Deich
Mathematisch
© 2016
- 2025
Basiswissen|
Zweck eines Deiches|
Bauweise eines Deiches|
Folgen eines Deichbruchs|
Deiche an Flüssen|
Kosten|
Meeresspiegelanstieg und Deicherhöhungen|
Beispiel Elisabethgroden|
Deicherhöhung geometrisch|
Worst-Case Volumen|
Der nordeuropäische Abschlussdamm|
Mathematisch als A'(h)|
Deiche der Superlative|
Der Haak-Seedeich|
Der Nordeuropäische Abschlussdamm|
Persönliche Einschätzung|
Fußnoten
Basiswissen
Ein Deich ist ein Erbauwerk aus Sand, Ton, Lehm, Steinen, Erde und Deckwerk zum Schutz vor Hochwasser. Deiche werden seit etwa 1000 nach Christus an der Nordseeküste gebaut. Auch vor dem Hochwasser von Flüssen schützt man sich mit Deichen. Am Beispiel des Nordseedeiches Elisabethgroden wird der Aufwand für die Erhöhung bestehender Deiche bis hin zu einem klimatologischen worst-case-Szenario abgeschätzt.
Zweck eines Deiches
An Küsten kommt es bei starken Stürmen immer wieder vor, dass das Meer sehr viel höher ansteigt als normal. Es würde dann ganze Landschaften an der Küste überfluten. Menschen und Tiere würden ertrinken. Das ist auch immer wieder vorgekommen. Gegen diese Gefahr schützen Deiche.
Bauweise eines Deiches
Um sich gegen das Meer zu schützen, bauen die Menschen seit etwa 1000 Jahren (Zeit der Wikinger und Kreuzzüge) Deiche. Sie schütten entlang der Küste lange Erdwälle auf, die das Wasser bei Sturmfluten zurückhalten sollen. Deiche können hunderte von Kilometern lang sein. Ihre Höhe kann bis zu 10 Metern betragen. Mehr zur Deichgeometrie unter Deichprofil ↗
Folgen eines Deichbruchs
Dauert eine Sturmflut sehr lange, dann können Deiche aufweichen und letztendlich brechen. Da das Land hinter den Deichen oft niedriger liegt als der Meeresspiegel, läuft die Gegend dann sehr schnell mit Wasser voll. In der Vergangenheit kamen dadurch immer wieder tausende von Menschen ums Leben.
Deiche an Flüssen
Deiche gibt es auch an Flüssen. Dort wollen sich die Menschen gegen Hochwasser schützen. Große Deiche kann man am Rhein, zum Beispiel bei Duisburg sehen. Siehe auch Hochwasser ↗
Kosten
Im Jahr 2020 gaben Deutsche in Summe rund 25 Millliarden Euro für Alkohlgetränke aus.[1] Deutschland plant gleichzeitig mit jährlichen Kosten von 125 bis 230 Millionen Euro für den Küstenschutz.[2] Anders gesagt: etwa 1 % des jährlichen Alkohlkonsums genügt für den (bisher) geplanten Küstenschutz, inklusive Deichbaukosten.
