Lichtstrahl
Optik
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Grundidee ·
Was ist ein Lichtstrahl? ·
Wie kam zur Idee eines geraden Lichtstrahls? ·
Lichtstrahlen in der Mathematik ·
Irreführend: Lichtstrahl als Strecke ·
Besteht Licht wirklich aus Strahlen? ·
Was ist die Strahlenoptik? ·
Fußnoten
Grundidee
Ein Lichtstrahl hat immer einen Anfang, z. B. in einer Lampe. Er geht dann geradeaus in eine bestimmte Richtung. Gedanklich hat er in dieser Richtung kein Ende. Auf dieser einfachen Vorstellung baut ein ganzer Zweig der Optik auf, die sogenannte Strahlenoptik. Für diese Idee spricht bereits die einfache Beobachtung, dass eine Hand, in die direkte Verbindungslinie zwischen einem Gegenstand und dem Auge gehalten, das Objekt unsichtbar macht.[11]
Was ist ein Lichtstrahl?
Ein Strahl in der Mathematik ist eine gerade Linie mit einem Anfang aber ohne Ende. Man spricht auch von einer Halbgeraden[5]. Man denkt sich den Strahl dabei als sofort erscheinend. Der Strahl benötigt in dieser Sicht also keine Zeit zur Entstehung (tatsächlich benötigt Licht aber Zeit um sich fortzubewegen). Vorsicht ist aber beim Lesen historischer Texte geboten. So sprach Isaac Newton (1642 bis 1727) zwar auch von Lichtstrahlen (rays of light) beschrieb diese aber eindeutig als beidseitig begrenzte kleine Körper[6]. Die Lichtstrahlen im Sinne der Strahlenoptik sind mehr oder minder gerade Linien zwischen Lichtquellen, beschienenen Objekten und Augen.[12] Aber auch wenn man sich Licht als Teilchen denkt, kann man sinnvoll von einem Lichtstrahl im heutigen Sinn sprechen, nämlich als Weg auf dem sich das Teilchen bewegt[3]. Diese Ansicht vertrat auch Albert Einstein im Jahr 1905[7]. Für die moderne Optik kann festgehalten werden: ein Lichtstrahl ist eine Halbgerade ↗
Wie kam zur Idee eines geraden Lichtstrahls?
Wir halten es heute für eine selbstverständliche Gewissheit, dass sich Licht geradlinig ausbreitet. Schall aber zum Beispiel kann ohne Probleme um Ecken gehen. Und selbst Licht kann unter bestimmten Bedingungen seine Richtung ändern. Wie man auf die Idee der Geradlinigkeit von Lichttrahlen kam, zeigt eindrucksvoll ein Experiment eines arabischen Gelehrten.
Alhazen lebte von 965 bis mindestens 1040. Geboren wurde er in Basra im heutige Irak. Gewirkt hat Alhazen unter anderem in Kairo. Alhazen gilt als ein Wegbereiter der modernen Wissenschaften. Er legte großen Wert auf den praktischen Versuch zur Bestätigung von Experimenten, eine Haltung, die man heute als Empirismus bezeichnet[5]. Wie er sich davon überzeugte, dass Licht sich in geraden Linien ausbreitet, zeugt von dieser Grundhaltung. Hier steht sein Gedankengang dazu[1]:
- 1. Zum Sehen ist ein gewisser Abstand zwischen Auge und Objekt nötig.
- 2. Das Objekt muss dem Auge gegenüber sein. Gedachte Verbindungslinien zwischen Auge und Objekt dürfen nicht auf ein opakes Hindernis stoßen.[11]
- 3. Ansonsten ist das Objekt unsichtbar, so lange es sich in derselben Atmosphäre befindet und nicht gespiegelt wird.
- 4. Nur derjenige Teil ist unsichtbar, dessen Verbindungslinie zum Auge unterbrochen wird vom Hindernis.
- 5. Sichtbarkeit herrscht, wenn eine ununterbrochene gerade Linie zwischen dem gesehenen Punkt und dem Auge verläuft.
- 6. Dies lässt sich experimentell mit einer Konstruktion aus Lineal und Röhre prüfen.
- 7. Betrachte das Objekt durch eine gerade Röhre, mit und ohne Abschirmung der Röhre.
- 8. Durch die Unsichtbarmachung ist die Geradlinigkeit der Lichtausbreitung gezeigt.
- 9. Zweifelsfrei schlussfolgern wir: Sichtbares liegt auf einer geraden Linie zwischen Auge und Gesehenem.
