Beobachtung
Physik
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- 2025
Basiswissen|
Einführung|
Schlaglichter aus der Geschichte|
Griechische Antike|
Arabische Blüte|
Das Ideal unvoreingenommer Beobachtung|
Fußnoten
Basiswissen
Die Physik ist eine sogenannte empirische Wissenschaft. Das heißt, ob etwas als wahr oder falsch gilt, muss über Beobachtungen der Wirklichkeit, oft in der Form von Experimenten, entschieden werden. Aber was genau ist eine Beobachtung? Die moderne Physik hat den Begriff an die Grenzen seiner anschaulichen Fassbarkeit gebracht.
Einführung
Was eine Beobachtung ist, scheint zunächst recht klar zu sein: man sieht, hört oder riecht etwas und kann daraus Schlüsse über die so wahrgenommene Sachen ziehen: angenommen man steht nachts auf dem Dach eines Gebäudes und beobachtet durch ein Teleskop einen Stern am Himmel. Die meisten Menschen würden die folgenden Annahmen für recht vernünftig halten:
- I Alle gesunden Personen würden durch das Teleskop mehr oder minder dasselbe sehen. (Intersubjektivität)
- II Ob jemand durch das Teleskop blickt oder nicht hat keinen Einfluss auf den Stern. (Objektivität)
- III Der Stern ist auch da, wenn gerade niemand durch das Teleskop blickt. (Realismus)
- IV Unter gleichen Bedingungen wird man auch immer dasselbe beobachten. (Reproduzierbarkeit)
Alles diese drei Annahmen passen zu einem gesunden Menschenverstand. Und alle diese drei Annahmen werden durch die Befunde der Quantenphysik zunehmend in Bedrängnis gebracht. Die Aussagen können mindestens für mit Masse behaftete Objekte wie Elektronen oder auch größere Atome und inzwischen sogar Moleküle nicht mehr als gesichert angenommen werden. Eine Reihe anerkannter Physiker glaubt, dass der Akt der Beobachtung das beobachtete Objekt nicht nur über die Messung stört, sondern dass die Eigenschaften der beobachteten Dinge oder die Dinge durch die Beobachtung selbst erst festgelegt werden.
Betrachten wir einige markante Ansichten aus der Geschichte der Naturwissenschaften, um zu sehen, wie die heutigen Physiker sich wieder dem annähern, was Philosophen schon lange als sicher galt: der Zweifel.
Schlaglichter aus der Geschichte
Griechische Antike
Man kennt aus der Zeit der griechischen Antike, etwa von 7ten bis zum 3ten nachchristlichen Jahrhundert eine Großzahl von Denkern mit kühnen Ideen. Leukipp und Demokrit mit ihren Atomen, Zenon mit seiner Schildkröte und dem "Beweis", dass Bewegung unmöglich sei, Heraklit, der das Gegenteil zeigte, dass nämlich alles fließe, Sokrates, den man zum Tode verurteilte weil er angeblich die Jugend verderbe, Platon, der in seinem Reich der ewigen Ideen eine eigene Wirklichkeit sah, Hypatia, die Astronomin, die in Alexandria von einem christlichen Mob ermordet wurde. Aber man kennt aus dieser Zeit wenig überlieferte Sammlungen von Fakten und Beobachtungen. Diese muss es zweifellos gegeben haben, mindestens in der Astronomie, aber wenig ist uns überliefert. Aristoteles war dann einer der frühen Mahner, dass zu wenig Beobachtung ein Mangel sein könne:
ZITAT:
Aristoteles, 4tes Jh. v. Chr.: "Ein Mangel an Erfahrung mindert unsere Fähigkeit einen umfassenden Blick auf die anerkannten Fakten zu bekommen. Jene, welche in enger Gemeinschaft mit der Natur und ihrer Erscheinungen sind werden besser und besser darin Prinzipien als Grundlagen ihrer Theorien zu formulieren, die eine weitere Entwicklung erlauben, während aber jene, welche sich nur der abstrakten Diskussion hingeben, zum Dogmatismus auf der Basis nur weniger Fakten neigen."[1]
Aristoteles, 4tes Jh. v. Chr.: "Ein Mangel an Erfahrung mindert unsere Fähigkeit einen umfassenden Blick auf die anerkannten Fakten zu bekommen. Jene, welche in enger Gemeinschaft mit der Natur und ihrer Erscheinungen sind werden besser und besser darin Prinzipien als Grundlagen ihrer Theorien zu formulieren, die eine weitere Entwicklung erlauben, während aber jene, welche sich nur der abstrakten Diskussion hingeben, zum Dogmatismus auf der Basis nur weniger Fakten neigen."[1]
Aber auch von Aristoteles ist uns nichts überliefert, was in die Richtung systematischer Naturbeobachtung oder Experimentieres ginge. Man stellt sich die antiken Griechischen Philosophen wohl eher als Denker und Redner vor. In einem Labor sieht man sie vor dem geistigen Auge weniger. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum die antike Wissenschaft niemals die ungeheure Wirkmächtigkeit erlangte, die gut 1500 Jahre später die westeuropäische Wissenschaft erlangen sollte. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.