Meeresspiegelanstieg und Deicherhöhungen
Ein Anstieg des weltweiten Temperaturen kann zu einem Abtauen der polaren Eiskappen führen. Im extremsten Fall würde der Meeresspiegel dadurch um etwa 66 Meter ansteigen. Heutige Küstengebiete wären dann selbst mit hohen Deichen nicht mehr zu schützen. Für geringere Anstiege gilt für die Deiche der deutschen Nordseeküste die Faustformel, dass die Deiche um etwa das 1,5 bis das Doppelte des erwarteten Meeresspiegelanstiegs erhöht werden müssen, um dieselbe Sicherheit wie heute zu bieten.[3]
Beispiel Elisabethgroden
Im Wangerland in Friesland an der niedesächsischen Nordseeküste musste ein Seedeich zwischen den Orten Harlesiel und Schillig so um 1,40 Meter erhöht werden, dass er den damals aktuellen Prognose eines Meeresspiegelanstiegs gerecht wurde. Eine Deichstrecke von insgesamt 12 Kilometern Länge wurde dabei um rund 1,40 Meter erhöht. Dazu waren rund 1,5 Millionen Kubikmeter sogenannten Kleis, einer Art Ton oder Schlick, nötig.[8] Ein Drittel des benötigten Kleis, also gut 500 tausend Tonnen, sollten aus dem Wattenmeer entnommen werden.[8] Letzendlich wurden von 2004 bis 2015 etwa 1,25 Millionen Kubikmeter Klei am Festland nahe an dem Ort Hohenkirchen entnommen.[7] Dadurch entstand der gut 65 Hektar große See Wangermeer mit einer mittleren Wassertiefe von etwa 3 Metern. Laut Planung reichte der Klei bis zu einer Tiefe von etwa 1,5 Metern. Die anderen 1,5 Meter Aushub dienten der ökologischen Stabilisierung des Sees.[8, Seite 144] Die Uferlänge liegt bei 5,5 Kilometern.[7]
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65 Hektar sind 650000 m². Bei einer mittleren Wassertiefe von 3 m kommt man auf ein Volumen von 1,350000 m³.
65 Hektar sind 650000 m². Bei einer mittleren Wassertiefe von 3 m kommt man auf ein Volumen von 1,350000 m³.
Wenn aber nur die Hälfte der Wassertiefe auf Klei entfiel, dann wurden nur etwa 670 tausend m³ Klei entnommen. Hier zeigt sich ein Widerspruch zwischen den Angaben aus der Planungszeit sowie der rückblickenden Beschreibung des Unternehmens. Festgehalten werden kann, dass die betrachten Mengen an Klei im Bereich um eine Million Kubikmeter für 12 km Deich bei einer Erhöhung um 1,40 lagen.
Um den Klei zu transportieren waren 110 tausend LKW-Fahrten nötig.[7] Die Entfernung der Kleigruben zu den Deichbauprojekten spielt dabei eine wichtige Rolle.
ZITAT:
"Für den Küstenschutz ist es in erster Linie wichtig, geeignete Kleiqualitäten in hinreichender Menge zu einem möglichst günstigen Preis zu bekommen. Dabei spielt neben dem Kaufpreis für das Grundstück bzw. den Klei insbesondere die Frage der Transportkosten eine zentrale Rolle. Abhängig von der zu transportierenden Kleimenge sind für ein Deichbauvorhaben mit binnenseitiger Kleientnahme mehrere 10.000 bis zu über 100.000 LKW-Fahrten erforderlich, so dass mit steigender Entfernung der Entnahmestelle zum Verwendungsort entsprechende Kostensteigerungen zu verzeichnen sind."[8]
"Für den Küstenschutz ist es in erster Linie wichtig, geeignete Kleiqualitäten in hinreichender Menge zu einem möglichst günstigen Preis zu bekommen. Dabei spielt neben dem Kaufpreis für das Grundstück bzw. den Klei insbesondere die Frage der Transportkosten eine zentrale Rolle. Abhängig von der zu transportierenden Kleimenge sind für ein Deichbauvorhaben mit binnenseitiger Kleientnahme mehrere 10.000 bis zu über 100.000 LKW-Fahrten erforderlich, so dass mit steigender Entfernung der Entnahmestelle zum Verwendungsort entsprechende Kostensteigerungen zu verzeichnen sind."[8]
Der Hinweis auf die Transportkosten ist interessant. Im Jahr 2025 kosteten Mietfahrzeuge zum Transport von Baustoffen inklusive Fahrer und Treibstoff zwischen 80 bis 100 Euro die Stunde. Die durchschnittliche Entfernung Luftlinie von der Kleientnahmestelle bis zum Deich lag bei etwa 6 Kilometern. Pro LKW-Fahrt hin und zurück kommt man dann auf 12 Kilometer.
