Wissenschaft
Definitionen
Basiswissen
Als Wissenschaft bezeichnet man den dauerhaft organisierten kollektiven Erwerb von Wissen und die Verfügbarmachung desselben für andere Menschen. Diese und konkurrierende Definitionen werden hier kurz vorgestellt.
Wissenschaft als Wissenskörper
In einem deutschen Lexikon aus dem Jahr 1994 heißt es: "Das Wort Wissenschaft bezeichnet die Gesamtheit des menschlichen Wissens, der Erkenntnisse und der Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch erweitert, gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird."[1] Nach dieser Definition könnten etwa auch manche Kochbücher zu Wissenschaft zählen. Dieser Definition fehlt eine Präzisierung der Art des Wissenserwerbs. Den Mangel dieser Sicht kritisierte zum Beispiel Orwell Wissenschaft (George Orwell) ↗
Wissenschaft als Denkmethode
Das Bundesverfassungsgericht definiert Wissenschaft als "„Alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist [...]"[2]. Sie ist ein Gemeinschaftsunternehmen vieler Personen[4], das Generationen überdauert. Nach dieser Auffassung ist Wissenschaft eher eine Methode, eine Denkhaltung. Sie ist auch nicht auf bestimmte Disziplinen wie Physik, Mathematik oder Chemie begrenzt. Vielmehr kann sie als Denkweise auf alle Denkgegenstände angewandt werden. Eine Liste von Eigenschaften guter Wissenschaft steht unter dem Adjektiv wissenschaftlich ↗
Wissenschaft nach Disziplinen
Biologie, Germanistik, Mineralogie oder Psychologie: fasst man Wissenschaft als eine geregeltes Denken zur Erweiterung begründbarer Wissensbestände auf, stellt sich die Frage nach den verwendeten Denkregeln. Hier unterscheiden sich die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen voneinander[3]. Ein guter Zugang zum Wesen einer speziellen Fachdisziplin sind ihre vorrangigen Wahrheitskriterien ↗
Wissenschaft als Denkhaltung
"... wissenschaftliche Ausbildung sollte das Einfpflanzen einer rationalen, skeptischen und experimentellen Denkhaltung sein. Wissenschaft ist eine Art auf die Welt zu blicken, und nicht einfach nur ein Wissenkörper[5]." So forderte der englische Schriftsteller George Orwell im Jahr 1945. Mehr dazu unter Wissenschaft (George Orwell) ↗
Fußnoten
- [1] Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., Mannheim, 1994.
- [2] BVerfGE 35, 79 (112)
- [3] Markus Arnold; RolandFischer. Disziplinierungen: Kulturen der Wissenschaft im Vergleich (Kultur. Wissenschaften). 2004. ISBN 978-3851323900.
- [4] Ludwik Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung herausgegeben von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft. Nr. 312). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-07912-3, S. 168.
- [5] George Orwell: What is Science (Tribune, October 26th, 1945). In: George Orwell. Essays. Everyman Library. 242. Herausgegeben von Alfred A. Knopf. 2002. ISBN: 978-1-85715-242-5. Seite 907 ff.
- [6] John Desmond Bernal: Emergence of Science. 1971. Siehe auch John Desmond Bernal ↗
- [7] T. C. Chamberlin: The method of multiple working hypotheses. In: Science. 15 (366) 1890. Seiten 92 bis 96. doi:10.1126/science.ns-15.366.92
- [8] Vom Sinn und Nutzen von Wissenschat. In: Richard P. Feynman: Kümmert Sie, was andere Leute denken?. Neue Abenteuer eines neugierigen Physikers. Piper Verlag. München. 1991. ISBN: 3-492-03371-7. In dem 10-seitigen Kurzkapitel legt der Physiker Richard Feynman unter anderem dar, warum Wissenschaftler nicht besser beim Lösen gesellschaftlicher Fragen sind als andere Menschen.
- [9] Im Jahr 1801 war der Begriff Wissenschaft noch stark an Personen gebunden: "Die Wissenschaft, plur. die -en. 1. Der Zustand, da man etwas weiß, Kenntniß, Nachricht davon hat; ohne Plural. Ich habe keine Wissenschaft von der Sache, oder, um dieselbe. Etwas zu jedermanns Wissenschaft bekannt machen, damit jedermann es wisse. Es fängt in dieser Bedeutung an, im Hochdeutschen zu veralten; vermuthlich um der Zweydeutigkeit mit den folgenden Bedeutungen Willen. Im Oberdeutschen ist es noch für Andenken üblich. Denenselben ruhet in gnädigster Wissenschaft, in gnädigem Andenken. 2. Der Inbegriff dessen, was man im engern Verstande weiß, der Inbegriff der klaren und deutlichen Begriffe, welche man hat, besonders die Einsicht in den Zusammenhang allgemeiner Begriffe; auch ohne Plural. Ein Mann von vieler Wissenschaft. Alle seine Wissenschaft verlieren. Auch diese Bedeutung kommt wenig mehr vor. Am häufigsten gebraucht man das Wort noch, 3. Objective, von dem Inbegriffe in einander gegründeter allgemeiner Wahrheiten, wodurch sich die Wissenschaft von der Kunst unterscheidet, indem diese bloß Ausübungssätze, jene aber in einander gegründete allgemeine Wahrheiten enthält. Es gibt demnach so viele Wissenschaften, als allgemeine Wahrheiten, wie Wahrheiten Einer Art, und in einander gegründet betrachtet werden." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1582. Online: http://www.zeno.org/nid/2000053871X
- [10] Im Jahr 1865 überwiegt der objektive, überindividuelle Aspekt: "Wissenschaft, bezeichnet im allgemeinen jeden Inbegriff von Kenntnissen od. Erkenntnissen. Da die Gegenstände der Erkenntniß überaus mannigfaltig sind u. alles Wissen entweder von der Erfahrung ausgeht od. auf dieselbe zurückbezogen wird, so erstreckt sich das Gebiet der W-en zunächst auf das gesammte Gebiet der Erfahrung, u. die Unterscheidung der einzelnen W-en richtet sich nach der Verschiedenheit der Gegenstände, auf welche sie sich beziehen. Diese durch die Verschiedenheit der Gegenstände bestimmten einzelnen W-en bezeichnen z.B. die Worte Astronomie, Geographie, Heraldik, Physiologie, Chemie etc.;" In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 294-296. Online: http://www.zeno.org/nid/20011298707