Conditio sine qua non
Recht
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Basiswissen|
Definition|
Arten von Ursachen|
Kumulative Kausalität|
Alternative Kausalität|
Risikoerhöhung|
Fallbeispiel|
Fußnoten
Basiswissen
Um Holz zum Brennen zu bringen ist es immer nötig, dass das Holz mit ausreichend viel Sauerstoff in Berührung steht. Ohne die Anwesenheit von Sauerstoff, gibt es kein Feuer.[4] Die Anwesenheit von Sauerstoff ist eine für das Brennen des Feuers notwendige Bedingung, eine Conditio sine qua non.
Definition
Die Idee einer Conditio sine qua non, einer notwendigen Bedingung für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs oder eines Phänomens wird in den Rechtswissenschaften wie folgt definiert.
DEFINITION:
"Danach [nach der Conditio-sinequa-non-Formel] ist jede Bedingung ursächlich für einen Erfolg, »die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele«"[5]
"Danach [nach der Conditio-sinequa-non-Formel] ist jede Bedingung ursächlich für einen Erfolg, »die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele«"[5]
Anders gesagt: jede Bedingung ist die Ursache von einem Erfolg oder einem Phänomen, das heißt einer Wirkung, wenn ohne diese Bedingung die Wirkung ausbleiben würde. Was zunächst recht einfach verständlich klingt, kann aber in der konkreten Anwendung schwer werden.
Arten von Ursachen
In der Wirklichkeit ist es oft schwierig, eine einzige Ursache alleine mit einer betrachten Wirkung in Verbindung zu bringen. Oft wirken mehrere Ursachen zusammen. Man unterscheidet dabei unter anderem zwei Fälle:
- a) Zwei oder mehr Ursachen müssen alle gleichzeitig vorliegen, dass der Erfolg eintritt kumulative Kausalität ↗
- b) Zwei oder mehr Ursachen können jede für sich alleine den Erfolg bewirken alternative Kausalität ↗
- c) Zwei oder mehr Usachen erhöhen jede für sich die Wahrscheinlichkeit oder das Ausmaß des Erfolgs[6]
Kumulative Kausalität
Im Fall a) ist die Sache eindeutig: wenn etwa bei einem Terroranschlag eine Person einen Sprengsatz in einem Öllager in einem Hafen platziert und eine andere Person diesen Sprengsatz dann per Funk aus der Ferne zündet, waren nach der Condition-sine-qua-non-Formel beide Persönlichen nötig für den Erfolg. Sie sind dann beide auch eindeutig eine Ursache des Schadens. Siehe mehr unter kumulative Kausalität ↗
Alternative Kausalität
Im Fall b) ist es schwieriger. Zwei Umweltaktivisten A und B legen ohne voneinander zu wissen beide erfolgreich den Betrieb des Vergasungsschiff Hoegh Esperenza bei Wilhelmshaven lahm. A ist es als undercover-Mitarbeiter gelungen, einen Software-Virus einzuschleusen, der den Betrieb für mehrere Wochen ausschließt. Gleichzeitig hatte B in eine glaubwürdig veröffentlichten offenen Brief angedroht, eine auf dem Schiff versteckte Bombe zu zünden, wenn der Betrieb weiterlaufe. Auch diese Maßnahme führte zum Stopp des Betriebsablaufes. Nach der Formel der Conditio sine qua non kann man jetzt sowohl die Handlung von A als auch die Handlung von B einzeln für sich wegdenken und trotzdem käme es zu einem Betriebsausfall. Bei alleiner Anwendiger der Formel, wären weder A noch B eine Ursache des Betriebsausfalls. Diese absurde Folgerung wird weiter unten noch einmal aufgegriffen. Siehe mehr unter alternative Kausalität ↗
Risikoerhöhung
Im Fall c) ist die Anwendung der Formel der Conditio-sine-qua-non ebenfalls schwierig. Im Jahr 2013 starb ein junges Mädchen in London an einem starken Anfall von Asthma. Der Richter urteilte, dass eine stark befahrene Straße einen erheblichen Beitrag zur Sterbenswahrscheinlickeit geliefert hat. Definiert man als Erfolgsfall, besser eigentlich als Schadensfall, den Tod des Mädchens, kann man nicht sicher sagen, ob der Tod auch ohne den Straßenverkehr eingetreten wäre. Wie man mit solchen Fällen umgehen könnte, wird für das deutsche Recht unter anderem über das Stichwort der Risikoerhöhungslehrere diskutiert.[6] Mathematisch kann man versuchen, den Beitrag einzelner möglicher Ursachen über statistische Methoden wie Korrelationskoeffizienten zu erfassen. In der Klimaforschung und ähnlichen Gebieten wird das Thema behandelt unter dem Stichwort der Attributionsforschung.
