Exokortex
Transhumanismus
Basiswissen
Als Exokortex bezeichnet man eine technische Erweiterung des menschlichen Gehirns durch tragbare oder implantierte Computer[1]. Dabei sollen sich die mentalen Prozesse des alte Gehirns auch auf die künstlich geschaffene Erweiterung ausdehnen[2]. Die Verbindung von lebenden Menschen mit maschinellen Bauteilen bezeichnet man auch als Cyborg.
Zur Funktion eines Exokortex
Exo heißt so viel wie außen und Kortex, auch Cortex[5], steht wahlweise für die gesamte Hirnrinde[6] oder einschränkend auch nur für Großhirnirnde[4]. Der Kortex ist der Teil des Gehirns, das man von außen sehen kann. Die höheren Denk- und Sprechfähigkeiten des Menschen sind vor allem im Kortex der Großhirnrinde angelegt[4], während das Kleinhirn insgesamt für die Feinmotorik zuständig ist, aber auch eine Rolle für die Emotionen[7] spielt. Damit ist die Funktionalität eines Exokortex umrissen:
MERKSATZ:
1.0 Ein Exokortex als Ergänzung des menschlichen Kortex (Kleinhirnrinde + Großhirnrinde) unterstützt oder erweitert kognitive, motorische und emotionale Fähigkeiten.
1.0 Ein Exokortex als Ergänzung des menschlichen Kortex (Kleinhirnrinde + Großhirnrinde) unterstützt oder erweitert kognitive, motorische und emotionale Fähigkeiten.
Andere Funktionen des Gehirns, wie etwa die Regelung der Verdauung, sollten damit nicht zu den Funktionen eines Exortex im eigentlichen Sinn des Wortes gehören. Sollen solche Funktionen mitbetrachtet werden, spricht man passender von einem Exobrain[9].
Der Exokortex als transhumanistische Vision
Neben unstrittigen, rein medizinischen Anwendung, steht die Idee von einem Exokortex auch für Visionen einer Erweiterung oder Überwindung gegenwärtiger menschlicher Gehirnleistungen. So soll ein Exokortex zum Beispiel durch eine direkte physikalische Verbindung mehrerer Gehirne die Verschmelzung mehrerer Bewusstseine ermöglichen[10].
MERKSATZ:
2.0 Der erhoffte Nutzen reicht von der Unterstützung menschlicher Fähigkeiten bis zur Verschmelzung unterschiedlicher Bewusstseine.
2.0 Der erhoffte Nutzen reicht von der Unterstützung menschlicher Fähigkeiten bis zur Verschmelzung unterschiedlicher Bewusstseine.
Ein anderes Beispiel für transhumanistische Visionen ist das langsame Übersiedeln bewusster Prozesse auf künstliche geschaffene Hirnstrukturen. Über ein solches Mind uploading[11] könnte ein Mensch zumindest theoretisch unsterblich werden[13]. Letztendlich könnte so die Individualität von Menschen verschwimmen[12] und ein Exokortex wäre vielleicht nur ein Zwischenschritt für ein kollektives Bewusstsein ↗
Der Exokortex als erweiterter Geist
Aus philosophischer Sicht ist ein Exokortex ein sogenannter erweiterter Geist[14]. Nach dieser Idee werden auch scheinbar tote Gegenstände wie etwa ein Funktelefon oder bereits ein Notizblock zu Erweiterungen des menschlichen Geistes. Wesentlich ist, dass sie ihrer Funktion nach an kognitiven Prozessen, also etwa an Denkvorgängen, teilhaben.
MERKSATZ:
3.0 Alles was an kognitive Prozessen teilhat, kann als erweiterter Geist angesehen werden.
3.0 Alles was an kognitive Prozessen teilhat, kann als erweiterter Geist angesehen werden.
Dabei ist Geist (im Englischen mind) ist hier aber nicht zwangsläufig mit bewussten Prozessen gleichzusetzen, sondern eher mit Denkprozessen oder einem bloßen Wissensspeicher. Damit wird schon ein Buch zu einem erweiterten Geist. Siehe mehr zu diesem philosophischen Gedanken unter erweiterter Geist ↗
Der Exokortex als erweiterter Bewusstsein
Ob ein Exokortex im Sinne eines erweiterten Geistes auch bewusste Prozesse über das Gehirn hinaus selbst tragen kann, ist eine offene Frage[15], die einige Autoren auch verneinen[16].
