Als Wellenzug bezeichnet man mehrere Wellen, die räumlich und zeitlich zusammenhängen. Dieser Zusammenhang kann a) über eine gemeinsame Phase gegeben sein, oder b) wenn die einzelnen Wellen nicht in Phase verlaufen so ergeben sie ein sogenanntes Wellenpaket. Die typische Ansicht in Lehrbüchern besteht aus einer oder mehrer Sinuskurven.
Welle und Wellenzug
Das Wort Wellenzug antwortet auf die Notwendigkeit, dass eine Welle im Sprachgebrauch des Alltags nur einen Aspekt von der physikalischen Bedeutung einer Welle abdeckt. Blickt man mit mehreren Leuten am Strand gemeinsam auf herankommende Wellen, so wird niemand daran Anstoß nehmen, wenn man etwa sagt, dass "da gerade eine große Welle kommt" aber die "nächste Welle dahinter viel kleiner" ist.
Das Video zeigt Wellen die auf Strand zulaufen. Jeden herankommenden Wellenberg bezeichnet man umgangssprachlich als eine Welle.
Jeder wird unbewusst als Welle in etwa einen sich auf den Strand hin bewegenden Wellenberg verstehen. Demgegenüber findet man in der Physik in Verbindung mit dem Wort Welle oft Darstellungen von sinusförmigen Schlängellinien. Dies entspricht gedanklich am Strandbild einer Seitenansicht, beider sich die Wellenberge zum Beispiel von links nach rechts bewegen:
Der Blick von der Seite auf mehrere gemeinsam sich bewegende Wellen verbindet verschiedene Ideen von einem Wellenzug.
Der Wellenzug als zusammenhängende Wellen
Das Wort Wellenzug wurde spätestens Anfang des 20ten Jahrhunderts im Zusammenhang mit Schallwellen[1], elektromagnetischen Wellen[2][3] und Wasserwellen an Schiffen[4][5]. Während dabei keine explizite Definition gegeben wurde, war die Verwendung jedoch stets so, dass man sich den Wellenzug so verstellen kann, dass zeitlich begrenzt mehrere Abfolgen von Wellentälern und Wellenbergen gedacht wurden. Der Zusammenhang bestand dann entweder in einer gemeinsamen Entstehung[2][3] oder in der gleichmäßig Abfolge[4][5] von Wellen, die von einer gemeinsamen Quelle ausgehend zeitlich zusammenhängend "losgeschickt" wurden[6]. Diese Definition lassen offen, ob die einzelnen Wellen im Gleichtakt verlaufen oder auch unterschiedlich getaktet sein können[12].
Der Wellenzug als Wellenpaket
Eine engere Auffassung von Wellenzug[6][13][14] setzt einen Wellenzug mit einem sogenannten Wellenpaket gleich, lässt aber als Grenzfall auch eine Welle unendlicher Ausdehnung zu[15]. Als Wellenpaket bezeichnet man eine räumlich oder zeitlich eng begrenzte Welle, die gedanklich aus einer Überlagerung verschiedener Wellen entsteht. Um aber die bereits verwendeten allgemeineren Bedeutungen des Wortes Wellenzug nicht zu unterbinden, sollte besser der eindeutige Begriff des Wellenpakets verwendet werden. Siehe mehr dazu unter Wellenpaket ↗
Fußnoten
[1] Wellenzüge in einer Kundtschen Röhre: "Die einem Ton entsprechende Länge der Luftwelle, der Abstand zwischen zwei sich folgenden Verdichtungen (s. Wellenbewegung) ist der Messung zugänglich, wenn man die Tonwellen durch die Luftsäule einer Röhre leitet und den Wellenzug entweder mit sich selbst in entgegengesetzter Richtung zur Interferenz bringt oder mit sich selbst in gleicher Richtung, letzteres mittels einer sich verzweigenden und nach ungleichen Längen der Arme sich wieder vereinigenden Röhre. Im ersteren Fall, wo die Tonwellen an einem in der Röhre beliebig verstellbaren Stempel in sich selbst reflektiert werden, entstehen durch Interferenz stehende Wellen, deren Schwingungsknoten nach Kundt durch ringförmige Anhäufungen von Korkstaub erkennbar gemacht werden; im zweiten Fall vernichten sich die zwei Wellenzüge, der Ton wird unhörbar, sobald die Wegdifferenz der zwei geteilten Zweige eine halbe Wellenlänge beträgt; in beiden Fällen geben enge Röhren bei zu großen Wellenlängen etwas zu kleine Resultate gegenüber der Wellenlänge desselben Tones in freier Luft." In: der Artikel "Schall". Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 593-596. Online: http://www.zeno.org/nid/20006118887
