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Verb

Physikalisch

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Basiswissen


Ein Verb, oder Zeitwort[1], umgangssprachlich auch Tun- oder Tuwort[2] genannt bezeichnet ein Tun, ein Geschehen, einen Ablauf oder Prozess: ein fallender Stein beschleunigt von 0 auf 100 km/h in weniger als 3 Sekunden: beschleunigen ist hier das Verb. Wo ein Verb auf ein aktiv handelndes Subjekt verweist, fehlt in der Physik eine dazu passende Entsprechung. Das ist hier kurz erklärt.

Das Verb fordert ein Subjekt


Verben setzten oft ein handelndes Subjekt voraus, jemanden, der etwas will, fühlt und Geschehnisse in der Welt handelnd beeinflussen kann. Konzepte aber wie Wille, Gefühl oder Handlung haben in der Physik keine Entsprechung. Wenn die Grammatik für jedes Verb auch ein dazugehöriges Subjekt fordert, so bleibt die Physik stumm, was genau ein Subjekt überhaupt sein soll. Die Alltagssprache stattet das Subjekt mit einem Ich, einer Peson, eine Psyche, einem Geist oder einer Seele aus. Von alledem kennt die Physik nichts.

MERKSATZ:

"Wisssenschaft muss in Prosa geschrieben sein, in objektiver Sprache, und ihre Literatur wie letztendlich eine Sammlung von Formeln und Statistiken sein."[5]

Das Wollen


"Petra wollte so gerne einmal nach Paris fahren", "Wenn Hans etwas wollte, dann erreichte er es auch" oder: "Wenn sie etwas wirklich wollen, dann setzten sie alle Hebel in Bewegung, um es zu erreichen". Das Verb wollen setzt einen psychischen Zustand voraus, ein Subjekt, das diesen Willen erzeugt oder doch zumindest empfindet. Keine Gleichung der Physik deutet an, wie aus einem gegebenen Zustand ein bestimmter Wille entsteht. In keine Gleichung kann man in irgendeiner Form einen Aspekt des Willens einsetzen, der dann etwas bewegt. Diese Unmöglichkeit, etwas Wollendes in der Physik zu berücksichtigen, wird weiter diskutiert im Artikel Freier Wille ↗

Das Fühlen


"Ich fühle mich von der Bewegungd der Gestirne inspiriert", "Lea empfand etwas Sonderbares beim Anblick des Mondes" oder auch "der Einbrecher erschrak beim Klang der Alarmanlage": diese Sätze sagen aus, dass ein wahrnehmendes Subjekt psychische Zustände wie Inspiration, Empfindung oder Schrecken hatten. Diese inneren Zustände wurden ausgelöst durch Geschehnisse oder Zustände der physikalischen Welt. Auch dieser Aspekt wird aber in den Naturwissenschaften nirgends abgebildet. Wiederum gibt es kein Formelzeichen, das für das innere Erleben eines Subjekts steht. Max Planck beschrieb dieses "Eliminieren der Sinnesempfindungen" sehr deutlich in einem Vortrag aus dem Jahr 1908.[4] Die Position, dass man jedes subjektive, psychische Innenleben von der Physik und den Naturwissenschaften überhaupt fern halten muss bezeichnet man als Objektivismus ↗

Das Handeln


"Der Maschinist setzte die mächtigen Motoren in Gang", "Tibor verursachte mit seiner Rede einen großen Trubel" oder "Wir müssen etwas am Wetter verändern": diese drei Beispiele unterstellen dem Subjekt der Sätze, dass sie den Gang in der Welt irgendwie verändern könnte. Ohne ihr Tun, so die meist unbewusste Annahme, wäre die Welt anders verlaufen. Mit diesen Beispielen sind wir wieder beim Freien Willen, nämlich dessen unterstellter Fähigkeit, etwas am Gang der Welt verändern zu können. In der Philosophie ist dieser Aspekt des freien Willens ein Teil vom sogenannten Geist-Materie-Problem ↗