MERKSATZ:
4.0 Bewusstsein kann man nicht messen. Niemand weiß sicher, welche Funktion Bewusstsein hat.
4.0 Bewusstsein kann man nicht messen. Niemand weiß sicher, welche Funktion Bewusstsein hat.
Was zurzeit jeder ernsthaften Beantwortung der Frage nach bewussten Maschinenteilen fehlt, ist ein Messverfahren, mit dem man eindeutig feststellen kann, ob ein Lebewesen oder ein Objekt Bewusstsein hat[17]. Obwohl es vorsichtige Vorschläge gibt[18] entzieht sich das Phänomen des Bewusstseins jeder empirischen, das heißt auch jeder naturwissenschaftlichen Fassbarkeit. Darüberhinaus ist völlig unklar, wozu Bewusstsein letztendlich dienen soll[19]. Siehe auch Bewusstsein ↗
Persönliche Einschätzung
Dass eine beträchtliche technologische Erweiterung des Gehirns irgendwann möglich sein wird halte ich[21] für sicher. Man wird künstliche Sinnesorgane direkt an das Gehirn anschließen können, Motoren oder Bildschirme ganz über Gedankenkraft steuern und wohl auch künstliche Erinnerungen nutzen können. Ob aber eine rein intellektuelle Aufrüstung auch zu mehr Glück und Erfüllung führt, ist zumindest zweifelhaft[20]. Die mich bewegende Frage ist weniger, ob oder wann all das möglich sein wird[22], sondern eher Das Große Wozu ↗
Fußnoten
- [1] Zur Definition eines Exokortex: "An exocortex is a wearable (or implanted) computer, used to augment a brain's biological high-level cognitive processes and inform a user's decisions and actions." Der hier zitierte Konferenzartikel geht weiter auch auch den Schutz der Privatsphäre der erweiterten Person ein. In: T. Bonaci, J. Herron, C. Matlack and H. J. Chizeck, "Securing the exocortex: A twenty-first century cybernetics challenge," 2014 IEEE Conference on Norbert Wiener in the 21st Century (21CW), Boston, MA, USA, 2014, pp. 1-8, DOI: 10.1109/NORBERT.2014.6893912.
- [2] Ein Exokortex als Teil einer technisch realisierten Geistverschmelzung (Coalescing minds) über eine sensorische Verbindung von verschiedenen Gehirnen: "An exocortex may also prove to be the easiest route for mind uploading, as a person’s personality gradually moves away from the aging biological brain and onto the exocortex. Memories might also be copied and shared even without minds being permanently merged. Over time, the borders of personal identity may become loose or even unnecessary." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. 2012. “Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios.” International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Online: https://intelligence.org/files/CoalescingMinds.pdf
- [3] Das Motiv künstlich erweiterter Gehirne wurde bereits im Jahr 1930 von dem englischen Philosophen William Olaf Stapledon betrachtet. In einer fiktiven Zukunft der Menschheit wird es eine Vierte Rasse geben, die ihre Gehirne bis zu Hausgröße erweitert. Letztendlich geht diese Rasse aber an ihrer eigenen Überspanntheit zugrunde. In: William Olaf Stapledon: Last & First Men: A Story of the Near & Far Future. Methuen & Co Ltd, London. 1930. Siehe auch William Olaf Stapledon ↗
- [4] "Die Großhirnrinde, auch Kortex genannt, gilt als Sitz von Intelligenz und Bewusstsein. Hier lernen und denken wir, machen uns ein Bild von unserer Umwelt, steuern bewusstes Verhalten und speichern Erinnerungen." In: Thalamus hilft dem Großhirn beim Lernen. Anders als lange gedacht finden Lernvorgänge nicht ausschließlich im Kortex statt." Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 13. November 2017.