[2] Wellenzüge bei einem Telegraphen: "Den mittleren Teil der Spule umgibt eine Spule aus dünnem Drahte, in die ein Telephon eingeschaltet ist. Sobald ein elektromagnetischer Wellenzug die Primärspule durchfließt, vernichtet oder schwächt er den von der Magnetisierung durch den vorher passierten Hufeisenmagneten herrührenden permanenten Magnetismus. Die Veränderungen induzieren im Sekundärkreise Stromstöße, die im Fernhörer als Töne wahrgenommen werden." In: der Artikel "Telegraph". Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 431-477. Online: http://www.zeno.org/nid/20006139256
[3] Licht als Wellenzug: "Die Verbindung von einem Wasserstoffatom mit einem negativen Elektron ist ein negatives Wasserstoffion, die Verbindung mit einem positiven Elektron ein positives Ion. Die E., namentlich die negativen, sind als sehr leicht beweglich zu denken, so daß sie, falls ein Lichtstrahl, d. h. ein elektrischer Wellenzug, den Körper durchdringt, in Mitschwingung versetzt werden und dadurch dessen Fortpflanzungsgeschwindigkeit beeinflussen." In: der Artikel "Elektron". Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 685-686. Online: http://www.zeno.org/nid/20006546218
[4] Wellenzug im Schiffbau: "Ist die Stillwasserperiode eines Schiffes gleich der Wellenperiode, so wird jeder Wellenzug, da Schiff und Richtungslinie des Auftriebs gleichmäßig schwingen, den Neigungswinkel vergrößern, und das Schiff müßte nach dem Passieren einiger Wellenzüge überrollen und kentern, wenn nicht der Seitenwiderstand des Schiffes im Wasser die Bewegung des Schiffes bremst. Bei derartig großen Ausschlägen ist freilich die Annahme der unveränderlichen Lage des Metazentrums nicht mehr zutreffend, so daß auch die Schiffsschwingungen nicht mehr isochron bleiben. Wenngleich ein Kentern von Schiffen wegen der beim Rollen auftretenden Widerstände nicht immer eintritt, so wurden doch Neigungen bis zu 50° beobachtet, wenn das sonst ruhig rollende Schiff in einem Wellenzuge quersees zu liegen kommt, deren Periode so groß ist als die Schiffsperiode. Man muß dann bestrebt sein, dem Schiff beim Entwurf eine Stillwasserperiode zu geben, welche größer ist als die Wellenperiode der Ozeanwellen, d.h. T < 11 Sekunden. Sobald die Lage des Schiffes zur Welle nicht mehr quersees ist, wenn also der Schiffskurs den Wellenzug unter einem Winkel schneidet, so ändert sich die relative Wellenperiode." In: der Artikel "Schiffsschwingungen". Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 687-689. Online: http://www.zeno.org/nid/20006120652
[5] Wellenzug im Schiffbau, Rumpfverbesserung: "Da diese Wellenbildungen besonders abhängig von der Schiffsform sind, indem der vom Schiff in Fahrt gebildete Wellenzug gewöhnlich einen Wellenberg in der Nähe des Vorderschiffes (Bugwelle), zuweilen auch am Hinterschiff einen zweiten Wellenberg (Heckwelle) erzeugt, deren Lage bei verschiedenen Schiffsformen sehr verschieden ist, so ist es nötig, bei den Schleppversuchen die Bug- und Heckwellenformen möglichst genau zu beobachten. Dies geschieht mit Hilfe eines photographischen Apparats, der auf dem Schleppwagen dicht über dem Wasserspiegel neben dem Modell angebracht ist; mit diesem Apparat werden während der Schleppversuche eine Reihe von Momentaufnahmen