Fußnoten


  • [1] Dass die Bezeichnung des Verbes als Zeitwort unglücklich gewählt ist, bemängelte im Jahr 1793 das bekannte Lexikon Adelung: "Das Zeitwort, des -es, plur. die -wörter. 1. Überhaupt ein jedes Wort, welches eine Zeit bedeutet. So könnte man die Adverbia Temporis Zeitwörter nennen. 2. In einem andern Verstande hat man in den Sprachlehren die Verba Zeitwörter genannt, weil sie unter andern auch die Zeit bezeichnen, wenn eine Handlung geschiehet. Allein, da dieses nur Eine von den vielen Bestimmungen ist, welche die Verba bezeichnen, und nicht einmahl eine der vornehmsten, indem der Begriff der thätigen, oder leidenden Handlung der Hauptbegriff ist, die Bezeichnung der Zahl, Zeit u.s.f. aber nur Nebenbestimmungen sind: so ist diese Benennung unschicklich, weil sie zunächst an die Adverbia Temporis erinnern muß, welche wahre Zeitwörter sind. Da der Begriff eines Verbi sehr zusammen gesetzt ist, so wird sich wohl nicht leicht ein schickliches Deutsches Wort ausfindig machen lassen, welches auch nur den Hauptbegriff mit Präcision und Geschmack ausdruckte, daher man lieber den Lateinischen Ausdruck beybehält, bey welchem man an die Wortbedeutung nicht mehr denkt, daher man jeden Begriff damit verbinden kann." In: Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1680-1681. Online: http://www.zeno.org/nid/2000054714X
  • [2] Die Gleichsetzung von Verb, Zeitwort, Tunwort und Tuwort findet sich in: der Artikel "Verb". Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache. Stand 11. Januar 2025. Online: https://www.dwds.de/wb/Zeitwort
  • [3] Verben drücken so etwas wie Handlung, aktives Eingreifen in ein Geschehen aus, wobei die Idee der Kausalität einbezogen ist: "Eine große Anzahl Modificationen des Verbalbegriffs werden durch verschiedene Endungen am Stamm des V-s ausgedrückt, u. so entstehen Intensiva, welche eine Verstärkung od. das eifrige Beharren bei einer Handlung ausdrücken; Imitativa, welche eine mit öfterer Wiederholung der Handlung verbundene Nachahmung; Inchoativa, welche einen entstehenden, seiner Vollendung sich nähernden Zustand, ein Werden; Completiva, welche das Eingetretensein eines Zustandes, ein Sein; Assimilativa, welche die Wiederholung einer Handlung von der Art der im Stammwort angegebenen, od. eine dem Stammbegriff ähnliche Handlung od. Zustand; Effectiva, welche eine anhaltende Beschäftigung mit der Bewirkung des im Stammbegriff Genannten; Deminutiva, welche eine Verminderung, Abkürzung der Handlung; Frequentativa od. Iterativa, welche eine öftere Wiederholung der Handlung zu einem bestimmten Zweck; Meditativa (Desiderativa), welche ein Verlangen, Trachten in einen Zustand zu kommen, od. an einer Handlung Theil zu nehmen; Factiva, welche das Ausführenlassen einer Handlung durch Andere; Causativa, welche den Zustand, den das Subject in einem andern Gegenstande bewirkt, ausdrücken etc." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 454-455. Online: http://www.zeno.org/nid/20011204427
  • [4] Das Ausschalten der subjektiven Anteile von Sinneserlebnissen aus der physikalischen Beobachtung beschrieb der Physik Max Planck anschaulich auf einem Vortrag im Jahr 1908: "Welcher Physiker denkt heutzutage bei der Elektrizität noch an geriebenen Bernstein oder beim Magnetismus an den kleinasiatischen Fundort der ersten natürlichen Magnete? Und in der physikalischen Akustik, Optik und Wärmelehre sind die spezifischen Sinnesempfindungen geradezu ausgeschaltet. Die physikalischen Definitionen des Tons, der Farbe, der Temperatur werden heute keineswegs mehr der unmittelbaren Wahrnehmung durch die entsprechenden Sinne entnommen, sondern Ton und Farbe werden durch die Schwingungszahl bzw. Wellenlänge definiert, die Temperatur theoretisch durch die dem zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie entnommene absolute Temperaturskala, in der kinetischen Gastheorie durch die lebendige Kraft der Molekularbewegung, praktisch durch die Volumenänderung einer thermometrischen Substanz bzw. durch den Skalenausschlag eines Bolometers oder Thermoelements; von der Wärmeemfpidnung ist aber bei der Temperatur in keinem Fall mehr die Rede. Genau ebenso ist es mit dem Begriff der Kraft gegangen. Das Wort „Kraft“ bedeutet ursprünglich ohne Zweifel menschliche Kraft, entsprechend dem Umstand, daß die ersten und ältesten Maschinen: der Hebel, die Rolle, die Schraube, durch Menschen oder Tiere angetrieben wurden, und dies beweist, daß der Begriff der Kraft ursprünglich dem Kraftsinn oder Muskelsinn, also einer spezifischen Sinnensempfindung, entnommen wurde. Aber in der modernen Definition der Kraft erscheint die spezifische Sinnesempfindung ebenso eliminiert, wie in derjenigen der Farbe der Farbensinn." In: Max Planck: Die Einheit des physikalischen Weltbildes. Vortrag, gehalten am 9. Dezember 1908 in der naturwissenschaftlichen Fakultät des Studentenkorps an der Universität Leiden. Die Haltung, dass man das subjektive Empfinden aus den Naturwissenschaften fern halten muss, bezeichnet man als Objektivismus ↗
  • [5] Im englischen Original heißt es: "Science must be written in prose, in objective language, and its literature will ultimately be a collection of formulae and statistics." In: John Yerbury Dent: Reactions of the Human Machine. Victor Gollancz Ltd. London. 1936. Insgesamt 288 Seiten. Siehe mehr zu dem hier zitierten Buch im Artikel Reactions of the Human Machine ↗