Arabische Blüte
Nach dem Untergang Westroms flackerte die griechische Philosophie vor allem in Athen und Alexandria im heutigen Ägypten noch etwas nach. Aber der forscherische Geist im Sinne eine Naturwissenschaft im griechischen Geiste blühte erst wieder auf, nachdem die muslimische Welt, ab dem 6ten Jahrhundert nach Christus verstärkt mit der Überlieferung des antiken Griechenland in Berührung kam.[2] Während in Europa die Kirche ihre weltanschauliche Vormachtstellung ausbauen konnte, lebte in der arabischen Welt die Wissenschaft weiter.
Alhazen (965 bis 1040) lebte und wirkte vor allem in Kairo. Heute noch berühmt ist er für sein umfangreiches Werk zur Optik. Aus seinen Worten wird deutlich, dass er zur Überprüfung von Fakten nicht alleine auf die überlieferten Worte alter Autoritäten vertrauen wollte.
ZITAT:
Alhazen, um das Jahr 1000: "Der Sucher nach Wahrheit ist nicht jener der die Schriften der Alten studiert und dabei seinen menschlichen Neigungen folgt, sondern eher jener, der seinem Glauben in den Alten misstraut and anzweifelt was er von ihnen erfährt, jener, der alles dem Disput und der Beobachtung (demonstration) unterwirft ..."[3]
Alhazen, um das Jahr 1000: "Der Sucher nach Wahrheit ist nicht jener der die Schriften der Alten studiert und dabei seinen menschlichen Neigungen folgt, sondern eher jener, der seinem Glauben in den Alten misstraut and anzweifelt was er von ihnen erfährt, jener, der alles dem Disput und der Beobachtung (demonstration) unterwirft ..."[3]
Mit seiner Methode widerlegte Alhazen zum Beispiel die antike Vorstellung der sogenannten Sehstrahlen. Nach der Ansicht von Gelehrten wie Platon, Euklid oder Galen sendet das Auge Strahlen aus, die sozusagen ihre Umwelt abtasten.[4] Nach dieser Theorie, die an Techniken wie Radar, Echolot oder das akustische Sehen der Fledermäuse erinnert, müsste man auch im Dunkeln sehe können. Trotz dieses ernsten Einwandes hielt sich die Sicht bis sie endgültig von den arabischen Gelehren (865‒925)[4] und Alhazen mit Hilfe vieler dokumentierter Beobachtungen wiederlegt wurde.