Lichtstrahlen in der Mathematik
Die übliche Modellierung von Lichtstrahlen in der Mathematik ist die Gerade. Betrachtet man Lichtstrahlen nur in einer einzigen Ebene, also zweidimensional (2D), so genügt dafür eine lineare Funktion. Betrachtet man Lichtstrahlen im Raum, etwa bei der Programmierung von 3D-Computerspielen, so kann man dazu die sogenannte Parameterform der Geraden benutzen. Wenn es um Projektionen geht, findet oft auch der Strahlensatz Anwendung:
- Lichtstrahlen in Ebenen lineare Funktion ↗
- Lichtstrahlen im Raum Parameterform der Geraden ↗
- Lichtstrahlen und Projektionen Strahlensatz ↗
Irreführend: Lichtstrahl als Strecke
Abweichend von der mathematischen Definition eines Strahles als Halbgerade[5] wurden Lichtstrahlen auch als mehr oder minder kurze Strecken beschrieben, etwa als kurzer Wellenzug[8]. Aber auch Isaac Newtons Definition von einem "ray of light" (Lichtstrahl)[2] beschreibt eher eine kurze Strecke mit Anfang und Ende als eine mathematische Halbgerade. Newton selbst schreibt von "very small Bodies". Um hier die irreführende Bedeutung von Strahl im Sinne der Mathematik zu vermeiden, sind alternative Begriffe wie Wellenzug[8] oder Korpuskel (Körperchen)[9] besser geeignet.
Besteht Licht wirklich aus Strahlen?
Nein. Das zeigt unter anderem Isaac Newton (1642 bis 1727) fast sechshundert Jahre nach Alhazen. Er hatte beobachtet, dass der Schatten eines dünnen Objektes in einem Lichtstrahl nicht über gerade Lichtstrahlen erklärt werden kann. Der Schatten ist größer als er nach der Theorie der Lichtstrahlen sein dürfte. Was Newton beschrieb nennt man heute Beugung. Die Beugung aber ist ein Phänomen, das eng mit Wellen verbunden ist. Der Physiker und Nobelpreisträger Erwin Schrödinger deutete dann 1933 Lichstrahlen ganz als ein Phänomen seiner Wellen.[10] Siehe dazu Newtons Lichtbeugung ↗
Was ist die Strahlenoptik?
Als Strahlenoptik bezeichnet man innerhalb der Physik ein großes und eigenständiges Gebiet der Optik. Man betrachtet Licht konsequent so, als bestünde es nur aus Strahlen. Obwohl das nicht für alle Phänomene der Optik zutrifft, kann man damit auf oft besonders einfache Weise erstaunlich gute praktische Ergebnisse erzielen. Man kann damit Fernrohre, Mikroskope, Brillen oder auch Diaprojektoren konstruieren. Siehe auch Strahlenoptik ↗
Fußnoten
- [1] A. I. Sabra: The Optics of Ibn Al Haytham. Books I–III On Direct Vision. The Warburg Institute, University of London, 1989, S. 3–63. (Zusammenfassung einzelner Kapitel).
- [2] Isaac Newton definiert Lichtstrahl (ray) als den kleinstens Teil Licht, der für sich alleine vorkommen kann: "By the Rays of Light I understand its least Parts, and those as well Successive in the same Lines, as Contemporary in several Lines. For it is manifest that Light consists of Parts, both Successive and Contemporary; because in the same place you may stop that which comes one moment, and let pass that which comes presently after; and in the same time you may stop it in any one place, and let it pass in any other. For that part of Light which is stopp'd cannot be the same with that which is let pass. The least Light or part of Light, which may be stopp'd alone without the rest of the Light, or propagated alone, or do or suffer any thing alone, which the rest of the Light doth not or suffers not, I call a Ray of Light." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The_ FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Dort die Definition I auf Seite 2.
- [3] 1796, Strahl als Weg von Lichtteilchen: "Der Lichtstrahl, des -es, plur. die -en, das Licht in Ansehung seiner Bewegung von dem leuchtenden Körper betrachtet, die geraden Linien, in welcher sich die Theilchen der Lichtmaterie von dem leuchtenden Körper fortbewegen, oder doch als fortbewegend gedacht werden." Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 2054-2055. Online:
- [4] Als Empirismus bezeichnet man die wissenschaftliche Grundhaltung, dass alle Theorie und Vermutungen stets an der sinnlich wahrnehmaren Wirklich überprüft werden müssen. Die Überprüfung können Naturbeobachtungen oder auch gezielte Experimente dienen. In Westeuropa hat sich der Empirismus in seiner heutigen Form erst gut 500 Jahre nach Alhazens Wirken langsam entwickelt. Siehe auch Empirismus ↗
- [5] Diese Definition von Strahl gilt in der heutigen Geometrie: "Halbgerade, in älterem Spachgebrauch auch als Strahl bezeichnet, Teil einer Geraden, der durch einen festen Punkt auf dieser begrenzt wird." In: Guido Walz: Spektrum Lexikon der Mathematik. Band 5: Sed bis Zyl; 2002; ISBN: 3-8274-9437-1. Dort der Artikel zu Strahl. Siehe auch Strahl ↗
- [6] In der Geschichte der Optik gab es auch Definition eines Strahlen, die von der heutigen Festlegung abweichen. In Newtons Definition von ray of light (Lichtstrahl) verbinden sich Teilchen und Strahlenvorstellung: "Are not the Rays of Light very small Bodies emitted from shining Substances? For such Bodies will pass through uniform Mediums in right Lines without bending into the Shadow, which is the Nature of the Rays of Light." In: Isaac Newton: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and colours OF LIGHT. The FOURTH EDITION, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for WILLIAM INNYS at the West-End of St. Paul's. MDCCXXX (1730). Mehr zu Newtons Vorstellung von Licht steht im Artikel zur sogenannten Korpuskeltheorie ↗