- [5] "Großhirnrinde, Cortex cerebri, Cortex cerebralis, die bei Betrachtung eines Gehirns dem Betrachter zugewandte, äußere Seite des Großhirns des Menschen und anderer Säuger, die sich wie eine Rinde (Cortex) über die anderen Bestandteile des Vorderhirns (Prosencephalon) legt […]. Sie besteht aus einer etwa 2 mm dicken Schicht von grauer Substanz. Diese enthält etwa 10–14 Milliarden Nervenzellen und zehnmal soviele Gliazellen." Das Volumen der Großhirnrinde liegt bei rund 530 cm³. Anmerkung: die Angaben in dem Lexikon würden bei gleichmäßiger Dicke eine Fläche von über 2500 Quadratzentimetern ergeben. In: Spektrum Lexikon der Biologie. Abgerufen am 1. März 2024. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/grosshirnrinde/29511
- [6] Kortex, bestehen aus Großhirnrinde und Kleinhirnrinde: "Die Hirnrinde – auch Kortex oder Cortex (lateinisch cortex ‚Rinde‘), Hirnmantel oder Pallium (lateinisch pallium ‚Mantel‘) – ist eine Ansammlung von Nervenzellen, die sich als dünne Rindenschicht am äußeren Rand des Groß- und Kleinhirns befindet. Die Großhirnrinde heißt lateinisch Cortex cerebri, die Kleinhirnrinde Cortex cerebelli." In: Der Artikel "Hirnrinde" in Wikipedia. Abgerufen am 2. März 2024. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Hirnrinde
- [7] Das Kleinhirn dient der Steuerung von Bewegung, spielt aber auch eine wichtige Rolle für die Emotionen: "The cerebellum, which was initially considered to be mainly involved in motor coordination and execution, is now recognized as an associative centre for higher cognitive and emotional functions even in the developing brain" In: Koziol, L.F., Budding, D., Andreasen, N. et al. Consensus Paper: The Cerebellum's Role in Movement and Cognition. Cerebellum 13, 151–177 (2014). DOI: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4089997/" target="_new">https://doi.org/10.1007/s12311-013-0511-x. Online: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4089997/
- [8] Fouad Sabry: Exocortex. Herausgegeben von One Billion Knowledgeable. 362 Seiten. 2022. EAN: 661000037919. Der Untertitel deutet klar an, dass ein exokortex außerhalb des eigentlichen Gehirn liegt: "The twenty-first century cybernetics external information processing system that augments the brain's cognitive processes".
- [9] Sollen alle Funktionen des Gehirns in einer von außen unterstütztenden Technologie untergebracht werden, eignet sich besser der Begriff des Exobrains. Zum Beispiel betrachen manche Autoren künstliche Intelligenz wie ChatGPT als ein Exobrain. In: Lichtfouse, E., Gong, C., Qiu, W. et al. Exobrains for research evaluation and paper writing. In: Environ Chem Lett (2023). DOI: https://doi.org/10.1007/s10311-023-01672-5
- [10] Zur Idee der Geistverschmelzung: "We propose that one way mind coalescence might happen is via an exocortex, a prosthetic extension of the biological brain which integrates with the brain as seamlessly as parts of the biological brain integrate with each other." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. 2012. “Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios.” International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Siehe auch Geistverschmelzung ↗
- [11] Zur Idee des Mind uploaden, des Hochladens von Bewusstsein: "An exocortex may also prove to be the easiest route for mind uploading, as a person’s personality gradually moves away from the aging biological brain and onto the exocortex." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios. In: International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. 2012.DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Siehe auch Mind uploading ↗
- [12] Auf dem Weg zu einem globalen Bewusstsein? "Over time, the borders of personal identity may become loose or even unnecessary." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios. In: International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. 2012.DOI: doi:10.1142/S1793843012400173. Was hier anklingt ist ein kollektives Bewusstsein ↗
- [13] Der Exokortex als Mittel zur Unsterblichkeit: "As an exocortex-equipped brain aged, degenerated and eventually died, an exocortex could take over its functions, until finally the original person existed purely in the exocortex and could be copied or moved to a different substrate." In: Sotala, Kaj, and Harri Valpola. Coalescing Minds: Brain Uploading-Related Group Mind Scenarios. In: International Journal of Machine Consciousness 4 (1): 293–312. 2012.DOI: doi:10.1142/S1793843012400173.