Das Ideal unvoreingenommer Beobachtung
Im 17ten und 18ten Jahrhundert entwickelten sich die Naturwissenschaften rasant weiter. Auf der Grundlage umfangreicher Naturbeobachtungen, etwa in der Astronomie, wurden große und erfolgreiche Theorien ersonnen. Ein Credo, ein Glaubenssatz dieser Zeit war, dass alles mit einer unvoreingenommenen Beobachtung von Phänomenen und der Fixierung von Fakten zu beginnen habe. Lesen wir das in den Worten des großen Astronomen Wilhelm (William) Herschel, der unter anderem den Planeten Uranus entdeckte:
Fußnoten
- [1] 4tes Jh. v. Chr., zu wenig Beobachtung führt zu Dogmatismus; die Übersetzung stammt von mir. In einer gedruckten Übersetzung ins Englische ist diese Passage: "Lack of experience diminishes our power of taking a comprehensive view of the admitted facts. Hence those who dwell in intimate association with nature and its phenomena grow more and more able to formulate, as the foundations of their theories, principles such as to admit of a wide and coherent development: while those whom devotion to abstract discussions has rendered unobservant of the facts are too ready to dogmatize on the basis of a few observations." In: Aristoteles: On Generation and Corruption. Deutsch: Über Entstehung und Vergehen“ (Book I, Kapitel II, Fragment).
- [2] Im Jahr 529 veranlasste der byzantinische (oströmische) Kaiser Justinian die Schließung von Platons Akademie in Athen. Daraufhin ging der Aristoteliker Simplikios nach Syrien, was damals ebenfalls zum byzantinischen Großreich gehörte, aber kulturell eigenständig und arabisch geprägt war. Dort begründete Simplikios dann die "syrisch-arabische Tradierung aristotelischer Schriften und Lehren". In: Fritz Krafft: Aristoteles. In: Karl von Mëyenn (Herausgeber): Die Grossen Physiker. Band I "Von Aristoteles bis Kelvin", Band II "Von Maxwell bis Gell-Mann". C. H. Beck Verlag. München, 1997. ISBN für beide Bände: 3-406-4115-7. Dort im Abschnitt "Wirkung des Aristoteles in Spätantike und Mittelalter", Seite 79.
- [3] Die Übersetzung aus dem Englischen stammt von mir. Die Übersetzung vom arabischen Original ins Englische ist: "The seeker after the truth is not one who studies the writings of the ancients and, following his natural disposition, puts his trust in them, but rather the one who suspects his faith in them and questions what he gathers from them, the one who submits to argument and demonstration, and not to the sayings of a human being whose nature is fraught with all kinds of imperfection and deficiency." In: Ibn al-Haytham (Alhazen, (965 - 1040): On the Book of Optics (Kitāb al-Manāẓir). Zitiert nach A. Sabra, The Optics of Ibn al-Haytham, Warburg Institute, 1989. Siehe auch Alhazen ↗
- [2] 1620, als Grundlage von Wisssen: "Observation and experiment for gathering material, induction and deduction for elaborating it: these are only good intellectual tools." In: Claude Bernard, Henry C. Greene and L. J. Henderson, An Introduction to the Study of Experimental Medicine (1957), 6.
- [3] 1620, außer Beobachtung gibt es keine weitere Quelle von Erfahrung: "Man, as the minister and interpreter of nature, does and understands as much as his observations on the order of nature, either with regard to things or the mind, permit him, and neither knows nor is capable of more." In: Francis Bacon: Novum Organon. Or, True Suggestions for the Interpretation of Nature. 1620. Dort in "Aphorisms, Book I".
- [4] Zu den Sehstrahlen heißt es: "Emission theory, championed by scientists such as Plato and Euclid, postulated that vision transpires through the emission of rays from the eyes." In: Heydari M, Talebnejad MR, Tajik N. Rhazes on the Rejection of "Emission Theory" of Vision. Arch Iran Med. 2025 Mar 1;28(3):180-181. doi: 10.34172/aim.31205. Epub 2025 Mar 1. PMID: 40298013; PMCID: PMC12038803. Siehe auch Sehstrahl ↗
- [] 1620, jenseits der Beobachtung ist keine Erkenntnis möglich: "Man, being the servant and interpreter of Nature, can do and understand so much and so much only as he has observed in fact or thought of the course of nature; beyond this he neither knows anything nor can do anything." In: Sir Francis Bacon: Novum Organum (1620), Book 1, Aphorism 1. As translated from the original Latin, “Homo enim naturae minister et interpres tantum facit et intelligit, quantum de naturae ordine, opere vel mente, observaverit: nec amplius scit, aut potest.” in The New Organon: Aphorisms Concerning the Interpretation of Nature and the Kingdom of Man), collected in James Spedding, Robert Ellis and Douglas Heath (eds.), The Works of Francis Bacon (1857), Vol. 4, 47. Also seen translated as “Man, as the minister and interpreter of nature, is limited in act and understanding by his observation of the order of nature; neither his understanding nor his power extends farther,” in Robert Routledge, Discoveries and Inventions of the 19th Century (1891), 697.
