Hierarchie
Heilige Ordnung
Definition
Als Hierarchie bezeichnete man ursprünglich eine „Priesterherrschaft[2]“, eine „Herrschaft der Heiligen[3]“ oder eine „heilige Herrschaft[5]“. Heute steht der Begriff in einem erweiterten Sinn für eine stufenartige Form einer Organisation[8], etwa eines Unternehmens[9] oder auch von Strukturen im Sinne der Informatik (hierarchisches Dateisystem).
Fußnoten
- [1] 1809, wider den Papst: "Die Hierarchie, a. d. Griech. bedeutet den Inbegriff aller der Rechte, welchen sich die Römischen Päpste über die gesammte Christenheit anmaßten. Die ersten Spuren dieser geistlichen Oberherrschaft finden sich schon in dem vierten Jahrhunderte nach Chr. Geb. am höchsten stieg sie aber im Mittelalter unter den Päpsten Gregor VII. und Innocenz III. welche nicht bloß die Streitigkeiten der Kirche vor ihren Richterstuhl zogen, sondern auch das weltliche Regiment an sich zu reißen suchten, und Kaiser und Könige von dem päpstlichen Stuhl abhängig machten. Die Stadt Rom schien von ihrer Erbauung an dazu bestimmt, den übrigen Völkern Europens Gesetze vorzuschreiben; und ihre weltliche Macht war kaum vertilgt, als sich eine eben so furchtbare geistliche in ihrer Mitte erbob, der man erst in den neuern Zeiten durch das Licht der Aufklärung einen tödtlichen Stoß beibringen konnte. Jetzt ist die päpstliche Hierarchie nur noch ein Schattenbild, welches selbst die katholisch Gesinnten nicht fürchten." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 203. Online: http://www.zeno.org/nid/20000754668
- [2] 1835, allgemein für kirchliche Herrschaft: "Hierarchie, Priesterherrschaft, findet man schon bei den alten Aegyptern und Juden. Sie war die höchste Macht neben oder über der weltlichen, da die Priester nicht nur im Besitze der Religionsgeheimnisse, sondern auch der Wissenschaften waren und durch ihre wirkliche oder vermeintliche unmittelbare Berührung mit den Gottheiten auf einer erhabenen Stufe standen. Man nennt jetzt Hierarchie gewöhnlich die Regierung geistlicher Fürsten in der christlichen Kirche." In: Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 281. Online: http://www.zeno.org/nid/20001738003
- [3] 1838, Hierarchie als Priesterherrschaft: "Hierarchie ist ein griech. Wort, welches Herrschaft des Heiligen und in übergetragener Bedeutung Priesterherrschaft bedeutet. Eine Hierarchie war namentlich der Staat der Hebräer (s.d.), so lange der Hohepriester im Namen Gottes als höchstes Oberhaupt herrschte. Später ist die Herrschaft der christlichen Kirche als Hierarchie aufgetreten (s. Kirche), und namentlich war es die über alles weltliche Ansehen sich erhebende Macht des Papstes, der als Stellvertreter Christi und somit als Haupt der Christenheit auftrat, welche als Hierarchie bezeichnet wurde." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 387. Online: http://www.zeno.org/nid/20000833290
- [4] 1855, heilige Ordnung: "Hierarchie, griech., heilige Herrschaft, fällt ihrer Idee nach mit der Theokratie, Gottesherrschaft, zusammen, die sich historisch beim Volke Israel am vollkommensten ausbildete, als Priesterherrschaft bei den alten Aegyptern den Staat beherrschte, in Indien durch das Braminenthum bis auf die neuere Zeit die entscheidendste Rolle spielte und bei den Bekennern des Lamaismus, namentlich in Tibet, noch jetzt spielt. Im christl. Sinne bezeichnet H. zunächst die Herrschaft aller Getauften, indem durch die Taufe alle Christen Ein Volk werden und dieses zur dereinstigen Herrschaft mit Christo berufen ist (I. Petr. 2, 9). Näher bezeichnet H. die hl. Ordnung der Gewalten im Reiche Gottes auf Erden, wie dieselbe an die Mitglieder der ordinirten Priesterschaft in der Art vertheilt ist, daß Jeder seinen bestimmten Wirkungskreis hat und kein Niederer in den eines Höhern eingreifen darf. Diese H. muß bestehen, weil das Reich Christi zwar nicht von dieser Welt stammt, aber in dieser Welt herrschend werden soll und der Bestand einer