- [14] Das Konzept eines erweiterten Geistes wurde unter anderem von den Philosophen Andy Clark und David Chalmers mit entwickelt. Sie fragen sich, wo der Geist eines Menschen endet und die Welt beginnt (Where does the mind end and the rest of the world begin?). Ihnen zufolge ist es nun interessant, nicht die Grenze am Schädelknochen (skull) anzusetzen, sondern nach der Teilnahme außerhalb des Schädelknochen liegender Dinge an kognitiven Prozessen zu fragen. Er spricht von einem Externalismus (an active externalism, based on the active role of the environment in driving cognitive processes). Ein Beispiel: jemand betrachtet auf einem Computerbildschirm Figuren, die ähnlich wie Puzzle-Stücke so einander zugeordnet werden sollen, dass sie geometrisch zueinander passen. In einer ersten Version kann ein Betrachter die Figuren nur sehen. In einer zweiten Version kann der Betrachter die Figuren, etwa über eine Tastatur auch drehen. Und in einer dritten, fiktiven Version ist der Betrachter über ein Neuroimplantat mit dem Computer verbunden. Das Autoren fragen nach der Menge an Kognition in allen drei Beispielen (how much cognition is present) und argumentieren, dass es hier nur fließende Übergänge aber keine scharfe Grenze (fundamentally differen) gibt. Entsprechend deuten sie alle drei Versionen als Ausdruck eines erweiterten Geistes. In: Clark, Andy, and David Chalmers. “The Extended Mind.” Analysis, vol. 58, no. 1, 1998, pp. 7–19. JSTOR, http://www.jstor.org/stable/3328150. Accessed 2 Mar. 2024. Siehe auch Erweiterter Geist ↗
- [15] The focus of the original argument for the Extended Mind thesis was the case of beliefs. It may be asked what other types of mental features can be extended. Andy Clark has always held that consciousness cannot be extended. This paper revisits the question of extending consciousness". In: Katalin Farkas: Extended mental features. In: Matteo Colombo, Elizabeth Irvine, & Mog Stapleton (eds.) Andy Clark & Critics Oxford. University Press 2019. Dort die Seiten 44-55.
- [16] "Is consciousness all in the head, or might the minimal physical substrate for some forms of conscious experience include the goings on in the (rest of the) body and the world? […]. In this article, I review a variety of arguments for the extended conscious mind, and find them flawed. Arguments for extended cognition, I conclude, do not generalize to arguments for an extended conscious mind." In: Clark, Andy. “Spreading the Joy? Why the Machinery of Consciousness Is (Probably) Still in the Head.” Mind, vol. 118, no. 472, 2009, pp. 963–93. JSTOR. Online: http://www.jstor.org/stable/40542036
- [17] Zum Problem der Messung von Bewusstsein siehe zum Beispiel: Anil K. Seth et al.: Measuring consciousness: relating behavioural and neurophysiological approaches. In: Trends in Cognitive Sciences. Volume 12, Issue 8. 2008. Dort die Seiten 314 bis 321. ISSN 1364-6613. DOI: https://doi.org/10.1016/j.tics.2008.04.008.
- [18] Stanislaw Dehaene: Wie das Gehirn Bewusstsein schafft (Englisch: Consciousness and the Brain). Verlag von Albrecht Knaus. 2014. ISBN: 978-3813504200.