- [] 1625, kleine Beobachtungen können ganze Weltbilder verändern: "I would by all means have men beware, lest Æsop’s pretty fable of the fly that sate [sic] on the pole of a chariot at the Olympic races and said, “What a dust do I raise,” be verified in them. For so it is that some small observation, and that disturbed sometimes by the instrument, sometimes by the eye, sometimes by the calculation, and which may be owing to some real change in the heaven, raises new heavens and new spheres and circles." In: Sir Francis Bacon: Of Vain Glory (1625) in James Spedding, Robert Ellis and Douglas Heath (eds.), The Works of Francis Bacon (1887-1901), Vol. 6, 503.
- [6] 1830, Beobachtung als erster Ausgangspunkt für Theorien. Die Übersetzung stammt von mir. Hier ist der vollständige Gedanke von Herschel im englischen Original: "Experience once recognized as the fountain of all our knowledge of nature, it follows that, in the study of nature and its laws, we ought at once to make up our minds to dismiss as idle prejudices, or at least suspend as premature, any preconceived80 notion of what might or what ought to be the order of nature in any proposed case, and content ourselves with observing, as a plain matter of fact, what is. To experience we refer, as the only ground of all physical enquiry. But before experience itself can be used with advantage, there is one preliminary step to make, which depends wholly on ourselves: it is the absolute dismissal and clearing the mind of all prejudice, from whatever source arising, and the determination to stand and fall by the result of a direct appeal to facts in the first instance, and of strict logical deduction from them afterwards." In: William Herschel: Preliminary discourse on the Study of Natural Philosophy. Erstveröffentlichung 1830. Spätere Auflage 1851. Online: Online: https://www.gutenberg.org/files/54897/54897-h/54897-h.htm
- [7] 1834, als gewonnene Erfahrung: "Beobachtung heißt jede durch Anschauung gewonnene Erfahrung. Die Kunst, richtig und genau zu beobachten, ist nicht so leicht, als es den Anschein haben mag. Die Bedingungen, um ein guter Beobachter zu sein, sind nach Beschaffenheit der Gegenstände, worauf die Aufmerksamkeit gerichtet wird, verschieden. Von der Beobachtung unterscheidet sich der Versuch dadurch, daß man bei diesen die Erscheinungen, worauf man bei ersterer die Aufmerksamkeit richtet, selbst veranlaßt. Zum Versuche muß jedoch immer wieder die Beobachtung hinzu kommen." In: Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 8. Online: http://www.zeno.org/nid/20001715372
- [8] 1857, in wissenschaftlicher Hinsicht: "Beobachtung, 1) absichtliche u. aufmerksame Wahrnehmung eines Gegenstandes aus verschiedenen Ursachen, od. einer Erscheinung in ihrem Verlaufe, um dadurch das wahre Wesen desselben zu erkennen, u. wenn die B. wissenschaftlicher Natur ist, allgemeine Gesetze daraus abzuleiten. Es wird dabei Scharfsinn, Gegenwart des Geistes, lebhafte Einbildungskraft vorausgesetzt, welche man Beobachtungsgeist nennt, u. welche durch Übung zur Fertigkeit wird. Hauptsächlich kommen die B-en bei Naturerscheinungen vor, wobei dem Beobachter Schärfe der Sinne, Ruhe u. Ausdauer u. eine genaue Kenntniß der Bauart seiner Instrumente nöthig sind. Sollen durch angestellte B-en Maßbestimmungen erzielt werden, so werden auch bei der größten Geschicklichkeit u. Aufmerksamkeit des Beobachters,[582] so wie bei der möglich größten Vollkommenheit seiner Instrumente die zumessenden Größen mit kleinen Fehlern behaftet hervorgehen. Man darf sich also nie mit Einer B. begnügen, sondern muß deren möglich viel anstellen u. dann durch die Methode der kleinsten Quadrate (s.d.) den Werth bestimmen, welcher die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat". In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 582-583. Online: http://www.zeno.org/nid/20009505474
