A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Oerstedscher Magnetnadelversuch

1820

Basiswissen


Lässt man in der Nähe eines Kompasses einen ausreichend starken elektrischen Strom fließen, wird dadurch die Ausrichung der Kompassnadel sichtbar beeinflusst. Für den Effekt genügen recht kleine Ströme von zum Beispiel einem Ampere. Hier folgt der deutsche Original-Text aus dem Jahr 1820.

Historischer Hintergrund


Hans Christian Oersted veröffentlichte im Jahr 1820 seine Beobachtung, dass fließender elektrischer Strom eine Magnetnadel beeinflussen kann. Darin beschrieb er die Wirkung eines magnetischen Feldes im freien Raum sowie die schraubenartige Form der Magnetfeldlinien um einen geraden Leiter. Oersted schrieb auf Latein. In selben Jahr erschienen Übersetzungen in verschiedenen Sprachen, unter anderem auch eine deutsche. Hier steht eine Transkription der deutschsprachigen Originalversion aus dem Jahr 1820. Eine moderne Beschreibung des Phänomens steht unter Oerstedsches Gesetz ↗

Transkription des Originaltextes von 1820


(ANNALEN DER PHYSIK UND DER PHYSIKALISCHEN CHEMIE. 6. BD. PAG. 295-304. LEIPZIG 1820)

1.

Versuche über die Wirkung des electrischen Conflicts auf die Magnetnadel,

von

J. Chr. Oersted, Prof. d. Phys. zu Kopenhagen).

Die ersten Versuche über den Gegenstand, den ich aufzuklären unternehme, sind in den Vorlesungen angestellt worden, welche ich in dem verflossenen Winter über Electricität, Galvanismus und Magnetismus gehalten habe. Aus diesen Versuchen schien zu erhellen, dass die Magnetnadel sich mittelst des galvanischen Apparates aus ihrer Lage bringen lasse, und zwar bei geschlossenem galavanischem Kreise, und nicht bei offenem, wie vor mehreren Jahren einige berühmte Physiker es umsonst versucht haben. Da aber diese Versuche mit einem wenig kräftigen Apparate angestellt waren, und daher die erhaltenen Erscheinungen nicht ausreichend schienen für die Wichtigkeit der Sache, so nahm ich meinem Freund, den Justizrath Esmarch, zu Hülfe, um mit ihm die Versuche mittelst eines grossen, von uns gemeinschaftlich eingerichteten galvanischen Apparates zu wiederholen und zu vermehren. Auch der Regierungs-Präsident Wleugel, war bei unsern Versuchen gegenwärtig als Theilnehmer und Zeuge. Ueberdem waren Zeugen derselben der als vortrefflicher Physiker längst bekannte Oberhofmarschall Hauch, der Professor der Naturgeschichte Reinhard, der Professor der Medicin Jacobson, ein vorzüglicher Experimentator und Kenner der Chemie, und der Dr. Philof. Zeie. Auch habe ich öfters allein experimentirt, immer aber wenn ich dabei neue Erscheinungen fand, sie in Gegenwart dieser versammelten Gelehrten wiederholt.

In der Erzählung von unsern Versuchen übergehe ich alle, welche zwar zu der Erfindung geführt haben, nachdem die Sache aber einmal gefunden ist, nichts zur Erläuterung derselben beitragen, und schränke mich auf diejnigen ein, aus welchen die Natur des Gegenstandes deutlich hervorgeht.

Der galvanische Apparat, dessen wir uns bedient haben, besteht aus 20 rechteckigen kupfernen Zellen, die jede 12 Zoll lang, 12 Zoll hoch und 2½ Zoll breit, und jede mit zwei Kupferstreifen versehen ist, welche so geneigt sind, dass sie den Kupferstab tragen können, der die in der Flüssigkeit der benachbarten Zelle schwebenden Zinkplatte hält. Das Wasser, womit die Zellen aufgefüllt wurden, war mit 1/60 [nicht genau lesbar im Original, wahrscheinlich 1/60?] seines Gewichtes Schwefelsäure und mit eben so viel Salpetersäure versetzt, und der in jeder Zelle eingetauchte Theil der Zinkplatte war ein Quadrat von etwa 10 Zoll Seite. Doch können auch kleinere Apparate gebraucht werden, wenn sie nur einen Draht zum Glühen zu bringen vermögen.

Man denke sich die beiden entgegengesetzten Enden des galvanischen Apparates durch einen Metall-Draht verbunden. Diesen werde ich der Kürze halber stets den verbindenden Leiter oder den verbindenden Draht nennen; die Wirkung aber, welche in diesem verbindenden Leiter und um denselben her vor sich geht, mit dem Namen electrischer Conflict bezeichnen.

