Translunar
Philosophie
Basiswissen
Translunar heißt wörtlich so viel im jenseits des Mondes. Als philosophischer Begriff steht translunar für die antike bis mittelalterliche Idee, es jenseits der Bahn des Mondes um die Erde einen kosmischen Bereich mit gänzlichen anderen Gesetzen als auf der Erde gibt. Das ist hier kurz vorgestellt.
Der geteilte Kosmos: die sub- und translunar Welt
Seit der Zeit von Platon (428 bis 348) habe sich in der antiken Welt die Idee verfestigt, dass die Himmelskörper auf Sphären, das heißt Kugelschalen, um die Erde laufen[1]. Für die Welt der Himmelskörper galten dabei ganz andere physikalische Gesetze als für die Welt auf der Erde[2]. Während etwa die Himmelskörper ihre Bewegung auf den idealen gedachten Kreisbahnen in aller Ewigkeit fortsetzen konnten[3], galt das für Bewegungen auf der Erde nicht: hier musste die Bewegung immer wieder erneuert werden, durch Kraft und Aufwand. Da der Mond als der erdnächste Körper im Himmel gedacht wurde, bezeichnete man die himmlische Welt des Mondes und dahinter auch als die translunare Welt. Das Translunare wurde dabei auch gleichgesetzt mit Begriffen wie ewiglich, unveränderlich[4], himmlisch, perfekt, ideal oder göttlich. Man sprach dazu passend von einer Sphärenmusik, einer Harmonie der Sphären oder kurz der Weltharmonie ↗
Newton als Zerstörer der translunaren Welt
Spätestens im 17ten Jahrhundert war die translunare Welt, eine Welt der himmlischen Sphären unter gebildeten Menschen eine überkommene Vorstellung. Für die Bewegung der Körper im Himmel gelten nicht etwa eigene Gesetze wie das von der idealen Kreisbahn sondern auf der Erde und im Himmel gehorcht alles nur den Gesetzen der Schwerkraft. Und ohne Reibung würde auch ein Körper auf der Erde in aller Ewigkeit geradeaus weiterfliegen, ohne seine Bewegung zu verlieren. Was Newton ikonisch mit seinen drei Axiomen zusammenfasste, hatte eine lange Vorgeschichte. Anhand der sogenannten Impetustheorie kann man das gut über die Jahrhunderte nachvollziehen. Die Impetustheorie - von Newton endgültig überwunden - ging davon aus, dass sich bei einer Bewegung auf der Erde irgendetwas mit der Zeit verbraucht, was ständig nachgeliefert werden muss, soll die Bewegung nicht zu Ende kommen. Dieses Etwas nannte man den Impetus. Siehe mehr dazu unter Impetustheorie ↗
Fußnoten
- [1] "Als ‹sublunar› bzw. ‹translunar› werden in der antiken und mittelalterlichen Kosmologie die beiden Hauptregionen des Kosmos, deren Grenze die Mondsphäre bildet, bezeichnet." In: Brigitte Hoppe (1998): «Sublunar/translunar», in: J. Ritter/K. Gründer (Hg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 10, Sp. 481-, Basel: Schwabe Verlag.
- [2] "In der Antike galt irdische Physik nur für die Erde und eine völlig andere 'Himmelsphysik' für den Himmel." Erst später entstand die heutige, klassische "Physik, die für Erde und Himmel dieselben Gesetze hat. Das war ja das Revolutionäre an Newtons Mechanik 1687." In: Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Herausgegeben vom Deutschen Museum in München, über die Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. 1983. Dort die Seite 31.
- [3] Johannes Buridanus: Questions on the Eight Books of the Physics of Aristotle: Book VIII Question 12. English translation in Clagett's 1959 Science of Mechanics in the Middle Ages. Seite 536. Dort heißt es: "God, when He created the world, moved each of the celestial orbs as He pleased, and in moving them he impressed in them impetuses which moved them without his having to move them any more...And those impetuses which he impressed in the celestial bodies were not decreased or corrupted afterwards, because there was no inclination of the celestial bodies for other movements. Nor was there resistance which would be corruptive or repressive of that impetus."
- [4] "Wenn ferner die Ortsbewegung des Himmels deshalb das Maß der (anderen) Bewegungen ist, weil sie allein kontinuierlich, gleichmäßig und ewig ist […]" IAristoteles schreibt recht redundant. Kernannahmen wiedreholt er mehrfach in seinem Werk. Die hier zitierte Stelle ist damit nur eine von mehreren mit derselben Aussage. In: Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach. Herausgegeben von Hellmut Flashar. Band 12. I. Teil III Über den Himmel. Übersetzt und Erläutert von Alberto Jori. Akademie Verlag. Berlin. 2009. ISBN: 978-3-05-004303-6. Dort 287a. Seite 62.
- [5] Als man im Jahr 1572 plötzlich und für kurze Zeit einen neuen Stern am Himmel sah (es war eine Supernova), lieferte dies ein Argument dafür, dass der Himmel nicht ewiglich und unverdänderlich ist. In einem wissenschaftlichen Artikel über den Wandel des Weltbildes um die Zeit Newtons heißt es dazu: "But if in the translunar region changes can occur, so the possibility to describe it by means of mathematics is not the consequence of its changelessness, as Aristotle claimed. According to Aristotle the skies can be described mathematically, because they consist of a special substance, and therefore are changeless. However, when the skies may change, this means that the possibility to describe them by means of mathematics is unrelated to their changelessness. Therefore it may be possible to describe mathematically also the terrestrial phenomena." In: Ladislav Kvasz: Galileo, Descartes, and Newton-founders of the language of physics. December 2012. Acta Physica Slovaca 62(6):519-614. DOI: 10.2478/v10155-012-0001-6. Tatsächlich war der neue Stern eine sogenannte Supernova ↗