- [7] Albert Einstein dachte sich im Jahr 1905 einen Lichtstrahl als Bahn von Lichtteilchen, den Energiequanten: " Es scheint mir nun in der Tat, daß die Beobachtungen über die 'schwarze Strahlung', Photoluminiszenz, die Erzeugung von Kathodenstrahlen durch ultraviolettes Licht und andere die Erzeugung bez. Verwandlung des Lichtes betreffende Erscheinungsgruppen besser verständlich erscheinen unter der Annahme, daß die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei. Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahles die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können." Albert Einstein: Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt. In: Annalen der Physik. Band 322, Nr. 6, 1905, S. 132–148, doi:10.1002/andp.19053220607. Dort die Seite 13r3. Siehe auch Energiequant ↗
- [8] Lichtstrahl als Wellenzug: "Die Verbindung von einem Wasserstoffatom mit einem negativen Elektron ist ein negatives Wasserstoffion, die Verbindung mit einem positiven Elektron ein positives Ion. Die E., namentlich die negativen, sind als sehr leicht beweglich zu denken, so daß sie, falls ein Lichtstrahl, d. h. ein elektrischer Wellenzug, den Körper durchdringt, in Mitschwingung versetzt werden und dadurch dessen Fortpflanzungsgeschwindigkeit beeinflussen." In: der Artikel "Elektron". Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 685-686. Online: http://www.zeno.org/nid/20006546218
- [9] Korpuskel heißt so viel wie kleiner Körper. Tatsächlich bezeichnete man Newtons Vorstellung von Licht als aus kleinen Körpern bestehend später auch als Korpuskeltheorie ↗
- [10] Der Physiker Erwin Schrödinger hielt Lichtstrahlen für ein Phänomen seiner Wellenmechanik: "Nach der Wellentheorie des Lichtes haben die Lichtstrahlen eigentlich nur fiktive Bedeutung. Sie sind nicht physische Bahnen irgendwelcher Lichtteilchen, sondern eine mathematische Hilfskonstruktion, die sogenannten Orthogonaltrajektorien der Wellenflächen, gleichsam gedachte Führungslinien, die an jeder Stele in die Richtung senkrecht zur Wellenfläche weisen, in der letztere fortschreitet…" In: Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Scientia Nova. Oldenbourg. 2008. ISBN 978-3-486-58671-8. Dort im Kapitel "Der Grundgedanke der Wellenmechanik" auf den Seiten 87 und 88.
- [11] Viele gute Argumente für die Vorstellung von Licht aus Strahlen lieferte 1833 auch Rowan Hamilton: "On a general Method of expressing the Paths of Light, and of the Planets, by the Coefficients of a Characteristic Function. By William R. Hamilton, Royal Astronomer of Ireland. [Dublin University Review and Quarterly Magazine, Vol. I, 1833, pp. 795–826.] The law of seeing in straight lines was known from the infancy of optics, being in a manner forced upon men’s notice by the most familiar and constant experience. It could not fail to be observed that when a man looked at any object, he had it in his power to interrupt his vision of that object, and hide it at pleasure from his view, by interposing his hand between his eyes and it; and that then, by withdrawing his hand, he could see the object as before: and thus the notion of straight lines or rays of communication, between a visible object and a seeing eye, must very easily and early have arisen. This notion of straight lines of vision, was of of course confirmed by the obvious remark that objects can usually be seen on looking through a straight but not through a bent tube; and the most familiar facts of perspective supplied, we may suppose, new confirmations and new uses of the principle. A globe, for example, from whatever point it may be viewed, appears to have a circular outline; while a plate, or a round table, seems oval when viewed obliquely: and these facts may have been explained, and reduced to mathematical reasoning, by shewing that the straight rays or lines of vision, which touch any one given globe and pass through any one given point, are arranged in a hollow cone of a perfectly circular shape; but that the straight rays, which connect an eye with the round edge of a plate or table, compose, when they are oblique, an elliptical or oval cone. The same principle, of seeing in straight lines, must have been continually employed from the earliest times in the explanation of other familiar appearances, and in interpreting the testimony of sight respecting the places of visible bodies. It was, for example, an essential element in ancient as in modern astronomy.
- [12] Hamilton definiert seine Lichtstrahlen (rays of light): "it has become an established theorem, fundamental in optical science, that the communication, whether between an illuminating body and a body illuminated, or between an object seen and a beholding eye, is effected by the gradual but very rapid passage of some thing, or influence, or state, called light, from the luminous or visible body, along mathematical or physical lines, usually called rays, and found to be, under the most common circumstances, exactly or nearly straight." In: Hamilton, William Rowan, Sir (1833). On a general method of expressing the paths of light, & of the planets, by the coefficients of a characteristic function. Printed by P.D. Hardy.