der vom Modell gebildeten Wellenzüge gemacht. Diese Photographien geben ohne weitere Rechnung Aufschluß über Mängel in der Schiffsform; denn jede hohe Bugwelle vermehrt den Widerstand, eine günstig, d. h. hinter dem Nullspant (dem größten Querschnitt des Schiffes) liegende Heckwelle aber hilft gewissermaßen den Schiffskörper mitschieben, während eine große Heckwelle hinter dem Hintersteven saugend, also zurückhaltend wirkt. Der Einfluß der richtigen Lage und Form des das Schiff begleitenden Wellenzuges, also der Bug- und Heckenwellenform und -Lage, ist sehr groß und derart, daß unter Umständen eine Verlängerung des Schiffskörpers und Vermehrung der Schiffsgröße möglich ist, ohne daß der Gesamtwiderstand dadurch vergrößert wird. Auf Grund solcher Untersuchungen sind in der Tat schon eine Reihe von Handelsschiffen und auch ein deutsches Kriegsschiff (Küstenpanzerschiff Hagen) verlängert worden, ohne bei unveränderter Maschinenkraft an Geschwindigkeit nach dem Umbau verloren zu haben." In: der Artikel "Hydrologische Versuchsanstalten". Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 693-695. Online: http://www.zeno.org/nid/20006803032
[6] "Wellenzug/Wellenpaket/Wellengruppe. Der Wellenzug ist die Störung, die "losgeschickt" wurde." In: Grundbegriffe und Beispiele zu mechanischen Wellen. Animationen zeigen je ein Beispiel für transversale und für longitudinale Wellen. Der Wellenzug setzt sich in den Beispielen aus zwei direkt aufeinander folgend losgeschickten Schwingungen. Diese zwei zusammenhängenden Schwingungen in ihrer Fortpflanzung werden dort als Wellenzug bezeichnet. Schulphysikwiki. Abgerufen am 12. Juni 2024. http://schulphysikwiki.de/index.php/Grundbegriffe_und_Beispiele_zu_mechanischen_Wellen
[7] Eine Seite zur Mikroskopie zeigt die typische Sinuslinie und nennt das in einer Abbildung einen Wellenzug. In: Christian Linkenheld: Wellenoptische Grundlage der Bildentstehung. 2001. Abgerufen am 12. Juni 2024. Online: https://www.mikroskopie.de/kurse/wellenop.htm
[8] Wellenzüge und Kohärenz: "Zwei Wellenzüge, die untereinander eine feste Phasenbeziehung haben, nennt man kohärent." In: der Artikel "Kohärenz". Wissenstexte Physik-Wissen. Abgerufen am 12. Juni 2024. Online: https://wissenstexte.de/physik/kohaerenz.htm
[9] Wellenzuüge und Kohärenz: "Eigenschaft zweier Wellenzüge, die dann vorliegt, wenn ihre Phasenverschiebung an einem festen Ort entweder für alle Zeiten konstant bleibt oder wenn sie sich gesetzmäßig mit der Zeit ändert." Sowie: "Interferenz kommt somit bei Licht nur zustande, wenn ein Wellenzug z. B. an einem Strahlteiler geteilt und an anderer Stelle wieder zusammengeführt wird. Der Gangunterschied darf jedoch die Länge l der Wellenzüge (Kohärenzlänge) nicht überschreiten, bzw. der Laufzeitunterschied nicht die zeitliche Ausdehnung t=l/c der Wellenzüge (Kohärenzzeit)." In: der Artikel "Kohärenz". Spektrum Lexikon der Physik. 1998 bis 2000. Online: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/kohaerenz/8123
[10] Wellenzüge bei der Emission von Licht, die Länge eines Photons: "Wird ein einziger Wellenzug bei einem Licht-Emissionsvorgang ausgestrahlt, dauert dies rund 0,0000000001 Sekunde. Daraus lässt sich die theoretische Länge dieses Wellenzuges berechnen: 3 Meter. Nun gehen wir auf die Atomebene zurück und betrachten ein Atom, welches einen Wellenzug aussendet. Wir stehen dabei neben dem Weg, den das Licht zurücklegt und betrachten den ersten Wellenzug, der an uns vorbeiläuft. Irgendwann – diese Zeitdauer ist nicht definiert – sendet das Atom den nächsten Wellenzug aus." In: der Artikel "Kohärenz oder Phasengleichheit eines Laserstrahls". Trotec Laser GmbH, München. Abgerufen am 12. Juni 2024. Online: https://www.troteclaser.com/de/hilfe-support/hilfe-center/kohaerenz-phasengleichheit-eines-laserstrahls