- [9] 1904, erkenntnistheoretisch: "Beobachtung (Observation) ist die aufmerksame, planmäßige Betrachtung eines Objectes. Das Physische ist wegen seiner Constanz unmittelbar, das Psychische wegen seiner Flüchtigkeit und wegen der Störung des Bewußtseinsverlaufs durch die absichtliche Lenkung der Aufmerksamkeit auf dasselbe nur mittelbar, in der Erinnerung beobachtbar. Den Wert der Beobachtung (têrêsis) kennen im Altertum HIPPOKRATES, ARISTOTELES, GALENUS, die »Empiriker«, im Mittelalter, wo sie im allgemeinen vernachlässigt wird, ALBERTUS MAGNUS, WILHELM VON OCCAM, ROGER BACON. Später betont diesen Wert methodologisch (im Anschlusse an die Errungenschaften eines KOPERNIKUS, KEPLER, GALILEI u. a.) zunächst der Empirismus (s. d.). F. BACON bemerkt: »Homo naturae minister et interpres tantum facit et intelligit, quantum de naturae ordine re, vel mente, observaverit, nec amplius scit aut potest« (Nov. Organ. 1). Die Beobachtung ist der Ausgang aller Induction (s. d.). Nach PLATNER ist Beobachtung »eine mehr angestrengte, vorsätzliche und zugleich absichtsmäßige Richtung der sinnlichen Vorstellkraft auf Gegenstände der Sinne« (Phil. Aph. I, § 211). Nach ULRICI ist sie »ein aufmerksames Betrachten des Gegenstandes in der Absicht, von seiner Beschaffenheit seinen Bestimmungen, Eigenschaften, Merkmalen, besonderen Eigentümlichkeiten etc. eine möglichst genaue Kenntnis zu gewinnen« (Leib u. Seele S. 301). – Für die Selbstbeobachtung (»introspection«) als psychologische Methode sind HERBART, BENEKE, FORTLAGE, ULRICI, WAITZ, der betont, es würden nur Erinnerungsbilder beobachtet (Lehrb. d. Psychol. S. 672 f.), FORTLAGE, auch HÖFFDING (Psychol.2, S. 20 ff.), der die Mängel der reinen Selbstbeobachtung würdigt (l.c. C. 1), MÜNSTERBERG (Aufg. u. Meth. S. 63 ff.), VOLKELT (Zeitschr. f. Philos. 1887), LIPPS (Gr. d. Seelenl. S. 10 f.), teilweise SPENCER (»subjective« neben der »objectiven« Psychologie), BAIN, JAMES, auch JODL (Lehrb. d. Psych. S. 10), W. JERUSALEM (Lehrb. d. Psychol.3, S. 5 ff.) u. a. Es wird betont, daß die Beobachtung anderer ergänzend zur »Selbstbeobachtung« (besser Selbstwahrnehmung: EBBINGHAUS, Gr. d. Psychol. I, 57, BRENTANO, WUNDT u. a.) treten muß. Gegen die »Selbstbeobachtung« ist HUME, insofern er betont, dieselbe störe den Ablauf der seelischen Vorgänge (Treat. S. 7), und besonders A. COMTE, der sie für unmöglich erklärt und von der »profonde absurdité« spricht, »que présente la seule supposition si évidemment contradictoire de l'homme se regardant penser« (Cours de phil. pos. III, 766 ff., I, 30 ff.; ähnlich F. MAUTHNER, Krit. d. Spr. I). WUNDT betont, in der Psychologie sei »eine exacte Beobachtung nur in der Form der experimentellen Beobachtung möglich« (Gr. d. Psych.5, S. 27). Die Absicht der Beobachtung verändert Eintritt und Verlauf der psychischen Vorgänge (l.c. S. 28). Die reine Beobachtung ist ausgeschlossen auf dem Gebiete der Individualpsychologie, weil es hier keine beharrenden Objecte gibt, zulässig aber, ja gefordert in der Völkerpsychologie (l.c. S. 29 f.). Die »zufällige« innere Wahrnehmung (nicht Beobachtung) kann aber in der Individualpsychologie (am besten in der Form unmittelbarer Erinnerung) als vorbereitende und ergänzende Methode verwendet werden. Die vermeintliche willkürliche »Beobachtung« aber ist in Wahrheit schon Reflexion und Fälschung des Tatbestandes durch Vorurteile aller Art." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 136-137. Online: http://www.zeno.org/nid/20001782517
- [10] 1905, als Grundlage der Erfahrungswissenschaften: "Beobachtung, die Anspannung der Aufmerksamkeit auf Gegenstände oder Vorgänge, um das Wesen derselben zu ergründen. Die wissenschaftliche B. geht methodisch, nach bestimmten Grundsätzen und Regeln, die von der betreffenden Wissenschaft selbst an die Hand gegeben werden, zur Auffindung der Erscheinungsursachen und allgemeiner Gesetze vor. Alle Erfahrungswissenschaften haben die B. zu ihrer Grundlage. Die Erscheinungen aber werden nicht bloß, wann und wie sie die Natur bietet, sondern oft mit Hilfe des Experiments (s. d.) der B. unlerworfen, indem man durch künstliche Veranstaltungen den Gegenstand gleichsam nötigt, sich dem Beobachter von einer bestimmten Seite, unter absichtlich gewählten Verhältnissen etc. darzustellen. Den Wert der B. stellte unter den Neuern zuerst F. Bacon in seinen Werken: »De augmentis scientiarum« und »De interpretatione nat orae« in das rechte Licht; ein preisgekröntes Werk über B. lieferte Senebier (»S ur l'art d'observer et de faire des expériences«, 2. Aufl., Genf 1802, 3 Bde.; deutsch nach der ersten Auflage von Gmelin, Leipz. 1776, 2 Bde.). Über astronomische B. hat John Herschel in seinem »Preliminary discourse on the study of natural philosophy« gehandelt (als Einleitung zu Lardners »Cabinet-Cyclopaedia« erschienen, neue Ausg. 1840; deutsch von Henrici: »Über das Studium der Naturwissenschaft«, Götting. 1836). Die Ergebnisse der B. sind oft durch die Unzulänglichkeit unsrer Sinne und Instrumente und die Beschaffenheit unsers Nervensystems getrübt, es stellen sich Beobachtungsfehler ein, über deren Umfang und Grenzen der Beobachter sich Klarheit verschaffen muß. Bei häufiger Wiederholung derselben B. ergibt das Mittel eine größere Genauigkeit, weil die eintretenden Fehler sich z. T. gegenseitig aufheben. Bei gewissen Beobachtungen werden die in regelmäßigen Bedingungen gegebenen Abweichungen durch Korrekturen beseitigt (vgl. Gleichung, persönliche). Bei astronomischen Beobachtungen bedient man sich zur Ermittelung der Fehlergrenze vorzugsweise der Methode der kleinsten Quadrate. Eine »Allgemeine Theorie der Zuverlässigkeit der Beobachtungen[646] und Versuche« gab schon Lambert im 1. Teil seiner »Beiträge zum Gebrauch der Mathematik« (Berl. 1760). Vgl. Seltmann, Ausgleichung der Beobachtungsfehler nach dem Prinzip symmetrisch berechneter Mittelgrößen (Marb. 1886); Weinstein, Handbuch der physikalischen Maßbestimmungen, Bd. 1: Die Beobachtungsfehler (Berl. 1886); Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler (Leipz. 1891); Koll, Theorie der Beobachtungsfehler (Berl. 1893). – Literatur über wissenschaftliche Beobachtungen auf Forschungsreisen vgl. Reisen." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 646-647. Online: http://www.zeno.org/nid/20006313671