Fallbeispiel
In der deutschen Rechtssprechung kann als Täter oft nur verurteilt werden, wer einen Schaden auch wirklich verursacht hat. Mit Hilfe der Formel der Conditio sine qua non soll man nun konkret herausfinden können, was die Ursache für einen Schaden war und was nicht. Doch das kann in beträchtliche Schwierigkeiten führen.
ZITAT:
"M will seinen Todfeind O erschießen. Dazu geht er in ein Waffengeschäft, wo er eine von H hergestellte Pistole kauft. Am
"M will seinen Todfeind O erschießen. Dazu geht er in ein Waffengeschäft, wo er eine von H hergestellte Pistole kauft. Am
Folgetag lauert er dem O auf dessen Heimweg von der Arbeit auf, zielt auf dessen Kopf und gibt einen tödlichen Schuss ab. Kurz
darauf stellt Dr. T den Tod des O fest."[5]
Das zitierte Lehrbuch zeigt nun, dass nicht nur der Bösewicht M ursächlich, das heißt kausal für den Tod seines Opfers O verantwortlich ist. Ursächlich sind auch andere Personen:
- Der Waffenhersteller H ist ursächlich verantwortlich für den Tod von O. Denn hätte er die Waffe nicht hergestellt, hätte daraus auch kein tödlicher Schuss abgegeben werden können.
- Auch die Eltern von M, O und H sind "erfolgsursächlich", denn hätten sie ihre Söhne nicht gezeigt, hätten diese auch keine Ursache von Straftaten werden können.
- Auch das Opfer O selbst ist Ursache seines eigenen Todes. Denkt man nämlich seine Existenz weg, so kann auch der Erfolg (sein Tod) nicht eintreten.
Nur der nach dem Tod herbeigerufene Arzt T ist keine Ursache des Todes. Man kann sein Eintreten in die Geschichte auch wegdenken, das Opfer wäre dennoch zu Tode gekommen.
Man sieht an diesem (konstruierten) Beispiel, wie schwer es ist, jene Ursache, die man eigentlich verurteilen will (den Schuss des M auf den O) von anderen ebenfalls notwendigen Ursachen abzutrennen. Wer mit dem Stichwort der Conditio sine qua non in die aktuelle Literatur der Rechtswissenschaften einsteigt, wird dort viele tiefsinnige und grundlegende Überlegungen finden können.
Fußnoten
- [1] 1837, unbedingt nötig: "Eine Bedingung, welche unerläßlich ist, um irgend etwas zu Stande zu bringen, wird häufig mit dem lat. Ausdrucke conditio sine qua non bezeichnet." In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 208. Online: http://www.zeno.org/nid/20000813834
- [2] 1858, muss gegeben sein: "Conditĭo sine qua non, Bedingung, ohne welche (eine Sache) nicht (geschehen kann)" In: Der Artikel "Condition". Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 349. Online: http://www.zeno.org/nid/20009711031
- [3] 1904, absolute notwendig: "Conditio sine qua non: notwendige, absolute, unerläßliche Bedingung. Vgl. Bedingung." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 185. Online: http://www.zeno.org/nid/20001784013
- [4] Wie sehr der Sauerstoff eine conditio sine qua non für das Feuer ist zeigt eindrucksvoll ein einfacher Versuch, der Kerzen-Killer-Versuch ↗
- [5] Helmut Satzger: Kausalität und Gremienentscheidungen. In: JURA – Juristische Ausbildung, vol. 36, no. 2, 2014, pp. 186-195. https://doi.org/10.1515/jura-2014-0028
- [6] Die damals neun Jahre alte Ella Adoo-Kissi-Debrah starb 2013 an einem schweren Asthmaanfall. In der Urteilsbegründung des Southwark Coroner’s Court unter Philip Barlow hieß es, dass die verkehrsbedingte Luftverschmutzung durch die nahe South Circular Road in Lewisham als „significant contributory factor“ sowohl für die Entstehung als auch die Verschlimmerung ihres Asthmas wirkte. Im deutschen Recht wird die Gültigkeit einer solchen Argumentation unter anderem unter dem Stichwort "Risikoerhöhungslehre" betrachtet.