Kirche ohne geordnete Kirchenverfassung undenkbar ist. Den Grundstein der H. bildet der Primat, der in den Päpsten sich fortsetzende Petrus; mit ihm sind unzertrennbar verbunden die 3 Ordnungen der Bischöfe, Presbyter und Diakonen, deren göttliche Einsetzung das ganze christliche Alterthum bezeugt und deren jede auf die drei Vollmachten des Lehramtes (magisterium), Priesterthumes (ordo, ministerium) sowie der Regierung (jurisdictio) sich bezieht. Von dieser H. nach göttlichem Rechte wird eine H. nach kirchlichem Rechte unterschieden, doch versteht man unter dieser nur die Zwischenstufen, welche sich aus ersterer historisch entwickelten. (Vgl. Bischof, Diakon, Kirche, Priester, Primat, Theokratie. – In der griech. nicht unirten Kirche besteht die H. noch in ihrer ältesten Gestalt, jedoch ohne Anerkennung des röm. Primates, der im Orient auf die Patriarchen, in Rußland auf den weltlichen Herrscher übertragen wurde. Der Protestantismus weiß von keiner H. im eigentlichen Sinne, doch haben sich die äußeren Formen derselben namentlich in England mehr oder minder erhalten. Vgl. Cäsareopapismus." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 305. Online: http://www.zeno.org/nid/20003371557
- [5] 1859, heilige Herrschaft, zunehmende Konstitutionalisierung: "Hierarchie (v. gr., d.i. heilige Herrschaft), 1) eigentlich die Würde u. Amtsgewalt des Oberpriesters; dann 2) die Gesammtheit der Priester, als der von Gott eingesetzten Verwalter der Heiligthümer, z.B. die Herrschaft, welche Priester in Ägypten u. bei den Hebräern zugleich als die höchste weltliche Obrigkeit ausübten; bei den Hebräern war die Verwaltung der Heiligthümer ein Erbe der Nachkommen Mosis u. an der Spitze stand der Hohepriester (s.d.); 3) in der christlichen Kirche die Regierung durch ihre Geistlichkeit, welche in den, mit dem Anwachs der christlichen Gemeinden u. ihrer Verbindung unter einander eintretenden Umständen ihren Grund hat. Diese führten von einer ursprünglich demokratischen zu einer aristokratischen Verfassung. Die Bischöfe erhoben sich über die Presbyter, später Metropoliten in den Hauptstädten der Provinzen über die übrigen, die Bischöfe in Rom, Constantinopel, Antiochien, Alexandrien u. Jerusalem als Patriarchen über die Metropoliten. Die durch diese hierarchischen Abstufungen ausgebildete Aristokratie befestigte sich u. blieb in der Griechischen Kirche, ging aber im Occident durch den von den Bischöfen in Rom gewonnenen Primat, den sie seit dem 9. Jahrh., bes. mit Hülfe der Pseudisidorischen Decretalen, in eine Suprematie zu verwandeln wußten, in geistliche Monarchie über, u. der Papst wurde Regent u. Herr der abendländischen Christenheit, dessen Allgewalt nur die Concilien zu beschränken befugt, aber seltener vermögend waren, als die Fürsten. Die kirchliche Suprematie der Päpste wurde durch ihre consequenten Bestrebungen, durch die Schwäche der Fürsten u. die Verwirrung des bürgerlichen Wesens seit dem 11. Jahrh., bes. durch den Papst Gregor VII, zur politischen Suprematie, u. das Hierarchische System (nach Hildebrand, dem eigentlichen Namen Gregors VII., auch Hildebrandismus genannt), welches den Staat der Kirche u. folglich alle katholischen Staaten mit ihren Fürsten dem Papste untergeordnet hatte, kam zur Ausführung u. galt vom 11. bis 13. Jahrh. ohne wirksamen Widerspruch. Seit dem 14. Jahrh. wurde die Beschränkung der hierarchischen Gewalt über die Staaten, bes. durch König Philipp den Schönen von Frankreich u. Kaiser Ludwig den Baier, durch den Aufenthalt der Päpste in Frankreich u. die Herabsetzung des Papstthums, welche das große Schisma u. die Concilien in Pisa, Costnitz u. Basel mit sich brachten, immer merklicher, bis die Reformation einen großen Theil der europäischen Christenheit von aller hierarchischen Gewalt losriß u. auch die katholisch gebliebenen Regenten beim Wachsthum ihrer Macht u. veränderten politischen Verhältnissen von den prätendirten Rechten der Päpste eins nach dem anderen abzudingen (s. Concordat) od. sich de facto zuzueignen wußten. So ist in neuerer Zeit die H. von den Regenten vielfach abhängig geworden u. selbst im inneren Kirchenregiment durch Staatsverfassungen, Polizei- u. Finanzmaßregeln modificirt u. eingeengt. Die theologische Wissenschaft des 5. u. 6. Jahrh., welche hauptsächlich die hohe Stellung des Lehramtes zu sichern suchte, heißt zuweilen die Hierarchische Theologie." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 364. Online: http://www.zeno.org/nid/20010112871