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15 Kilometer pro Fahrt mit 30 km/h als Geschwindigkeit geben ½ Stunde reine Fahrzeit pro Fahrt. Mal 110.000 Fahrten gibt 55.000 Stunden reine Fahrzeit. Mal 100 € Mietkosten pro Stunde geben 5½ Mio. Euro reine Fahrkosten.
15 Kilometer pro Fahrt mit 30 km/h als Geschwindigkeit geben ½ Stunde reine Fahrzeit pro Fahrt. Mal 110.000 Fahrten gibt 55.000 Stunden reine Fahrzeit. Mal 100 € Mietkosten pro Stunde geben 5½ Mio. Euro reine Fahrkosten.
Da die Straßen nicht in Luftlinie verlaufen, soll bis auf 15 km erhöht werden. Als durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit kann man vielleicht 30 km/h annehmen. Damit kommt man auf eine reine Fahrzeit von etwa einer halben Stunde. Bei 110 tausend LKW-Fahrten kommt man somit alleine auf mindestens 55 tausend Stunden Fahrzeit. Mit 100 Euro pro Stunde liegen alleine die Mietkosten für die LKWs bei rund 5500000 bei 5,5 Millionen Euro. Nicht mit eingerechnet sind hier Wartezeiten der Fahrer sowie die Zeiten für Be- und Entladen.
Es gibt vielleicht geeignetes Material auf dem Meeresboden oder weiter im Binnenland. Wie aber will man einigermaßen erträglich für die Steuerzahler große Mengen an Baustoff hin zur Baustelle transportieren?
Der zitierte Bericht nennt ein weiteres interessantes Problem: wo man Klei entnehmen will besitzen oft Landwirte die Grundstücke. Und diese Grundstücke sind hochwertige Ackerbauflächen. Wo der Bauer dann nicht verkauft, gibt es keinen Klei. Müssen Landwirte hier im Fall eines drastischen Anstiegs der Meeresspiegels mit Enteignungen rechnen?
Dieses reale Beispiel aus der jüngeren Geschichte zeigt, wie aufwändig schon geringe Erhöhungen um weniger als 1,5 Meter sind. Im nächsten Abschnitt betrachten wir mathematisch, wie die benötigte Menge an Klei oder alternativem Material mit jeder Deicherhöhung weiter ansteigt. Der Bedarf wächst quadratisch und nicht linear mit der bereits vorhanden Höhe des Deichs.
Deicherhöhung geometrisch
Ein Deich kann von seiner Querschnittsfläche her, von seinem Profil, grob als Trapez betrachtet werden.[9] Oben und unten hat man zwei zueinander parallele horizontale Linien. Die oberen Linie a steht für die Breite der Deichkrone, die untere Linie c für die Breite des Profils unten. Die Böschung zur Seeseite hin kann typischerweise ein Gefälle von 1:10 zu haben[10], die Böschung hin zum Binnenland von 1:3. Wenn die Höhe h des Deiches gleich dem vertikalen (senkrechten) Abstand zwischen der unteren und der oberen Linie sein soll, kann man eine Formel für die Fläche des Trapezes und damit des Deichquerschnitts angeben.
- A = ½(a+c)·h
Mit
- A = Querschnittsfläche des Deichprofils
- a = Breite des Deiches oben an der Krone
- c = Breite des Deiches am unteren Fuß
- h = Höhe des Deiches
Mit den oben genannten Gefällen und der Breite der Deichrone von 5 Metern[10] kann die untere Breite des Deiches in Metern als Funktion der Höhe h in Metern ausdrücken:
c = 10·h+3·h+a
In Worten: die untere Breite des Deiches ist gleich dem Zehnfachen seiner Höhe (Seeböschung) plus dem Dreifachen seiner Höhe (Binnenböschung) zuzüglich der Strecke a, zum Beispiel 5 Meter, für die Deichkrone. Das kann man in die obige Formel einsetzen und kommt auf:
- A(h) = ½·(a+10·h+3·h+a)·h | vereinfachen
- A(h) = ½·(2a+13h)·h | Klammer auflösen
- A(h) = 6,5h²+ah
Worst-Case Volumen
Haben die Polkappen einmal angefangen haben ordentlich zu tauen, gibt es kein besonders wahrscheinliches Ereignis, das den Vorgang dann wieder anhalten würden. Er würde erst von alleine zum Erliegen kommen, wenn kein Eis mehr zum Abtauen da ist. Dann wird der Meeresspiegel um etwa 60 bis 70 Meter höher liegen als heute. Welches Volumen würde man dann dann für den Deich am Elisabethgroden benötigen?