- [11] 1907, in Abgrenzung zum Experiment: "Beobachtung (observatio) heißt allgemein die absichtliche Hinlenkung gespannter Aufmerksamkeit (s. d.) auf einen Gegenstand, dann, auf naturwissenschaftlichem Gebiete, die methodisch, d. h. nach bestimmten Gesichtspunkten und Regeln vorgenommene Untersuchung desselben, wie er sich unmittelbar darbietet, ohne daß an demselben Veränderungen vorgenommen werden. Daher definiert Kant: »Erfahrung methodisch anstellen heißt (allein) beobachten« (Gebrauch teleol. Prinzipien in der Philos., Kants Werke, herausgegeben von v. Kirchmann VIII, S. 147). Sobald man dagegen das Objekt der Forschung willkürlich verändert oder in gewisse zu seiner Beobachtung geeignete Lagen bringt, geht die Beobachtung in das Experiment über. Die verschiedenen Wissenschaften verhalten sich verschieden zu Beobachtung und Experiment. Der Astronom z. B. kann nur beobachten, nicht experimentieren, weil er zwar seine Instrumente umlegen und ändern, die Zeiten und Orte auswählen, aber die Gestirne selbst nicht künstlichen Veränderungen unterwerfen kann, während der Chemiker, Physiker, Botaniker, Zoologe usw. durch von ihm selbst ausgehende Änderung der Stoffe Experimente anstellt. Beobachtung und Experiment sind die Hauptmittel der exakten Forschung. Hierauf hat zuerst Bacon von Verulam (1561-1626) hingewiesen, der deshalb auch Vater der Naturwissenschaft genannt wird (De dignitate et augmentis scientiarum 1623, und Novum organum 1620). Vgl. auch Sénébier, Sur l'art d'observer et de faire des expériences 2. Aufl. Genf 1502, deutsch von Gmelin 1776. John Herschel, A preliminary discourse on the study of natural philosophy. Lond. 1831. John Stuart Mill, a system of Logic ratiocinative and inductive. London 1843, deutsch n. d. 5. Aufl. 1862. W. Wundt, System d. Logik, 2 Teile, 1881." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 93. Online: http://www.zeno.org/nid/2000357914X
- [12] 1981, im Idealfall störungsfrei: "... there is an external world which can in principle be exhaustively described in scientific language. The scientist, as both observer and language-user, can capture the external facts of the world in prepositions that are true if they correspond to the facts and false if they do not. Science is ideally a linguistic system in which true propositions are in one-to-one relation to facts, including facts that are not directly observed because they involve hidden entities or properties, or past events or far distant events. These hidden events are described in theories, and theories can be inferred from observation, that is the hidden explanatory mechnism of the world can be discovered from what is open to observation. Man as scientist is regarded as standing apart from the world and able to experiment and theorize about it objectively and dispassionately." In: Mary B. Hesse: 'Introduction', Revolutions and Reconstructions in the Philosophy of Science (1981), xii. In John Templeton and Robert L. Herrmann, Is God the Only Reality (1994), 11-12.
- [13] 1999, im Idealfall störungsfrei: "Der empiristischen Auffassung zufolge stellt die B. die Grundlage jeder Erfahrung bzw. jeden Erfahrungswissens dar. Nach einem naiven Verständnis handelt es sich bei der B. um das Wahrnehmen objektiver Gegebenheiten und Ereignisse, d.h. um das Beobachtete. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Welt als eine Ansammlung fertiger Gegenstände aufzufassen sei." In: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel "Beobachtung", Seite 70.