[11] Für "quasimonochromatische Wellen" mit einem "geringen Frequenzspektrum" definiert ein akademischer Artikel einen Wellenzug über seine "endliche Länge" und führt zu angeführten mathematischen Beziehungen aus: "Diese Relationen sind unter dem Begriff Unschärferelation bekannt. Sie drücken die Tatsache aus, dass ein Wellenzug ein Energiespektrum (Energieunschärfe) in Abhängigkeit von seiner Lebensdauer bzw. eine Impulsunschärfe in Abhängigkeit von seiner Ausdehnung besitzt.)". Eine Skizzie zeigt einen Wellenzug als eine links und rechts scharf abgeschnittene Sinuslinie von drei kompletten Perioden. In: Der Artikel "Harmonische Wellen". Abgerufen am 12. Juni 2024. Online: https://people.physik.hu-berlin.de/~mitdank/dist/scriptenm/harmonie.htm
[12] Wellen die sozusagen im Gleichtakt laufen nennt man in Phase oder auch kohärent. Siehe mehr dazu unter Kohärenz (Physik) ↗
[13] So verwendet zum Beispiel der Wikipedia-Artikel "Wellenpaket" die Worte Wellenzug und Wellenpaket als Synonyme: "Ein Wellenpaket, eine Wellengruppe oder ein Wellenzug ist eine räumlich oder zeitlich begrenzte Welle. Mathematisch kann ein Wellenpaket als zusammengesetztes System einfacherer Wellen aufgefasst werden. Insbesondere kann ein Wellenpaket durch Superposition (Addition) mehrerer ebener Wellen dargestellt werden. ". Abgerufen am 12. Juni 2024). Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Wellenpaket
[14] Das Metzler Lehrbuch der Physik definiert den Wellenzug in enger Verbindung zum - aber nicht ausschließlich für - zu einem Wellenpaket. Die Definition beginnt mit dem Hinweis, dass sich Schwingungen, die nur eine "bestimmte endliche Zeit" bestehen durch eine Überlagerung von "unendlich vielen" sogenannten harmonischen Schwingungen zusammensetzen. Es wird dann eine Beziehung zwischen der Dauer der Schwingung 2Δt und dem Frequenzintervall 2Δf hergestellt, nämlich Δf·Δt=½. Bewegt sich dann eine "solche Schwingung mit der endlichen Zeitdauer 2Δt durch ein Medium", entsteht daraus ein sich "ausbreitender Wellenzug", auch "Wellenpaket" oder "Wellengruppe" genannt. In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Die dazugehörigen Abbildungen zeigen alle sinusartige Wellenpakete als Graphen in zweidimensionalen Koordinatensystemen. Dort das Kapitel "3.3.4 Phasen- und Gruppengeschwindigkeit, Dispersion" auf Seite 130.
[15] Wird das Frequenzintervall, aus dem sich ein Wellenzug zusammensetzt, immer enger, bis hin zum Grenzfall von nur noch einer Wellenläng, so ist "der Wellenzug unendlich lang". In: Metzler Physik. 5. Auflage. 592 Seiten. Westermann Verlag. 2022. ISBN: 978-3-14-100100-6. Dort das Kapitel "3.3.4 Phasen- und Gruppengeschwindigkeit, Dispersion" auf Seite 130.
[16] Erwin Schrödinger schreibt über einen quantenphysikalischen Wellenzug: "an jeder Stelle in einem regelmäßig fortschreitenden Wellenzug findet sich ein zweifacher struktureller Zusammenhang der Wirkungen, die man als „längs“ und „quer“ unterscheiden mag. Die Querstruktur ist die der Wellenflächen und tritt bei Beugungs- und Interferenzversuchen zutage, die Längsstruktur ist die der Wellennormalen und manifestiert sich bei der Beobachtung einzelner Teilchen." In: Erwin Schrödinger: Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild. Scientia Nova. Oldenbourg. 2008. ISBN 978-3-486-58671-8. Dort im Abschnitt "Wellenfeld und Partikel: ihr theoretischer Zusammenhang" auf Seite 114.