Annahmen
- Länge des Deichs: 12 km
- Höhe h des Deichs: 70 m
- Breite a der Deichkrone: 5 m
- Gefälle zum Meer hin: 1 zu 10
- Gefälle zum Land hin: 1 zu 3
Rechnung
- A(h) = 6,5h²+ah | Werte einsetzen
- A(70) = 6,5·70²+5·70
- A(70) = 6,5·4900+350
- A(70) = 32200
Die Querschnittsfläche des worst-case-Deiches wäre also etwa 32 tausend m². Das multiplizipiert mit der Deichlänge von 12 tausend Metern gibt das gesuchte Volumen V(70) für den 70 Meter hohen Deich als Kubikmeterzahl:
- V(70) = 32200 mal 12000
- V(70) = 386.400.000
Im worst-case-Szenario einer Erhöhung auf 70 Meter bräuchte man also insgesamt fast 400 Millionen Kubikmeter Material für die kurze Strecke von 12 km zwischen Harlesiel und Schillig. Und an seinem Fuß wäre der Deich über 900 m, fast einen Kilometer breit. Um ein Gefühl für diese Menge zu kriegen: wenn man das Hinterland entlang der 12 km des Deiches bis 10 Kilometer weit ins Binnenland gleichmäßig abbaggern würde, dann müsste man den Boden auf diesen 120 km² um drei bis vier Meter absenken.
Der nordeuropäische Abschlussdamm
Zwei Wissenschaftler, aus Utrecht und aus Kiel, haben im Jahr 2020 ein bad-case-Szenario für den Anstieg des Meeresspiegels durchgespielt. Ähnlich wie in dem Artikel hier haben sie das benötigte Volumen für einen Deich abgeschätzt. Ihr nordeuropäischer Abschlussdamm (NEED = Norther European Encolsure Dam) soll bis zu 20 m hoch über den jetzigen Meeresspiegel ragen. Von der Bretagne bis nach Norwegen soll er die komplette Nordsee gegen den Atlantik absperren. Ihr Grundgedanke ist es, dass man am Besten einen möglichst geraden Damm quer durch die jetztige Nordsee baut. Gegenüber einer Sicherung der bisherigen fast fraktalen Küstenlinie mit vielen Flussmündungen spart man so viele hunderte Kilometer an Deichlänge. Mit 20 Metern über dem jetzigen Wasserniveau ist dieser Damm zwar ein bad-case, aber bei weitem noch nicht das worst-case-Szenario. Siehe mehr dazu unter Nordeuropäischer Abschlussdamm ↗
Mathematisch als A'(h)
Wenn man nun schon eine bestehenden Deich hat und diesen um einen Betrag ∆h erhöhen möchte, dann interessiert aber nicht mehr das Gesamtvolumen sondern der Zuwachs an Volumen pro Höhenzuwachs. Und genau diese Aussage gibt die erste Ableitung im Sinne der Differentialrechnung:
- A'(h) = 13h+a
Mit
- A'(h) = Zuwachs an Querschnittsfläche bei ∆h an Zusatzhöhe bei einer Ausgangshöhe h
- h = Höhe des bestehenden Deiches, z. B. 8 bis 10 m[10]
- a = die Breite der Deichkrone, für Klimadeiche" z. B. 5 m[10]
In Worten: hat man einen Deich einer Höhe von h Metern, so wächst dessen Querschnitt in Quadratmetern '13h+a' mal so stark wie die der Zuwachs an Höhe ∆h ist.