- [14] 1992, Louis de Broglie erkennt die Prämisse von David Bohm, dass in seiner Interpretation einer sogenannten Pilotwelle der Quantenphysik der zu messende Zustand bereits vor der Messung existiert haben muss: "Die Demonstration von Herrn von Neumann behauptet, jede Interpretation der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Wellenmechanik durch eine kausale Theorie mit versteckten Parametern zu verbieten; jedoch existieren die Theorien der Doppellösung und der Pilotwelle, auch wenn sie nicht als bewiesen betrachtet werden können, und man kann sich fragen, wie ihre Existenz mit dem Theorem von von Neumann vereinbar ist. Diese Bemerkung hat mich dazu geführt, die Demonstration dieses Theorems erneut zu untersuchen, und ich habe dabei festgestellt, dass diese Demonstration im Wesentlichen auf dem folgenden Postulat beruht: Alle Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die von der Wellenmechanik zugelassen werden, haben eine physikalische Existenz, noch bevor von Neumann das Experiment durchgeführt hat, das eine dieser Verteilungen ins Spiel bringt. So würden die Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die aus der Kenntnis der Welle T abgeleitet werden und sich auf die Position und den Bewegungszustand beziehen, vor den Messungen existieren, die es ermöglichen, die Position oder den Bewegungszustand genau zu kennen." Im franzöisischen Original: la démonstration de M. von Neumann prétend interdire toute interprétation des distributions de probabilités de la Mécanique ondulatoire par une théorie causale à paramètres cachés ; or les théories de la double solution et de l'onde-pilote, si elles ne peuvent être considérées comme prouvées, existent cependant et l'on peut se demander comment leur existence est conciliable avec le théorème de von Neumann. Cette remarque m'a conduit à examiner de nouveau la démonstration de ce théorème et je me suis alors aperçu que cette démonstration reposait essentiellement sur le postulat suivant : toutes les répartitions de probabilités admises par la Mécanique ondulatoire ont une existence physique avant même que Von ait fait V expérience qui fait entrer en jeu l'une de ces répartitions. Ainsi les répartitions de probabilités déduites de la connaissance de l'onde T et relatives à la position et à l'état de mouvement existeraient avant les expériences de mesure qui peuvent permettre de connaître exactement la position ou l'état de mouvement." In: Louis de Broglie: La physique quantique restera‑t‑elle indéterministe?, Revue d’histoire des sciences et de leurs applications 5(4), 289–311 (1952). DOI 10.3406/rhs.1952.2967, S. 289. Online: https://www.persee.fr/doc/rhs_0048-7996_1952_num_5_4_2967
- [15] Beobachtung in der Kybernetik: "obseryation including DECISION making is the process underlying cybernetic theories of information processing and computing. By extending theories of self-reference to processes of observation including cognition and other manifestations of intelligence, cybernetics has been applied to itself and is developing an EPISTEMOLOGY of systems involving their observers (-> SECOND-ORDER CYBERNETICS) qualitatively unlike the earlier interest in the ONTOLOGY of systems which are observed from the outside (-> FIRST-ORDER CYBERNETICS)" In: Klaus Krippendorf: A Dictionary of Cybernetics. Annaberg School of Economics. University of Pennsylvania. 1986. Online: https://asc-cybernetics.org/publications/Krippendorff/A_Dictionary_of_Cybernetics.pdf
- [16] "UNCERTAINTY PRINCIPLE: A principle in quantum physics, formulated by Heisenberg: "It is impossible to simultaneously measure the position and the momentum of atomic particles with an arbitrary degree of accuracy." The prinCiple recognizes the FACT that, on the atomic level, any measuring process involves ENERGY which by necessity interferes with the energy measured. BREMERMANN'S LIMIT on the amount of INFORMATION a material SYSTEM can process is an outgrowth of this prinCiple. A less quantifiable uncertainty prinCiple exists in the social sciences: "Any interaction between an observer and the observed changes both. The more an observer probes, the more difficult it is for him to obtain INFORMATION about the initial STATE of what he observes and the more are his observations contaminated by his own efforts" (->SELF-REFERENCE)." In: Klaus Krippendorf: A Dictionary of Cybernetics. Annaberg School of Economics. University of Pennsylvania. 1986. Siehe auch Unschärferelation ↗