- [19] Das Bewusstsein in irgendeiner Weise mit sogenannen nicht-berechenbaren Problemen in Verbindung steht ist ein Fazit das der Mathematiker Roger Penrose (geboren 1931) am Ende eines langen und sehr tiefgründigen Buches zieht. Siehe dazu Computerdenken ↗
- [20] Dass eine zügellos wuchernde Intellektualität in Form ständig verbesserter Gehirne den Sinn des Lebens verfehlen könnte beschrieb der Philosoph und Pionier der Science Fiction, William Olaf Stapledon in einem Roman aus dem Jahr 1930. Ich halte Stapledons Gedanken für so tiefsinnig, dass ich sie hier etwas ausführlicher darstellen möchte. In einer fiktiven Zukunft verfolgt die Menschheit das Projekt von einem "super-brain". Durch Manipulation der Biologie wurde ein abnormes Wachstum des Großhirns erreicht: By inhibiting the growth of the embryo's body, and the lower organs of the brain itself, and at the same time greatly stimulating the growth of the cerebral hemispheres. Letztendlich waren dieses künstlich geschaffene Wesen fast nur noch Großhirn mit kleinen Händen und Füßen daran. Die Ernährung fand technisch statt: A chemical factory poured the necessary materials into its blood. Die Beatmung erfolgte durch große Räume mit elektrischen Lüftern: Its lungs consisted of a great room full of oxidizing tubes, through which a constant wind was driven by an electric fan. Am Ende bewohnten diese Gehirne Türme von 13 Metern Durchmesser: a roomy turret of ferro-concrete some forty feet in diameter. Und dann übernimmt dieses Gehirn die Geschicke der Menschheit: At first he interested himself not at all in the affairs of the society which maintained him, served his every whim, and adored him. But in time he began to take pleasure in suggesting brilliant solutions of all the current problems of social organization. His advice was increasingly sought and accepted. He became autocrat of the state. His own intelligence and complete detachment combined with the people's superstitious reverence to establish him far more securely than any ordinary tyrant. He cared nothing for the petty troubles of his people, but he was determined to be served by a harmonious, healthy and potent race. Das Große Gehirn löst letztendlich auch die großen Fragen der Philosophie: He measured the cosmos; and with his delicate instruments he counted the planetary systems in many of the remote universes. He casually solved, to his own satisfaction at least, the ancient problems of good and evil, of mind and its object. Seine philosophischen Erkenntnisse teilt das Große Gehirn auch den Menschen mit, den Überblick hat aber nur das Große Gehirn selbst: But the co-ordination of all, and true insight into each, lay with the great brain alone. Nach gut 3000 Jahren solitärer Existenz veranlasste das Große Gehirn, dass einige zehntausend ähnliche Geschöpfe auf der ganzen Erde verteilt erschaffen werden. Durch eine Art künstlicher Endosymbiose verinnerlichten sich die Wesen eine ehemals parasitäre Lebensform vom Mars und verbanden sich mit großen Radioapparaturen. Dadurch waren die ortsfesten Großen Gehirne telepathisch miteinander verbunden. Diese Kreaturen bildeten nun die Vierte Menschheit. Ihre ursprünglicher Erschaffer, die Dritte Menschheit, fristete ein mehr oder minder bedeutungsloses Dasein (serf-population, menials): In the service of this world-wide population, those races of Third Men which had originally co-operated to produce the new human species, tilled the land, tended the cattle, manufactured the immense material requisites of the new civilization, and satisfied their spirits with an ever more stereotyped ritual of their ancient vital art. This degradation of the whole race to a menial position had occurred slowly, imperceptibly. But the result was none the less irksome. Occasionally there were sparks of rebellion, but they always failed to kindle serious trouble; for the prestige and persuasiveness of the Fourth Men were irresistible. Der Niedergang der Vierten Menschheit setzte ein, als diese von wissenschaftlicher Neugier getriebene Rasse die Grenzen ihrer eigenen Erkenntnisfähigkeit erahnte: Indeed, it began to dawn on them that they had scarcely plumbed a surface ripple of the ocean of mystery. Their