Für das benötigte Volumen V an Baumaterial müsste man diese Querschnittsfläche noch mit der Länge l des Deiches multiplzieren. Da das Volumen aber stets proportional zur Querschnittsfläche wächst, genügt für die Betrachtung der benötigten Zusatzmengen der Querschnitt.
Als Zahlenbeispiel: hat man einen bestehenden Deich mit 8 Metern Höhe, was im Jahr 2025 in etwa dem Stand an der deutschen Nordseeküste entspricht,[11] und soll dieser Deich auf 10 Meter erhöht werden, so hat man einen Höhenzuwachs von ∆h = 2 Meter. Wenn die Deichkrone wieder 5 Meter breit sein soll, rechnet man:
- A'(8) = 13·8+5
- A'(8) = 109
Jetzt gehen wir davon aus, dass der Deich in einer ferneren Zukunft, vielleicht im Jahr 2100 bereits 12 Meter hoch ist und nochmals auf dann 14 Meter erhöt werden soll:
- A'(12) = 13·12+5
- A'(12) = 161
Das heißt in Worten: um einen 8 Meter hohen Deich zu erhöhen, benötigt man 109 mal so viel neue Querschnittsfläche in m² wie man den Deich in Meter erhöhen will. Bei einem 12 Meter hohen Deich benötigt man für dieselbe Erhöhung aber schon 161 mal so viel Querchnittsfläche mehr.
Und wie wäre es bei einem Super-GAU der Erderwärmung? Tauen die Eismasse auf Grönland und der Antarktis ganz ab, dann würde der Meeresspiegel um 60 bis 70 Meter ansteigen. Nehmen wir an, man hätte Europa ganz mit einem 60 Meter hohen Deich umschlossen (Nordeuropäischer Abschlusdamm). Wie viel Material kämen dann noch einmal dazu, wenn man auf 62 Meter aufstocken will?
- A'(60) = 13·60+5
- A'(60) = 785
Um einen Deich von 12 Kilometern Länge von 60 auf 62 Meter aufzustocken bräucht man dann in der Gegend von 20.000.000, das heißt 20 Millionen Kubikmeter Material. Das ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von grob etwa 270 m. Wohlgemerkt: nur zusätzlich für die letzten zwei Meter. Und man benötigt nicht irgendein Material sondern speziellen Schlick, den Klei.
Bei der Deutung der ersten Ableitung muss man einen Aspekt im Blick behalten: die Vielfache gelten umso genauer, je kleiner die Änderung der Variablen, hier der Höhe h ist. Je größer die Änderung der Variablen ist, desto mehr weichen die realen Werte von den Werten der ersten Ableitung ab. In jedem Fall richtig ist, dass der Zuwachs an Querschnittsfläche und damit auch am benötigen Materialvolumen linear mit der Höhe des Deiches ansteigt. Einen Deich von 8 auf 10 m zu erhöhen benötigt erheblich weniger Material als denselben Deich später noch einmal von 12 auf 14 m zu erhöhen.
Überschlag
Ein Deich von 12 km Länge und 8 Meter Höhe soll um 1,4 Meter erhöht werden. Die Deichkrone soll vorher und nachher 5 Meter breit sein. Das entspricht in etwa grob den Daten des Beispiels von dem Deich am Elisabethgroden wie oben beschrieben. Kommen wir mit der erste Ableitung A'(h) in etwa in die Nähe von 1,5 Millionen Kubikmeter Material?