(1) Man bringe ein gradeliniges Stück dieses verbindenden Drahtes in horizontaler Lage über eine gewöhnliche, frei sich bewegende Magnetnadel so dass er ihr parallel sey; und zu dem Ende kann man den Draht ohne Schaden nach Belieben biegen. Ist alles so eingerichtet, so wird die Magnetnadel in Bewegung kommen, und zwar so, dass sie unter dem vom negativen Ende des galvanischen Apparates herkommenden Theile des verbindenden Drahtes nach Westen zu weicht. Ist die Entfernung des Drahtes von der Magnetnadel nicht mehr als 1/4 [der Zähler ist undeutlich, der Nenner eindeutig eine 4] Zoll, so beträgt diese Abweichung ungefähr 45°. Bei größerer Entfernung nehmen die Abweichungs-Winkel ab, wie die Entfernungen zunehmen. Uebringens ist die Abweichung verschieden, nach Verschiedenheit der Stärke des Apparates.

Der verbindende Draht kann nach Osten oder nach Westen bewegt werden, wenn er nur immer der Nadel parallel bleibt [Fußnote im Originaltext: und überdem immer in einer horizontalen Ebene, welche über der Nadel fortgeht; eine wesentliche Bedingung, deren Uebergehen zu Missverstand Veranlassung gegeben hat. Gilb.], ohne dass dieses einen andern Einfluss auf den Erfolg hat, als dass die Abweichung kleiner wird. Es lässt sich folglich diese Wirkung keineswegs einer Anziehung zuschreiben, denn derselbe Pol der Magnetnadel, der sich nach dem verbindenden Drahte zu dreht, wenn er östlich von der Nadel ist, dreht sich von demselben abwärts, wenn er sich westlich von derselben befindet, welches nicht möglich wäre, wenn diese Abweichungen auf Anziehungen und Abstossungen beruhten [Fußnote im Originaltext: si hae declinationes ab attractionibus vel repulsionibus penderent, db. b. wahrscheinlich, von den gewöhnlichen electrischen. C.].

(2) Der verbindende Leiter kann aus mehreren vereinigten Drähten oder Metallstreifen bestehen. Die Natur des Metalls verändert den Erfolg nicht, es sei denn vielleicht in Hinsicht der Größe. Wir haben Drähte aus Platin, Gold, Silber, Messing und Eisen, ferner Zinn, und Blei-Streifen und Quecksilber mit gleichem Erfolg gebraucht. Wird der Leiter durch Wasser unterbrochen, so bleibt nicht alle Wirkung aus, es sei denn die Wasserstrecke sei mehrere Zoll lang.

(3) Der verbindende Draht wirkt auf die Magnetnadel durch Glas, durch Metalle, durch Holz, durch Wasser, durch Harz, durch töpferne Gefäße und durch Steine hindurch; denn als wir zwischen beide eine Glastafel, oder eine Metallplatte, oder ein Brett gebracht hatten, blieb der Erfolg nicht aus, ja selbst alle drei vereinigt schienen die Wirkung kaum zu schwächen. Ebenso wenig ein Electrophor, eine Porphyr-Platte und ein irdenes Gefäß, selbst nicht, wenn es voll Wasser war. Unsere Versuche haben auch gezeigt, dass die erwähnten Wirkungen nicht verändert werden, wenn man einen Magnetnadel nimmt, die sich in einer messingenen voll Wasser gegossenen Büchse eingeschlossen befindet. Dass der Wirkungen Durchgang durch alle diese Materien, bei Electricität und Magnetismus bisher noch nie ist beobachtet worden, brauche ich kaum zu bemerken. Die Wirkungen, welche in dem elektrischen Conflicte Statt finden, sind also von den Wirkungen der einen oder der anderen electrischen Kraft gänzlich verschieden.

(4) Wenn sich der verbindende Draht in einer horizontalen Ebene unter der Magnetnadel befindet, so gehen alle angegebenen Wirkungen nach entgegengesetzter Richtung vor, als wenn er in einer über derselben befindlichen horizontalen Ebene ist, sonst aber auf ganz gleiche Weise. Der Pol der Mangetnadel, unter welchem sich derjenige Theil des verbindenden Drahtes befindet, in welchen die Electricität des negativen Endes des galvanischen Apparates zunächst hinein tritt, weicht jetzt nach Osten ab.

Damit man diese leichter im Gedächtnis behalten kann, bediene ich mich folgender Formel: Der Pol über welchem die negative Electricität eintritt, wird nach Westen, der Pol unter welchem sie austritt, nach Osten zu gedreht.