knowledge seemed to them perfectly systematic, yet wholly enigmatic. They had a growing sense that though in a manner they knew almost everything, they really knew nothing. Einen Ausweg in nicht-intellektuelle Freuden des Lebens gab es für die großen Gehirne nicht: The normal mind, when it experiences intellectual frustration, can seek recreation in companionship, or physical exercise, or art. But for the Fourth Men there was no such escape. These activities were impossible and meaningless to them. The Great Brains were whole-heartedly interested in the objective world, but solely as a vast stimulus to intellection, never for its own sake. Die Großen Gehirn lebten nur für Intellektualität: Nay, of each one of them it might almost be said that he cared even for himself solely as an instrument of knowing. Many of the species had actually sacrificed their sanity, even in some cases their lives, to the obsessive lust of intellection. Als die Großen Gehirne noch mehr Ressourcen der Erde für ihre intellektuellen Abenteuer vereinnahmen möchte, kommt es zum Aufstand der Dritten Menschheit. Der Plan klingt zunächst einfach: man kappt einige wenige Energieverbindung (power cables) zu den unterirdischen Kraftwerken und stellt die Versorgung der Großen Gehirne mit Nahrung ein. Dann würden diese von alleine absterben. Doch die Großen Gehirne bedienten sich einiger der Dritten Menschen, die besonders empfänglich für Fremdsteuerung waren, eine ehemals religiöse Kase, als willige Waffen. Nach nur kurzer Zeit waren keine Rebellen mehr am Leben: The remnant of original servants discovered too late that they had been helping to produce their supplanters. Doch nach der Niederschlagung des Auftand wurde den Großen Gehirnen wieder ihre intellektuelle Frustration bewusst: they were practically no nearer the ultimate truth than their predecessors had been. Both were infinitely far from it. Und ihre Intelligenz alleine half nicht weiter: Evidently something more than mere bulk of brain was needed for the solving of the deeper intellectual problems. Was den Großen Gehirnen jenseits ihrer Intellektualität fehlte war Einsicht in Werte: Little by little the Fourth Men began to realize that what was wrong with themselves was not merely their intellectual limitation, but, far more seriously, the limitation of their insight into values. So fassten sie den Entschluss, eine neue, eine Fünfte Menschheit zu entwerfen, die neben den Freuden des Intellekts auch die Freuden des Miteinanders, an Gegenständen der Welt und an körperlicher Aktivität haben sollte: Thus it came about that the artificial Fourth Men began to work in a new spirit upon the surviving specimens of the Third Men to produce their own supplanters. Dieses Kapitel aus Stapeldons Klassiker ist auf zwei Weisen bemerkenswert. Es nimmt die Idee einer Technologischen Singularität vorweg und des fasst klar den Gedanken, dass reine Intellektualität ohne gelebte Werte nicht zur Erfüllung führt. Die Zitate stammen alle aus dem Kapitel: "Chapter XI. Man Remakes Himself. 1. The First of the Great Brains" In: William Olaf Stapledon: Last And First Men. Auf Englisch zuerst veröffentlicht im Jahr 1930. Deutsch: Die letzten und die ersten Menschen. Heyne (Bibliothek der Science Fiction Literatur), 1983, ISBN 3-453-30960-X. Siehe auch William Olaf Stapledon ↗
- [21] Das Pronomen Ich steht hier für Gunter Heim ↗
- [22] Ich sehe eine Welt um mich herum, in der unaufhaltsam getrieben von Zwängen zur Effizienz (Militär, wirtschaftlicher Wettbewerb) und Konsumfreuden der Einsatz von transhumanistischen Technologien unausweichlich ist. Ganz unklar ist mir, ob das ganze Teil eines wohlwollenden Weltprozesses hin zu einem guten Ende ist, oder die wir uns mit dem technologischen Fortschritt als Menschen selbst abschaffen und das möglicherweise eine Sackgasse ist. Über diesen zwei Extremen schwebt bei mir die vage Idee, dass a) der Geist, das Bewusstein nicht an menschlichen Körpern hängen und b) der Geist der eigentliche Hauptakteur im kosmischen Geschehen ist oder sein sollte. Weiterführende Erkenntnisse erhoffe ich mir vor allem von einer stärker philosophischen Betrachtung der Physik. Siehe dazu auch Zeilingers Kant-Forderung ↗