Inzidentelles Lernen
Psychologie
Basiswissen
Als inzidentell[1] bezeichnet man ein Lernen, das in keinem direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen Lernziel steht. Das inzidentelle Lernen ist „beiläufig“[2], ohne dass dabei die „Aufmerksamkeit bewusst auf den Lerngegenstand“ gerichtet ist. Das inzidentelle Lernen wird in IQ-Test oft speziell getestet[4]. Hier wird kurz erörtert, welche Rolle das inzidentelle Lernen im Zusammenhang mit einer Hochbegabung spielen könnte.
Hochbegabt und trotzdem Nobenprobleme
Seitdem wir im Jahr 2010 unsere Lernwerkstatt in Aachen[5] eröffnet haben, lernen wir pro Jahr vielleicht 2 bis 3 Kinder und Jugendliche mit einem gemessenen IQ von über 120 bei gleichzeitig großen Problemen mit der Schulmathematik kennen[6]. Auffällig sind hier vor allem drei häufige Phänomene: a) viele (nicht alle) der Schüler sind auffällig gut im Kopfrechnen, b) viele der Schüler empfinden den Schulstoff als zusammenhangslos und c) viele dieser Schüler arbeiten nicht gerne mit begrenzter Bearbeitungsdauer.
1.0 Viele Schüler mit hohem IQ haben Probleme in der Schule.
Umgekehrt kann man sagen, dieselben Schüler, die sich oft ganz der Schule verweigern, arbeiten stundenlang an sehr schweren Aufgaben, wenn a) analog schätzendes rechnen eine Rolle spielen darf, b) der Lernstoff Teil einer interessanteren Fragestellung ist und c) man solange an Problemstellung arbeiten kann, wie man will.
2.0 Viele Schüler mit hohem akzeptieren den Schulstoff unter günstigen Bedingungen.
Der Bezug zum inzidentellen Lernen ist hier, dass der behandelte Stoff immer als Teil einer höheren Fragestellung betrachtet werden sollte, der vom Lernenden selbst als wichtig oder interessant betrachtet wird. Für diese Schüler ist der bloß Notenerfolg alleine nicht interessant.
fußnoten
- [1] Nach dem digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache heißt inzidentell so viel wie "überwiegend auf die Details einer Sache gerichtet". Abgerufen am 6. Mai 2024. Online: https://www.dwds.de/wb/inzidentell
- [2] Als inzidentelles Lernen bezeichnet man das "Einprägen von Sachverhalten ohne Lernanweisung, z. B. das beiläufige Lernen von Begleitumständen, die mit der gewünschten Tätigkeit oder dem Verhaltensziel in keiner direkten Beziehung standen." In: Spektrum Lexikon der Neurowissenschaften. Abgerufen am 7. Mai 2024. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/inzidentelles-lernen/6221
- [3] "Beim inzidentellen Lernen zieht der Lernende beiläufig Nutzen aus sich bietenden Lerngelegenheiten, ohne seine Aufmerksamkeit bewusst auf den Lerngegenstand zu richten." In: Una M. Röhr-Sendlmeier: Inzidentelles Lernen. Wie wir beiläufig Wissen erwerben. Logos Berlin. 2012. ISBN: 978-3832531515.
- [4] Speziell als Teil eines IQ-Tests wird das inzidentelle Lernen geprüft im "Adaptiven Intelligenz Diagnostikum 2" (kurz AID 2) als Untertest 7 (Kodieren und Assoziieren). In: Renner, G., Baur, H.-J. & Lischke, B. (2003). Testbesprechung zum Adaptiven Intelligenz Diagnostikum 2. Report Psychologie, 28 (11/12), 668-676. Online: https://psycharchives.org/en/item/aab794b6-4beb-4245-ae28-22addfd0d96b
- [5] Gemeint ist die Mathe-AC Lernwerkstatt Aachen ↗
- [6] In der Fachliteratur spricht man von sogenannten Hochbegabten Minderleistern oder hochbegabten Underachievern, zum Beispiel in: Greiten, S. Hochbegabte Underachiever – Impulse zur Schul- und Unterrichtsentwicklung. Befunde aus Fallstudien.. In: Kiso, C., Lagies, J. (eds) Begabungsgerechtigkeit. Springer VS, Wiesbaden. 2019. Online: https://doi.org/10.1007/978-3-658-23274-0_8