(5) Dreht man den verbindenden Draht in der horizontalen Ebene, so dass er allmählig immer größere Winkel mit dem magnetischen Meridiane macht, so wird die Abweichung der Magnetnadel vermehrt, wenn das Drehen des Drahtes nach dem Ort der gestörten Magnetnadel zuwärts geschieht; sie nimmt dagegen ab, wenn das Drehen von diesem Orte zurück geschieht.

(6) Ein verbindender Draht, der sich in der horizontalen [vertikalen?] Ebene befindet, in welcher sich eine durch ein Gegengewicht äquibrilierte Magnetnadel bewegt, und der Nadel parallel ist [Fußnote im Originaltext: Filum conjungens in plano horizontali, in quo movetur acus magnetica, ope facomatis aequlibrata, filum, et acui parallelum. Scheinen auch diese Bestimmungen nicht recht zusammen zu passen, wie man sie auch deute, so lässt sich doch kaum daran zweifeln, dass hier nicht von der Inclinations-Nadel die Rede sey. Sie bewegt sich aber in einer Vertical-Ebene, und ein ihr paralleler Draht kann sich nicht in einer horizontalen Ebene, und eben so wenig wenn er östlich oder westlich von ihr ist, sich mit ihr in einerlei Vertikal-Ebene befinden. Gilb.], bringt sie weder nach Osten noch nach Westen hin zum Weichen, sondern macht sie blos in der Ebene der Inclination schwanken, so dass der Pol, nahe bei welchen in dem Drahte die negative electrische Kraft herkömmt, herunter gedrückt wird, wenn der Draht sich an der westlichen, dagegen herauf gedreht wird, wenn er sich an der östlichen Seite derselben befindet.

(7) Wird der verbindende Draht senkrecht auf die Ebene des magnetischen Meridians über oder unter der Nadel gestellt, so bleibt diese in Ruhe, ausgenommen wenn der Draht dem Pole ziemlich nahe ist. Dann aber wird der Pol gehoben, wenn der Eintritt von der westlichen Seite des Drahtes her geshcieht, und herunter gedrückt, wenn er von dre östlichen Seite her vor sich geht [Fußnote im Originaltext: Unstreitig ist dieses, wie vorhin, von der negativen Electricität zu verstehen. Ist aber hir von der Inclinations-Nadel wie vorhin, oder von der Abweichungs-Nadel, oder von beiden die Rede? in des Hrs. Verfs. Worten liegt nichts, was dieses bestimmt. Gilbert.]

(8) Wird der verbindende Draht lothrecht nahe bei einem Pole der Magnetnadel, ihm gegenüber gestellt, und das obere Ende des Drahtes erhält die Electricität von dem negativen Ende des galvanischen Apparates, so bewegt sich dieser Pol nach Osten; befindet sich dagegen der Draht nahe bei einem Punkte in der Nadel, der zwischen dem Pole und dem Mittelpunkte der Nadel liegt, so wird sie nach Westen getrieben. Erhält das obere Ende des Drahtes die Electricität von dem positiven Ende, so gehen die entgegensetzten Erscheinungen vor.

(9) Biegt man den verbindenden Draht so, dass er an beiden Teilen der Biegung parallel wird, oder zwei parallele Schenkel bildet [Fußnote im Originaltext: Si filum conjungens ita flectitut, ut ad ambas flexurae partes sibi fiat parallelum, aut duo formet crura parallela.], so werden von ihm die magnetischen Pole nach Verschiedenheit der Umstände angezogen oder abgestossen. Man stelle den Draht einem der beiden Pole der Nadel gegneüber, so dass die Ebene der paralellen Schenkel auf dem magnetischen Meridiane senkrecht sei [Fußnote im Originaltext: Ponatur filum e regione polo alterultri acus, ita ut planum crurum paarllelorum fit ad merdianum magneticum perpendiculare. Ist hier, wie kaum zu zweifeln, von der magnetischen Abweichungs-Linie die Rede, so muss man sich die beiden Schenkel des Drahts lothrecht denken, weil der eine der westliche, der andere der östliche seyn soll. In der französischen Uebersetzung heisst es: "Si l'on dispose le fil relativement a l'un ou l'autre pole de l'eguille, de maniere, que le plan vertical qui separe les deux cotes paralleles du fil foit perpenduculaire aur merditien magnetique ..." Dieses ist aber eine Auslegung, welche ganz von dem Texte abweicht, der von der Ebene der parallelen Schenkel redet, und nicht von der Ebene, die die beiden Schenkel trennt], und verbinde den östlichen Schenkel mit dem negativen, den westlichen mit dem postiven Ende des galvanischen Apparates; in dieser Lage wird der nächste Pol zurückgestossen entweder nach Osten, oder nach Westen, wie die Lage der Ebene der Schenkel es mit sich bringt [Fußnote im Originaltext: polus proximus repellitur vel ad orientem vel ad occidentem pro situ plani crurum.]. ist der östliche Schenkel mit dem positiven, der westliche mit dem negativen Ende verbunden, so wird der nächste Pol angezogen. Wird die Ebene der Schenkel senkrecht bei einer Stelle zwischen dem Pol und dem Mittelpunkte der Nadel gebracht, so erfolgen dieselben Wirkungen nur umgekehrt.