Daten
- Ausgangshöhe h = 8 m
- Erhöhung ∆h = 1,4 m
- Deichkronenbreite = 5 m
- Deichlänge 12 km
Formel
- A'(h) = 13h+5
Einsetzen
- A'(8) = 13·8+5
- A'(8) = 109
Der Zuwachs an Querschnittsfläche ist also rund 110 mal so groß wie der Zuwachs an Höhe. Bei einem Höhenzuwachs von ∆h = 1,4 m wären das ein Zuwachs an Querschnitt von 110 mal 1,4 m² oder 154 m². Bei einer Deichlänge von 12 km kommt man damit auf 154 m² mal 12.000 m oder 1.884.000 m³. Das liegt durchaus in der Gegend der tatsächlich berichteten Volumenmenge von 1,5 Mio. m³. Der Unterschied kann wahrscheinlich über unterschiedliche Deichprofile, die Breite der Deichkrone, Unklarheite bei den angegeben Materialmengen (Klei? Sand? Entnahme? Einbau?) erkärt werden.
Integralrechnung
Geometrisch exakte Werte für die Zunahme der Querschnittsfläche und damit auch des benötigen Volumens an Material erhält man über die Integralrechnung. Man integriert die Änderungsrate V'(h) über die Deichhöhe h. Mit diesem Rechenverfahren trägt man dem Umstand Rechnung, dass ja das Vielfache aus der ersten Ableitung mit jeder neu erreichten Höhe sich ein kleines Bißchen ändert. Die Logik dieser Denkweise ist beispielhaft erklärt im Artikel Kugelvolumen über Integralrechnung ↗
Deiche der Superlative
Der Haak-Seedeich
Bestehende Deiche entlang der Küsten können noch einige wenige Meter gegenüber ihrer Höhe des Jahres 2020 erhöhte werden. Wors.-Case-Szenarien des Meeresspiegelanstieges ziehen auch ein katastrophales, schnelles Abrutschen westantarktischer Eismassen (Weltuntergangsgletscher) in Betracht und rechnen mit einem fast schlagartigen Meeresspiegelanstieg von 5 bis 6 Metern[4]. In Deutschland betroffen wären vor allem die Bundesländer Niedersachen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Ein solcher Anstieg wär mit klassischen Deichen entlang der Küsten nicht mehr zu bewältigen. Eine Alternative ist ein gigantischer Deich etwa 25 vor der Küste vom französischen Calais bis ins schwedische Göteborg. Siehe dazu Haak-Seedeich ↗
Der Nordeuropäische Abschlussdamm
Sollte der Meeresspiegel um deutlich mehr als 10 Meter ansteigen - ein realistisches Szenario - dann wir auch der gigantische Haak-Seedeich 25 Kilometer vor der europäischen Festlandsküste keinen Schutz mehr bieten. Die einzige Rettung der nordwesteuropäischen Flachlandbereiche (bis hin nach Berlin und Paris) wäre dann möglicherweise eine völlige Abschottung des Ärmelkanals und der Nordsee gegenüber dem Atlantik. Das entsprechende Projekt wird bezeichnet als Nordeuropäischer Abschlussdamm ↗
Persönliche Einschätzung
Die Geschichte des Deichbaus in Westeuropa ist eine Geschichte von großem technischen Know-How, Organisationstalent und gemeinschaftlicher Klugheit. Es ist faszinierend, in historischen Dokumenten zu lesen. Schon vor zig hundert Jahren verbanden die Bewohner der Küstenregionen der Niederlande und Norddeutschlands wissenschaftliches Denken mit ingenieurmäßigem Pragmatismus. Dabei konnten sie in einer vergleichsweise beschützenden Kinderstube in Ruhe lernen: in dem Jahrtausend vom Beginn des Deichbaus um das Jahr 1000 bis etwa zum Jahr 2000 blieb der Meeresspiegel in etwa auf einer Höhe. Im ewigen Spiel des Menschen gegen den Blanken Hans, Sinnbild des Meeres, werden die Karten aber gerade neu gemischt. Und wenn nicht bald mehr Menschen aus ihrem Dämmerschlaf von Konsumismus und Selbstherrlichkeit aufwachen, dann gehen die nächsten Stiche an den Blanken Hans.Fußnoten
- [1] statista.com: Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland für alkoholische Getränke in den Jahren 1991 bis 2020.
