hat viele Philosophen und Physiker beschäftigt[5], bis hin zu dem Gedanken, dass es die Außenwelt vielleicht gar nicht gibt, sie nur eine Hypothese ist.[6] In letzter Konsequenz führt das zu einem sogenannten Solipsmus, der Idee, dass die ganze Welt um einen herum, einschließlich anderer Menschen, bloß eine Täuschung ist. Man existiert für sich ganz alleine.[7]
Dunkelhimmel
Von dem oben beschriebenen Effekt eines an sich hellen aber je nach Blickrichtung unsichtbaren Lichtstrahls unterscheiden muss man den Effekt des dunklen Nachthimmels.
Selbst wenn man sich alle heutigen Lichtquellen im Universum wegdenken würde, also zum Beispiel alle Sterne, dann gäbe es aus der sogenannten Hintergrundstrahlung noch immer 400 Photonen auf jeden Kubikzentimeter Weltraum. Diese Photonen fliegen mit Lichtgeschwindigkeit in jede beliebige Richtung. Durch einen Quadratzentimeter strömen deshalb pro Sekunde rund 10 Billionen (10¹²) Photonen. Die Pupille eines Auges ist in der Regel zwischen 1,5 bis 12 Millimeter weiter geöffnet. Gehen wir von einer maximalen Öffnung von 12 mm im Dunkeln aus, dann kommt man über die Kreisformeln auf eine offene Fläche von rund 100 mm² oder gut einem 1 cm².[10] Daraus folgt: obwohl bei einem Blick in den dunklen Sternenhimmel in jeder Sekunde gut eine Billion Photonen in unser Auge einströmen, sehen wir keine Helligkeit.
Tatsächlich strömen also sehr viele Photonen in unser Auge. Dass wir trotzdem keine Helligkeit wahrnehmen, hängt damit zusammen, dass unser Auge nur Licht bestimmter Wellenlängen wahrnimmt. Und die Wellenlängen des Lichts aus der Hintergrundstrahlung im Weltraum ist so groß, dass wir dieses Licht nicht wahrnehmen. Siehe auch Farbwahrnehmung ↗
Fußnoten
- [1] Manche der Philosophen und frühen Naturforscher aus dem antiken Griechenland und Rom, in der Zeit vor und kurz nach der Geburt Christi, stellten sich das Sehen so vor, als gingen vom Auge aktiv Strahlen aus. Siehe dazu den Artikel Sehstrahl ↗
- [2] Fledermäuse und Wale sehen aber nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Ohren: sie senden Schallwellen aus. Wenn diese Schallwellen irgendwo auf ein Hindernis treffen und wieder zurück geworfen werden, kommen sie irgendwann (recht schnell) wieder bei dem aussendenden Tier an. Aus der Information darüber wann und von wo die Schallwellen wieder ankommen, bauen sich die Tiere dann ein Bild ihrer Umwelt auf. Siehe auch Echolot ↗
- [3] Loch- und Linsenaugen haben beide dieselbe Funktionsweise: beide Arten von Augen sind so gebaut, dass sie recht genau "sagen" können, aus welcher Richtung ein eintreffendes Lichtteilchen kam. Siehe mehr dazu unter Lochauge ↗
- [4] Dass sich unser Gehirn eine Außenwelt konstruiert, ohne die Außenwelt wirklich direkt wahrzunehmen, bezeichnet man als Vorstellung der Kognitionspsychologie auch als Konstruktivismus ↗
- [5 Ein guter Einstieg in die Frage, was wir denn sicher über eine Außenwelt um uns herum in Erfahrung bringen können, wenn wir die Dinge dieser Außenwelt doch gar nicht direkt wahrnehmen können, sind Immanuel Kants Überlegungen zum Ding an sich ↗
- [6] Dass die Welt um uns herum nur hypothetisch ist, und wir nie mit Sicherheit ausschließen können, nicht vielleicht in einem Traum oder einer Computersimulation zu leben, wird näher betrachtet im Artikel zur Außenwelthypothese ↗
- [7] Der konsequenten Solipsismus ist eher eine Gedankenspiel als eine Überzeugung, die von Denkern wirklich vertreten wird. Ein nagender Aspekt ist auf jeden Fall, dass sich die Gültigkeit eines Solipsismus nicht ohne weiteres widerlegen lässt. Siehe mehr unter Solipsismus ↗
- [8] Der Film wurde aufgenommen mit einer Kamera DJ Osmo Action 4. Für eine verbesserte Lichtempfindlichkeit wurde die Kamera auf etwa ISO 12000 eingestellt.
- [9] Die Zahlen (400 Photonen pro cm³, 10 Billionen Photonen pro cm²) finden sich in: Properties of Cosmic Light. Department of Astronomy and Astrophysics. University of Chicago. Abgerufen am 28. August 2052. Online: https://background.uchicago.edu/~whu/beginners/properties.html
- [10] Zur Nah- und Fern, Dunkel- und Hellsicht des menschlichen Auges heißt es: "Die Pupillenweite variiert dabei von 1,5 bis zu 8-12 Millimetern." In: Veränderungen der Pupille. Internet-Information der Augenärzte Stäfa. Abgerufen am 27. August 2025.
- [11] Der Effekt, dass man Licht an sich erst einmal nicht direkt sieht, wird auch behandelt in einem Lehrbuch der Physik für die Sekundarstufe ein: "Der lichtdurchflutete Nachthimmel erscheint uns dunkel, nur der beleuchtete Mond ist sichtbar." Zur Erklärung wird dann erst eine Prämisse gelegt: "Lichtbündel werden dadurch sichtbar gemacht, dass man in ihren Verlauf Kreidestaub, Wasserdampf oder Rauch bläst. An den Kreide-, Wasser- oder Rauchteilchen wird ein Teil des Lichts gestreut. Man sieht die beleuchteten Teilchen." Und als Schluss: "Schauen wir nachts in den den wolkenlosen Himmel, dann erscheint er uns schwarz, obwohl doch die Sonne auch nachts leucthet. Das Licht scheint an der Erde vorbei, es wird nicht gestreut, also gelangt es nicht in unser Auge. Erst wenn der Mond als überdimensionales Staubteilchen in unser Blickfeld tritt, wissen wir, dass das Universum lichtdurchflutet ist." In: Physik. Gymnasium. Sek I. Dorn.Bader. Schroedel Verlag. Hannover 2001. ISBN: 3-507-86262-X. Dort sehr ausführlich und mit Bildern auf Seite 11.