(10) Eine Nadel aus Messing, welche nach Art der Magentnadeln aufgehängt ist, kömmt nicht in Bewegung durch die Wirkung des verbindenden Drahtes. Auch eine Nadel aus Glas oder aus Gummi-Lack bleibt bei ähnlichen Versuchen mit ihr in Ruhe.

Aus allen diesem lassen sich einige Momenete zur Erklärung dieser Erscheinungen ableiten. Der electrische Conflict vermag nur auf die magnetischen Theile der Materie zu wirken. Alle nicht magnetischen Körper scheinen für den electrischen Conflict durchgänglich zu sein, die magnetischen Körper dagegen, oder vielmehr ihre magnetischen Theilchen, dem Hindurchgehen dieses Conflictes zu widerstehen, und daher kömmte es, dass sie durch den Stoss der kämpfenden Kräfte in Bewegung gesetzt werden können [Fußnote im Originaltext: quo fit, ut impetu virium certantium moveri possint].

Dass der electrische Conflict nicht in dem leitenden Drahte eingeschlossen, sondern, wie gesagt, zugleich in dem umgebenden Raume ziemlich weithin verbreitet ist, ergiebt sich aus den angeführten Beobachtungen hinlänglich.

Es lässt sich auch aus dem, was beobachtet worden schliessen, dass dieser Conflict in Kreisen fortgehen [Fußnote im Originaltext: unc conflictum gyros peragere.]; denn es scheint ohne diese Annahme nicht zu begreifen zu seyn, wie derselbe Theil des verbindenden Drahtes, der unter einem Pole der Magnetnadel gestellt, diese nach Osten treibt, sie nach Westen bewegen sollte wenn er sich über diesem Pole befindet; eine Kreisbewegung geht aber in den beiden entgegengesetzen Enden eines Durchmesser nach entgegengesetzten Richtungen vor sich. Es scheint überdem, es müsse die Kreisbewegung, verbunden mit der fortschreitenden Bewegung nach der Länge des Leiters, eine Schneckenlinie oder Spirale beschreiben, welches jedoch, wenn ich nicht irre, zur Erklärung der bisher beobachteten Erscheinungen nichts beiträgt.

Alle hier angegebenen Wirkungen auf den Nordpol der Nadel lassen sich leicht verstehen, wenn man annimmt, dass die negativ electrische Kraft oder Materie eine rechts gewundende Spirale durchläuft, und den Nordpol fortstösst, auf den Südpol aber nicht wirkt; und eben so alle Wirkungen auf den Südpol, wenn man der positiv electrischen Kraft oder Materie eine Bewegung in entgegengesetzter Richtung, und das Vermögen auf den Südpol und nicht auf den Nordpol der Nadel zu wirken, zuschreibt. Von der Uebereinstimmung dieses Gesetzes mit der Natur überzeugt man sich besser durch Wiederholen der Versuche, als durch eine lange Erklärung. Die Beurtheilung der Versuche würde aber durch Figuren sehr erleichtert werden, welche den Weg, den die electrischen Kräfte in dem verbindenden Drahte gehen, zeigen.

Ich füge dem Gesagten nur noch hinzu, dass ich in einem schon fast vor sieben Jahren herausgekommenen Werke bewiesen habe, dass die Wärme und das Licht der elektrische Conflict sind [Fußnote im Originaltext: Calorem et lucem esse conflictum electricum]. Aus den neuen hiznu gekommenenen Beobachtungen lässt sich schliessen, dass die Bewegung in Kreisen auch in diesen Wirkungen vorkomme [Fußnote im Originaltext: motum per gyros etiam in his effectibus occurrere.]; welches zur Aufklärung derjenigen Thatsachen, die man die Polarität des Lichts nennt, wie ich glaube, viel beitragen kann [Fußnote im Originaltext: quod ad phaenomena, quae polaritatem lucis appelant, illustranda perquam facere puto.].

Geschrieben in Kopenhagen den 21. Juli 1820.

Anmerkungen zu dieser Transkription



Fußnoten