- [2] Vousdoukas, M.I., Mentaschi, L., Hinkel, J. et al. Economic motivation for raising coastal flood defenses in Europe. Nat Commun 11, 2119 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-15665-3
- [3] Arns, A., Wahl, T., Dangendorf, S., Jensen, J. The impact of sea level rise on storm surge water levels in the northern part of the German Bight. Coastal Engineering, DOI:10.1016/j.coastaleng.2014.12.002, 2015. Der Artikel betrachtet die nötige Erhöhung Deichen. Kernaussage: die Deiche müssen um das 1,5fache bis um das Doppelte des Meeresspiegelanstieges erhöht werden.
- [4] Kernforschungsanlage Jülich. Institut für Chemie 3: Atmosphärische Chemie. Studie über die Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen auf das Klima. November 1983. ISSN 0366 -0885. 165 Seiten. Dort das Kapitel 4.3 "Einfluss auf die Kryosphäre", Seite 23.
- [5] Wie Wellen an steilen Küsten mit ihren eigenen Reflexionen überlagern, und dabei zum Beispiel eine sogenannte Clapotis bilden, ist ausführlich behandelt in: Fritz Büsching: Komplexe Reflexionskoeffizienten für Wasserwellen zur Klassifizierung von Brandungseffekten an Küstenschutzbauwerken. In: Die Küste, 78 (2011), 235-258.
- [6] Das Wangermeer ist ein künstlich angelegter See im nordwestlichen Niedersachsen, der sich am nördlichen Ortsrand von Hohenkirchen in der Gemeinde Wangerland befindet. Der See entstand im Zuge von Deicherhöhungsmaßnahmen durch den Abbau von Klei im Elisabethgroden, wobei zwischen 2004 und 2015 insgesamt 1,25 Millionen Kubikmeter Klei gefördert wurden. Die gesamte Wasserfläche liegt bei rund 65 Hektar Wasserfläche, die mittlere Wassertiefe bei 3 Metern.
- [7] Die Zahlenangaben zum Wangermeer stammen aus: Regionalportal Dein Niedersachsen: Wangermeer. Verfasst am 11. März 2018. Online: https://www.dein-niedersachsen.de/regionen/wangermeer/
- [8] Umsetzung der nationalen Strategie zum Integrierten Küstenzonenmanagement. Abschlussbericht. Umweltbundesamt. Texte 04/2012. ISSN 1862-4804. Online: http://www.uba.de/uba-info-medien/4250.html
- [9] Siehe mehr zum Querschnitt eines modernen Deiches unter Deichprofil ↗
- [10] Im Jahr 2017 wurde im nordfriesischen Wobbenbüll ein sogenannter "Klimadeich" eingeweiht. Zu den Maßen heißt es: "Der Deich hat eine Höhe von 8,2 Metern über dem Meeresspiegel. Mit ihrer flachen, zehn Prozent geneigten Außenböschung und der fünf Meter breiten Deichkrone entspricht die Anlage den neuen Standards der Klimadeiche." In: Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur: Klimadeich für Nordfriesland. Zuletzt aktualisiert am 17. Oktober 2017. Online: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/V/_startseite/Artikel2017_2/171017_deichbau_wobbenbuell
- [11] Für Ostfriesland wurde exemplarisch die Höhe eines bestehende Deiches im Gebiet der Krummhörn mit Höhen von etwa 7,8 Metern angeben. Eine Anfang der 2020er Jahre geplante Erhöhung sollte dann 9,6 Meter erreichen. Damit kommt man auf einen Höhenzuwachs von 1,8 Metern. In: Petra Wiese-Liebert: Managementplan für das Vogelschutzgebiet V03 „WESTERMARSCH“ und das Vogelschutzgebiet V04 „KRUMMHÖRN“ im Landkreis Aurich sowie auf dem Gebiet der Stadt Emden. BAND I. Dezember 2024.
- [12] Siehe mehr zur anschaulichen Deutung der ersten Ableitung f'(x) wie hier für Deicherhöhungen durchgespielt im Artikel Erste Ableitung als Änderungsverhältnis ↗