- [6] 1907, vor allem die katholische: "Hiërarchīe (griech., »Herrschaft der Heiligen«), im allgemeinen soviel wie Priesterherrschaft, so daß man mit Bezug auf fast alle einigermaßen entwickelten Religionen von H. reden könnte. Eine eigentliche H. hat sich nur in der römisch-katholischen Kirche entwickelt. Diese katholische H., wie sie zwischen dem 8. und 11. Jahrh. im Abendland entstand und im 12.–14. Jahrh. ihre Blütezeit feierte, bedeutet vor allem die Ansprüche und die übergreifende Macht des Klerus über die bürgerliche Gesellschaft, über Staat und gesamtes Weltleben, während der kirchenrechtliche Begriff der H. sich allerdings auf die von Christus selbst den Aposteln und deren rechtmäßigen Nachfolgern gegebene Befugnis, den Gottesdienst zu verwalten und die Kirche zu leiten, beschränkt." Der Artikel führt dann weiter die katholische Hierarchie aus. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 313. Online: http://www.zeno.org/nid/20006772641]
- [7] 1911, rein kirchlich: "Hiërarchīe (grch.), eigentlich Herrschaft der Heiligen, dann Priesterherrschaft, Rangordnung des Priesterstandes. Die H. gelangte in der christl. Kirche erst seit dem 2. Jahrh. zur Ausbildung, wo sich als Fortsetzung des alttestamentlichen ein christl. Priesterstand, der Klerus, im Unterschied vom christl. Volk, den Laien, entwickelte. Seit Mitte des 2. Jahrh. erhob sich über die andern Mitglieder des Klerus der Bischof als monarchisches Haupt der Gemeinde, als Priester jedoch den Presbytern und Diakonen durch dieselbe Weihe gleichgestellt. Seit dem 4. Jahrh. schied sich aber [802] von dem niedern ein höherer Klerus, der sich wieder in Bischöfe, Metropoliten und Patriarchen teilte. Letztere blieben in der morgenländ. Kirche ihrer Macht nach gleich; im Abendlande, mit dem einzigen Patriarchen in Rom, entwickelte sich die H. zur Monarchie. Papst, Patriarchen und Primaten, Erzbischöfe oder Metropoliten, Bischöfe haben nach älterer Theorie allein, aber auch alle das Kirchenregiment (potestas jurisdictiōnis); die Priestergewalt (potestas ordĭnis) haben sie zum Teil auf Presbyter und Diakonen übertragen, die dadurch als höherer Stand (ordĭnes majōres) von den Kirchendienern (ordĭnes minōres) verschieden sind. Der Gleichstellung des höhern Klerus (Episkopalsystem, s.d.) tritt das Kurialsystem mit der potestas jurisdictionis des Papstes, als Universalbischofs, allein entgegen, welches von Gregor VII. und seinen Nachfolgern ausgebildet und auf dem Vatikanischen Konzil (1870) zum Dogma erhoben wurde. Der Protestantismus hob die Grundlage der H. auf. In der Anglikan. Kirche hat sich die Idee vom Bischof als göttlich eingesetzten Nachfolger der Apostel erhalten." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 802-803. Online: http://www.zeno.org/nid/20001189247
- [8] Hierarchie. In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort wird auf Seite 235 das Wort Hierarchie stark verallgemeinert definiert als: "Ein komplexes Ganzes ist hierarchisch differenziert, wenn im Verhältnis seiner Teile eine zugleich lineare und transitive Ordnung unterstellt werden kann, die an der Spitze der Hierarchie kulminiert".
- [9] Laurence J. Peter, Raymond Hull: Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen. Rohwolt Verlag GmbH. Hamburg. 1970. Titel der amerikanischen Originalausgabe von 1969 "The Peter Principle". Siehe auch Peter-Prinzip ↗